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Mittwoch, 2. Mai 2012

ERSTAUNTE AUGENBLICKE. Tagebuch 1989-2012 III


                      1973- 1975
Ich blättere im Tagebuch und finde wenig zum Abschreiben, viel Unsinn. Zum Beispiel: solange die Wahrnehmung noch nicht zu einer geschlossenen Gestalt zusammengefügt ist besteht für die synthetische Funktion des ich ein Leistungs zwang. Sehr wichtig: Vernachlässigung der Faktizität; ich bin ein Graphomane. Schwerste Mensch

Äsch hiess damals meine Haupt figur. Die Szenen gebildete Mensch ergeben sich aus der Erlebnisvorgänge im Erlebnis der Realität hohen I. gehören Modelle wann ist sinnvolle Realität und damit Anwesen (locus solus) möglich? Äschs Krankheit ist sehr stillstand in der Abwehr von Zeit und Geschehen und Wirklichkeit. Äsch also meine  Hauptfigur.. Absatz

Ich fühle keine Form ihnen mir.

Wasslaue Blässe blau
Blaumilchreichs  Hauchen,
helldurchreichtes Nebellicht
auf der Lichtung rauchen:

 Siehst sie kommen,  siehst sie sie gehen,
weh, verruchtes schreiben
lichter Schatten ohne Form    gelöst Sie kommen gehen

Und die Wärme im Geruch:
Malt den Schreibern Blumen
doch nach steif gewebtem Tuch
 muss die Stunde kommen.



es ist schon mühsam hier mit dem sprechen im Gesprächsschreiben das geht sehr langsam

           
Israel Tagebuch totes Meer wir sind 400 m unter dem Meeresspiegel und eine Temperatur von 45 vorbeifahren an, und gewöhnen klammert Bibel gefunden worden sind.




                                  
1974






Zu AGLIANO

13. August 1974. Auf  dem Schiff : Fahrt nach Elba. Die Sommerzeit  über dm Apennin  schafft leuchtende Nebelformen. Der Arno  rechts wie die Kokel, Gedanken an das gestrige Telefongespräch - Vaters Drachen.
Tutzi wrde gesagt, es sei sehr gut, dass ich  in Italien leben werde, mich aber in Rumänien nicht blicken lasse. Besser so. Sie hat mir auf meinen Brief nie geantwortet. (Das war des Eisebburgers Bitte!)  Zensur   über die Grenze in meinem Kopf. Auch die Biografie wird versaut. Es ist wirklich ein Punkt in meinem Bewusstsein. (weiter abschreiben.)

Küste jetzt, Tirrenia oder Livorno. Ich aber sehe diesen Mutterbauch vor mir, der unter dem modisch langen Grossmuttrerkleid üppige und aufregende Konturen erkennen lässt (vor allm der Nabel und die Möse in Scheiben aufschneidn kann, also alles , was da ist, nicht da ist.

Unhd doch genau dies, dies unter den Kleidern zu Erratende, dies, genau dies, hier nun sehr erregend Dahintersehen und in diese  Frauenkörper Hineinzusehen versuchen, macht das letzte sinnlose Moment (als S


1. September  1974
San Fruttoso

Sicher , es läßt sichheute nicht schreiben
mit Daktylen und Wahlkämpfen
doch das Meer bleibt  außer dem Wort/ -
Spiel und all den Genauigkeiten
 aus Metaphern Alltagsmittel.

Es bleibt das Zahnfleisch rot
nicht nur weil der Skorbut  auch hier bei den Ex-Fischern
 von San Fruttoso abgeschafft wurde ,
die Stimmung am 1. September,
wenn der Himmel bewölkt ist und
das Meer  schwarzblau bewegt ist fast die gleiche wie  vor hundert Jahren. Ich
Schliesse die Augen
höre die vielen Phantome der Ars Buchstaben kaum
ein Motorbootverkehr wie mittags bder Berufsbverkehr  in Rom ich höre mir das das ganz konkrete Wasser schlagen und rauschen.

Der Schetten der die Felsen zudeckt, der täglich  gefürchtte, der uns mordende Tod, der einfach
 und so dass ich der Sonne nicht mehr verkuppelt bin, die Haut abkühlt und der Kopf  lässt mich wieder erkennen was Mäll und kühler die Sonne verdecken

Nebn mir drei Sonntagstaucher wie Urtiere aus Kunststoff kriechen sie ins verseuchte Meer
Taucher zum  Unterwasseejesus und die Taucher zurück in die Gründe mit hochgereckten Armen
Für die Seetoten stehen bitten, dass die Stricke nicht reissen mögen, dass die Netze nicht nachgeben.


Nichts andres  als einige befriedigende Seiten, die genau in mich hineimnhören und das wiedergeben, was  mich immer am meisten bewegt hat. (Würde da nicht M. genügn?) d.h.  den Horizont  so weit hinaufgehen, bis jeder dabei ist, und das  heisst nicht in die Ferne, nichts ins Aussen, Sosiologische, sondern an den Punkt kommen, wo dieser Satz stimmt: “ Wi fühlt ihr es nicht? Ein Unsinniger, der glaubt, dass ich nicht du bin.” (Victor Hugo).

4. März Cinque Terre. 5 Terre. Riomaggiore. Manarola.  Via del amore.

Trennungsgespräche.

LEBENSZEITJAHRE
Cinque Terre
(Und ins Wasser gefallen, das Meer)
Steinweiß nach einer dunklen
Schlaflosigkeit
Nacht der Trennung

wie übt das schreiende Herz
wenn die Jahre vergehen
jetzt die Weite aus
wund

weil das Meer nicht trennbar ist
nur in den Köpfen
wie die Gewohnheit
gefangen

Der Blick unter Agaven
die Wärme die Füße
aber fast schon im Wasser
lesend

Und oben auf der Terrasse
lieben sich zwei unter dem Pelz
wir: als wir jung waren

Horizontweit der Blick
erinnert den Sommer im Boot
und Vernazzas Turm die Sehnsucht
im Hafen du hebst die Erinnerung vom Grund
das alte Herz ist der Anker.

Schicksalsoffen zu sein und tun
was geschieht 
neu wissend da
alles was ist dein Bild hält
das du erzwingst aus Gewohnheit

Doch unbefangen bleibt

Geh sanft mit dir um
ruhig und zärtlich hinter dem Bild
das du viel zu laut vor dir siehst
schreiend nur redest

Unendlich bist du
ohne dass du es willst
Übe die Langsamkeit immer
und langsam kommt deine Zeit
von innen und die Menschen
strömen hinter dein Bild
dir zu

Für die meisten ist  kein Heil
weil ihr Gesicht verzerrt ist.
Durchbrich jede Planung
sei ohne Zukunft Hier!
3/96





     CINQUE TERRE.. Rapallo.  PORTOFINO           


1. September  1974
San Fruttoso

Sicher , es läßt sichheute nicht schreiben
mit Daktylen und Wahlkämpfen
doch das Meer bleibt  außer dem Wort/ -
Spiel und all den Genauigkeiten
 aus Metaphern Alltagsmittel.

Es bleibt das Zahnfleisch rot
nicht nur weil der Skorbut  auch hier bei den Ex-Fischern
 von San Fruttoso abgeschafft wurde ,
die Stimmung am 1. September,
wenn der Himmel bewölkt ist und
das Meer  schwarzblau bewegt ist fast die gleiche wie  vor hundert Jahren. Ich
Schliesse die Augen
höre die vielen Phantome der Ars Buchstaben kaum
ein Motorbootverkehr wie mittags bder Berufsbverkehr  in Rom ich höre mir das das ganz konkrete Wasser schlagen und rauschen.

Der Schetten der die Felsen zudeckt, der täglich  gefürchtte, der uns mordende Tod, der einfach
 und so dass ich der Sonne nicht mehr verkuppelt bin, die Haut abkühlt und der Kopf  lässt mich wieder erkennen was Mäll und kühler die Sonne verdecken

Nebn mir drei Sonntagstaucher wie Urtiere aus Kunststoff kriechen sie ins verseuchte Meer
Taucher zum  Unterwasseejesus und die Taucher zurück in die Gründe mit hochgereckten Armen
Für die Seetoten stehen bitten, dass die Stricke nicht reissen mögen, dass die Netze nicht nachgeben.


Nichts andres  als einige befriedigende Seiten, die genau in mich hineimnhören und das wiedergeben, was  mich immer am meisten bewegt hat. (Würde da nicht M. genügn?) d.h.  den Horizont  so weit hinaufgehen, bis jeder dabei ist, und das  heisst nicht in die Ferne, nichts ins Aussen, Sosiologische, sondern an den Punkt kommen, wo dieser Satz stimmt: “ Wi fühlt ihr es nicht? Ein Unsinniger, der glaubt, dass ich nicht du bin.” (Victor Hugo).

Immer wieder die Entscheidung / von hier weg zuziehen / nur noch Zeile! / Alles-Eins leben / Traum-Reggression (Delta) / Toleranz wo alles hoch ommt / Worte  sprudeln den Jungbrunnen / alt.


11.September 6h.

Durch sas Hier-leben (anscheinend  out) ... (Noch abzuschreiben S. 120.


(Dazu 2009: Maria Irod, Melancholie:

Vlad Dracul, der Vampir, wird nämlich am besten durch sein leeres Grab und seine verschwundene Leiche symbolisiert. Diese Leere deutet Schlesak als Zeit des Umbruchs und des Paradigmenwechsels, eine Art „Leerstelle“, wo alles möglich ist, und die Vlads Epoche ebenos gut wie unser Zeitalter auszeichnet. Dass diese gefährliche Zwischenzeit mit gefühllosem Verstand und Beherrschungswillen zusammenhängt, wird von Schlesak in der Entstehungsgeschichte  seines Romans explizit behauptet. Er spricht vom „Einbruch einer neuen Mechanik der Leere, des Überhandnehmens der Quantität (...) gegenüber der Qualität“ (S. 154). Damit meint er, wie mir scheint, außer den bekannten Mechanismen der modernen Gesellschaft, die den Menschen nicht mehr physisch, jedoch auf sämtlichen Ebenen seines Daseins zergliedern und instrumentalisieren, vor allem das Aufschwingen der Schrift zum Mittel der Machtausübung. Vlad selbst steht im Spannungsfeld der negativen (Bürokratie, Propaganda und Medien-Betrug) und der positiven (Ausbildung der modernen Subjektivität) Folgen dieser historischen Entwicklung. Überdies scheint der Vampir ein Symbol des modernen von der Ratio geleiteten Menschen zu sein:

Mich berührt die Vampirseele des modernen Intellektuellen wie ein Selbstporträt. Solch ein Un-Toter könnte etwa so sprechen: Wie immer wenn ich nach dem Leben griff, blieb nichts in meiner Hand. Ich wollte Flamme sein und Asche werden und hatte doch noch nie gebrannt. Ich wollte hoch und höher steigen, und sank doch immer tiefer ins Nichtlebenkönnen! (S. 155)

Hier artikuliert sich ein Bild der Melancholie, das zugleich wichtige Themen der Schlesak’schen Literatur zusammenfasst. Ein „Mann aus lauter Wörtern“ – wie der Ich-Erzähler im Verweser einmal von seiner Frau genannt wird (S. 128) – der nicht leben und lieben kann und immer zum Schreiben greifen muss, um seinen Erlebnissen überhaupt Sinn zu verleihen – das ist ein der kontemplativen Schwermut ergebener Geist, für den jede Bindung an den Alltag der materiellen Welt irreal geworden ist. Sein Blick richtet sich auf den Tod als eine ersehnte Flucht aus der geschlossenen Immanenz und den Bedingungen der Leiblichkeit, während ein anderer Teil in ihm noch in „unstillbare[r] Gier“ (Vlad, S. 155) nach Erfüllung im Diesseits sich verzehrt. Seine Lage lässt sich weder durch irgendeine Melancholielehre noch durch eine rein religiöse Dialektik des Todes als Heimkehr der Seele und somit Überwindung der Melancholie ausreichend erklären. „


4

Lichter oben in Pedona brennen. Zwingt ZUM Dasein: Andere müssen jetzt aufstehn, der Weecker klingelt, um “zur Arbeit “ zu  gehen, das weckt in mir diese Härte (ich denke an unsere Ausflüge mit Koni  und anderen Klassenkameraden ans Meer).
Mich bemühen, alle Verletzungen (auch L.) nicht heftig abzureagieren, sondern im Nacvhdenken an jene Gemeinsamkeit, nur einmal als Mensch da zu sein, das Leben SO anzuerkennen. (Ein Rückholen der Rückbindung, der re-ligio?) Gut- Sein, nicht einfach nur Verachtung fürs Dasein mit den anderen zu empfinden?

Und diese Spannung? Janus bestimmt bei den Griechen das Geschlecht der noch Ungeborenhen.



Schiff nach Elba 13 August 1974. Die Sommer geht über den Apennin aufs Schiff leuchtend Nebelformen. Der Aron rechts wie die Kokel. Und ich denke an das Telefongespräch von gestern.  Der letzte Sommr der Biofrafie 1974. Da ich “unten” gewesen wa, da jetzt Ly und Michael hiersind?  Letzter Winter der amnarchie, er ist vorbei. Was noch bleibt ist der Tod als Ausweg. Und die detaillierte Prosa, überhaupt das Detail. Das auseinanderfällt.
Das was ich immerschön hasste, die schöne und vielfältige Banalität,  das Diabellein.
Es bleibt tatsächlich wieter nur die Hoffnung, dass eine Tür offen bleibt auch zu diesen Details, dass ich schreibend wenigstens der Sinnlosigkeit Herr werde. Dass  ich JETZT etwa diese toskanische Küste sam Tirrenia und Livorno, diesen Wieberbauh vor mir, der inter dem modisch langen Grossmutterkleid üppigen und  aufregende  Konturen erkennen ässt, vor allem den abel und die Möse, also alles, was da ist, verborgen, also auch nicht da ist. Und doch genau dieses Verborgene, das ghier aufregend ist, dieses Hinter die Dinge kommen, dies Dahintersehen und in diesen Frauenkörper hineinsehen, macht diesen letzten sinnlosen Moment (als Shlussfolgerung) weniger konsquent, dass alles nur banal sei. Klar weshalb alle Jenseitsjümnger, von Hare  cht mich aufmerksam darauf,  wie ein Mädchen mit “kolonialem Gesicht”, ihren Reissverschluss vorne wiet aufmachte und ihrem Gefährten, beide in blauenen verwschenen Jeans, zeigte, was sie für ein wuchernd3s Wesen da in der Hose hatte, ich konnte es auch sehen, ja, so war es, die Augenweise... Und beide scheinen dann dieses “Phänomen” zu erörtern, wie gross, wie haarig, welche Farbe, vor allem aber zeigte sie dann mit Unterarm und Fingern, wie der dazu passende beschaffen sein müsse, und beide lachten laut.

Alles so plastisch, man sich alles, bis in ihre Gedanken gut vorstellen, sie verzog dabei das Gesicht ganz entsprechend in gespieltem Schmerz und Eksates und begleitete die Demomnstartion mit schlingernden Bewegungen des bauchtanzendemn Körpers-. Die Sonne schaute meerig heiss auf die Szene. Zwei deutsche Oberlehtrer aber unterhielten sich laut dabei über Napolons Exil auf Elba. Ihre Haut durchsichtig  und blass vor Keuschheit  und verlegtem Interess an der Szene.



17. August 1974. . An diesem Tag nahe an Feragosto dieser Wahnsinn des Feuers. L. ging mit einem ande­ren ins Bett. (Feuer regt auf) Seither bin ich nicht mehr so gleichgültig, sondern sehe  mit einem inneren Ziehen und Schmerzgedanken ihre kapitaler schwarze Möse. Bis in den Traum.
            Und weiss , dass ich unfrei bin.
            Meine Wutausbrüche in Portoferraio(ähnlich wie auf Kreta) “Du Deutsche”!Todesfahrt dann nach Hause mit dem Auto, fuhr wie ein Verrückter.

Bericht aus Elba
für L.

Muss ich bescheiden werden
mich aufgeben zugestehen
dass ich unfähig bin
mit diesem Feuer vom “ordino nuovo”
also Fascisten gelegtes Feur von Elba zu leben
wenn du nun mit einem
anderen ins Bett gehst,
dass ich nie sehen werde genau
wie ich nie erfahren werde
was dort geschah

Hat er dir die Kleider vom Leib gerissen
bis er an dein spektakuläres Loch kam
und du dann ächzend ihm entgegenstrebtest
oder ging es deutsch zivilisiert zu
ihr legtet beide eure Kleider
säuberlich auf eine  Stuhl
und dann euch auf das Bett
nackt lag er neben dir
und begann dich langsam zu streicheln
kam immer tiefer
zögernd die Schenkel hinab
und fuhr mit einem Finger über
deinen schwarzen Behang
der sich buschug unter dem schönen
weiberbauch wölbte






STEHENDES ICH IN LAUFENDER ZEIT
Nachrichten aus der nachkommunistischen Zeit 1989-1994


9./15. Mai.

SÄTZE ZUR WAHRHEIT NACH DEM ÜBERHOLTEN ENDE

Mauer, Grenze allein erzeugt die Sehnsucht. Auch in der Liebe zu Fremden, die werden so nah gebracht, die Liebsegschichte Ganz stark wiederholt das ganz Ferne wo wirklich, Schrecken des Abschieds, Tod als gelebt. Gibt es nicht mehr. Dieses Abenteuer.
Das kleinere Übel: Grenze (ist mir genommen worden) jetzt bleibt das große Übel die Banalität und der Tod.

Zur WILDEN DESILLUSION Szenen dazu. Einer erfährt die Wahrheit (zufällig?)
            Desillusion auch "alles so , wie es ist" - die Gedichte dazu.                                                                      

Zwischen Nathan  und Shylock, ein Dialog?
9. Mai 90. Das Datum entspricht. Es ist die Zeit nach dem Scheitern der Utopie, wo auch "der Dichter", der bekanntlich Jude ist, nach Martina Zwetajewa, zitiert nach Paul Celan. kaum Nathan, sondern Shylock wird. Kein Nathan mehr, der er meinte zu sein, durch Exil und Leid. Etwas zu sagen zu haben.
            Plane eine Figur, ein Alter ego, der meinen Michael Templin aus "Der Verweser" weiterführt. Auch Tabori in seinem neuen Stück "Weismnann und Rothgdsicht" (Theater  Aalen, 50 Jahre Machtergreifung) bringt so eine Figur. Einen, der völlig von allen entblößt ist, wasLeben lebenswert macht, so Sterben als Erlösung erscheint. (Wäre es ausgesetzt auf offenem Meer. Und so entdeckt er völlig vom Selbstbild frei, daß er zwar schlimmes ertragen aber selbst auch schlimm ist. Nichts  mehr hält ihn. Verteidigt sich nicht mehr. Wird kleinmütig und böse, unsicher, ohnmächtig und aggressiv.

Illusionen und Märchen des Exils. Alles wird heute zerstört, auch dies. Emigrant in Pension. Alles in Pension. Utopie in Pension, Revolution in Pension, Glauben in Rente, Marx gestorben, alles hin. Und auch das ersehnte Zuhause in langen Jahren des Exils, banal. Des-Illusion total: der Kalte Krieg hat das Märchen der Trennung, damit der Sehnsucht, der falschen Heimaten geschaffen, der falschen Freiheiten, der falschen Leiden als wirkliche Leiden.

.. ohne sie alle bin ich verloren,
bin ein Niemand, bin nie geboren.

Chor: In S. schreit der arme Mann:
wenn du zurückkommst, denkst du, dann
ist alles wie früher! Nichts da,
das alles gehört der Vergangenheit an

drum sei vorsichtig, Bruder, gib acht.
So sieht es aus in deinem Land,
drum nimm endlich Abschied.

Du Luxusenigrant. Und du bist das Letzte.
Ja, wir sind wirklich die Letzten, Mann.
Das waren noch schöne Zeiten, einmal gebrannt
Kinder.


9. April 93 (Schon vier Monate vergangen). Es ist einfacher, die fertige Vergangenheit zu beschreiben. Da gibt es auch schon "Material", viele haben darüber nachgedacht. Während meine eigene Erfahrung subjektiv, unvollkomme, "offen" auch nicht dicht sein kann, zu wenig "Bildpunkte" enthält, um das Bild scharf werden zu lassen. Über Kant läßt sich anders erzählen, als über Templin. Und ist doch wieder künstlich
1 Fassung
           

            Der Erzähler in diesem Buch befindet sich schon in dem vorhin  erwähnten Zeitstillstand, er ist zugleich der Held der Erzählung.  Er hat wird gleich am Anfang der Handlung von einer Schlange gebissen, erlebt im Koma einen Zustand zwischen Leben und Tod; und hat so gewissermaßen zum zwitenmal vom Baum der Erkenntnis gegessen. Der  Tod als Tor, das Aufblitzen im Augenblick der Öffnung. Die Organisation des Romans braucht einen Standort jenseits der Zeit, aus dem Zeitfluß herausgehoben. Erzählen ist erst möglich, wenn ein Ereignis,  ein Leben oder eine Kultur abgeschlossen sind;  Hegels Eule der Minerva.
      Der Augenschein aber ist das Gewesene, Vergangene. Der "Verweser", namens T.,  bringt die Illusion der "festen Welt"  mit Hilfe der Sprache, der Fiktion, des geöffneten Gedächtnissses zum Verwesen, hebt die Illusion der Zeit auf. Es geht also um einen ontologischen, den einzigen effektiv möglichen WIDERSTAND, den des einzelnen Subjekts angesichts des "Objektiven".

            Die Hauptfigur T., jene, die ihr Leben selbst erzählt, jene, die sozusagen durch den Schlangenbiß zum zweitenmal vom Baum der Erkenntnis isst, weiß nicht, ob sie tot ist oder lebt. Sieht alles mit dem andern Blick, wie ein Wiedergänger, keiner sieht ihn, jene furchtbare Erfahrung aus der Kindheit, taucht wieder auf, die Angst nicht mehr gesehen zu werden. Möglicherweise halluziniert T. alles im Koma, doch dieses soll wie im Traum, wie im Leben in der Schwebe bleiben, niemand kann entscheiden, was     "wirklich" ist. Jene Erfahrung, von der Thanatologie als gesichert angenommen, daß eine Panoramaschau, eine Art Gericht über das eigne Leben im Todesprozess einsetzt, wird mit Materialien aus dem eignen Erleben und dem von Freunden, in eine dynamische Handlung umgesetzt.  Mit dem Tod erkauft sich der Erzähler also erst seine    Existenz. Dabei ist ja schon das Lebensopfer beim Schreiben so ein kleiner Tod. Träger der Absenz des Lebens ist das Zeichen. Der Ernst der Situation macht ihn glaubwürdig.
    Eine Übersetzung unserer eignen Absenz im historisch so Späten, das Gefühl, daß wir Abwesende und Posthume sind, läßt sich so als Existenzgefühl sehr intensiv beschreiben. Ein Prozess, der schon 1950 mit Becketts "Molloy" in der Literatur begann.
            Auch wird so das Jenseits der Zeit jedes Textes  fruchtbar,  Spiegel des Un-Wirklichen, das wir heute ja tatsächlich ertragen müssen, jetzt kann also solch eine Fiktion wirklicher sein als das Leben. Schon Rousseau hat  in seinen "Les Confessions" vom hypothetischen Standpunkt des eignen Todes aus erzählt. Und im Hinblick auf das  Jüngste Gericht.
                        Im Koma also tritt jene Panoramaschau ein, wo das ganze Leben noch einmal wie ein Gerichtstag im Sterbeprozess vorbeizieht;  und das alles in einer zeitlosen Geschwindigkeit, so daß eine Sekunde wie tausend Jahre sind.
            Interessant dabei ist, daß das anscheinend so Absurde  dieses Zeitparadoxes nun auch fruchtbar wird: wie kann nämlich ein abeschlossenes Leben, das in einer Panoramaschau zum Urteil und Gerichtstag über sich selbst ansteht, noch erzählt, also eine Zeitperspektive mit überraschenden Momenten haben. Dieses geschieht nun mittels jenes T., der sein vergangenes Leben neu erlebt, erlebt, wie es intensiver wird in der IN-Eins-Bildung durch den Todeszustand und das Gericht. Jedes JETZT erhält dabei eine       unendliche Perspektive, alles öffnet sich bis ins Unheimliche. Denn es ist ja nicht so, daß T. nun nichts mehr erlebt, er erlebt nur ganz anders. Ähnlich wie beim Tagebuchschreiben, das ja die Ereignisse eines Tages erst bewußt macht, sie an den Sinn bindet, der ungeschrieben verloren ginge, so aber gerettet wird. Die erzählte     Hintergrundzeit wird so zur Zukunft der Vergangenheit im Prozess. Das ist kompliziert auch als Verb-Lösung. Die In-Eins-Bildung    aber besorgt das riesige Gedächtnis der Sprache mit ihren apperzeptiven Formen.
            Auch gibt es einen erlaubten Trick, nämlich die            Unsterblichkeit der Personalpronomina der Sprache, die das Bewußtsein tragen, sich weiter erinnern zu lassen, als die Grenze einer individuellen Lebenszeit oder die unseres historischen         Bewußtseins- Horizontes es eigentlich erlauben. Dieser Horizont ist freilich,  wie wir gesehen haben, an seine Grenze gekommen, die übersprungen werden muß, um jene Partitur, die heute schon vor uns liegt, richtig zu spielen. So wird die Offenheit der Zukunft in die geschlossen, scheinbar abgeschlossene Vergangenheit eingeführt, mit dem bitteren Fazit und Urteil: daß wir uns selbst das Leben geraubt, weil wir es uns haben rauben lassen.
            Einzig jene Momente des Traumes, oder das andauernde     Bewußtsein auch im Alltag, da und zugleich nicht da zu sein, abwesend, und doch da, wie im Zeitstillstand bei Todeserlebnissen, in der Revolution, und jetzt eben bei diesem "Unfall" T.s, der    letzte, die letzte Chance beim eignen Sterben, die auch dieses Erzählen ermöglicht, die tiefste Erfahrung, erst am Anfang zu sein, also auch in der eignen Vergangenheit das prickelnd Offne zu finden, und nicht nur in dem was kommen wird. Geahnt hat er es mit Glücksgefühlen: daß es die Trennwände zwischen den Zeiten  nicht gibt, daß der Tod also ein neuer Anfang sein muß. 

            Das Grundgefühl im Alter dieser Welt läßt sich so beschreiben:  daß alles noch da ist  und doch schon längst vergangen, auch ich, doch durch welche Zeit des Verbums läßt sich dieses    ausdrücken, es trägt nicht mehr, hängt mit dem Vor- Schein zusammen, der trügt, was wir sehen, das äußere Augenbild macht alles so alt und zwiespältig, denn das Andere der "Partitur" ist auch in uns, sehr jung und so, als gäbe es noch sehr viel an       Möglichkeiten: Nichts ist vergangen, es lebt durch uns, ein Ich trägt das andere, wir leben die Toten weiter.
            Noch da ist nämlich auch alles andere Längstvergangene, jenseits der individuellen Lebenszeit und des Augenbildes. Der Trick ist das Déja-vu und das Unbewußte, wo mehr an Erfahrung gespeichert ist, auch via Sprache, als wir wissen können.
            In den Personen, nicht nur in T., sondern auch bei seinen beiden Frauen Jeanne und Jann, zwischen denen er sich im         unentschiedenen Gefühl quält, wie sich Jeanne zwischen ihm und Jean-Christian quält. Schon die fast gleichklingenden Namen verweisen auf nur abweichende Identitäten, in den Personen lebt ein sprachlich ausgeweitetes Erinnerungsvermögen, eben das Déja- vu.
            Jeder von ihnen meint, auch ein anderer in anderer Zeit gewesen zu sein, und baut daraus das Bewußtsein einer sehr      komplexen Biographie, die aber zu seinem heutigen Leben unheimlich genau passt, und in all diesen Beziehungen spiegel- geschichtlich ein tragisches und gefährliches Gespinst mit     entsprechenden Knoten enthält. Aber vergessen wir nicht: es ist nichts als die Panoramaschau des Erzählers T., der sich im Zustand zwischen Leben und Tod befindet, und die so auftauchenden Spiegelgeschichten, die alle auf Erzählkreisen beruhen, sowohl heute, als auch im 16. Jahrhundert, sind  Wirklichkeiten auf der Grenze, im Koma dieses Zivilisationszustandes!
            Es sind auch lauter grauenhafte Geschichten, die aus dem kollektiven Sprachgedächtnis dieses Okzidents via Personen    und tragischen, schmerzhaften Mord-und Totschlag-Liebesgeschichten "entlassen" werden. Zugleich erscheinen diese Geschichten und auch die "Erzählrunden", ähnlich wie im Dekamerone oder in 1001 Nacht, als Rettung vor dem Tod (Pest, Henker, heute: totales Verschwinden der sinnlichen Welt durch Strahlung und Chemie und  im Wahrnehmungsverlust - alles ist noch da, doch wie längst vergangen!)
            Der Erinnerungsstrom T.s wird andauernd von andern Erzählinstanzen, Personen, Briefen etc. "übernommen", auch interferieren die diversen Zeitebnen, und zeitliche Transparenz ist da, zwei    oder mehr Szenen scheinen durch, überlagern sich, so wenn T. durch eine Szene, einen Geruch, ein Gesicht, plötzlich seine     Identität verliert, (im Buch) zu seinem Doppelgänger Nicolao Granucci wird, die "Madeleine" weckt nicht nur Kindheitserinnerungen, sondern Szenen aus dem "Vorleben". Dazu hat T. einige Schlüsselerlebnisse gehabt, vor allem ein Déja-vu, bevor er Lucca kannte, hat er eine Straße aus Lucca geträumt, wo er im "Traum" entlanggeritten, in ein Haus eingetreten ist, das er dann beim ersten Besuch der Stadt "wiedererkannte", seine Nachforschungen ergaben, daß hier der Arzt und Literat Nicolao Granucci gelebt hat.
            Zukunft, Präsenz, Erinnerung, Déja-vu fließen zu einem Zeitmagma zusammen, verschachteln sich zum Panorama der unheimlichen Geschichte. Denn oft wird es auch nicht deutlich, ob erinnert wird, T. den andern, der ja eigentlich längst tot ist, durch dies Ich aber lebt, erinnert,  oder ob Granucci, der "Todesdoktor", der die Fähigkeit hatte, an gewissen Zeichen zu erkennen und vorherzusagen, wann sein Patient sterben wird, nun voraus- und     hellsehend, die Handlung, die wir lesen, aus seinem Bewußtsein entläßt und nach außen in den andern, heute Lebenden projiziert. Die heute lebende Hauptfigur erkennt dieses, auch den       Schrecken Granuccis, T. vermag dieses ja, denn er liegt im Sterben, und begreift sofort die Ursache dieses Schreckens, denn mit ihm würde auch der andere endgültig sein Bewußtsein verlieren, nicht mehr existieren. Das Absurde wird in dieser Zeitüberschreitung wirklich fassbar, es ist wie in der Patientenkunst, wie im "Patientensystem" und seiner strengen Logik, die unsere aufhebt.         
            Diese Vorausschau, zu der die Leute früher anscheinend noch fähig waren, vor allem auf der Schwelle zwischen Leben und Tod, und Granucci befindet sich spiegelgleich mit T., ebenfalls in diesem Zustand, gelingt eben auch kraft der Sprache, die ja ihre Zukunftsformen hat, und die wir erzähend einsetzen können. Sie macht ja Granucci überhaupt erst möglich, was aber nicht heißt, daß es ihn nicht gibt. Nur wird es nötig sein, die           Vorherrschaft der Substantive und Hauptsätze einzudämmen, die Korrelate der "Substanzen", um den Zeitstrom , der seinerseits diverse Subjekte trägt, zu ermöglichen  (ähnlich wie in der    Quantenfeldtheorie, in ihren großen und kleinen kosmischen Informa-tionsfeldern mit den "lokalen Erregungen") und Zeit-Worte      wechseln so leicht von einem träumenden Granucci zu einem gerade erwachenden T. Oder das Geräusch und Geklapper im Haus T.s, bringt Hufegeklapper hervor, weil Granucci in seiner Erinnerung zu reiten beginnt. usw. Scheinhafte Identität unseres Ich wird so durchbrochen in sukzessive Zustände aufgelöst, die nicht im    Vorurteilsraster unseres Zeit-Raum-Kausalität-Denkens versacken. Der Autor, das Ich oder die "Iche" werden so aufgelöst, abgeschafft. Die Subjekte werden Opfer übergreifender Konstellationen neuer Sinneinheiten der Berührung, die die Wort- Höfe und "wirklichen" Augenblicke bieten. Das Opfer erweist sich als Geschenk und als Schlüssel für T.s Lebensverlust in diesem Gericht.

            Und ich vermute, daß dieser Zustand, wo die Figur nicht weiß, ob sie lebt oder tot ist, generell als wichtigster ästhetischer Ort heute, angesehen werden muß, als Apriori jeder Erzählung. Das "EINE", von dem ich vorhin  sprach, wird nämlich so sehr konkret sichtbar, was nicht schilderbar war, nur intuitiv erfassbar ist, erhält so Gestalt. Bei Paul Ricoeur etwa ist die Leistung der Erzählung die In-Eins-Bildung der   momenthaft erlebten Zeithäppchen, "narrative Konzentration der zeitlichen Zerstreuung empirischen Bewußtseins," ähnlich war es schon in Augustins "distentio animi", das bloße Leben ist "Zerspaltung", Qual, Berührung des Zusammenhangs aber im "Bedeutungserlebnis" ist Glück. Dieses Glück, das so als "Panoramaschau" nur auf dieser Todes-Schwelle erlebt werden kann, wird von T. als Glück sehr oft und nur da: wenn er in diese Berührungszone gerät, empfunden.

            Es ist eine Arbeit am "größten Zusammenhang", am Einen also, die In-Eins-Bindung im schöpferischen Prozess der Spaltungen, Zersplitterungen des Lebens, die als Textgewebe das kosmische Informationsgewebe zu reproduzieren suchen. Zur Methode des Schreibens gehört, das Aufschreiben solcher intensiv erlebter Sequenzen, Szenen, Momentaufnahmen, die wie Röntgenblder einen Augen-Blick mit "schwachem" oder "starkem" Sinn durchdringen. Erst im Zusammensetzen solcher Sequenzen allerdings ergibt sich ein Muster, eine Annäherung an den großen Zusammenhang. Wahr bleiben nur  solche Sekundenbilder,  zusammengesetzt wie Fotos im Labor, vergrößert, verkleinert,     Momentaufnahmen,  Ausschnitte, Vorder- und Hintergründe        herauspräpariert und vertauscht in Großaufnahmen. Auch Umkehr der Bilder oder Schnitte von ihnen, sie wieder zusammenzukleben usw. Und dann  werden sie auch noch hie und da retouchiert, als wären sie nur Schablonen.
            Aber: was sind diese Momentaufnahmen, was ist das JETZT der Augen-Blick? Darum geht es. Dieses Jetzt der Lebensmomente, nun so, ins Unendliche verlängert, ist unheimlich, aus dem Namen gefallen, aber im unausdrückbaren EINEN, im Informationsnetz der Beziehungen aufgehoben.

            Doch nicht nur das Ich löst sich dabei auf, und Aufgabe wird wie im Strom der Meditation, dem indischen oder tibetischen Dharma, der christlichen Meditation Genuß, sondern die starre Ästhetik und das frustrierende    Gesellschaftsdenken, das, was kanonisiert ist, Beute der Sieger, löst sich ebenfalls in Wohlgefallen auf, entfernt sich, wie die Zeit stehenbliebt, so soll auch der Verstand, sollen die Sinne stehenbleiben im Unheimlichen, und sei es in furchtbaren Momenten der Folterszenen oder der Finsternis der totalen Isolierung im Turm. Oder auch heute: im Metasprachlichen, Worthöfen, dem Zerbrechen der Sprachlogik.
            Was T. dabei beschäftigt, ist aber auch:    wie komme ich nun ins Freie, ohne das andere Gedächtnis, das in der Sprache gesammelte aufzugeben? Auch hier gibt es einen Trick: die Parataxe ( schon Adorno und Benjamin haben sie am Beispiel Hölderlins untersucht; noch schöner ist Steigers Untersuchung der kleistischen Hypotaxe!) - Auflösung der Geschichte in Geschichten, Erzählung in Erzählungen, um zum kleinsten Nenner, dem undurchschaubaren Moment, JETZT zu kommen. Querschnitt also dessen, was Struktur der Welt ist? Widerstandshandlung der Verlierer, um zum Tun, was geschieht zu gelangen? Hierarchische Ordnungen, Gewissheiten aufzulösen? Wie das parataktische Schreiben, wie die Nebensätze, die das Haupt und die Regierung der Seite durcheinanderbringen,     Randphänomene, die zur Berührung kommen, zur Grenze. Randzonen und Nebensätze, Nebenhandlungen, die gegen die Totalitäre Seele der Figure und der okzidentalen Sprachlogik arbeiten.

            Es hat auch zu Granuccis Zeiten eine nachrevolutionäre Stimmung gegeben, genau wie heute; unlängst hat ein französischer Forscher verblüffende Ähnlichkeiten von 1491/2 und 1991 bis ins Detail festgestellt. Gegenreformation  damals und heute die "neue US-Ordnung", die diese Todesschicksale hervorbringen.

            Schon im Erzählunterschied zeigt sich der Zeitunterschied, damals gab es noch Realität und Natur, daher konnte auch sinnlich gelebt und erzählt werden. Im scharfen Kontrast dazu steht die  heutige Umgebungslosigkeit, damit Verlust auch des Narrativen. Daher auch die Wahl der Spiegelgeschichte aus zwei verschiedenen Jahrhunderten.
            Weiter: heute wird  keiner mehr  von der "Gegenreformation"  physisch hingerichtet, wie Giordano Bruno oder auch Nicolao Granucci, der als Chiliast und gefährlicher KetzerAutor achtzehn Jahre in einem Gefängnisturm eingemauert war, zwischen Leben und Tod lag, diese Handlung voraussah, halluzinierte,  die T. als sein fortlebendes Ich aufschreibt, und wirklicher wird an den gelebten, noch lebbaren Geschichten. Heute herrscht "nur" der        Wahrnehmungsverlust total, das Vakuum, und die Biographien sind abgeschafft.

            Erst zwischen Leben und Tod, merkt T. den Betrug, versucht sich gegen das totale Verschwinden: den Umgebungsverlust zu wehren. Er existiert dann freilich nur in seinem eigenen Tagtraum, dem Buch, nur noch mit erfundener Umgebung, erfundenen Personen etc., die aber wirklicher sind, als die Umgebung, die noch da ist, aber längst vergangen. Traum im Traum, denn zu seiner Geschichte gehört ja, daß er total allein ist nach einer doppelten heftigen Eifersuchts- und   Liebesgeschichte, letzter Versuch zur Realität zu kommen, Liebe aber muß in dieser Umgebungslosigkeit noch drastischer scheitern, ja, sie zeigt erst das ganze Ausmaß der sinnlichen Katastrophe.
            Granucci endet im Turm,       T. aber im Buch.

            Das BUCH als Heimkehr- oder Rückkehrversuch spielt eine    große Rolle. Vor allem die mögliche halluzinative Macht des Buches. Zwei gescheiterte spiegelverkehrte Heimkehren: Granucci, der des Mordes an seinem Rivalen verdächtigte und zum Tode verurteilte Luccheser, flieht und verbringt fast sein ganzes Leben im Exil, unter anderem auch in T.s Heimat Transsilvanien; nach zwanzig Jahren Exil, erträgt er die Fremde nicht mehr und kehrt ganz unvernünftigerweise nach Hause zurück, rechnet mit dem Tod, ja, hofft auf ihn. Die alte Tat ist fast vergessen, aber er bringt das Zauberbuch aus seinem Exil mit nach Hause, und wird deshalb eingesperrt als gefährlicher Machtusurpator. Mit diuesem Zauberbuch kann er nämlich Staaten, Menschen, vor allem aber Frauen beherrschen, die Liebe, kein Problem. Ebenso wie dfer Tod kein Problem mehr ist, dieses Buch macht den Besitzer unsterblich.  Er bringt dieses Buch aus der Fremde, aus Transsylvanien, aus T.s Heimat, der nun in der Lucchesia im verlöschenden Exil aller    Ostler lebt, denn T. ist ja nun WIRKLICH im Buch (des Okzidents?) gefangen, das der andere mitbringt, und von dem T. nun schreibend  Kenntnis erhält, auf die große Heimkehr hoffend.  Der Todesprozess erweist sich als nichts anderes als der Schreibprozess, denn was ist das Zeichen anderes, als die Absenz des Lebens: Zuerst nichts als gedacht, am Ende wars ein ganzes Leben!

Das Buch aber, als versuchtes Zauberbuch, wie Granuccis Buch- Macht, für die er leiden mußte, verurteilt: 18 Jahre eingemauert im Turm nicht leben und nicht sterben zu können, erscheint heute möglich als  Zaubern durch Sinnzusammenhang, wo die Zahl, also die Proportion zum Namen kommt, den Namens-Fallen entkommt durch Randberührungen, durch Worthöfe, Hintersinn und Hintergrund der Momentaufnahmen, "Fotos", die sich selbst wissen müssen bis in die Atome ds Silbernitrats.  Ist es das im Hintergrund wartende Apriorische Licht?

Das Problem Erzählen spiegelt freilich auch den Charakter beider Helden, unsicher, unwirklich zu sein, Traumtänzer. Unpraktisch. Sie meinen beide, die Welt nur zu träumen.  Mit unterschiedlicher Konsequenz. T. ist aus Schwäche nichts als Schreiber. Granucci   aber im 16. Jahrhundert ist Arzt, Todesdiagnostiker und Magier.

            T.  wirkt auf seine Umgebung "verrückt" und "unmäßig", denn er ist einer, der WIDERSTAND leistet, der Gewöhnung an die Gemeinheit widerstehen will, die von "oben", die vom "System" verlangt wird und die sich im Leben der Menschen dann so oft als ihr eignes Ausbrennen niederschlägt. Er kämpft gegen dieses Ausbrennen, er ist DER VERWESER, einer der unaufhörlich das, was ist, voller Schrecken als das Gewesene und Verwesende erkennt, jetzt vor allem, wo sogar der Osten in die Vergangenheit rückt, die Kindheit während der Nazizeit in die Vorvergangenheit, immer im Abschied und voller Trauer, wie schon gestorben, zwischen Leben und Tod, das in sich spiegelt, was die Zeit ist: alles noch da und schon längst vergangen, egal, ob er bei seiner Heimkehr in Siebenbürgen sein    Elternhaus betritt, die Reihe der Weinstöcke auf seinem Berg sieht oder durch die Straßen Luccas oder Stuttgarts geht, und  merkwürdig, daß jenes 16. Jahrundert Granuccis nun näher jenen  selbsterlebten Vergangenheiten steht, als die Gegenwart: wann war das?
            T. ist einer der  stellvertretend die Stellung  hält, radikal in jenem Sinