Dieses Blog durchsuchen

ALL TAG

Donnerstag, 3. Mai 2012

Reisefieber. III. Reisetagebuch 1995.1996. Italien. Frankreich


REISETAGEBUCH  1995

1. Januar 95. Stehen spät auf. Anruf Ls Mutter. Fahren ans Meer mit Flocky. Sturm. Spazieren bis zu den Einfahrtslampen. Um 12 wieder zu Hause. L. wieder großartiges Essen. Pilze, Sellerie, Fleischbraten.. Nudeln. Trinken Champagner dazu.
Abends telefoniere mit Mutter. Sie liest in meinem Gedichtband.

2.-5.Jan. Arbeit am Verweser. Sehr gut voran.

Mittwoch, 4. Januar. Sehen uns mit Ilse Staff. Hatte abgelehnt, uns am 1. zum Tee zu sehen. Kann dieses Teesehen nicht ausstehen.  Kurz aber herzlich. Sie ziemlich neurotisch. Hab ihr einen Brief zu STEHENDES ICH geschrieben, das sie gelesen hat, gute Worte, aber auch Kritik: Goffy.

6. Januar. Bei Francesco. Florenz. Vgl. Notizbuch. Music. Farlani und  Utamaro. kennengelernt.
     Utamaro Fickszenen löschen Pornographie aus. Der haarige Eingang mit dem Stengel. Auch von hinten. Die haarige Amöbe. Dann das Autoporträt von Music. Mehrer Schichten                                           
     Etwas ungehalten, weil F. sich vor allem an L. wandte. Doch auch ich war nicht gut, keine Redeekstasen mehr wie früher. Keine Lust. Müde. Aber auch das Hirn geht nicht mehr so gut.
     Nachts deshalb Sorgen.


7. Januar. Sehr schlecht gelaunt. Stumm fast. L. macht mir Vorwürfe. Unterschwellig dieser Groll. Legt sich nach einem Spaziergang. Dann Music-Bild, "Wir sind nicht die Letzten" - Ich sage: Der Schrei. Sie: Der Mann. Zuerst der Mann. Das Haus hat sich verändert.
     Schreibe am Verweser


8. Januar. Sonntag  F. ruft an. Reden über Music. Über unseren Besuch. Sollten uns öfter sehen, auch bei Ausstellungen. Am 12. April in Parma Mattioli. Im April Farlani. Farlani einen Druck L. geschenkt, weil sie ihm einen Text von F. über Farlani sehr schön übersetzt hat.
     Abends bei GBFischer. Sehr lahm. Redet kaum noch. Auch ich wieder unlustig und müde. Obwohl ich eine ganze Bibliothek von Esoterik mitgenommen habe. Er hatte danach verlabgt. Bleibt bei Köstler "Die Wurzeln des Zufalls" hängen.
     Essen das traditionelle Huhn. Rotwein.Trinke zu viel. Aus Frust.   
Rede über meinen VW. Nur Annette reagiert. Sagt, bei 1000 Seiten 2 Bände. Er winkt ab. Sagt, auch die Buddenbrooks sollten nach Papa Fischer zur Hälfte gekürzt werden. Ist nicht geschehen, Ich sage, dann hätte er wohl den Nobelpreis nicht erhalten.
     Ärgert mich, dass er sich mir kaum zuwendet. Wieder L. Aber ich sollte es ihr doch gönnen. Wie viele Frustrationen, da immer ich im Mitgelpunkt  stand, hab ich ihr beschert.
     Am Schluß bin ich ärgerlich, weil die Bibliotheksliste ganz falsch geschrieben wurde, Fehler: Dudenbrooks. usw. Sage, das hätte Heimann  oder Loerke  sehen müssen! In diesem Haus kann … darf das nicht sein. Er: Ist ja nur zum Verkauf der Bibliothek.  Ich seh, wie er Geld und Literatur trennt. Schlechtes Omen für ihn.
     Schlafe schlecht aus ähnlichen Gründen wie am 6. Nimmt meine seelische und geistige Kraft ab, mein Vermögen zu formulieren, zu erzählen. Kein drive  mehr?

9. 1.  kommen Briefe:  Aescht, der stolz ist, dass er mit mir korrespondieren kann. Mein Selbstbild ist wohl zu schwach. Und nicht richtig.
     Auch von Scoradet  aus Bukarest, dass die VT nun doch schon im Jan. erscheinen! Freue mich sehr. Wieder wohlauf.

     Gestern in TB  gesucht: Psi-Kongreß  vom Juni 86 in Milano. War viel wichtiger als jetzt Mai 94, jetzt enttäuschend. Damals hatten mich vor allem die Fernsehbilder beeindruckt, wie sich aus dem Nebel Menschengesichter bilden und Landschaften! Fand es nicht. Sah aber, welch ein ungeheurer Reichtum in den Notizbüchern seit 1968 liegt:  26 Jahre.

10. 1. Bankgeschäfte. Da der Kurs der Lira  verfällt. (1052). Faxe an Grosse. Dann Telefonat. 3000 auf Postbank von Girok. (Wo noch 4000). 500 hierher vom Festgeld (monatl. immer am 19. 17300, jetzt 12300.)
     Iardella  Ricardo: Anette, die Malunterricht gibt, möchte für Sept., seine Häuser mieten.

     Gestern wie seit mehreren Tagen "Heraklit" von De Crescenzo - L.s Übersetzung gelesen. Sagt C., dass wir uns Gottseidank nicht erkennen können, also immer ein falsches Selbstbild, entweder postitiv  oder negativ. Vielleicht hat L. ein gelichgewichtiges?  Was uns am Leben erhalte, sie die Anmaßung. Stimmt. Sonst sie es schwer genug, das eigene Aussehen und das bevorstehende Alter zu akzeptieren. kaum auszuhalten, zu erkennen, dass wir auch noch dumm sind? Bin ich es, schlägt mich das nieder?

13.-15. Jan. Haus Casa Gioa Nachbarhaus zum Verkauf. Ich rechne. Wir überlegen. Piero D. gibt den Ausschlag, der "ragioniere", unser Haus wächst im Wert um so viel, wie wir jetzt ausgeben, außerdem die Ruhe, dann Gästehaus, Tauschmöglichkeiten usw. Und insgeheim, beim Streit, weiß man wo man hingehen kann.
     Ein junges Paar, er Versicherungsagent (30) und bekommen jetzt ein neues Kind. Sind gezwungen  zu verkaufen.

16. Montag wollte Entrup anrufen. Kein Anruf.
17. Dienstag. Geldgeschäfte wegen Haus. Telefonate mit Grosse St.B. und Schweiz Bankverein. Doch täglich auch VW. 20 Seiten.

20.21.22. Jan.  Geburtstag bei GBF, Annette fährt ab. Zeigt uns ihre Skulptur "Surviver" - ohne Kopf. Doch aus der Brust entsteht ein Phantomkörper.
Samstag 21. Abends  Piero u. Cristel. Feiern den Vorvertrag. Die Frauen ziehen sich zurück. Ich mit dem müden P.
Am Sonntag. L. dieses störrische Kind. Ja, so muß man sie sehen. Rechthaberisch, herrschsüchtig. Sie der Nabel der Welt. Verteidigt ihre Spielzeuge. Diesmal den Computer. Läßt sich nichts sagen.
     Ich aber bin unfähig zum Streit. Schwach. Sie ist nervenstärker und eben wie Kinder bedenken- und gedankenlos. Gefühlsinitiativen und Streicheleinheiten immer von mir.


     Versuchen cooler zu sein.
     Anruf von Francesco. Fragt nach dem Music-Gedicht. Anruf Niti, Geburtstag. Ihr KInd hatte in Afrika Malaria, im Senegal, woher E. ihr Mann stammt. Sagt mir, dass HJ Schmitt in der Süddeutschen eine Rezension über STI geschrieben hat. Lang und gut.

GESICHTER DER GESICHTER
Z. Musics Selbstporträt bei F.D.

Gesichter der Gesichter
sind ein Fenster aus dem Nichts
die vielen Toten haben sich verwandelt
sie sind hineingehauen hier ins Fleisch
als wäre es  Christus der schon schwarz
in einem Rahmen steht

Was habt ihr mir gesungen Herz
die Totenopfer die nicht sterben können
sie haben wieder Mut:
sie stehn hier auf in neuem Grau
die Asche leuchtet rot im Licht
die innere Gluht  sie schlägt
darunter Kohle
das Gesicht-  Kontur.

6./23. Januar 95

5. Februar. Mittagessen bei GBF.  Er zeigt mir die Bilder seiner Eltern, der Sanítätsrat. Die Schwester ist in Norwegen von den Nazis  deporiert  worden, in Auschwitz ermordet. Ebenso ihr Mann. Der Vater noch in Berlin gestorben. Die Mutter erst nach dem Krieg in Holland und dort beerdigt.

Auch das Buch von seiner Frau Tutti Fischer wurde in der FAZ verrissen. Wir sprechen über meinem Verriß in der FAZ des Stehenden Ich. Am 3. Er wußte es schon. C. Baumgarten hat es ihm am Telefon gesagt.


11.4. Mattioli-Ausstellung.
Annas Erlebnis.

     Alles  hatte bei einer Mattioli-Ausstellung auf dem schönen Landgut Magnani-Rocco bei Parma begonnen, es ist das Landgut einer Stftung des bekannten italienischen Musikers und Kunstsammlers; auch er nun schon seit zehn Jahren tot. Ich der Erzähler habe gemeinsam mit dem Maler Mattioli, Magnani war ebenfalls musizierend dabei, von hier aus alles beobachten können; Mattioli wäre sehr gerne bei seiner Vernisage mit dabei gewesen, und wir haben es ihm auch ermöglich, freilich unsichtbar für die Besucher, in den Ausstellungsräumen des Landgutes als stiller Beobachter und nun fremder Gast anwesend zu sein;  und  ich  versuche mich nun, geschätzter Leser, Ihnen verständlich zu machen. Michael Templin, ein Freund der Familie, der ebenfalls jene Ausstellung am 23. Januar besucht hat,  steht nun seit einiger Zeit, ohne dass er weiß, mit uns in Verbindung:

     24. Januar 1997. Von Anfang an ist das Ende gegeben, das ist klar, das ist klar, und ich muß das jetzt aufschreiben: mich hatte diese Ausstellung sehr beeindruckt, und ich habe es auch Hannah erzählt, Hannah, das ist meine Frau. Als wir nach Hause fuhren, auf der Cisa-Autobahn, da hab ich ihr diese unglaubliche Geschichte erzählt, Hannah hatte in Magniani-Rocci nur wenig davon mitbekommen, weil  sie an diesen Sachen nicht besonders interssiert ist:  Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr es dagegen mich erregt hat, es war der einzige Lichtblick, der einzige an diesem Samstag, denn sonst kamen mir diese Ausstellungräume, die geschönten Leute in ihren Sonntagskleidern, die Männer alle mit ihren ewigen Krawatten, und so, schrecklich hohl und leer vor, und kein Funke sprang von den Mattioli-Bildern über, keiner. Sonst war ich richtig geprickt  und angemacht gewesen, jaja,  von Mattiolis  Bíldern, hatte gerne darüber auch geschrieben, immer wieder, diese Reduktion der Welt auf Null mit farbigen Anwesenheiten an allen möglichen Grenzen; und ich hatte plötzlich Angst, ausgebrannt zu sein, und dachte an meinen alten Freund Cioran in Paris und an diese Schrecklichkeit des Alterns, dass er jetzt gar nicht mehr spricht, sich nur durch Gesten und Gebärden mitteilen kann, falls der Stupor  es zuläßt, und dass er jetzt sein Lebensprogramm der "prunkvollen Verwüstung" erfüllt hatte, so dass jetzt der ausgebrannte Geist nun in seiner eigenen Nichtigkeit dahintrocknet; fast schlau hat der Verstummte dazu als letztes nun ein Jugendwerk "Gedankendämmerung" in Deustchland erscheinen lassen, das er in seiner Muttersprache noch 1940 in unserer gemeinsamen Heimat veröffentlich hat; damals war ich genau sechs Jahre alt gewesen. Gewesen? Nun gut, lasse aber mein Erinnerungen jetzt nicht durchbrechen. Ich sprach mit Michum, unserem Analytiker, der aus Florenz auch zu seinem Lieblingsmaler  und Freund gekommen war,, doch der über meine Befürchtungen, doch der winkte nur mit einem gequälten Lächeln ab und sagte,  die Räume hier seien auch für ihn furchtbar leer; der Maler fehlt mir sehr, sagte er, es ist hier alles wie tot. Der alte Maler war nämlich im Juli  vergangenen Jahres gestorben, und Michum, der auch noch eine krebskranke Freundin mitgebracht hatte, die nur noch einige Wochen zu leben hatte, war sehr traurig, sein Blick abwesend; wir irrten also zwischen Mattiolis Bildern umher, viele alte Bekannte darunter, und landeten schließlich in einem Vorraum, wo Mattioli wirklich da zu sein schien, was noch unerträglicher war, kaum auszuhalten: dies Wiedeoaufnahmen in seinem Atelier, die Stimme, das Gesicht, alles fern, flach und leblos. Nur Anna, die Enkelin, und die Tochter Marcella, die plötzlich eintraten und uns stürmisch begrüßten, hier also, das war mir jetzt klar,  hier also war das Zentrum der Ausstellung, der Bilder, als wäre er genau an dieser besonderen und ausgezeichneten Stelle im Raum anwesend. Und von hier aus sah man auch das erste Bild der Ausstellung, vielleicht das tiefsinnigste Bild, das er je gemalt hatte, und das von hier aus auch die erste Ausstellung ohne ihn, zu beherrschen schien: sein Kopf, ein Selbstporträt, trat aus einem schwarzen Hintergrund hervor, und er hielt die kleine Enkelin, damals noch ein Kind, eng umschlungn, als klammere er sich an diese kleine weiße Gestalt. Im Katalog war dazu auch ein Gedicht von mir abgedruckt, das geht so: 

Auf einem Blick
Jenseits der Tür, davor
das Kreuz, das nach dem Tode
steht. Im Rahmen
stehst du schon
der Tür/ aus
ewiger Nacht

mit einem Fuß

Das Enkel
Kind, das dich umarmt
in Weiß steht
noch im Licht und
hält dich hier.

     Nun gut. Anna zeigte mir auch das zweite Gedicht, ein Gedicht auf eines seiner wunderbaren Kruzifixe geschrieben, das im Kloster von San Miniato in Florenz  aufbewahrt wird. Und  dann sagte sie: ich bin ein Stück von ihm, ich kann ohne ihn nicht leben. Und weißt du, was mir gestern Abend passiert ist, du glaubst es nicht, ich bin auch jetzt noch erschrocken; er hat sich gemeldet, er ist da, ich spüre ihn auch, und meine Mutter, auch meine Cousine Luci haben von ihm in dieser Nacht geträumt, und er hat ihnen gesagt, dass die Ausstellung gut und er einverstanden sei, und dass er auch nach Magnani-Rocco komme, hier also dabei sein wird. Geh, sagte Hanna, die mit zugehört hatte, das ist doch verständlich, ihr hab andauernd an ihn gedacht und natürlich auch an die Ausstellung. Nein, nein, sagte Anna, nein, wißt er, dass er beiden dasselbe gesagt hat, Luci und auch meiner Mutter: infine ho una casa! Endlich habe ich ein Haus. Michum stand auch dabei, und wagte nicht zu lachen Was aber mir passiert ist, du glaubst es nicht, sagte Anna: ich hab immer noch Angst, im Traum ist er ja fast jede Nacht da und zeigt mir dann die seltsamsten Landschaften, führt mich herum in einer ganz anderen Welt, die ich gar nicht verstehe, und er versucht es mir auch nicht zu erklären, wie er auch seine Bilder nie erklärt hat, das war eben so und nicht anders, auch wenn man es nicht begreifen konnte, man ahnte es, man fühlte es man war eben mittendrin - immer mit ihm, und wenn er dabei war, verstand ich es auch; doch gestern Abend, ja, da war ich sehr erschrocken, jaja, auch wenn ihr es nicht glaubt, ich hörte meinen Lieblings-Mahler, die Fünfte, und ausgerechnet bei Maler also, es war schon der zweite Satz, eine gute CD-Aufnahme, da hörte die Musik ganz plötzlich auf, ich dachte zuerst an Stromausfall, doch die Lampe brannte ja, und in diese Pause hinein konnte ich ganz deutlich  seine Stimme hören:  Sono arrivato! Sono  arrivato! Zweimal also Sono  arrivato!   Ich lief vor Schrecken hinaus. Und als ich mich wieder erklaubt  und die Angst überwunden hatte, wieder ins Zimmer kam, da lief weiter die Fünfte, so als wäre überhaupt nichts geschehen, und alles so wie bisher und gewohnt. Doch glaubt mir, das Zimmer hatte sich verändert. Und ich dachte auch das Bild, dieses Motiv, wo er mich in den Armen hält, war verändert, das Licht war anders, und auch  ich weiß nicht was ... Aber es ist ja nicht so, dass er nicht auch ein anders mal da gewesen wäre, doch im Tarum  ist das ja ganz normal, nur hier so, in der Wirklichkeit? Da paßte er gar nicht hierher, da war er eben ein Schrecken, obwohl es gar nicht so sein dürfte. In den Träumen kommt er, setzt sich an mein Bett, und nimmt mich an der Hand, dann fliegen wir fort. Und er zeigt mit diese Landschaften, auch Leute zeigt er mir, mit denen er nun zusammen sei, seine "Freunde". Und jetzt sei er ja zu Hause, sagt er. Und es ist wie früher beim Malen, nur braucht man kein Malgerät, sagte er, man denkt es nur, stellt es sich vor und schon ist die Landschaft wirklich da, fabelhaft sei das, wie schön, und gemeinsam stellen sie nun diese Landschaften her, in denen sie leben, auch die Häuser , in denen sie wohnen. Und einmal zeigte er mir ein "Objekt", es schien zuerst aus Papier zu sein, doch wars dann doch ein ganz anderer, mir unbekannter Stoff, und in dieses Ding, das ganz merkwürdig gefaltet war, aussah wie ein Rettungsring, und mein Großvater, der hat ja immer so eine Schwäche für Geometrie und Topologie gehabt, wie er es nannte, wir haben ja beim Abbi auch sowas lernen  müssen, und er sagte, dies sei so etwas wie ein Hypertoroid, und es enthalte die drei normalen und zusätzlich die drei zeitlichen Dimensionen. Sei aber selbst zeitunabhängig, und es war ganz merkwürdig da drin, und  da konnte man malen und zeichnen, aber nur in Gedanken, und war sofort weit weg, vor und zurück, bis weit in die Zukunft hinein. Und er sagte, daher sei es ja auch so schwierig,  sich gegenseitig zu besuchen, weil so unterschiedliche   Welten etwa unseren Biorhythmus stören könnten beim Eintauchen in zukünftige Zeit, und es käme alles durcheinander. Nach dem Aufwachen war es mir ganz unheimlich, weil alles so wirklich gewesen war, echt! Und ich hörte immer noch seine liebe Stimme und fing auch an zu weinen, schluchzte in mein Kissen, das dann ganz naßgeweint war.
     Anna sagte, sie habe schon viele Traumtagebücher geschrieben seit dem Tode ihres Großvaters, und das wichtigste, was er ihr erzählt habe, sei ewas ganz Verrücktes, nämlich dass alles zu gleicher Zeit geschehe
     Wie das, fragte ich.
     Nun, es gebe überhaupt eine ganze Reihe von Leben, in denen wir mit dabei sind, jetzt, in diesem Augenblick, du und ich auch. Viele andere Leben in ganz anderen Gegenden, als wir sie uns vorstellen können.
     Ja, sagte ich, da fällt mir ein schönes Gedicht von Friedrich Hölderlin dazu ein: Es ist unmöglich, und mein innerstes/ Leben empört sich, wenn ich/ denken will, als verloren wir uns./ Ich würde Jahrtausende lang die Sterne durchwandern, in allen Formen/ mich kleiden, in alle Sprachen des /Lebens, um dir einmal wiederzubegegnen./ Aber ich denke, was sich/ gleich ist, findet sich bald.
     Sehr schön und richtig, ja, genau so ist es, rief Anna.
     Unser kleiner Kreis hatte die Ausstellung und die vielen Leute völlig vergessen, die sich vor den Bildern drängten,.
     Und ich lachte, und sagte, zu Hause als Kind, da habe mein Bruder immer wieder rausbekommen  wollen, wie man sein eigener Großvater wird; und wir hatten ihn als kleinen dicken Witzbold immer ausgelacht.
     Und es ist gar nichts zu lachen dabei. Ja,  wenn die Leute sagen, in einem anderen Leben könnte ein Paar die Mutter-Tochter- Rolle spielen, in einem anderen aber die von Vater und Sohn, oder dass ich hier die Tochter meiner Mutter sei, ein andermal aber ihr Vater sein könnte, ist das gar nicht nacheinander, sondern überhaupt gleichzeitig, und wir könnten das keinesfalls verstehen, einigermaßen mit übereinanderlaufenden  Filmen könne man das vergleichen, wobei mal der eine, dann der andere Filmstreifen bewußt werde, wir aber die übrigen immer wieder vergessen, ja, vergessen müßten, um leben zu können. Und überhaupt sei  ja die Leinwand jener Ort (gar toplogisch zu nennen!), wo etwas erscheine und dann wieder spurlos verschwinde, wie  in Gespenster- und Gruselfilmen sei  das, diese  Erscheinungen seien da, redeten uns an, wir aber säßen ein wenig dumm  auf unseren schwarzen Sesseln, flögen, an unsere Augen gefesselt, über sie hinweg, so als wären sie gar nichts, und dann aber flögen auch sie selbst, diese Gespenster, kaum zu glauben, und doch sähen wirs ja wirklich und deutlich! Und nur weil das, was man im Film nicht sehe, über die Zeit hinwegspringe, naja, könne so etwas überhaupt sein. Aber das Zeitspringen  das, was in Wirklichkeit geschehe! Und dann bückten wir uns, sozusagen symbolisch, um nicht davon getroffen zu werden, Huuh, das wäre grauslig, entsetzt aufgerissene Augen, und werden dann doch berührt! Aber genau so sei  das ja in Wirklichkeit, was wir vergessen müßten, jeden Augenblick seien wir unser eigenes Gespenst. Sie dort aber, wo sie jetzt sind, sie hätten nun eine Art Brille, so dass sie dies Filme alle gleichzeitig sehen könnten. Vor- und rückwärtslaufend. Egal, das könnten sie.  Oder auch ein  Film, der sich aus dem andern entwickelt und so. Und dieses Auftauchen und plötzliche Verschwinden  bei uns von solchen Dingen sei völlig normal, und immer geh doch alles  mit rechten Dingen zu, nur seien wir zu blöd, es zu begreifen, sagte er auf seine grantelige Art, die ich so lieb habe: weil doch diese Dinge, auch er etwa, falls er bei uns auftauchen wolle, was er nicht tue, um niemanden zu erschrecken, sei doch nur deshalb möglich, weil er in einem Zeitbereich  lebe, in dem unsere Vergangenheit nur Teil des großen, uns entzogenen, dimensionalen Zeit-`Raumes`sei. Oder so ähnlich, so genau kann ich das nicht mehr auseinanderhalten! Jedenfalls gebe es keinen Tod. Aber eines erinnere ich noch, das war ein anderes Mal, als er sagte, das könne man bei Ufo-Landungen  auch bemerken, die bei uns  blöderweise immer noch geleugnet werden, da blieben an solch einem Ort Reste der Spuren künftiger oder vergangener Zeit, die etwa den Gang von quarzzgesteurten Uhren beeinflussen, Boden und Vegetationsveränderungen hinterlassen, diese Zeichen in Kornfeldern etwa. Und wir selbst projizierten  Filme, und alles was geschehe, sei  ein Netzwerk von solchen Bewußtseinsfilmen. Und es gehe eigentlich nicht immer so weiter, denn es sei alles schon unendlich weit gegangen, eine große Verknüpfung, in dem die einzelnen Lichtpunkte andauern an anderen Orten aufleuchten, und so der Anschein von Weitergehen entstehe.
     Na siehst du, und mußt nicht traurig sein, sagte Hannah ein wenig spöttisch, wenn auch nachdenklich geworden, was du alles so einem Großvater zu verdanken hast. Meiner hat mir nur Geld hinterlassen. Dazu hat  dir deiner noch ein ganzes Museum von Bildern geschenkt, das sehr viel mit jenen Filmen zu tun haben, von denen du erzählt hast.
      
     Wir verließen schon   am späten Nachmittag Magnani-Rocca, blieben nicht  bis zum kalten Büffet. Ich war von den Träumen Annas so beeindruckt, dass ich auf der Heimfahrt von nichts anderem sprach. Wir fuhren von Traversetolo  in Richtung Apennin, man sah die schneebdeckten  Berge der Emilia, und ich sagte zu Hannah, wir sehen uns ja nun hier im Auto, und zugleich  sehen wir dort auf die Schneeberge, mit den Gedanken sind wir jedoch immer noch in Magnani-Rocca  bei Annas Gruselgeschichten, wenn das, so oberflächlich gesehen, nicht auch drei-vier "Filme" sind. Ich muß die ganze Zeit daran denken, dass ich meinen Roman nicht mehr einfach so lassen kann, wie er bisher war, ich brauche einen neuen Anfang. Nämlich diesen. Und ich brauche solch ein wirkliches  Netzwerk , wie es Anna geschildet hat. Aber weißt du, ich freue mich jetzt sehr, auch wenn ich gestreßt  bin, weil da von den Bildern Mattiolis diesmal zum erstenmal kein Funke zu mir übergesprngen  ist, und ich mach mir Sorgen, dass ich alt werde. die Wahrnehmungen  abbnehmen
     Nein, nein,  protestierte Hannah, ich glaub das nicht, du bist eben in deiner Phantasie  sehr mit deinem Roman beschäftigt.
     Ja, Hannah, ich freue mich in Tat, dass ich jetzt meinen Roman so mit dir erleben darf, und  weiß jetzt auch, warum ich solches Glück empfinden kann, wenn ich meine Collagen im Roman zusammenbringe, weil ich dann jenem Netzwerk  nahe komme. Eine Art Engelarbeit: Je mehr Einzelszenen oder auch Fragmente sich gegenseitig anziehen, dichter werden, ein annäherndes Ganzes ergeben, umso größer ist die Erregung dieser intuitiven, ganz persönlichen und doch sich selbst überschreitenden  "Sinnarbeit", die sich eben einem Unerreichbaren, einem verborgenen Ganzen annähert. Personen und Ereignisse ziehen sich auch so an, keiner weiß warum, der innere Sinn aber, der ist nur fühlbar; nie erklärbar, du wunderst dich ja auch, wenn das Telefon  läutet, du hast eben an Pia gedacht, und sie ist am Apparat;. und eigentlich müßte ich meine Personen, da sie ja zum Teil in der "Zukunft" leben, oder solche, wie mein Doppelgänger Nicco, in der Vergangenheit, aber auch jene, die "dort" sind, wie Mattioli, gleichzeitig hier jetzt "mitfühen", in  mehreren Spalten, dass sie sich aber dann ihre Bewußtseinsströme verschränken, überschneiden: sie selbst dann plötzlich hier auftauchen wie Geister. Und ich oder du bei ihnen auch als Phantom erscheinen. Was allerdings gefährlich sein soll, Verstörungen  hinterläßt.
     Weißt du, was mich ein wenig stutzig macht? Du sagst, es vergehe eigentlich keine Zeit, es geschehe alles gleichzeitig. Dabei sehe ich doch, wie mein Vater altert, sich verändert,.. Und wir, du hast doch vorhin dein Lamento  angestimmt! Das Gesicht ist auch im Spiegel zu sehen.
     Es gibt wirklich nur diesen Augenblick. Sonst nichts. Das heißt, auch er ist schon vergangen. Und das Gedächtnis, die Fakten selbst sind  vergangen. Und auch dein Körper ist nicht der, den es vor einem halben Jahr gegeben hat. Es  sind ganz neue Zellen, die ihn möglich machen. Das Erscheinungsbild  aber ist da, nach einem bestimmten Wissen, das zu deinem Bild gehört, und dieses dann herstellt. In diesem Wissen ist nicht nur das, was gewesen ist, sondern auch das, was sein wird,  gespeichert.
     Das ist so schwierig, kaum zu verstehen, sagte Hannah.
     Aber nur, weil wir so eng denken, nur faktisch, also in einer Illusion gefangen sind. Denn eigentlich ist jene andere Möglichkeit viel plausibler und unserer  Reife näher, sagte ich. Ist nicht auch die Zukunft andauernd da. Denk nur, du fährst doch jetzt genau diesem Gedanken nach: ich will jetzt nach Hause kommen. Alles andere ist dieser Zukunft untergeordnet, die doch herbeiführst, verwirklichst ...


13.4.-22.4 Besuch L. Bidian und Katja. Schlechte Mischung Freundschaft- Vermieter.
Und lernte K. dann kennen. Hart. Egoistisch. Kaum Zugang zu mir. Kein Interesse an meinen Gedanken und Arbeiten. Hörte weg. Redete monoman. Und Rechthaberisch. Am Schluss dann mein STI, das ich ihr widmen wollte, abgewiesen. Das bleibt. Aber als hätte ich etwas verloren, und hatte es auch. Mein e Emotion, meine Erinnerung sträubte sich dagegen. Es tat weh. Siebenbürgen und die alte Wunde gehört dazu.

23. 4. Und heute ein anderer Abschied. Von Circel (Flocki). Harnstoffvergiftung. Urämie? Morgen soll er eingeschläfert werden. Es ist kaum vorstellbar. Auf dem Boot heute da war jede Ecke von ihm besetzt. Er war ja auch Kindersatz. Und dieses Töten widerspricht mir. Ich würde ihn lieber sterben lassen. Er hat ja kaum Schmerzen, ist ganz vernebelt. Aber L. ist da entschlossener als ich. Auch dieser "kleine" Verlust tut weh, er war unser Hausgenosse seit 17 Jahren.
     Mein Gedicht in Marciana vom 30. Juli 94. Heute neu geschrieben, wo es leider, leider nun endgültig gilt, du warst noch fast neun Monate bei uns:

EINE HUNDEBALLADE FÜR FLOCKI, UNSERE LIEBSTE KLEINE KREATUR
Auch wenn du gehst, bleibst du erinnert hier,
warst  siebzehn Jahre mit uns kleines Tier.
Warst hier, wir beide haben diese Bilder
                            noch ins uns:
du kamst als kleines Knäuel, ein Tierheimarmer
                            früh zu uns.  

So ruh in Frieden, geh zurück, woher du kamst,
wir bleiben hier und trauern lang,
                            und suchen dich
noch eine Zeit in jedem Winkel unseres Hauses,
und wo du saßest,  liefst und belltest ist ein leerer Platz,
der wehtut, den du mitnahmst, kleiner Kerl,
den wir gemocht, der lang in unserem Leben war,
und uns beschenkt mit  dem Bellino-Wesen.
Du, Flocki, liebster Hausgenoss seit Jahren.

Wir suchen dich wohl noch in unseren Träumen,
dort, wo dein kleines schwarzes Bild uns bleibt.
Vielleicht begrüßt du bellend  uns, wer weiß,
in einem Himmel, den wir ahnen, und nur fühlen können,
vielleicht sehn wir uns später einmal wieder, wer weiß.

30. Juli 1994/ 24. April 1995


Ob mich da auch eine Schuld trifft, weil er für L., auch für mich, der Kindersatz war?

24. April. Nachts bellte Flocki gellend, wir konnten ab 4 Uhr nicht mehr schlafen. Er hatte Schmerzen. Um halb neun fuhren wir zur Tierärztin in Camaiore, er lag schon mit seinem Leichentuch eingewickelt halbtot in seinem Körbchen. Die Ärztin führte eine Kanüle ein, in die kaum findbare Vene. Ein starkes Schlafmittel und dann das Gift. In Sekunden war der kleine Kerl tot. L. weinte, hielt ihm das Köpfchen die ganze Zeit, ich auch. So humanisiert man die Kreaturen. Wir fuhren wieder nach Hause mit dem kleinen Leichnam. Und begruben ihn zwischen den Tannen, Weihnachtstannen, wo er ja auch immer mit dabei gewesen war. Ein kleiner Carrarmarmorstein mit seinem Namen, ein Holzstab. Und das Gedicht bekam er zwischen die Pfötchen.  L. war gefasst. In mir war es schwer, und ist es noch.
Als wäre dieser Platz entsprechender als das Gequäle des armen alten Körpers. Jetzt ist seine Energie frei.

Auf dem Anrufbeantworter nun auch die Nachricht, dass Roxana tot sei. Goffy  hatte angerufen. Vorher sagte es uns Iva. Das ist wirklich etwas anders, als unser armer alter Hund, der sein Leben gelebt hat. Sie hinterlässt einen kleinen 22 Monate alten Jungen: Pietro. Heute Nacht ist sie gestorben.


Was wirklich wahr ist, gibts noch nicht.
Und alles andere ist vergangen.
Die schnelle Geschwindigkeit dieses Tages
setzt du auch morgen nicht zusammen.

Am alten Turm zeigt die Uhr unaufhörlich zwölf.
Unerlaubt scheint das wirkliche Weinlaub.
Sprünge und Risse im Blickfeld   Und alles
eilt/ Du hältst es notdürftig zusammen

treibst wie eine Mauerblume
Synthese zum Vor-
Schein.

Und wir saßen an diesem Tag in winzigen plätschernden Wellen, es schien in ihrer Sanftheit so, als wollten sie aufhören. Vor dem Sturm ist es meist ungeheuer sanft das Wasser, kleine Seespinnen rennen dann über die glatte Fläche. Netz. Denk du an ... Arachne vielleicht. Über uns ein altes Gefängnis. -   Ich las in einer gescheiten Untersuchung über den Tod, fand mich in der Beschreibung dieses Kreisens an den Rändern des Bewußtseins, das bald explodieren muß, wieder.

Liebe und Tod und die Revolte durchbrechen ein aufgezwungenes künstliches Ich, machen sprachlos. Widerstand gegen die Vatersprache, die abendländische. Und die Muttersprache der Gefühle, des Alltags? Und ihr mit offnen Sinnen wahrnehmbares Geheimnis? Dafür sind nicht einmal unsere Sprache, unsere Sinnkonstruktionen geeignet.


Nirgends hab ich die schamvolle und peinliche Selbstentlarvung heftiger gespürt, als unter rumänischen Menschen, diesen naiven Selbstbetrug des Planens und "Wissenmeinens", ohne es auch erfahren und gelebt zu haben. Als hätten sie jenes "Ich des Ich" (Cioran) (diesen im Westen so hochtrabend "transzendentales Subjekt" oder einfacher Selbst genannte "Beobachter" in uns) immer dabei, so dass sie gar nicht handeln müßten, sich etwas vorzumachen, wobei jener Andere uns doch nur auslache! Cioran meint, "was ich tue und sogar, was ich bin, hat für dieses Ich weder Bedeutung, noch Wirklichkeit: es ist, als handele es sich um ferne Ereignisse, die längst abgelaufen sind und deren scheinbare Gründe wir entwirren, ohne ihre innere Notwendigkeit zu gewahren. Sie hätten ebensogut nicht sein können, so äußerlich sind sie uns. "
     Daher ist für mich allein Schreiben oder der medititaive Vorgang,  Gespräch, Liebe, auch Naturerlebnis, wo Sehnsucht konkretisiert und aus der Zukunft hereingeholt wird, ins Erlebbare, befriedigend, LEBEN. Schreiben freilich  immer nur Ersatz, das vorausgeworfene, aber wirklich unmögliche Leben. Ein Selbstmord also in Raten. "Jede Tat setzt eine begrenzte Sicht voraus, ausgenommen die Tat der Selbstentleibung... Neben ihr ist alles Belanglosigkeit," heißt es bei Cioran.
     Auch sein "Buch der Täuschungen" ist nun erschienen. Darüber und über das Un-Glück ein Rumäne zu sein, schreibt Klaus Hensel in der NL (7/8). Und bedauert diese "abgrundtiefe Angst vor Europa". Diese Angst ist begründet. Von Rumänien ist an Antiokzidentalem viel zu lernen.

       In einer Glosse  zu Eliade, beklagt Eugène  Ionesco, dass der Okzident nicht der Wahrheit des Orients gefolgt sei, im Gegenteil, der Osten sei am Westen zugrundegegangen, zuerst am Geistesimport, den Ideologien (Marx) und der Technik, er habe sich, wie die Dritte Welt ja auch: den Wahnsinn des Westen  zu eigen gemacht, und dies zerstört die eigenen LebensGrundlagen. Und nun geht der Osten weiter am Konsum, der "Marktwirtschaft" zugrunde.
     Diese rumänischen Autoren und Philosophen im Vakuum sind, fast wie die ganze Nation zwischen Orient und Okzident, "Zwischenschaftler", belastet mit einer Nicht-Identität im Sozialen, Historischen, in einem aufreibenden Zwischenraum des niemals Nachhause-Kommens, immer bodenlos, haben sie jenen andern Grund der Transzendenz nicht verloren, der in Westeuropa überdeckt oder gar schon verloren gegangen ist. Nicht im Satten und völlig angepassten luxuriösen Dahinvegetieren  ist er zu finden, sondern eben gerade in diesem schmerzlichen Zwischenraum, dieser quälenden geschichtlichen Leere, die eine ganze Nation zu einem Opfer gemacht hat, denn aus dieser Leere entstanden die zwei Diktaturen, und eine Kultur im Exil. 
     So geht Eliade in den Himalaja,  wird Eremit, er geht nach Hardwar, wo niemand nach der Herkunft fragt, wo jene hingehn, "die vom Schicksal im Stich gelassen wurden". Ionesco und Cioran verlassen die rumänische Sprache, wechseln sie, und lassen radikal die Vergangenheit hinter sich. Cioran nennt es eine "Emanzipation", außerdem sei es für einen "Balkanesen" gut gewesen, sich in diese "Zwangsjacke" zu begeben, da das Poetische, das vokalreiche, äußerst musikalische Rumänische mit seiner syntaktischen Struktur und lexikalischen Fülle zum Ausufern einlädt. (Entretien a Tübingen, Gespräch mit G. Bergfleth, 1988 L`Herne, Paris).

     Doch schon Eminescu oder Hasdeu waren  "Zwischenschaftler". Und in der Volkskultur gibt es den Hl. Josaphat, der ein indischer Bodhisattva ist, wie Eliade analysiert; "kosmisches Christentum" im Rumänischen, Brancusi etwa, der Bauer, hat solch eine Synthese zwischen Ethnographie und Osten, aber auch zwischen Steinzeit und  Urbevölkerung (Daker) geschaffen.  Wer in den Klöstern der Maramuresch, wer in Tg. Jiu am Jiu den "Tisch des Schweigens" oder "das Tor des Kusses" unweit auch die "Unendliche Säule" gesehen hat, am pantha rhei des Flusses, den läßt dieses Erlebnis des Ursprunges, einmal mit allen Sinnen und elementar erlebt, nicht mehr los. Mich haben gerade diese Provinzen, die Dobrudscha am Schwarzen Meer und Oltenia, der archaische Süden Rumäniens, der ärmste Teil, mehr noch geprägt als irgendwelche archaische und exotische Kulturen, die ich erlebt habe, etwa die Hopis. Oder Mexiko. Eine Sehnsucht geht da zurück, so auch in die Westkarpaten und in die Maramuresch mit den Holzkirchen, Modell auch für den weltberühmten Bildhauer Brancusi. Rauchgeruch, frisches Tannenholz. Wasser. "Ich fühle mich als Nachfahre und Erbe einer interessanten, da zwischen zwei Welten angesiedelten Kultur: der westlichen, rein europäischen, und der östlichen. Ich hatte teil an diesen beiden Welten."


10. Juli 95. Schon vor zwei Wochen hatte Goffy jedes Gespräch über Thomas Mann, Literatur und seine Verlegertätigkeit abgelehnt, ja, gesagt: Hör doch endlich auf damit. Bei mir hat seit einem Traum von meinem Begräbnis und den Ahnen, ich hab ihn ja euch erzählt, eine Persönlichkeitsveränderung stattgefunden. Mich interessiert nur noch dieses Unaussprechliche, sagte er. (Am 31 Juli wird er 98). Er war still, man konnte nicht an ihn herankommen, und alles, was ich tue und schreibe, kam mir daneben so oberflächlich vor. Es traf mich wie ein Schlag. Und ich konnte nicht schlafen
     Heute nun war er besonders abwesend, müde. Er sah L. und dann mich im Laufe des Abends schweigend, lächelnd  an, als müsste dieser forschende Blick in uns eindringen, uns enthüllen, damit wir da seien, wo er sich jetzt befand.
     Annette sagte, es gehe ihm nicht gut, die Nieren, der Kopf. Und tatsächlich, er sagte, nun müsse er uns viel zeigen, sehr viel, sagte er, dann  bat er mich, wir saßen im Garten, von seinem Stammsitz im Zimmer seine Traumbeschreibung  zu holen. Er blätterte  ewig darin. Ich finde den Anfang nicht, sagte er. Wir warteten. Dann begann er zu lesen:  Ich erwachte zwei Uhr nachts, und war angekleidet. Ich stand auf und befand mich in China. Irgendwelche Seeleute. , Europäer und Chinesen waren da, kümmerten sich aber nicht um  mich. Ich war erstaunt, konnte nichts rekonstruieren, verstand nichts mehr. Und es war immer noch zwei Uhr nachts usw. Und das las er mindestens zehn Mal, zuerst dachte ich es sei eine raffiniert komponierte Fuge: ich erwachte zwei Uhr nachts, und war angekleidet. Ich stand auf und befand mich in China. Irgendwelche Seeleute, Europäer und Chinesen waren da, kümmerten sich aber nicht um  mich. Ich war erstaunt, konnte nichts rekonstruieren, verstand nichts mehr. Und es war immer noch zwei Uhr nachts. Ich erwachte zwei Uhr nachts, und war angekleidet. Ich stand auf und befand mich in China. Irgendwelche Seeleute, Europäer und Chinesen waren da, kümmerten sich aber nicht um  mich. Ich war erstaunt, konnte nichts rekonstruieren, verstand nichts mehr. Und es war immer noch zwei Uhr nachts... 
     Dann aber merkte ich, dass er einfach "vergessen" hatte, dass er es schon gelesen hatte. Sein Kurzzeitgedächtnis funktionierte nicht mehr. Der Kopf rauchte mir, ich dachte, ich drehe durch, und hörte immer noch seine Stimme: ... ich erwachte zwei Uhr nachts, und war angekleidet. Ich stand auf und befand mich in China. Irgendwelche Seeleute, Europäer und Chinesen waren da, kümmerten sich aber nicht um  mich. Ich war erstaunt, konnte nichts rekonstruieren, verstand nichts mehr. Und es war immer noch zwei Uhr nachts.

Freitag, 29. 12.  Fax von D.  gegen 23 Uhr, harte Kritik an diesem Buch.  Gegen 24 Uhr stieß ich Hannah von der Treppe. Sie fiel auf das Handgelenk, die Hand war verstaucht. Sie  fiel mit dem Kopf auf den Steinboden.  Sie lag da und wimmerte, sie schrie, es war ein Todesschrei.



                                        1996




3. Januar 96.  Feuerbestattung von GBF in Pisa. Ich dachte: Niemals hinab, eingezwängt ins Erdloch. Nein frei, frei zu Asche und Rauch verstreut in die Luft, ins Gras zwischen die Bäume, die weiter in die Ferne und aufs Meer sehen, im Chlorophyll belichtet.

In der Nacht dieser "Traum": Mein Körper löst sich vom Denken, tut nicht mehr weh, ich kann mühelos aufstehen, öffne die Tür zum Garten,  gleite hinaus  fliege. Flüssiges Feuer auf den Stuhl  fällt durch den Olivenbaum Licht und Schatten; flüssiges weißes Feuer wie bei Van Gogs "Stuhl" schlagen daraus Flammen, und erstarre, alles geschält aus dem Namen,  durchsichtig schwingt es, schwere Augenlider. Bleiern im Mund Geschmack von Kupfer und  Dröhnen, Eisenhämmer im Ohr, ausgelaufen dieses Silber, im Atem Metall, der Körper schwer; und entferne mich,  im Hirn eine Helle, taste mit meinen Fingern über rissig poröse Materie, eisigkalt die Stelle, wie verhext der Finger, gleitet hinein, bricht durch, ach, und aus dem Bild an der Wand  tropft es, ein Engel Materie weint, das Summen wächst...  ein Streifen Licht von draußen, es fällt ins Auge und schmerzt; ich schweige, kann nicht reden oder wenn ich rede, hört mich niemand;  sie sehen mich nicht; dort oben an den braunen Deckenbalken des Zimmers Schweben, leicht wie eine Feder … das blaue Band  bis zum Meer  flüssiges Licht blendet, durchdringt die Mauern. würzige Luft ein essbarer Gegenstand. Die erhöhte Klarsicht bis hinüber zum toskanischen Archipel,  hier in der Bibliothek ist nun aus Kristall wie von Sinnen; die Luft scharf der Himmel  Vogelgezwitscher die Linie des Berges mit dem Rasiermesser geschnitten; dieses Rosa glüht von innen weich wie Kinderlippen fliege schwebe über den Wellen über dem Meer Sand Sand und kann in jedes einzelne Körnchen hineinsehen: jedes Teilchen ein vollkommenes geometrischen Muster strahlt ist Kristall mit scharfen Ecken jedes wirft einen Lichtstrahl zurück leuchtet; ein Regenbogen Strahlen kreuzen sich bilden schöne Muster dann wieder das Zimmer die Bücherwand die beiden Fenster  der Sessel ein dichtes Muster es ist nicht mein Zimmer es ist ein Bild von  Braque  keine Gebrauchsgegenstände mehr sondern himmlische Objekte  frei und schwebend Dröhnen Pochen? Sie aber winkten mir; und ich ging mit dem Buch aus dem Haus, es war windstill, im Nachbarhaus stand  auf dem Schornstein eine senkrechte Rauchfahne, Feder im Tintenfass Trauermusik, Salutschüsse auf einem Friedhof, lauter frisch aufgeworfene Hügel, sonst nur zubetonierte Gräber, wir gingen in eine tranceversunkene Stadt, manchmal schwankte ein hohes Gebäude vorbei, und Gesichter hingen müde, wie an eine Fensterscheibe gepresst, vor uns in der Luft.

4. Jan. Nach der Einäscherung in Pisa, las ich von Dr. Moodys "Psychomanteum" (nach Herodot) "Das Orakel der Toten". Raum mit Spiegeln, wo die Toten befragt werden. Ich baue es nach, es ist ganz einfach. Es kommen direkte Stimmen, einzelne Worte. Liebst du mich? Ich höre ihre Stimme, die es sagt - manchmal höre ich sie noch in meinen Träumen. Liebst du mich? Ja, Ja - und wahre Liebe wird niemals enden. Dann wache ich schreiend auf.

5. Januar. Hier will niemand glauben, dass es die andere Welt gibt. Nach dem Tode aber will es drüben niemand glauben, dass wir je im Fleisch gewesen waren. Ungeheuerlich ist schon die Geburt!                        

6. Januar. Morgens ging die Tür plötzlich geisterhaft auf. Ich dachte, es sei der Hund gewesen. Doch der saß friedlich auf der Treppe, weil er zur Hündin  wollte. Es muss etwas anderes gewesen sein.

Dann die wirklichen Begegnungen: gleich am Anfang des Tages die Nachbarin umarmte mich, wünschte auch mit den Augen alles Gute. Ob das hilft? Wir waren dabei, das alte Auto auszuräumen. Nostalgie. Es zum Schrottplatz zu fahren. Den neuen "Punto" abzuholen. Alle diese Verrichtungen in dieser physischen Direktheit machen ohne Tagebuch kein Vergnügen. Ich war deshalb etwas erregt. Gestern mit P. Henkelsekt darauf getrunken, dass ich wieder zum Tagebuch gekommen bin, das Vergessen aufbewahrt wird. Erinnere so das Gestern: dass ich das Telefonat mit dem verunglückten Jungen unserer Freunde in der Schweiz verschoben hatte, der Arme  lag dort mit Skiunfall im Krankenhaus. Mit ihm zu sprechen, wenn niemand mehr an ihn denkt, sei schön, sagte er. Telefonierte dann mit Franca, die ihre Tochter und nun auch ihren Dottore verloren hat. Dann mit Annette R. in London, die Knochenkrebs hat.  Begegnung mit Gerardo P., sprachen über die notwendige Verbindung mit den Toten. Und über mein neues Romanprojekt "Engelszungen".

7. Januar. Heute mit Hannah wieder über den allgemeinen Unglauben gesprochen. Über dieses Leben im winzigen Ausschnitt und mit Reduzierventil. Das müsse "falsifiziert" werden, um zu einer richtigen Haltung zu kommen, sagte ich.

Gespräch mit dem Sohn. dass er nicht mehr leben wolle, sagte er. Nur euch zuliebe bleibe ich noch da, das sagte er an einer Straßenbahnhaltestelle. Wenn ich nur könnte, sagte er, würde ich den Schalter abdrehen. Eigentlich habt ihr mich nicht gewollt, niemand hat mich gewollt. Ich versuchte ihm verzweifelt  das Schöne dieser Welt, die geistigen Freuden, die Berührungen mit der andern Sphäre nahe zu bringen, dass Freitod keine Lösung sei, dass Selbstmörder nachher orientierungslos herumirrten, gequält, weil sie der Natur zuwiderhandeln. Er aber: Du hast es ja selbst in allen deinen Büchern beschrieben, dass die Welt sowieso untergeht.

8. Januar. In der Süddeutschen gestern die Rezension von E. Endres über Jean-Claude Schmitts Wälzer "Die Wiederkehr der Toten. Geistergeschichten im Mittelalter", Klett, 95.  Das Christentum ist nicht gespensterfreundlich. Warum? Auch in der Bibel gibt es kaum Totengeister. Die  Hexe von Endor ist eine Ausnahme. Las in  Jaques le Goff "Die Geburt des Fegefeuers" über die gesellschaftliche Bedeutung der Jenseitsvorstellungen.  Die Toten sollen auf uns  angewiesen sein, ihre Qual könne so auch verkürzt werden, da sie ja nichts anderes seien als Erinnerte. Ähnlich bei Heidegger, der von Verstorbenen als "Gegenstand eines Besorgens" spricht. In Sein und Zeit. Es sind die  bekannten Toten,  die nicht zur Ruhe kommen, in unser Leben hineinreichen. Und auch bei Heidegger gehen diese Toten mit uns um, als lebten sie, und erziehen uns, gehen über irgendeine Vorhandenheit weit hinaus, es sei der Bereich des Noch-mehr.  Sowohl Schmitt als auch Heidegger fallen auf die  "Erfahrung" rein, und wissen natürlich, dass es um eine "nicht vorhandene Realität" geht, und dass die Toten nur in der Phantasie  der Lebenden eine Existenzberechtigung haben. Doch diese imaginäre Existenz könne sehr viel bedeuten. Auch Schmitt meint, was in unserer Zeit noch lebe, was noch nicht aufgenommen sei in Frieden, der das Gegenteil eines schuldhaften Vergessens sei, arbeite an einer Wiederkehr des Verbrechen von Auschwitz, von Katyn, von Algerien, von Bosnien.
Und hier auch Celan: die Sinnlosigkeit des Todes darf nicht sein!

9. Januar
Zu Rühmkorfs "Tabu I"

Es ist schon so wie du sagst
was du sagst zu den  "fleißigen alten Kerlen"
 lieber Rühmi nur fehlt noch
"in Ewigkeit Amen" und dass wir sie nicht mehr teilen
wie früher die großen Ströme
nach dem Ende der Großen Teilung
kalt war der Krieg doch wir lebten
jetzt werden die Kriege heißer
und wir sind kalt und kälter geworden.

Auch ich bin beim nervösen Flackern
angekommen und hoffe etwas gefunden zu haben
alter Freund
dass die Erbsünde eine reine Lüge ist
an die alle inklusiv meiner noch glauben
auf Sand gebaut auf Kindermärchen ist unsere Angst
Ob Lena Jenissei der  Rhein Mississipi
die Donau auch und warum so exotisch
die Wolga sogar hier ach wie heißt er
Po natürlich und du denkst an Ärgeres
wir am Arsch der Welt
teilst mit keinen Armen wo andere nur austeilen
Jahre und Angst

Es stimmt früher da gabs weniger Gitter Chemie und Atome
offensichtlich nackter die Welt und aus-
gezogen  ist sie so gegenwärtig und kommt der Wahrheit näher.

10. Januar. Ich sagte zu  Anna, dass sich seit langem schon  der Zusammenbruch der materiellen Welt vorbereite, also ein neues Paradigma nötig sei ( verwies auf K. Poppers Buch "Logik der Forschung") und wagte zu sagen, dass die "Aliens" von dieser Katastrophe sprächen, sie rufen zur Bewußtseinsveränderung auf, sagte ich mit Nachdruck.

Anna glaubt nicht daran, meinte, ich sei auf dem Irrweg. Ich aber sprach von einem Gewissenskonflikt. Und dass sie zu angepaßt sei.

Wieder ein Traum mit Jeanne: Sie stellte diesmal die Linse ihrer Kamera genau auf meine Stirn ein, und die Bilder begannen zu kreisen, sich schnell zu bewegen:  In dem Augenblick war ein geflügeltes Pferd zu sehen, und das Pferd, das durch die Linse zu sehen war,  wandte uns scheinbar den Kopf  zu mit tückisch zurückgelegten Ohren, es sah uns mit rollenden Augen und noch tückischerem Ausdruck an,  eine Blesse lief quer über den Kopf. Jeder weiß,  dass es aus dem Blut der geköpften Medusa "entsprungen" war, Poesie versteinert den Augenblick mit einem inneren Auge; doch es war ein wirklicher Stall: Ende Dezember ...





24.3./24.3. 85 Abend mit der Bildhauerin und Nachbarin Fiore und ihrer Freundin Anti. Brutal kam meine Irreligiosität zum Vorschein. Aber in Gesellschaft bin ich seit kurzem  stumm. Der Zustand nicht gut.

Ich denke an unsere  Reisen. Ich lese:
Reisen: Günter Metken, Reisen als schöne Kunst betrachtet, Insel 639, 1983.

Warum reise ich? Weil ich unbeschwert nirgends sein will.

Das Ankommen ist beschwerlich, das sieht man vor allem beim Einlaufen von Segelbooten hier im Hafen von Viareggio.

Nie ankommen müssen!

Reisen als Symbol: Ulysses, der schönste Name.

Flucht bei einer Reise, vor sich selbst, vor der Katastrophe, unglücklichste Form künstlichen Daseins.

Gute Reise! Man sagt es wie "Grüß Gott“, das Unbekannte schleift sich ab! Edmond Jabés: Elargir les horizons du mot!

26.3.  Ein Gedicht  für Moro (Moses Rosenkranz, den ich im März besucht hatte! Er erzählte von seiner sowjetischen Haftzeit: 10 Jahre Polarkreis)

Hast im Verborgenen lahmgelegt die Welt
bist du/ als wäre dies Jahrhundert
längst aus dieser der Zeit  gefallen, zurückgekehrt
tief in die Erde?

Du bist das, was ich niemals sah.
Ein Baum, den sie zum Menschen
machen wollten, und brannten ihn
zersägten seinen Stamm/ die Blätter
trug der Wind - da lag ein letztes Blatt,
da stand die Vorschrift für
den ganzen Baum, ein Weltenbaum,
der durch das Nichts die Achse schlug.

Dort drehn wir uns im Kreis
und warten auf den Herrn.

26./27.3. Gestern mit Christina Weiss (Tina) und Hannes Schmitt. Was diese Traurigkeit bringt ... da wir kein Zentrum haben, keine Gefahr, der Todesengel, jener der Sieger, steht  da und wartet; alles wird muffig und alt, kein Schnitt, keine Befreiung. Man kann nicht mehr atmen.
(Brief an Klaus Hensel Titel: Stilgefäß. Es blitzt einhellig in unseren Köpfen, alles stimmte!).

30.3.  Sadvipra, die Yogafreundin ist in Pisa wieder da. Ich hatte meinen Namen vergessen, so wollte sie mich nicht lieben. Sie sagte ihn mir: Du heißt Dasharath, Beherrscher der zehn Vayus, der subtilen Kanäle deines zweiten Körpers! Mit ihnen kannst du lieben und Wunder tun.

31. 3. Buch-Fest in Fiesole/ Settignano. Die autistischen Kinder, die alles zurückweisen, was "wird", sich in der Zeit entlang entwickelt, also da ist. Weise kleine Buddhas sind sie, sagt Dr. K, der Arzt.

Anemonen wachsen wild zwischen Olivenbäumen, aber auch mich berührt nichts mehr; solch eine Blume empfindet ähnlich wie die kranken Kinder von Dr.K.

Das Elend der polnischen Pianistin, die im gleichen Haus wohnt und die nicht mehr nach Hause darf, an der Grenze zurückgeschickt wird.

In Stuttgart wollen sie meinen Namen nicht an den Briefkästen haben. Und auch hier kennen die Leute meinen Namen nicht, sprechen ihn nie aus. Mehr noch, alle sehen wie durch ein Gespenst durch mich durch, als wäre ich  aus Glas. Es gibt mich nicht. Vielleicht bin ich tot und habs nicht bemerkt? Oder es gibt mich nur im Traum, geträumt von wer weiß wem?

2.-4.4. Borchardt-Tagung in Pisa/ Lucca, Grosseto. Mein Vortrag.
Unser kleiner schwarzer Hund bellt zustimmend bei einigen, nicht bei allen Vorträgen. Alle warten nur noch auf sein Bellen und amüsieren sich.
Hatte meine Lage mit seiner verglichen.

Und ein Gedicht dazu:


- Rückkehr über Massa Marittima und Volterra. 

5.4. 95.  Doktor Schiwago-Film. Kitsch und doch: der Osten öffnet mich wieder.  Ein Weh überkommt mich, die alte Verletzung. Das Wort kommt nie, Gefühle, wenn sie zu nah sind, bleiben stumm. Regen/ das Dach ist kalt, ich glüh. Nur  ein Knäuel von Wehmut, ungebraucht, liegt da unten. Hat ja mein Herz berührt, sonst  ist es schön stumm. Und ich weine wieder, so rein und so dumm.

Gefühl biegt sich in mich/ und weiß sich nicht zu helfen
hält da am Bahnhof im Schnee/ weißt du noch/ es lag
und blieb/ als wir doch weiter gingen
riefs/ wir blieben nicht stehen.

Jetzt erst seh ichs
so wie es war/ und steht dort immer noch.

Kalt folgten mir die Jahre.

Das Schwermut-Syndrom ist nur ganz allgemein der Rahmen. Es lähmt ja. Es ist eher eine Vereisung. Exil als Krankheit. Schon bei Dante. Leben und Erkenntnisekel in seiner besonderen Form. (Es gehört in die Sparte Depression. Melancholie als Erstarrung! Vgl. mein Gedicht über die "Achtuhrschmerzen". "Zeitmale" wie bei Wordsworth "The Prelude".

Konturlos nur/ was unten liegt/ Als läg ich da/ Vom ungefaßten Rohstoff des Gefühls getroffen!

Im Zentrum das Bild Marias. Was alles versäumt war, was alles nicht war / nach rückwärts geht die Hoffnung. Was kommt ist tot und starr.

Was weh tut ist/ wenn sich die Narbe schließt. Und alles wird schal.)

Pascal starb mit 39, Kafka mit 41, Christus mit 33. Und ich lebe noch immer. Und es wird so nie enden. Alles schon sauer, ohne je dagewesen zu sein! Wenn es ein Genie der Kleinheit gibt, bin ich eines!



10.April. Träume von den Jungen. Sie wissen nicht, was sie tun. Alles ist verbrackt. Mit L. sprach ich über diesen Effekt. Acedia! Sie ziehn sich schon fast militärisch an. Keiner spricht den eigentlichen Todfeind an! Melancholie, denn man verbündet sich mit den Siegern. Zersplitterung. So die moralische Grundlage zum Weitreleben entzogen!, der Impetus, warum wir überhaupt so leben und warum wir überhaupt schreiben! Daher fällt schreiben immer schwerer. Book aber sitzt im Hochsicherheitstrakt (für uns alle?) die gegen die Väter und ihre Verbrechen sind. 3x lebenslänglich!

15.4.Traum von Heissenbüttel. Saß in einer Bibliothek mit einer Bibliothekarin. 13 Jahre lang hat er mit seiner Frau gelitten. Furchtbar. Sein Schwiegersohn hat seine Werke herausgegeben. Ich nehme sie in mein Vorwort. Dann bin ich mit H. in einem Hotel. Auch seine Geliebte ist da. Irgendein Kongreß. Wir sitzen an einem Tisch mit andern Kollegen. Ich sage, wir hätten endlich 2 Monate frei. Freilich schreibend. Er lädt mich auch zu sich in den Himmel ein. Und sagt: Saarland. Wir nehmen dazu ein anderes Hotel. Es scheint aber nicht Berlin zu sein.

16.4. Ideal wäre ein Beziehungsnetz herzustellen! Beginnend mit Alltäglichkeiten: Lebensbaum Körper. Atem. Mund, Zähne, Stirn, Kopf. Glieder. Dann Werkzeuge: Gabel., Messer, Scher und Licht. Stift. Schreibmaschine. Haus. Tür, Fenster. Tisch. Garten usw.
Sprachreiz. Sprachbewegungen aus einem Zentrum. Alles gierig aufgreifen. Der Leser soll mitmachen. Wie ich jetzt Bekker, da eintauchne, so wie Jahweh aus den Konsonanten besteht.
Rinser über Verwandlungen.

17.4. Gott ist der Tod. Hegel. Der Messias, wie bei J. Roth.
19.20.4. Traum: Lecke in einer öffentlichen Toilette aus der Muschel. Wein auf. Entsetzt stelle ich es fest. Laufe in eine Apotheke, um ein scharfes Desinfektionsmittel zu kaufen. Der Apotheker macht zuerst eine Analyse des Vergiftungsgrades.

2.5.. Vorbereitung einer Lesung. 1. Beispiel Borchhardt. Apriorische Einmischung. Frage von Form/ Sprache. Der Einfall, die Form steht am Anfang. Keine Ego-Kontrolle. Heidegger: Frage nach dem Ding! 2. Acedia. Walter Benjamin. 3. Schock als Pause.

5./6.5i. Mit Elfi als junger Frau geschlafen. Am nächsten Tag wieder von ihr geträumt.
9.10.5. Wieder Prüfungstraum. Werde beim "Klutzen" erwischt. L. ist dabei. Dann mit Studentinnen im Bad. nackt unter der Dusche. Der Schwanz schreibt mit Samen auf den Bauch eines Mädchens: Schweig.

13.5. Traum. Wieder auf dem Bahnhof mit zwei Mädchen. Dann Verirrt im Labyrinth einer Stadt.

22.5. Lesung bei einem Yogatreffen in Pisa.

4./5. Juni. Wut wegen der Boots-Plattheit der Tage, das "Praktische", wo es keine Zusammenhänge gibt, nur Details und Einzelhandlungen.

Suche Höhepunkte in diesem so kurzen Leben, eine Frau,
die im Phantasieaustausch und in Livetreffen weiß den Körper als schwingendes Instrument einzusetzen, um gemeinsam Intensität auf Niveau zu erleben! Ich bin Autor und weiß  die Liebeserregung, das Entflammen zu schätzen, zu geben, zu nehmen: die Sehnsucht!

6.-11. 85 Fehlt. Doch in Notizbüchern. Sie müsssen abgeschrieben werden.
TB 71 ab  4./5.7.- 23.1. 86.

8.12. Was geschah eben an diesem Tag? Die Deutsche Welle sagt, Rumänien habe die Meistbegünstigungsklausel verloren. Im Vatikan geht eine Bischofssitzung zu Ende. Und noch rauscht in mir die Autobahn. Von Rom kamen wir her, Bocca della Veritá. Und du küsstest mich wirklich auf den Mund.. Ich hatte mich rasiert und mir die Haare gewaschen, das tue ich morgens sonst nie ...

 ... dieses Heft, lange nach dem Krieg geschrieben, "hätte gut niemandes Heft sein können: so tief unterhalb menschlicher Wege und Reisen liegt der Sinn eines Menschenlebens verborgen ..." (René Char).

In Sorrent fragte ich damals nach dem Preis des Hotels "Syrene". "Damals" wars/ hoch über dem Steilufer/ Palmengarten/ schöne Räume der "Villa Pompejana"/ zu teuer/ vor drei Tagen war sie geschlossen. Zimtgeruch und wie ein Wunder/ die alten Lampen über uns. Sägen und ein Geräusch wie aus der Kindheit in Transsylvanien (Herr Nagel und mein Kopf!) /Und der wahnsinnige Tasso kam mir entgegen. Langher.

Auch unser Leben ist langher gewesen: 1972, damals Dezember: "Orangen reif und leuchtend über dem Meer. Kein Tourist." Es war auf der Rückfahrt von Amalfi und Positano: "Bei Nacht noch schöner der Golf. Drüben liegt Neapel und der Vesuv." Lang her, gewesen

Begegnete dem Dichter Anders in Positano/ und las dazu Tassos Gerusalemme, samt irren Briefen an seine Schwester. Langher./ Und Parsifal aus dem Radio (eine Kassette im verzauberten Garten (des Klingsors. kam aus Siebenbürgen)/ War er müde und erschöpft/ kein nervum rerum?/sah Herbst und Reif/ kam die Sonne wie auf der Mole von Amalfi/ die Liebe überwinden und mit den Sinnen wie im Tod ganz hinübersein/ das Mantra am Morgen: diese Ruhe im Hotel "Magna Graecia" und  um 6 aufgestanden/ sah Eleas Unbewegtheit vor mir.

In Sorrent aber Tasso/ von Stimmen umgeben: So fühlte er die Angst vor der Inquisition: Einer war da, sagte ich zu L. auf dem Spaziergang zur Marina Piccola durch tiefe Tuffschichten: Einer war da in Tasso/ der glaubte- / der andere aber/ die Skepsis/ spaltete ihm das Hirn./ Es zeigte ihn an jener der glaubte...

Die Steilwand in Positano/ als rutschte man von ganz oben ab von der riesigen Höhe/ wie im Traum/ und dort hat Er vielleicht zu Tassos Zeit/ noch einen Blick herab geworfen/ jetzt sind wir geteilt/ bald völlig getrennt/ Wolken seh ich/ und wir gingen zu Fuß die lange Treppe hinab/ das Auto stand auf dem Hauptplatz/ wo die Genesis der Muße hier saßen und redeten/ der Wirt unseren kleinen Hund vertrieb.

Terrassen auch auf Capri/ mein Gott von 1957/ wann war das: 1943!/ "Leben am Rande der Ereignisse/ hier versteckte sich damals Anders. Auch er schon längst tot!/ Erzählte es deutschen Kriegsgefangenen: "Fatamorganen in der Wüste der Echolosigkeit"./ Das kleine Buch "Positano" aber blieb, wie dieses Echo hier!

Welcher Krieg tobt in meinem Innern/ 40 Jahre danach/ und gestern
waren wir in Montecassino/ Ursprung aller Klöster/ und drei Tage vorher in Positano und Amalfi/ die kleine Stadt mit Klingsors verwildertem Garten/ Blicke von der in den  Felsen gehauenen Straße/ von Sorrent am Kap/ aus der "Villa Maria" neben einem Ospedale/ blau der Himmel, nein, azuren wie bei Campana:/ göttliche Küste also/ frei der Tag/ nur das Herz wund/ allen Ernstes. Und könnten die Zeit so brauchen - zurückgestellt und verflossen die Uhr!















FRANKREICH -TAGEBUCH 96
TB 72 ab 6.2.- 23.10. Viele Gedichte.

23. August 1996  über Elsaß-Lothringen, Metz, dann Verdun nach  Caen und Riva Bella.
Auffällt, wie furchtbar viele Kämpfe hier stattgefunden haben, wie viele Militärfriedhöfe es gibt. Wir fahren auch durch Valmy.
   Erster Abend, Strand , Casino, erste Eindrücke.

24.8. Zuerst das Meer hier, viele Schwarze, diese wunderbar frische Atmosphäre, erinnert an Ost- und Nordsee. Nach Cabourg, Houlgate, Deauville, vor allem Honfleur und Le Havre. Sehr schöner Tag, am Schluß Käseeinkauf in Pont L`Evêque.

25. Caen,  Bayeux, Arromanches. Auch hier wieder Militärfriedhöfe. Die Landung am 6. Juni 1944. Riesige Pontons, die einen künstlichen Hafen bilden, Monster jetzt im Wasser unter Ebbe und Flut. Geschmack von Tod und Blut überall. Eisen, Schießen, Panzer stehen als "Denkmal" da. Geschütze. In Bayeux der Teppich der Schlacht von Hastings 1066. Ein Tapisserien-Epos über Verrat und Strafe und Tod Harolds, des Vertrauten Wilhelm des Eroberers, den Harold verriet, sich zum König der Angelsachsen machte, von den Normannen dann geschlagen wurde.

     In Caen auf der Festung. Die Stadt im Krieg fast völlig zerstört.                                               Hier in der Kathedrale St. Etienne auch die Gebeine Wilhelms.  Es ist gerade Messe, das mehrfach ausgeraubte Grab, auch von den Hugenotten, nur ein Teil der Gebeine ist noch da, konnten wir nicht sehen.                                                                   

  Welche Listen gab es hier. Kriegslisten. Fort Douaumont von den Deutschen so genommen, von 19 Mann als Zuaven verkleidet. Oder auch in Rouen, Johanna verurteilt, aber nur zu lebenslänglich, weil sie widerrufen hatte. Doch die Engländer waren entsetzt, sie wollten den Tod. So wurden ihr nur Männerkleider eines Morgens hingelegt, Hauptanklagepunkt, dass sie Männerkleider trug. Nun musste sie diese anlegen, das war ihr Tod.

Welches Hauptgefühl heute, auch morgens. Dass so viel geschehen ist, geschieht, und nur einer, der damit lebt, also viel weiß, kann geistig mitmachen. Ich weiß zu wenig über die "Tatsachen"? Doch das Gefühl der Niederlage, des Scheiterns, der Kleinheit ist vielleicht wichtig
  Wie äußerlich sind meist die Erlebnisse, eben touristisch, das heißt, "Kultur" wird nur nach einem "Führer", also künstlich, wie hinter einer Wand wahrgenommen, die Information zerstört die Phantasie, das Gefühl, wenn sie keinen Lebenshintergrund zeigt, nur Staat. Was mich dann mit den Gegenden von hier aus verbindet, ist die Wut. Und die Angst, auch die Ohnmacht bei  Arromanches.  Ähnlich erging es mir in Kreta:  21. 000 deutsche Soldatengräber. 9000 Amerikaner.


Die inneren Berührungen in Honfleur, dem alten Hafen, dem schon 1512 von Franz I  Le Havre entgegengesetzt wurde. Die ganze Stadt ein Hausmuseum, das alte Hafenbecken winzig, der Vergleich mit dem Hafen Le Havre, den Monstern von Riesenkränen, dem Umschlagplatz von Öl und anderen Industriegiften, Waren, den Riesentankern und Frachtern sagt alles. Dann der Pont de Normandie, höchste und längste Brücke Europas. Während in Honfleur trotz starkem Gedränge wohltuend die Umgebung wirkte, menschengerecht, nahe, die gute Schwingung der Umgebung, man atmete, atmete auf, als wären diese alten normannischen Häuser mit ihren hohen Giebeln, sogar die Lieutenance, früher  hatte der Gouverneur hier seinen Sitz, heilend, eine seelische Therapie, und es ist kein Wunder, dass von hier der Impressionismus ausging: Monet.
 
   Das lange Licht des Abends, eben westliche Atmosphäre wie in Portugal. Und diese ganz andere, oft drohende Aura der Wolken, ständiger Wind aus dem offenen Meer - also südwestlich. Doch es wird nie kalt. Immer angenehm frisch. Lichtaugenblicke. Auch abwechslungsreicher als das Mittelmeer: Ebbe und Flut, Wattenmeer. Zugleich bedrohlicher, hohe Wellen. Man kann kaum baden. Erster Eindruck bei der Ankunft: da tobte Felix im Watt. Muscheln. Der Sand feucht. Spaziergänger und Liebespaare. Einer schleppte das Mädchen auf den Sand, kniete nieder, küßte sie. Und die Leute tragen alle schon Jacken, Pullover, Ölzeug sogar, obwohl es August ist. Leichte Langeweile macht sich breit, ähnlich wie in Straelen, dem Nest an der holländischen Grenze. Muschelessen. Alle essen hier Muscheln, große Berge. Mit Apfelwein, Cidre.

  Bodin: Plage: Augenblick der Wolken und Segel, oder Trouville, wie die Boote bei Ebbe auf dem Trocknen liegen, wie große Käfer. Immer der Spiegel der Wolken im Wasser, oder Hambourg: Honfleur, der Hafen bei einem "Feste. Und so ist er noch. Abendlicht im Wasser gespiegelt, Häuser, Boote. Oder: Hotellerie. Dazu wären Gedichte fällig. Ebenso im ethnographischen Museum: l´Epicerie. Alles noch handgemacht. Licht, Stuhl, Korb, Steinmühle - noch wahr da. Der Augenblick noch sinnlich faßbar. Ebenso der Websaal und die geschlossene Bettstatt.

  Solche Momente auch im Museum der Normandie in Caen auf der Festung. Ein keltischer Tempel, wo vor allem das Ziegelrot, der kultische Hof inmitten, beeindruckt.
                            
Vgl. auch Notizheft 26. August.

  Bei den Kämpfen der Normannen mit den Angelsachsen (Hastings 1066) auf dem achtzig Meter langen Leinenstreifen in Bayeux, es ist kein Wandteppich sondern ein Totenlinnen, wieder der Geschmack von Blut: am unteren Rand liegen die Toten, in ihren Kettenhemden, abgehauene Glieder, geköpfte Pferde, nackte, geplünderte Leichen, gibt es ägyptische Motive, Totenvögel, treffen die Zeiten und die Augen zusammen: die Kopfhörerstimme des Erklärers im Ohr.

  Die Bilder sollen kommen.  Ist die Erinnerung stark genug, ein Tag frißt den anderen auf. Der starke Eindruck von Arromanches mit den schwarzen Pontons vor der Küste, das Meer wie lehmig braun, die Steilküste drohend, aber das Musuem der Landung wirkt wie ein Schrotthaufen, wie eine Ansammlung von Unpoesie und Propaganda, die Broschüren und Filme, die Plakate: ganz schlimmer "amerikanischer" Kitsch, Eisenhower in Bronze und Lebensgröße. Weiter eine merkwürdige Erfahrung, dass mir die Deutschen fast leid tun angesichts dieser Übermacht, obwohl sie hier nichts zu suchen gehabt hatten. Wie auch damals in Verdun nicht.


  Wieso ist Kenntnis auch Erkenntnis der Illusion, wenn einer, der "weiß" etwas anderes ist, als einer der "informiert" ist, und Ereignisse als Nichts entlarvt? Also auch die Detailkenntnis des Kriegsgeschehens hier. Es ließe sich eher eine Legende der Augenzeugen herstellen, letzte Augenblicke eines Gefallenen, verwunderte Möwen, die kreischend flüchten, Schreien der Stürmenden, Maschinengewehrgeknatter, und die Generäle, Henkersköpfe über Generalstabskarten auf einem Kartentisch gebeugt, Eierköpfe, von oben wie ein Knochenstern. Eher bin ich auch jetzt ein Fremder für Gott, für die Leute, für mich, der hier schon gar nicht ans Telefon geht, weil er nicht Französisch spricht.
  Saint-James 4410 Gräber. Amerikaner. Bayeux 4886 Gräber. Engländer.  La Cambe 21.160 Gräber. Deutsche.
  Kann man sich damit trösten, dass der Tod der einzige Zustand der Vollkommenheit ist.
  Auch in Riva Bella ein Denkmal des Atlantikwalls: Le Grand Bunker. Und das Musée du Débarquement "No 4 Commando". Mit Soldatenpuppen in diversen Uniformen. Gewehre, andere Waffen, Panzer... Wie jedes Nachbild verfälscht und überdeckt es das Grauen der Wirklichkeit. Alle die Museen, ja, die Kirchen, die wir auch hier sehen, so großartige wie etwa die St. Etienne in Caen, Türme, die einmal 80 Meter hoch waren, sperren jenes Grauen ein. Auch Gott ist nach Hegel der Tod. Das Todesbewußtsein kam erst mit dem christlichen Gott, das wäre seine größte Leistung, da er undenkbar ist, Glaube, der wie die Ideen fanatisch, weil abstrakt wird, von Leuten, die noch hier sind, aber das Jenseits des Jenseits ansehen sollen. Alle heidnischen Götter aber waren nur ein Teil von ihm, der hierher in unsere Sensibilität herüberstrahlte, viel "humaner" war, also mit dem Auge, den Sinnen, der Täuschung  paktierte. Für jede Stimmung ein Bild. Wie anstrengend aber ist es mit diesem Tod, der auch noch fordert, an ihn, also an etwas Ganz Anderes, jenseits der Grenze zu glauben.

  L. wollte unbedingt das berühmte Deauville sehen. Und dann war da gar nichts besonderes. Außer dem Namen blieb nichts mehr. Wir fuhren ja Namen nach, auch Le Havre war so ein Punkt. Dagegen überraschten uns unbekannte Orte, wie Honfleur, das wir eigentlich aus der Geschichte kennen müssten. Unkenntnis also macht manchmal reich.

  Kleine bleibende Erlebnisse. Nur sie bleiben wirklich, wenn unser eigener Atem hineingemischt ist. Vielleicht vergesse ich deshalb alle anderen, nur gewussten Daten. Auf dem Weg nach Verdun, Krieg im Wagen: weil ... und kann es nicht mehr genau erklären, weil die Stimmung und die winzigen Ereignisse, die mich im Familienkreis in Frage stellten, fehlen. Meine geistigen Interessen, die Produkte, Bücher, Sendungen - darüber kann ich nicht sprechen. Sie wollen es nicht wissen. "Du schreist so!" sagt L.
  Gehört das mit zur Ironie, die angeblich die Welt regiert? Und als Strafe, weil ich mich zu viel um solch Unsinn kümmere, anstatt meinen Weg zu gehen, sie alle ignorieren. Sie müssen kommen, nicht ich mich "aufdrängen".

  Jeden Tag ähnliche Dummheiten. Mit Ironie die Ironie begleichen, ja, schlagen. Doch dazu gehört ein höherer Zustand, etwa die Langeweile, die den Gleichmut befördert, jenen Zustand, der der Wahrheit am nächsten kommt: alles ist Fassade, also Nichts. Eitelkeiten spiegeln sie am besten:
  Auch im Zoo benehmen sich alle Tiere zurückhaltend und vornehm, außer den Affen. Dichter, du Affe, tritt ab.

  Aber ich fühle , wenn ich mich reserviert verhalte, vornehm, zurückhaltend, als hätte ich eine Chance zur Freundschaft vertan oder als hätte ich jemanden verletzt, ich fühle den Riss, der notwendig wäre, diese heuchlerische Harmonie, die von der Todesangst, dem Abgrund, dem Grauen kommt, meint: alles wieder gut machen zu können. Dem Tode entsprechend müßte man sich verhalten. Warum fühle ich mich gesteigert und erst in mir selbst bei Todesfällen. Oder jetzt im Umgang mit den Totenstimmen.

  Weitere Kleinigkeiten, wie Schutt, sind die Neuheiten der Reise. Erlebnisschutt, der wie aufgefrischt, erregt. Obwohl doch alles beim Alten ist, der Alltag hier auch weitergeht. Nur wir meinen, eine neue Welt zu erleben! Dies Häuschen hier auch, A. mit zwei jungen  Universitätslehrern aus Caen, er Deutscher, sie Französin, für zwei Wochen getauscht haben. Die Häuschen in Caen. Winzig. Wie Puppenstuben. Und billig, brüchig, unfertig, ohne Stil alles. Null-Stil. Doch der Garten mit Apfelbaum angenehm ruhig. Und das Licht, der Wind, die Frische. Und das Ungestörtsein, lässt Feriengefühl aufkommen. Leichte Langeweile also, die sich einem Pausenzustand, jenem Erkenntnisspalt nähert, tatsächlich ein wenig neu macht.

  Entschlossen - unzusammenhängend Gedankenbilder zu schreiben. Und so das Erlebte zu sammeln, "hereinzuziehen". Aus der Gegend "etwas machen" ist nur so, und nur nachträglich möglich.

  Auf der Herfahrt bei einer Kreuzung der Schnellstraße, als ich zu spät mich einordne, rast ein Luxemburger Zentimeter entfernt an mir vorbei. Du bringst mich um, weinte sie. Du mußt einen guten Schutzengel haben, wir wären jetzt tot. Der innere Zustand: Kränkung, Streit, Selbstmord- und Mordgedanken hatte sich nach außen verlegt, und sollte zum letzten Zuge kommen. Was rettete uns? Eine Spur Zögern? Hatte ich gebremst? Das Unbewusste ist das offene Tor zu "ihnen".
  Nachher zerknirscht. Doch wenig Reue. Starke Wut, ungerecht behandelt worden zu sein blieb.

  In Verdun mit diesem Ingrimm im Bauch. Zuerst zur Gedenkstätte, zum Ossaire Douaumont mit dem Turm wie eine Granate gen Himmel ragend. Und ein unübersehbares Feld von Kreuzen. Nur Franzosen. Das Schlachtfeld 14, wo nur aufgewühlte Erde und zerstückelte Menschenleiber waren. Im Wäldchen bei der Tranchée des Baionettes noch Grabenreste. Und ich wage nicht zu pinkeln, als entweihe ich etwas. Dabei denke ich, wie lächerlich, hier spritzte Blut, wirbelten Glieder in der Luft, wurden Köpfe abgeschossen, Schweiß, Eiter, Brand, Schreie. Und ich wage nicht, meinen winzigen Strahl Urin nach 80 Jahren hineinzumischen? Welch Heuchelei jedes verstummende Gedenken an solchen Orten. Hier müsste man weiter schreien, sich wie wahnsinnig gebärden, verrückt werden bei dem Gedanken, auf dieser Erde zu leben.

Die Maas, jaja. Die Marne, ja. Immer haben die Deutschen angegriffen. Oder die Preußen.  Und schon die Reklame für Neugierige: "Village Gavlois", 2 -Sterne-Hotel. Eierpfannkuchen und Apfelwein. 10 Minuten bis Verdun.  Cote 304 und Mort-Homme.

Alles so handwerklich nah etwa auf dem Bild von A. Jugelet: Honfleur. Als ich in den Westen kam, konnte ich die Nähe noch von zu Hause spüren. Jetzt ist Präsenz nur noch blitzartig ein wenig und manchmal da.

Kleine Ereignisse. Manche erreichen die Schwelle nicht, etwa ein Regenguss in Deauville. Oder über den Vaches Noires nach Houlgate. Wo wir aßen und schliefen.

Caen. 27. 8. Das ist der Kopf nach dem Strohhaufen mit Blick auf  den Mont St. Michel. Da zu sein, immer noch unsicher, am Leben zu sein. Tatsächlich ein Phantom, das wegen der andauernden Greifbarkeiten, Handgreiflichkeiten der äußeren Welt (auch wegen L.) in Wut gerät. Rief mehrmals Schutzgeister an. Warum sie mich so schlecht versorgen, meine Reflexe nicht besser lenken. Und das Mantra. Das half ein wenig. Fuhr also, das ist immer ein Stress. Außer mir eben.

Der T., ach der T. auf dem Mont Saint Michel. Auch hier wieder gotische Kirche, dann Coutance, von ferne wie eine Nibelungenburg. Und dort beim Optiker, kann ich dann besser sehen?

Sowohl der Atlantikwall von Grandville Haute mit den zerschossenen Bunkern, dem weiten Meerblick bis zu den Inseln Jersey und Guernsey, als auch die Toten, die überall herumschwirrten, im Kopf, als auch der Heilige Michael auf der Insel Mont Saint Michel, den sie vertrieben hatten, und der sich dort nicht mehr halten konnte, spukten im Hirn. Vor allem aber Stress, böse Geister anziehende Fahrten spukten im Hirn.
  Dachte an meinen Sohn, der auch nicht da ist, nicht anwesend sein kann. Der arme Kerl.
  Prüft der Erzengel, und da muss an Rilke gedacht werden, oje, diese Engelkultur, diese Poesie ... wenn ich es nur auch sagen könnte: Engel, du bist so groß, dass ich schon nicht mehr bin, wenn ich mich nur in deine Nähe stelle... Du bist so dunkel; meine kleine Helle/ an deinem Saum hat keinen Sinn.// Nur meine Sehnsucht ragt dir bis ans Kinn/ und steht vor dir wie aller Engel größter."

Der gute alte Michael, so auch wieder nicht, wie er da steht: gepanzert, mit Schwert, eiserner Strahlenring. Wie idiotisch menschennah der Herrschaft. Dabei willst du doch wirklich prüfen, wie es um meine Seele steht, schlecht. Klein. Elend. Und die Kräfte, mich dagegen zu wehren, nehmen ab. Kaum kann ich erwarten, dass er mich von den niedrigen Seelen, die dumm dahinleben, trennt, und mitnimmt in den postmortalen schönen Zustand. Mich gar vor den mich anfallenden Dämonen, also jenen, die entkörpert weiter so tun, als wären sie noch im Fleisch, behütet. Auch eine Reise zum Mont Gargan in Süditalien wird nicht helfen.

  Was bleibt vom Besuch. Vielleicht soll man sich vorstellen eine Messe im 10. Jahrhundert. Gregorianischen Gesang, aber auch in dieser Stimmung ist das Gift des Abendlandes da. Und auch vergeistigte Innenwesen sollten wir nicht Engel nennen, auch der Poesie wegen nicht. Wie nehme ich die Hülle weg, auch mein verseuchtes Ich anders zu lenken, als in dieser Tradition. Waffengeklirr, Bekehrungseifer. Zwang. Ja, eine Zwingburg, so erscheint der Mont ganz nah, Grausen der Gemäuer. Erst von ferne ist er feenhaft, schön. Und als Mirakel der Natur inmitten des Meeres und des Watts zeigt er, was er eigentlich hätte sein müssen: Einsamkeit, Weltabgeschiedenheit, doch wund und geöffnet, nicht drei Wachtore.

  Was kann ich erinnert von ihm wiederholen, Stimmung im Wissen vom Geschehen steigern? Hundertjähriger Krieg, verbrämt mit dem Wort "Rosen"? Die Schlachtfelder hier eine verspätete Rache?

  Nun ja, der Kreuzgang, der Innenhof. Gestickter Stein, nun ja. Oder die Merveille: Gästesaal. Nun ja, die Spitzbögen, der Wald von Bögen und Durchbrochenem. Und dass ein bestimmtes Bauprinzip, dass die Gewölbe auf einem diagonal verlaufenden Bogengerippe ruhen, so war Gotik erst möglich. So waren dickleibige romanische Gewölbe unnötig, und schlanke, geistige Gewölbestrukturen eben mit dem ziselierten Licht, entstanden. Dem Architekten fiel das ein. Woher fiel es ein? Das Apriorische beherrscht auch die Baugeschichte!

  Schon 708 brach jener durch, der den "Drachen" besiegt hatte, woher kam er, wer war er? Was ist diese postmortale Schicht des Himmels überhaupt, und weshalb konnte der Bischof Aubert von Avranches an die Tatsächlichkeit des Anrufes im Traum nicht glauben, ähnlich wie einst Thomas nicht glauben konnte? Als sich der Glaube ans Sichtbare, an Reliquien und Mauern, Waffen und Gütern noch nicht verfestigt hatte, dieser Umgang mit verfestigten Illusionen, die als Machtschutz und Machtschutt angehäuft wurden? Dreimal wurde er aufgefordert, ein Kloster auf dem Mont-Tombe zu gründen, und erst als er nachdrücklich von einer Hand berührt wurde, glaubte er es. Die Delle im Totenkopf  - der schmückt den Kirchenschatz von St. Gervais in Avranches -ist noch  als Reliquie zu bestaunen. Mit Mühe wurde sie gerettet von der Furie der "Revolutionäre" von 1789, die auch den Mont beglückten, daraus ein Staatsgefängnis machten, gleich daneben in der Merveille eine Schneiderei, die Kirche eine Fabrik für Strohhüte, Theater und Kornspeicher dazu. Schon 1791 verließen die letzten Mönche das Areal. War das nun eine Lösung, war nun der Geist endlich befreit, die Grenze nicht mehr vermauert? Mitnichten. Nun kam die Wut des Praktischen erst recht bis in jedes Detail. Vgl. dazu Walter Benjamins Passagenwerk.
  Totenkopf und kostbare Handschriften wenigstens wurden gerettet. Doch auch in Avranches wütete der Plebs, zerstörte die Kathedrale, jene, wo Heinrich II. im Büßergewand Abbitte geleistet hatte wegen der Ermordung des Thomas Beckett im Dom von Canterbury. Und da denke ich jetzt nicht nur an Eliots Stück, sondern auch an die Stimme Becketts heute, der sich "meldete" in einer Cottage des Lehrers ....

 Coutances, wo mir ein Optiker die Brille reparierte, ist wichtiges Herkunftsland, auch literarischer Themen. Von hier stammt die Familie Hauteville, Tancred, Roger, Manfred, Robert Guiscard - die Normannen, die die Königreiche in Sizilien gründeten.

28. August. Doch nicht nur die alte Geschichte ist hier präsent, sondern es geht weiter bis heute: Utah Beach - Graus dieses Erdenlebens. Haben die Amerikaner nicht recht, aus ihrer Landung und  Befreiungsaktion totalen Kitsch zu machen, die ganze Landschaft ist mit Gedenkstätten verseucht. In Utah Beach am Strand alte Panzer und  Kanonen. Feuer dieser Angriffe. Und die Deutschen nicht zu vergessen, die auch ein Staat hierher geschickt hat, Zwang, Desertion - dafür steht der Tod. Diese dumme Verherrlichung hier der Schlachten. Und immer noch denke ich vor allem an die deutschen Gefallenen.           Und morgen nun Rouen mit Jeannes Verbrennung.

Die Maschine der Zerstörung außen und innen. Auch in mir spürbar, die Wut gegen die Dinge, rast die Furie der Entropie. Ohnmächtige Wut des Selbsthasses. Ursache oft des Misslingens. Vergaß die Kamera. Das Fahrrad ließ sich nicht aufpumpen. Unbehagen beim Morgenlauf. Jedes körperliche Dasein, vor allem auch wenn Leute da sind, schafft Missbehagen.
   
29./30. 8.  Jeder Schritt körperliches Leben ist eigentlich eine Katastrophe, nur Tücke der Objekte in ihrer Kleinheit, beschäftigen nicht diese Dinge mich andauernd, auch jetzt, obwohl ich St. Vaast von vorgstern, Rouen von gestern beschreiben müsste. Doch es ist manchmal als rasten kleine Teufel in mir. Nicht nur die Abnützung der Furie rast, sondern auch ihre Erniedrigung auf Schritt und Tritt. Etwa  morgens im Klo, wo ich Cioran las, die unwillkürliche Handbewegung, und an der blendendweißen Wand entstand ein kritzliges Strichmännchen, ich suchte das Radiergummi , löschte. Ha.  Oder rieb am blauen Teppich vor der Muschel die versehentlich abgetropften Urinspuren weg. Kniend. Von der moralischen Erniedrigung durch Worte, die L. oft von sich gibt, u schweigen. Was war es nur heute? Vorwürfe. Dass sie gestern zu viel fahren musste. Dass ich dabei schrieb, zum Fenster hianusah. Jetzt dass ich Papier in die Papierkörbe, beim Schneiden der Nägel die Nägelspuren in den vorbereiteten Korb geworfen habe. Dann andauernd Missverständnisse Ich sagte Franken, sie verstand Franc. Usw. Oder : Du tust so, als ginge es dich nichts an. (Einkäufe.) Oder: Geh jetzt, man kann es ja nicht ansehen, weil ich aufs Klo musste. So beginnt also ein Tag. Vorher andere Kleinigkeiten beim Morgenlauf: Dass der Hund an der Leine zieht, sich hinsetzt. Dass es kein Brot gibt, nur Flûte. Dass dieses auf dem Heimweg zerbricht. Winzigkeiten, die meine mangelnde Souveränität zeigen. Und auch im Traum bin ich ein untergeordneter Diener, werde von einem Chef (Bank?) beschimpft. Es hängt eigentlich damit zusammen, dass ich nicht mit meiner körperlichen Erscheinung, mit den Dingen, den Leuten, der Umwelt nicht umgehen WILL! Sie interessieren mich nicht, auch L. und ihr Tag, ihre Art, interessiert mich nicht. Und auch diese Städte und Landschaften nehme ich nur als "Rohstoff". Mein Lebensstil wäre ein radikaler Abschied. Nicht nur von L. sondern von allem, was Außenwelt ist. Also Einsiedlerdasein. Und Umgang mit mir selbst in dieser Gedankenwelt, mein  „Anwesen“. Wie schön wäre es, wenn ich eine Partnerin hätte, mit der ich so sprechen, und dann ins Spirituelle gehen könnte.
  Auf allen Ebenen ist es nur ein Kampf um mehr Macht und Einfluss. Ich wünsche sie gar nicht, möchte nur in meiner Ruhe gelassen werden, auch von  L. Und wehre mich nur, manchmal sehr aggressiv und heftig, weil ich mich verletzt fühle. Denn sie saugt mich in ihre  Alltags-Praktizität, lässt mir keinen Raum mehr.
Cioran hat dann recht, wenn er behauptet, das Glück könne nur einer Selbstpreisgabe gleichkommen, also Demut? Dann erst steigern wir uns. Früher habe es Götter gegeben, denen man sich hingab, und jetzt, sind wir freier, da es sie nicht mehr gibt! Freier fürs absolut Banale? Die Sehnsucht aber wird durch solche "Götter", wie die Klomuschel und das Strichmännchen und das zerbrochene Brot, der Papierkorb, der alltägliche Dreck blockiert! Dazu die Ehefrau. Dass sie so nahe sind, uns erniedrigen, unter Leuten, aber auch zu zweit eine Hölle schaffen, füllt die Tage und Nächte andauernd mit zermürbenden Gedanken, da Hass eingebrochen ist. "Sie zu vernichten - dazu stacheln uns alle Gedanken an: wenn wir uns endlich entscheiden, so überkommt uns knapp vor der Tat plötzlich Feigheit. Wir sind potentielle Mörder jener, die in unserem Umkreis leben; dass wir es nicht tatsächlich sein können, frisst an uns, und wir versauern als willensschwache blutlose Versager." Ich wäre schon zufrieden, wenn ich mich trennen könnte, allein und in Freiheit zu leben, ohne das tägliche Geseiere, die Erniedrigungen, das andauernde Streit-Geschrei.

Dabei bin ich unendlich frei zu neuen "Zuständen" und Wirklichkeiten jenseits der Zeit und des Körpers, und so unendlich weit entfernt von L. und ihren dummen täglichen Ritualen. Sie holt mir den Unsinn dessen, was das Leben blockiert, es in dem Wahn des Vergangenen und des Körpers  hält, Augenblick für Augenblick beengend nahe. Aber sie treibt mich auch zur Flucht, und zu diesem Schreiben.
  Alles, auch St. Vaast ist von ihr überschattet. Groll in mir. Mit diesem Gefühl umgingen wir das große Fort am Meer. Der Festungsturm mit dieser Kappe, man denkt an Don Quijote. Unsinnige Militärzone. Wofür heute. Schöner Rundspaziergang am Wattenmeer. L.s Angst, Schwindel, sie kann auf der Mauer nicht gehen. Der gleiche Turm auf der Insel von St. Vaast. Von Hier war Jakob II., Sohn der Maria Stuart, mit Unterstützung des Sonnenkönigs 1692 gegen England und Holland in den Kampf aufgebrochen. Die Katastrophe dann vom Kap Hougue. Am Leuchtturm von Bartfleur, vorher der Hafen, gefährliche Strömungen, furchtbare Brandung, Klippen, Felsen. Der Turm  sehr hoch. Hier also die Schlacht. Dann Flucht Jakobs nach Hague, wo auch Strömung die Landung verhindert, sie können nicht nach St, Malo. Kommen wieder zurück und hier bei Hougue und der Insel Tatitou werden die schönsten Schiffe von Holländern und Engländern angegriffen, sie verbrennen.
  Überall diese Spuren von wahnsinnigen Machtkämpfen. "Geschichte", Tod. Doch als wäre ich da der "Wahrheit" näher. Am schlimmsten ist die "Normalität" und Banalität. Sowohl der Schrecken, als auch die Schönheit. Jeder Engel ist schrecklich. "Denn das Schöne ist nichts/ als des Schrecklichen Anfang". Dies also ist es, was mich wieder atmen lässt, der Abgrund, den wir andauernd vergessen im banalen Getue. Und dann wäre alles gut, was den Tod als Übergang in sich enthält? Abstreift dieses dumme Kleid, den Körper? Alles ein Hilfsmittel zum Untergang? Während dieses Geseiere immer nur ein verzögertes Bleiben ist.

  Das Baden, die Umgebung, das Meer, diese Berührung hier, im Gegensatz zum verseuchten Utah, da war ich wieder mit dem "Ganzen" verbunden, berührt. Sinn nämlich ergab sich. Eine Art Engel unsichtbar in mir, der die Botschaft brachte, es sei nicht alles klein, niedrig und sinnlos.
  Auch schon Gedichtbilder tauchen hier auf: diese schiefen Boote, die bei Ebbe auf dem Trocknen liegen, wie Käfer auf dem Rücken, wie tot, Möwen dazwischen, und: von hier ging Wilhelm der Eroberer nach England, so, wie ihn der Erzählteppich von Bayeux darstellt.

In Cherbourg verfolgte mich der Film "Die Regenschirme von Cherbourg", obwohl dieses hier jetzt ein ganz anderes Cherbourg ist. Am alten Hafen? Alle diese alten Häfen überlagern sich, jetzt der von Dieppe, Hafenbecken, wo die Boote ganz unten liegen wie in einer Gruft, man Angst hat, hinab zu fallen!
  Und Cherbourg von oben zuerst mit den vielen Befestigungen, Festungen sogar. Dann aber überlagert sich Dieppe und Le Havre. Dieppe, wo ich Granucci und den Anker suche. Wir zu den Falaises fahren, wo das Meer tobt mit starkem Wind.
  Und auch, dass Cioran hier viele Tage verbracht hat, geht mir durch den Kopf: Er schrieb mir Briefe von diesem  grauen Ort aus, wie er sagte: anstatt in den schönen warmen Süden zu kommen. Ango, der Reeder hier. Kaperten von hier portugiesische Schiffe, über 300 an der afrikanischen Küste. Und Canadier sind 1942 hier (aus Heimatleibe) gelandet. Von hier aus wurde Canada kolonisiert.

Zurückgeblättert:  Besuch des Seine-Tals mit den Klöstern Jumièges und Wandrill. Wandrill vor allem, weil Maeterlinck hier war, das Kloster sogar  wieder  von Mönchen bewohnbar gemacht hat? Heute kennt niemand seinen Namen, ich frage nach ihm im "Magazin", wo nur lauter katholische Bücher und Kitsch verkauft werden.
Das war hier einmal ein Geisterort. Auch Rouen: Jeanne.  Ihre Stimmen machten sie so stark und handlungsfest. Doch die Stimmen brachten ihr auch den Tod durch die Inquisition. Jetzt ist das Kloster intakt, die Aura des Pförtners strahlt viel aus, eine subtile Geistigkeit. Und ich lese von der Hauptbeschäftigung der Mönche: "lecture divine" lectio divina.  Qui parle ainsi et l`ahme qui écoute et répond. Un sorte de "rumination" ce mot qui fait image est lui aussi traditionnel, dass der Geist langsam das Herz ergreift. Doch selten lässt sich auch so in der Landschaft lesen, obwohl diese sonst zur absoluten Präsenz zwingt, ist es heute schwer, solch eine "Lektüre" zu finden! Eine, die ich nicht vergessen kann ist das Val di Csesne mit Kühen, und vielen normannischen Strohdächen, abgeschieden, dass es war, als berühre tatsächlich der Geist der Landschaft hier, die Aura das Herz.  Hier würde ich gerne leben. Weniger in Jumièges direkt an der sanft-gewaltätigen Seine, wo wir am Ufer Mittagessen, darüber nachdenken, dass die Selbstmörder von Paris hier vorüberschwimmen müssen. Und Jumièges, die Ruine mit dem schönen Park, ein anderes Schandmal der Revolution, es wurde einem Holzhändler überlassen, der das Kloster sprengte.

Vor allem aber in Rouen ist der Bauzirkus anhand der Kathedrale  an ihr abzulesen. Der Macht- und Glaubenszirkus. Jede Stadt ist eine Mühle der Vernichung, heute besonders, schon damals aber war es so. Thron und Altar, man kann die Revolution sogar verstehen. Natürlich gehts um Geld und Macht:  1190 beschließt das Kapitel, die Kirche mit einer hohen Mauer abzuschließen, Handwerker siedeln sich an, machen den Bürgern Konkurrenz, denn sie müssen keine Steuern zahlen. So reißen sie die Mauer nieder. Das Kapitel exkommuniziert die ganze Stadt, 6 Monate keine Taufen, keine Begräbnisse, Hochzeiten etc. Bürger stürmen die "Immunität", schneiden den Priestern die Genitalien ab. Genau so ist es mit Jeanne, zuerst lebenslänglich, dann Tod, nach einigen Jahren rehabilitiert, im gleichen Gebäude des Erzbischhofs, wir gingen daran vorbei, und 1920 wird sie hier heilig gesprochen. Dann die Verwüstungen der Glaubenskriege.
  Auch die Gräber zeigen die Eitelkeit, den Grund, warum darüber Kirchen angelegt werden, um Protzentum, Macht und Reichtum zu zelebrieren, nicht etwa Gott, den Konkurrenten. Etwa Louis de Brézé und Diane de Poitiers, die wurde Frau Heinrich II. Früher schon seine Mätresse. Sich für die Ewigkeit präparieren lassen in diesem Gräberzirkus, so etwa: Richard Löwenherz eine Tumba hier mit seinem Herzen, der Körper kam nach Fontevrault, die Eingeweide bestattet in Poitiers. Ekelhaft. Diese Reliquien, als wäre der Körper, das alte Kleid zu diesem Spektakel am besten geeignet! Lächerlich alles. Auch etwa, dass der Butterturm finanziert mit Spenden für die Erlaubnis, während der Fastenzeit Milchprodukte essen zu dürfen. Bei der Qualität von Käse und Butter hier - der Reichtum des Butterturmes verständlich.
  Und weiter geht die "Geschichte" , die ja sowieso eine Geschichte der Narrheit und Verworrenheit ist! "Macht" und Gloire. Neuer Zirkus 1562 - Hugenotten  besetzen Rouen, plündern das Gotteshaus der andern, zerschlagen Gräber und Skulpturen, schmelzen den Schatz ein. 1683 spendet Ludwig XIV zum Wiederaufbau, natürlich auch geraubtes Geld. Und dann die Große Revolution: die Zerstörung geht weiter, alle Metalle, Kupfer, Blei, Gold, Silber, ebenso die Glocken eingeschmolzen. Die Achskapelle für ein Getreidelager vermietet, das Ganze wird zum "Tempel der Vernunft", hölzerne Tribünen, die Kirche wird zum Konzertsaal. 1822 ein Blitzschlag, der Turm beschädigt. langwierige und eitle Diskussionen. Schließlich wirds gußeisern. Und natürlich muss nun zur Ehre der Bürger der höchste bekannte Turm entstehen: 151 Meter. Man merkt die Absicht ...
  Schließlich kommen die zivilisierten Allierten, Bombardements am 19. April 1944, das südliche Seitenschiff völlig zerstört. Der Luftdruck zerstört weiteres. Wie wird der Zirkus weitergehen. Halt, auch schon 1787 wird der wunderbare Mittelpfeiler des Hauptportals beseitigt,  um Platz zu schaffen für eitle und protzige Prozessionen des Klerus, für seine Selbstdarstellung.

  Wahr, dass nur sterbende Gottheiten Freiheit geben. Wie jetzt nach dem Tod der Welterlösungsidee.  Verbrauchte Gottheit.  Doch die Psychologie des Irdischen beherrscht alles, der Hass, weniger die Sehnsucht. Sklaven, Fremde, die Rom erledigen wollten. Doch es stimmt: das reichte nicht. Selbsthass wars. Der Plebejer, der Nichtse. Und der Sohn war selbst einer, ein Niemand, der zur angenagelten Leiche wurde. Schimpflichen Tod starb. Aber Erniedrigung, ists nicht Erhöhung?
  Bald aber bemächtigten sich die Reichen und Mächtigen des Armen und machten daraus ihr eitles Spiel. Ihre Verbrechen in seinem Namen, der das genaue Gegenteil wollte.



Normandie, Caen/Rouen, August 1996.  Rilkes Gedichte zu den Domen meinen etwas anders. Und doch sind sie peinlich. Es ist jene Sehnsucht, ja. Die in uns eingepflanzt ist, trinken will, alles ergreift, es trinkbar macht. Trunken sein will an allem, dann erst schwingen kann. Die Tiefe, ja, Cioran hat recht, die Tiefsinnigkeit, es ist das einzige christliche Geschenk, das kannten die Alten nicht, die erschöpften ihre Götter nie. Das Unsichtbare, das Bild gewann, nicht umgekehrt, das Bild, wie es vor dem Unsichtbaren steht, es den Sinnen schenkt, was Leben träumend nennt, ein Stein, ein Baum, ein Hain, dass mir die Sonne überfließen kann, ich eingestanden bin, was außen ist, vernichtet sich, und brennt in mir was ein: es ist dabei und schwingt im Zentrum, und sei es noch so oft aus Stein.

31. August. Reise in die Bretagne. Dol du Bretagne.  Austernessen am Austernmarkt. Zum erstenmal dieses sogenannte Reichenessen von Fischern hier. Für  7 Mark ein Dutzend. Cancale heißt der berühmte Austernort. Natürlich lauter Deutsche da , die billig Austern essen, mit Sekt.  St.. Malo, wo Chateaubriand geboren und begraben ist. Comburg, das Schloss seines Vaters haben wir leider nicht gesehen. Doch die romanischen vier Türm aus Fotos sind bekannt. Ebenso der moorige Teich. Sein Vater war Sklavenhändler,  Seeräuber, mit dem Ertrag kaufte er sich das Schloss.
  Beeindruckend der Gedanke des einsamen Felsengrabes oben auf dem Eiland Grand Bé, ein großes, namenloses, Steinkreuz, nach dem Grab Napoleons in St. Helena konzipiert. Ist es nicht eitel, mit der Namenlosigkeit bis in den Tod zu spielen? Flaubert meinte: Nein. "... wird seine Unsterblichkeit sein wie sein Leben war: verlassen von den anderen und ganz von Gewittern umgeben. Die Wogen werden mit den Jahrhunderten lange um diese große Erinnerung spielen." (Über Feld und Strand.)
  Kein Wunder, dass ihn Cioran sehr mochte, er war gläubig und der skeptischste Mensch zugleich. Glaubte er an dieses Nichts? Oder im 3. Band: Chateaubriand. über sich selbst: ein Erlebnis in Combourg, wo er aus seinen Wünschen sich selbst eine begehrte Frau, die er nicht haben kann, projiziet, ähnlich wie die Tibeter die Kualpas, ein Phantom.


  Dann in Dinard. Nicht viel los, leider sehen wir die Küste nur oberflächlich zwischen Dinard und St. Briac, Renoir, sogar Picasso haben hier gemalt und Gemäde geschaffen, die genau diese Landschaft "sehen", sind dort in Reproduktionen aufgestellt, seltsame Verdopplung der Blicke sind.

  In Dinan - der alten Stadt ein Volksfest, wir kommen kaum durch: vor allem Renaissancekostüme, Mönche, Nonnen, Aussätzige sind zu sehen, sogar einer auf einem kleinen Karren wird so gezogen, einer dem man zur Strafe beide Beine abschlug. In Sack und Asche. Oder ein Wolf auf Stelzen. Die Polizei muss uns durch die Menschenmenge freie Bahn schaffen. Erst jetzt merke ich, was ich alles versäumt habe! Doch das Auto ermöglicht und verhindert alles. Wir finden keinen Parkplatz.

Für morgen: Matière du Bretagne, das ist die Gralssage. Christusblut und Eiter? Ginster, der daran erinnert!

1. September:  Ouistreham/ Caen: Sonntag. Ruhetag. Wir sehen uns noch die Kirche (Gottesdienst) und den Hafen an.  Packen, reinigen. Noch letzte Notizen. Nehmen abends den Abschiedsdrink.

2. September: Abfahrt über St. Michel, Rennes, in den Sagenwald der Broceliande, Merlins Grab. Phantasie, keine Wirklichkeit Eben dies der Jungbrunnen. Alles Projektion. Und der Lorbeerbaum über dem Grab geht ein, zu viele schwarze Schwingungen der Besucher? Dann der "Jungbrunnen". Und das Felsentheater der Schwarzen Messen. Man muss an diese Projektionen glauben. Die Atmosphäre der Krähen. Hundebellen in der Ferne. Zauberformeln. Ein Kranz wie ein Propeller. Dazu rauscht der Wald im Wind. Und ein Baum gibt ächzende Töne von sich. Schwarze Messen hier? (Auch den Film ansehen!) Das Schweigen der Steine. Und ein Megalith-Tisch mit 12 Steinen, wie bei Brâncusi. Höhenwind, als wäre es im Gebirge. Tannen, Pinien, Birken, Buchen, starker Mischwald. Und Grillen Zirpen. Und ein Flimmern. Verzieht sich das Lid. Übereinander gelagert die Bilder? L. beklagt sich, sie könne nichts mehr sehen. Als durchkreuzten sich die Zeiten. Spiegelungen. Unheimlich. Verhexung?
Dann das "Tal ohne Wiederkehr". Suchen hier eigentlich Phantome und Romanfiguen. Und das Wunder, dass wir etwas suchen, obwohl es dies gar nicht wirklich gibt. Hier hat Merlin den Verstand verloren, trank aus dem Bach, und gewann ihn wieder. So wie die Einsamkeit hier heilend wirkt.

Dann  Tréhorenteuc, wo zwei deutsche Kriegsgefangene die Kirche mit Artussagen bemalten, dann   Josselin,  Pont Aven, Concarneau  bis  zu Qimper und  Douarnenez am Mueumshafen schlafen wir.

3. September     Von Douarnenez über Locronan zum Aussichtspunkt Menez Hom über Crozon  und Carmaret, Pointe de Penhel, von hier zu den Iles des Morts, wo man bis Brest sehen kann; dann über Pont de Terenz über Cahateaulin  nach Pleyben, wo wir  Honig kauften; die Kathedrale ist leider zu, aber der Calvaire filmbar. Dann nach Quimper bis Auray und Carnac, sehen noch die Menhire,  dann Locmariaquer, sehen dort die Statte der Menhire. Dann ein schönes Hotel.

4. September:   noch die Pierres Plates, dann die  Insel Gavrinis und schließlich  mittags noch St. Gildas de Rhuys, Abaelards Kloster, und mittags nach  Vannes, essen dort im schönen Park der Mauern, und schließlich über die Grand Brière La Baule und St. Nazaire nach Nantes.

5. September:  von Nantes, über Bordeaux nach Arles

6. September:  Abfahrt von Arles,  Hyères, in der Ferne Porquerolles, dann weiter nach  St. Tropez, noch ein Bad, dann über  Nizza und Genua nach Hause.


10. September. Rückblicke, zeitverzogen nach einem innern Geflecht!

Bei Cioran viel zu lernen über das "Zurück-ziehen", das eigentliche Ziehen, der Sog, der Zug des Fortgehens, der mit dem ganzen Abschied korrespondiert, endlich zum Wegweiser, der Phantasie kommt, denn auch meine Energie wird zur Geistesgegenwart, ja begeistert sich und belebt sich außerhalb der enggeführten Illusion Zeit, eben in einer Welt, wo die Bedingungen der Tat selbst abgeschafft sind. Dann erst tue ich wirklich, was geschieht, mit mir geschieht, sonst wäre es ja Schlappheit, Sich gehen lassen, Anpassung. Und könnte ich das nur, die Gelassenheit üben, mich um die Leute, um "sie" nicht mehr kümmern, denn "sie" sagen mir nichts, buchstäblich schauen sie an mir ja auch vorbei. Warum sie nicht auch mit Verachtung strafen, sie übersehen, wegschauen. Es so halten, wie Pyrrho, der weitersprach, auch wenn sein Gesprächspartner fortging; er sprach ja immer mit sich selbst, der andere war nur Mittler, regte an. Auch ich träume  mit der "Ungeduld der Angeschlagenen" von dieser "Disziplin der Verachtung". Und fort mit dieser Rücksicht, Freunde, diese Anstrengung. "Her mit den Gleichgültigen oder Feinden, dass ich Atem schöpfen kann!" Meine Schwäche, allen "nachzuknödeln", wie das so schön bei uns hieß. Warum? Aus Angst, aus Unsicherheit, gar aus verborgenenem Hunger nach Verbindlichkeit, Angst, einsam zu sein? Doch das widerspricht meiner Erfahrung. Am wichtigsten ist das Alleingelassensein, am erfülltesten!  


Im Wald von Brocéliande unweit von Rennes am Jungbrunnen; angemalt die schwarzen Felsen mit bunten Hexenzeichen. Darunter auch das Schlangenkreuz der Bretonen, das wie ein Propeller aussieht; Das Schwitzen der Steine in mir. Nordisch die Stimmung, als würde Sommernachtstraumhysterie ausbrechen, Hexen verbrannt und Schwarze Messen mit nackten Frauen gefeiert.  Die Quelle selbst ist trüb, Neugeborene sollen hier getauft worden sein. Jungwerden aber ist wieder möglich, und dazu braucht es kein Mädchenblut, wie bei der Blutgräfin aus Transsylvanien, die Mädchen schlachten ließ,  im DNS gibt es ein Programm, das die Lebensdauer bestimmt, und das verändert werden kann.
  Ein Flimmern in der Luft, starker Mischwald, Birken, Tannen, Eichen, Buchen, so durcheinander die Blätter beschrieben, Grillen, Grille, ein Zirpen und Flimmern und Drehen. Und verzieht sich so das Lid vor lauter Geheimnis, als löse sich der Augen-Schein auf, es entstehen mehrere Schichten von Bildern, Zeiten die sich durchkreuzen. Und du sagtest: Siehst du auch so schlecht, hier, es wird mir schwarz vor den Augen, Spiegelungen, viele Spiegelungen, als wären mehrere Gegenden übereinandergelegt. Das  lange westliche Licht ist hier gefährlich!

Und die bretonische Märchengegend hier weiß ja von der Kraft des Scheins viel; dass es ein Wunder ist, nicht durch die Erde zu fallen! Die Erzählungen aus Brocéliande wissen viel von der camera obscura unserer Augen, vom Schein-Werfer unserer Sinne, die die Welt erfinden. Und so lange wir dem, was alle sehen, diesem Konsensus folgen, solange brechen wir auch nicht durch die dünne Schicht der gemeinsamen Halluzination, die Welt genannt wird, durch. So schuf Merlin für Viviane ein Schloß,( Josseline, wir haben es ja gesehen, und es heißt, das Wirklichere ist seine Spiegelung im See, auf dem Seegrund also wäre es zu finden!)  Und Merlin zauberte seiner Viviane einen Palast, der für jeden unsichtbar war, nur für die, die dazugehörten nicht, für alle anderen ist dort nur Wasser, der See eben. Und wer aus Neid oder haß das Geheimnis verrät, so ist auch für ihn das Schloß nicht mehr vorhanden, der feste Grund verschwindet, auf dem er bisher stand, und er sinkt in die Tiefe des Wassers, ertrinkt.

Merlin hatte sein Unglück, Viviane an der Barentonquelle kennengelernt, die wir suchten, aber nicht fanden. Schließlich legten wir uns an einem Barentoncamping zum Mittagsschlaf hin, unter einen Baum. Wilde Träume kamen.
  An der Treppe Merlins, wer ein paar Tropfen vom Brunnen darauf fallen läßt, so heißt es, könne Regen machen, Dampf erhebe sich, verdichte sich zu einer Wolke, die andere anziehe. Und dann regnet es.
  Bei den Hopi haben wir es erlebt, dass solch Regenzauber wirkt. keiner weiß wie. Doch einige Physiker sind fest davon überzeugt, dass es dieses Phänomen gibt. So....
(Vgl auch "Paranormale"-Lexikon: Pioggia).


Druiden- Kult der Kelten hier wichtig, und das, was wir nicht wissen, denn viele Geheimlehren sind nur mündlich weitergegeben worden, lassen uns nach unserem Maßstab die Denkmäler, Steine und Höhlen beurteilen, ähnlich, wie die Primitiven die Extraterrestrischen als Götter bezeichneten. (Druiden, irisch:die Eichenkundigen!) Blitze schlagen in die Eichen ein. Galläpfel und Tinte.  Bei den Kelten in Gallien, mit dem Adel Herrschaft über das Volk. Neues Leben nach dem Tod und Wiedergeburt, Seelenwanderung lehrten sie, doch Menschenopfer, wie bei den Azteken und Maya gehörte dazu. Zauberer, Wahrsager und Ärzte. Kelten? Warum bringt das Vorwort über keltische Sagen soviel parallele Geistererscheinungen?

Leary deutete die Hippies als eine Art "keltische Renaissance". Was heißt das? Menschenopfer zum Wechsel der Jahreszeiten? Doch Meyer behauptet, es seien nur rituelle Verbrecherhinrichtungen gewesen, massenhaft in weitläufige Weidengeflechte gesteckt und verbrannt. Aus den Zuckungen und Eingeweiden der Opfer las der Druide im weißen Gewand und vor einem Altar mit Eichenlaub bekränzt in Bewegungen, die dem Laufe der Sonne folgten, die "Vorsehung", den "Willen" der "Götter", also dessen, was sein wird, aber auch Träume dienten dazu, Flug der Vögel, ähnlich wie bei den Etruskern, aus Blitzen , Gestirnen.

Überall verbreitet, wanderten sie, waren frei und eigensinnig, stolz, eitel und streitsüchtig. (Gallier). Zerstörten alle Staaten, schufen keinen eignen, kamen bis Frankfurt, ja, bis Slawonien und Ungarn. Sogar Thrakien. Thessalien, Griechenland. Keine Heimatliebe. Kämpfe in Spanien. Iberokelten. Dann auch Oberitalien. Übermütig, prahlerisch, kriegslustig. Forderten gern zu Einzelkämpfen auf, sich zu zeigen. Redeten, Dichtung. Viel Phantasie. Wie sympathisch dieser keltische Nihilismus, der die Erde nur als Kleinaufenthalt sieht! Und wurden gern Söldner. Ehre war nichts. Verdingten sich schnell auch beim Feind. Der Einzelne stand höher als die Gemeinschaft, sie konnten sich nicht unterordnen, fanden es eine Schande zu arbeiten. Alle wollten Druiden (Priester, Sänger, Wahrsager) sein. Und die Angesehenen erstrebten nur dies.  Hatten besondere Ordenstracht, waren herrschsüchtig, elitär, 20 Jahre Unterricht wie in einer Akademie. Religion, Medizin, Recht, Mathematik, Astronomie. Nichts durfte niedergeschrieben, veröffentlicht werden, Grundlagen warren esoterisch. Exakten Kalender hatten sie schon, beobachteten sogar mit einem zu Kristall geschliffenen Glas (Druidenköpfe) die Gestirne. Und verehrten neben fünf Göttern vor allem zahlreiche Geisterwesen und Entitäten. und Genien. Druidenberge, so vielleicht auch in Locmariaquer. Quellen, Seen, Flüsse, Wälder und Inseln waren solche Stätten, also auch Gavrinis. Und sein Steinberg. Was aber bedeuten die Innenräume mit den Spiralen? Sind die Dolmen Druidenaltäre?

Charroux freilich hat so seine Theorie, dass zweitausend Jahre lang ihre Bauwerke und Dokumente vernichtet und verheimlicht wurden.


Am Ort "Sans retour" am rötlichen Felsen mit großem Rundblick. Sanfte Sprache der Kindheit, ein Blick hinab zum Tal und zum See. Wie ein  Altarraum im Offnen. Werfen die gesammelten Phantasien der Besucher eine Stimmung aus, die es sonst nirgends so gibt.
Hier soll Merlin geheilt worden sein von seinem Wahnsinn, in dieser Ruhe. Und wir werden ebenfalls hier geheilt vom Stadtgift. Verkohlte Felsspitzen erwarten uns unten am See, ein vergoldeter Stamm, ein Kunstwerk, das hier erwacht.

Der alte Artus, halb blind, auf der Ile d´Aval, geschlagen nach einer Schlacht, geheilt, doch nicht verjüngt von der Fee Morgane, und wie einst Odysseus von der Circe von Morgane gefangen gehalten, bewacht von neun Feen, wollte fort, doch war er alt und verhext, bat Merlin um Hilfe, zumal Artus auch noch um den Verrat seiner Frau Genofeva mit Lancelot wußte; er hatte Verleumdungen geglaubt: Mach mich auf immer wieder jung? Der weise Zauberer Merlin aber, der uneheliche Sohn des Teufels  und einer frommen Mutter, die ihn aber sofort taufen ließ, so dass er die Kräfte des Vaters behielt, aber nur zu guten Zwecken verwendete,   verweigert dem alten Artus dies Elixier: Gib mir die Jugend und mein Königreich zurück; schön dieses Reich der Lebenskrönung, König als Vereinigung gedacht, als Ruhepunkt des Lebens, wo die Zeit stillsteht, alles neu ist, weil die Wahrnehmung zugehörig, weil die ganze Welt zugehörig ist. ("Ich will dir die Krone des Lebens geben", so ein Psalm Und das Hebräische weiß von der Vereinigung von König und Königin Freitag nachts!).
  Zu seinem Erstaunen aber riet ihm Merlin zu Geduld und Verzicht. Und er habe alle seine Kräfte Viviane gegeben, sei nichts, als ein einfacher Mann, der den Tod erwarte, wie Artus auch. Von der Liebe zu Viviane gefangen im unsichtbaren Gefängnis, dem er nicht mehr entkommen konnte. Und es auch nicht wollte? Weil Liebe Leben für immer sei, also genau jener Macht entspricht, die wie seine Kunst den Schein durchdringt, Mauern durchbricht, jede Gestalt annehmen kann, weil es sie gar nicht gibt.
  In der Matière de Bretagne wäre auch Tun aufzugeben, Kampf, denn was sind schon Hände im unsichtbaren unheimlichen Partikelgestöber, denn wie faßten wir uns an diesen Händen, so lehr deine Hände schlafen, hätte er sagen können. Oder auch: dein Auge, dem Nichts stehts entgegen. Es steht zum König. Im Nichts, wer steht da, der König. Denn Er ist nicht faßbar. So riet Merlin  sich zu ihm zu bekennen. Wie er auch Ruhm und menschliche Liebe aufzugeben, auch Ginevra, seine Frau, und das Reich, das nur Staub und Asche sein wird, schon immer vergangen, wenn es erscheint.

Schön auch
 

Nein, Ginsterlicht war nicht zu sehen gewesen, keine Hänge eiterten gen Himmel, doch überall, gab es die Calvaires, ganz oben am Kreuz da hing Er, meist noch mit den beiden Schächern an der Seite, die ihn verfluchten, der eine mit hängender Zunge, verdurstend, wie in Pleyben, als wir Honig kauften, die Kirche aber geschlossen war, im Angesicht des großen Schmerzes, der Folter, die ein Zeichen der Erlösung sein soll? Was wär das Kreuz im Leid, nur ein Symbol? Und dass der Körper um Nichts sich neigt, das arme Kleid - wie in Guéhenno bei Josselin? Stein, Stein geworden der Schmerz in vielen Figuren, die Ihn umgeben, der nichts mehr ist als reine Figur, Kreuzpunkt, da wo der Kopf steht, dichtester Ort. Und wer verriet? Das Morgengraun die Nacht, wo das Geheimnis ist, das Licht verzerrt? Die Säule steht mit ihm vor einem Beinhaus, das leer ist, wie jedes Grab, das nur den Leib enthält, den  Schein von der Gewalt des Hier: man siehts ja deutich, Geißel, Ring und Strick, die Ruten für die dünnen blutigen Streifen, der Schnitt ins Fleisch, die Dornenkrone, Schilf, Nägel, Hammer, Zange: HAEC PASSUS EST PRO NOBIS. Hat er das alles für uns erlitten - oder für Gott? Der vieles zuläßt, was geschieht, auch Jetzt. Und überall der Satan, dieser Kopf des großen Nein, Unglaube ohne jede Verzweiflung, wie wir sie heute finden: und über dem Beinhaus, das dies Niemals sein soll, da ist das große offne Maul der Sonne, täuschendes Licht, das uns verschlang. Nur Maria und Magdalena stehen da und weinen, warum, wenn sie doch glauben können, dass er nicht nichts ist, wiederkehrt, der untot   ist, wie jeder! CRAS Resurget steht noch da. Als läutete tatsächlich dieser Dorn in der Wunde, und viele kleine Kindergräber, nichts als aufgeschütterer Sand als Hügel des Vergehens, Vergänglichkeit schön, grüßt dein Gedächtnis und wundert sich, kein Name, kein Kreuz.


Bretagne. Wo war es, als das Boot mit "Blutsegel" auf uns zuhielt, Bretagne und Locmariaquer, ja, als wir zurückkamen von der Megalith-Insel Gavrinis, als der Fingerabdruck im Stein riesig geworden war, Wellen, Wirbel, Sog drinnen im Grab, die Spirale, das Labyrinth, das  wir alle an der Fingerkuppe tragen ist die Grundstruktur der Welt, Spiralnebel, Sterne, Atome und Uhrwerke früher, säumte den dunklen Tunnel der verschwundenen Toten.

Urwelle, konzentrische Kreise, oft aber auch Eiform, Hoden, der gehörnte Gott, der fliegende Greif, Phallus, geflügeltes Pferd. Axt, Schwert und vor allem die Hacke.


12. September 96.  Für Gerhardt: Jürgenson-Porträt. Rilke in Muzot, Entstehung der Duineser Elegien.(VGl. Tagebuch und Holthusen)

Die Neoenergie der Pyramiden kommt mir in den Sinn, Karel Drbal hatte sie uns 1975 an seinen Modellen in Prag erklärt. Und sollte diese gewaltig Energie die der Pyramiden in Ägypten und Mexiko sein, nicht nur zur Mumifizierung, Erhaltung des Körpers der Pharaonen, sondern wie  antike Atommeiler? Überhaupt wird behauptet, dass diese gleichaltrigen Riesenbauten mit enormen Steinen nur mit Hilfe von Levitationskräften hätten erbaut werden können.(Ramses III. "Ich schuf berghohe Denkmäler aus Alabaster und gab ihnen Leben bei ihrer Entstehung." (Clarc, 101). Und auch wenn diese nicht durch "Raumarchäologie", also Einflüsse von höher entwickelten Wesen aus dem Weltall, wie sie die Ägypter , aber auch die neolithischen und Megalithkultur-Menschen gelehrt haben sollen (nach Sowjetforschern, etwa Agrest, dann Kolosimo, von Däneken, Charroux, Sendy und Bergier. Blumrich, Steinhäuser u.a. Daß sich diese Astronauten wieder zurückzogen. Wegen Kriegen (Atlantis) in den Hopisagen (Blumrich) auch vorhanden, dass sie auf diese "Götter" weiter warten. Und dass die ganze Adam- und Noah-Sage darauf zurückgeht, die ganzen Göttergeschichten nur Verballhornungen von Unwissenden sind. Palenque in Mexiko, Nazca in Peru, aber auch Stonehenge und die  Megalithkultur, so natürlich auch Carnac werden zusammengebracht 4-: 6000 Jahre.
  Stonhenge (schwebende Steine) auch ein Cromlech, wie Gavrinis oder die Vogelinsel. Gräber, aber zugleich Energie und astronomisches Observatorium? Denn wie hätten die Kartenmappen des türkischen Admirals Piri Reis (1513-28), die 1929 im Museum Topkapi von Istanbul gefunden wurden, erklärt werden können, die so exakt sind: die Küstenkonturen des Atlantik, Afrikas, Europas, Amerikas, erst vor kurzem von Columbus entdeckt, aber auch die heute vom Eis bdeckten Polkappen als Landmasse wiedergeben, nur durch Luftaufnahmen wären sie möglich! (Vgl. auch Psychokinese von A. Clarc.)

Ich lese in Charroux. Ganz verrückte Deutungen, die nicht stimmen können. So dass die Schlangen in Gavrinis und anderswo die Verehrung der Flugmaschinen darstellten, mit denen die Götter von anderen Planeten auf die Erde gekommen sind.

In St. Gildas de Rhuys. Besuch in Abaelards Klosterabtei. 1128-1136. Vor zehn Jahren ist er zur Strafe (Beziehung mit Heloise) entmannt worden. An Heloise schrieb er im 5. Brief, "Die Glut meiner Gier hatte mich mit dir zusammengeschmiedet; ich dachte nicht mehr an Gott, ich dachte nicht mehr an mein besseres Selbst, so tief untergetaucht war ich in den armseligen Genüssen, die zu schmutzig sind, als dass ich sie ohne Erröten auch nur nennen kann.." Da habe Gott in seiner Barmherzigkeit, das Messer, das seinen Leib traf, habe ihn A. von dem Schmutz befreit. So habe er nur an einem kleinen Teil des Leibes seine Sünde büßen müssen. Ein "Pfahl im Fleisch" . Selbst aber habe er es nicht tun dürfen, ein anderer musste es tun. Origines sei schuldig geworden, weil er es selbst getan.

Und doch wurden sie zusammen bestattet, waren sogar Eheleute gewesen, hatten einen Sohn. Auf dem Père Lachaise schrieb ich:


Weißt du noch: HELOISE UND ABAELARD
Etwas Regen auf dem Père Lachaise.
Versteint. Wir unter Regenschirmen.

Was weint da. Sogar über Steinen. Wir
suchten. Und unter Linden hören wir

ein Flüstern. Laute, wie Tandaradei.
Klang Worte in Höfen. Tage. Und dies Paris

so spät. Kaum Große Herbstzeitlose, die
zur Liebe jetzt auf Gräbern rät. Ein

Liebespaar, wir waren jung, berührt den
Stein. Von unten her. Ein Kind, das weint.

Woher ein Sic et Non, der Erdgeruch mit
deiner Haut im Regenduft vereint, im Schritt

der Kuß unter dem Kleid, ein Blitzen wie
durch Tränen, ein Blick der Tote überholt.

Jetzt stehn sie auf und lachen. Sie sehn
dir unters Kleid, die schwarze Herbst-
Zeitlose die  Sonne  runterholt.

Heloise, Abaelard: "Was ich begangen, es lebt
so stark in freudiger Süße," riß mir das Herz
entzwei.

Saß sie auf einem Steine, Heloise, Abaelard.
Fließt in die Iris heute
dies Liebespaar.

Und steigt ganz aus dem Wort und nur ins Auge ein.


Der Name sucht durch Todesnacht lichtschnell verborgen dort
im Stein, den nur der Finger anstößt, Kälte fühlt,
als wäre dieses wahr  ("drei Tage sind es drei/ von keinem
                        Schmerz verschont,")
Heloise, Abaelard...

Tod ist ein Liebespaar. Liegt vor uns, geschwärzt
Figur, der Stein. Schmerzlich der Durchgang
mit Bildern und Dornen, durchkreuzen das Auge und
sieh, die Paare, sie wärmen.

Vom Tode denke nichts, und nur auf ein Wort. Steht
Sic et Non - gerade für wen? Daran miß und trau
dem Auge nicht mehr,
                
                       trau denen, die nicht mehr sehn.



Nichts erinnert in der kleinen Abtei, die nur noch seinetwegen besucht wird, an ihn, er selbst floh von hier, der Rauheit und Ungebildetheit, Gesetzeslosigkeit der Mönche. Und doch werden andauernd Abte und Heilige, meist in Form von Grabsteinen, einer sogar im Glassarg mit den heiligen Gebeinen vorgezeigt. Die Kirche mochte den freien Abaelard nicht. Immer wieder wurde er "bestraft" Auch in einem Kloster bei Soissons, das zugleich Irrenhaus und Kerker war. Und hier die heiligen Knochen. Überall die Materie verehrt.
  Ich mache Aufnahmen davon. Auch von einem großen Schiffsmodell, dem Nonnenkloster daneben. Werde verjagt. Und denke an Abaelards "Sic et non": das meinem eigenen Stil entspricht: jede Aussage zurücknehmen, nichts stehenlassen, weil nichts wahr sein kann, was nur gedacht oder nur Sprache ist.

Byron. Ja. Byron und Pisa. Byron und  Shelley hier. Manfred? Die Normannen und Sizilien. Wer war Manfred, wer war Robert Guiscard? Den Kleist zum Vorwurf nahm? Die tiefste Melancholie und der Trübsinn? Manfred viel später: Sohn Friedrichs II und der Lancia, unehelich, Friedrich traute sich noch auf dem Totenbett. Manfred: König von Neapel und Sizilien. Seine drei Söhne endeten im Kerker. (Geb. 1232)
Guiscard allerdings Machtmensch: Sohn  Tancreds von Hauteville, zur Zeit Barbarossas geboren. Herzog von Apulien und Kalabrien. Entriß das Land den Griechen, kam bis Saloniki. Gegen Byzanz auch. Sein Bruder Roger eroberte Sizilien von den Sarazenen. Sein Feind war Abaelard? Jedenfalls bei Kleist. Und der Todeswunde nahm den Machtmenschen Guiscard als Vorbild, scheiterte daran.

Auf dem Weg von Cherbourg nach Caen sprechen wir über Hauteville. Von hier also ging die Eroberung Siziliens aus.


Auf dem Weg  zum Pont de Penhir kommen wir nach Crozon. Unterbrechen. In der Kirche das Martyrium der Legion Thebaine: 400 holzgeschnitzte Figuren. Zehntausend wurden gekreuzigt. Unvorstellbar dieser Wald von Kreuzen. Ist es das Verdienst des Cristentums, solches Leid geschaffen zu haben, noch vor der Machtergreifung durch die Kirche? Der Tod dieser Menschen, der mich noch heute beschäftigt.

In Honfleur, ja. Das Boudin-Museum. Aus diesen Bildern erfährt man mehr, als aus der Landschaft, vor allem wenn man nur mit dem Auto fährt. Unsere Reise hätte ein Mehr gehabt, wenn wir mit Monet hier gewandert wären, und  in der Bretagne, oben zwischen  St. Briac und St. Servan gibt es sogar Reproduktionen, Landschaft und Malbild gegenübergestellt. Sogar Picasso war hier. St. Malo ist ja auch so, dass man dies Wattenmeer, die Burg, die Inseln, und Chateaubriand nicht vergisst.

Und dann Pont Aven und Gauguin. Wie kann ich die Erinnerungen sammeln und korrigieren. Die Fetzen, die wie Traumbilder um mich schwirren. Banaler Alltag, Momente werden auf der Rückseite, rückwärts gesehen, zu eigenen Ewigkeitsbildern, abgeklärt: die Mühle am Fluß Aven, jetzt Edellokal, in Pont Aven. Ich bin neugierig auf den Videofilm, was hat er "festgehalten"? Hier in der Sud Finistère

Warst du Schüler von Pissaro, Gauguin? Impressionist, ein Schimpfwort, von Nord nach Süd, die Normandie, Honfleur veraltert? Welch ein Stil, das Wort, wenn es zu spät kommt, meines jetzt, nachträglich, nach Pont Aven: zwei Sekunden, die ich jetzt erfüllen muß, auf füllen, füllen, mein Freund. Predige ich, an wen? Ihr, die Jungen damals, voller Wut auf den sich abzeichnenden Untergang, ließet den Fluß rauschen, herabhängende Trauerweiden nicht nur, sondern ihr saht rot und grün. Bernard und du, 1888 also, als wüßtet ihr Kant im Gesehenen, schält es raus, setzt es zusammen: die Synthese, ein anders Ja. September: Zwei Gemälde kamen an. "Bretoninnen auf der grünen Wiese", wo war das, im Kopf? Ich hungere jetzt noch nach Visionen, die Predigt aber ist tot, in welchen frommen Köpfen hauchfein kommen die Bilder der Engel und Kühe noch an. Du machtest eine Skizze, schicktest sie an Van Gogh, den wir später in Arles auch besuchen, kein Leid mehr, nur die Erinnerung an ein abgeschnittenes Ohr. Zieh mich rein, mein Freund, wohin sollen wir noch fliehen, du hattest  Tahiti.

Mette war Dänin, sie verließ dich. Du Berufsloser, gabst den Bankkaufmann auf, auch in dir: fort von hier. Fest halten, nichts anderes. Völlig statische Figuren. Schock, wie Baudelaire, der Bewegung hasste. Aufhalten, aufhalten. Wir sehen das Gasthaus der Marie Hunerty, die er malte, die Belle Angèle, bretonisch. So wie ich jetzt ging er spazieren, machte Skizzen, setzte dann zusammen, wie ich, der gelbe Christus, der hat ein Gesicht wie er, nur schmaler, er, der Boxer mit großer Nase. Wir wollten die Kapelle sehen, als wir durch die Stadt irrten, Antiquitätenläden, überall Galerien, jetzt wollen sie dich, jetzt. Hinunter den Fluss, wo die Boote lagen, kleiner Hafen. Nach  Nizon mit dem Calvaire reichte es uns nicht. Dort  entstand aber sein "Calvaire". Starr, wie der Schmerz, drei graue Frauen, wie die Nornen, grau der Christus, Geister unterm Stamm, farbig blau, wie das Meer die Bretonin, Mutter, Maria, Magdalena, mit einem schwarzen Schaf an der Hand, als krieche dieses in  sie, oder sei ein Tl schon, weggeneigt, chinesisch fremd schon das Gesicht, rosig das Land, wie Korall, die Insel im Blau, hoffend, frisch, und die Wolken wie Geister oder große Finger, Christus eine leblose Puppe.

Fromm sehn die Frauen mit den großen weißen Hauben, Kapelle von Trémalo: Gelber Christus, dem hat er von hier mitgenommen, warum gelb? Licht, leuchtend, so siehst du ihn. So. Wie du den Liebeswald siehst, wo sie sich trafen. Du kannst ihn bei Sonnenuntergang ganz rot sehn, rot, anstatt ein Negativ, rotes Negativ. Oder ein blaues das Meer. So löschst du die Welt aus. Um sie neu zu erschaffen. Im Hirn als Fotographie der Phantasie oder sichtbar auf einer Zigarettenschachtel, synthetische Landschaft, Kant, ist es, sichtbar das Ding an sich, wenn du Mut hast. Violett, Zinnoberrot, Veronagrün - die reinsten Farben, ohne jedes Weiß des Nichts, weil die Augen vor Tiefe glühn.

Das Auge soll ein Loch sein ins Jenseits, ein Später. Ich auf der Flucht, nur flüchtig in aller Ewigkeit im Leben, wie jetzt der Augenblick vorbeirast, Fluchtpunkt sieh zurück!
Und immer wieder kommt er: Heiliger Geist, wie er da sitzt im Kopf der Bretonin. Naiv. So wie  SIE ihn sieht, den Kalvarienberg, Gelben Christus: nach der Predigt, die Vision oder Jakobs Kampf mit dem Engel für die kleine Ortskirche, der Pfarrer weist das Innere des Heiligen mit Abscheu zurück. Sie, ja, sie sehen es anders, auch als die  primitive Seele der Frauen, mit fliegenden weißen Bretoninnenhauben. Licht in den Dingen, nicht außen, so ist kein Schatten, wie im Hirn, alles Kontur. Hirnsyntax, mein Lieber, so gibt es die roten Bäume aus Blutsonnen. Die Geister wollen uns sehen, so malt er Ideen, die ihnen nah sind, Tote haben Intuitionen in ihm: Selbstbildnis aus Licht gewachsen, ein grüner Apfel klopft an die Stirn, ein roter begleitet, alles im roten Himmel, der Kopf wächst aus dem Licht, der leidende Christus,  oder Adam ists, der Heiligenschein wiederholt nur das Vibrieren des Gelben, grün, grün die Schlange die er hält. Kämpft überall Jakob mit dem Engel? Das Bretonische ist ein weißes Gefühlsfliegen, weiß, das zu den Farben wie Vögel nicht passte, außerhalb der Welt war. Was will der gewalttätige Engel von Jakob, die Leiter?, und er soll den Baum nicht sehen, der sie trennt von den betenden Frauen?  nur ein Tier frisst an ihm oder berührt ihn warm mit der Schnauze, eine Kuh, ein Schaf. Und die knienden Bäurinnen mit den Händen im Schoß. In der hektischen Welt ein stehendes Zeitparadies. Sanft, wie seine dreizehnjährige Tahitianerin später, die nach Milch roch und nach Morgen.

Statisch aber die drei Frauen, schwarz unter dem glühenden Abendbaum, dahinter die Kapelle von Aliscans vor Arles. So stehn die Geister, die Toten in uns in der Welt vor dem, was noch ist. Und links eine Fontäne, nein, ein Riesenphantom. Ists schon der Geist von Van Gogh, den er besuchte? 1888 im November? Fontänen von  Gelbrot, wie die Zypressen von Vincent, der schon krank war: in Arles und dann San Rémy die Aura, den Wirbel der Atome sah. Ihm schickte Gauguin in einem Brief die Skizze der Jakobs-Vision, eingeschlossene Konturen, wie ein Landkarte.

Und starb am 8. Mai 1903 allein und verlassen in seiner Hütte, im Haus der Freude, unterm "Gold der Körper" hier, Frauen und Blumen, aber allein, krank verurteilt zu Geldstrafe und Gefängnis. Hiva Oa hieß die Nebeninsel der Marquesas-Inseln.
  Wie der Freund Van Gogh - nachdem sein Schuss  im Kornfeld , als er nach einem Motiv suchte (in der Sonne) gefallen war, in den Bauch hatte er sich geschossen. Warum? in Auvers bei Paris, Dr. Gachet war da, Theo der Bruder kam, in dessen Armen er dann starb. "Das Elend wird niemals enden. Jetzt möchte ich heimgehn." Am 29. Juli 1890. Ein einziges Bild, der Rote Weingarten, war  verkauft worden. 400 Franc. Keiner hatte ihn zur Kenntnis genommen.

Arles, die Einfahrt an der Mauer. Hektische Nervosität, viele Autos. Die Rhone. Unstimmung,  Sonntagsverkehr. Wir irren durch das Labyrinth der Altstadt. Hotelsuche. Verbiestert, offen keinesfalls. Zum Leid musst du offen sein. Vorerst ist Vincent gar nicht da. Seit Februar 1888 aus Paris. Die Provence - ein Taumel, er sah die Wirbel der Atome, die Spiralen überall. Endlich.
  Wo wohnte er: Place Lamartine 2, vier Zimmer.

Das Blau des  Briefträgers Roulin. Und der Sohn. Die einzigen Freunde. Roulin, wallender Bart. Vincent: Er hat ein Sokratesgesicht. Und so fand ich es wieder auf dem Buchumschlag zur Hohen Rinne des Constantin Noica: Epistolar, Brief, ach, in den achtziger Jahren in meiner Heimat zu Paltinis. Wie fern, mein Lieber, von Arles, durch das wir irrten. Und L. sagte: hier in der Nähe feiern die Zigeuner jährlich ihr Fest. Und es wird viel geklaut. In der Nähe der Place de Forum und der rue Hotel de Ville ein billiges kleines Hotel mit antikem Hinterhof. Nach langem Suchen, nervös, das war Arles, und die Arlesierin, die ein kretisches Gesicht hat, quick und frech, gibt den Schlüssel, befiehlt immer  das Hoftor zu schließen, wegen der Diebstähle, wir fahren auf ihren Rat  auf den Boulevard Clemenceau in eine Garage, schaffen es noch, ich schleppe im Schweiße meines Angesichts Tasche und Koffer samt Computer. Angst. Kann im Abendlicht gerade noch filmen, den Groll überwinden, Schwitzen, Wut weil mir L. wieder beim Parken erklärt: wie ein Anfänger, wer dir zugesehen hat! An der Stadtmauer. Dies also der Zeitraub, größer als jeder andere, Nervenraub in Arles, anstatt Vincent. Ich kann noch den Place de la République mit dem schonen Rathaus und der Kirche St. Tropisme plus Cloitre filmen. Dann Dunkel. In einer einfachen Creperie Abendessen. Beobachtungen, dass hier eine Art Mafiazentrum ist. Bedienerin, eine große Junge, mit Kothurnschuhen. von einem der im gleichen Haus wohnt, dort noch Licht, dann die Frau. Alles beherrscht.

Am nächsten Morgen Aufregung, habe die Camera nicht geladen.  Ein kleiner elender Rundgang. Filme trotzdem noch das  römische Amphitheater, ein Art Colosseum. (Stierkämpfe, Spanien ist nah). Dann das Theater. Den Park. Auch diese Stadt, wie Lucca übergangslos aus dem Römischen, eine Stadt auf die andere gebaut. Der Blick: auf einer Terrasse, Kirche, aufs "Colosseum". Morgen. Überlagert viele andere Blicke von Kirchterrassen, mit Blicken auf die Stadt. Barga. Am Theater, ich filme durch das Gitter, reißt L. der Schuhriemen. Ich versuche den Schuh zu reparieren. Solch Augenblicke. Frauen gehn vorbei.

Jetzt erst denke ich an den Garten in Ouistreham mit den Sonnenblumen, wie Köpfe. Daß Van Gogh Gauguin mit Sonnenblumenbildern im Haus empfing. Malergemeinschaft.? Diese sollte entstehen. Das scheitert immer. Streit. Gaugin. schildert in seinen "Diverses Choses": Dass die Suppe, wie seine Farben, dick, nicht essbar war. Dass sie stritten. dass er auf die Mauer schrieb: "Je suis Saint-Esprit/ Je suis sain d`esprit." (Gesund im Geist!). Eines Abends lag er. Bleischlaf. Und einen andern trank er im Café (Place Forum?) Absinth. Warf Gauguin das Glas an den Kopf. Ein andermal attackierte er ihn mit dem Rasiermesser. An einem anderen Abend, nach dem Essen ging Gauguin allein aus. Ein schneller Schritt hinter sich, als er den Platz Victor Hugo überquerte. Vincent stürzt sich mit einem Rasiermesser auf ihn. Sein Blick aber hielt ihn ab. Er küsste den Kopf des Freundes, ging weiter. Gogh schlief in einem Hotel.
  In der gleichen Nacht schnitt er sich das Ohr ab. Nasse Handtücher um den Kopf. So hat er sich gemalt. So hat er das Ohr dem "Salon" gebracht, einem Mädchen  geschenkt: Hier ein Geschenk von mir. Hatte sie ihn einmal scherzhaft am Ohr gezogen, wenn du mir nicht wenigstens ein Hundert-Sous-Stück geben kannst, dann schenk mir wenigstens dein Ohr!
  Laute Stimmen vor dem Rathaus. Fast hundert Bürger fordern Van Goghs Zwangseinweisung. Er kommt nach San Rémy.

Gauguin, saß vor ihm, so Bild im Bild, malte den Andern: Sonnenblumen malend. Licht. Und wir sahen noch die Zug-Brücke, uralt, außer Gebrauch. Brücken malte er, ein Hinüber, noch fassbar. Brücke von Langlois, im Bild gelb und gewaltig. Gelb wie die Sonnenblumen, gelb wie der Stuhl, der eine Gestalt hat, die Person Stuhl in seinem Zimmer, wo es keinen Abgrund gab, wie draußen.. Gelb die Cafeterrasse am Abend, Place du Forum, wo wir auch aßen und  viel Rummel war am Tag. Strichmännchen vor dem unermesslichen Nachthimmel, ganz dunkel die Häuser. Gelb auch das Innen, fahl wie Schwefel der Unterwelt, die Hölle. Wie ein verhinderter Schlaf, übernächtig. "Ich habe versucht, die bösen Leidenschaften der Menschen in roten und grünen Farben auszudrücken." Übertrieben groß in der schrecklichen Leere, die Menschen klein unter den kreisenden soghaften Wirbelgloriolen der Petroleumlampen. Fegefeueratmosphäre von bleichem Schwefelgelb".
  4o Selbstbildnisse, und eines mit Kopfbverband, ohne Ohr.  Verletzt, verwundet, nur halbes Gehör. Wer sieht, hört nicht. Oder: die Stimmen? Meist will er häßlich sein, Backenknochen rotblondes Haar. Kleine Augen mit blauem flackerndem, irren Blick. Denn er hört Stimmen.








Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen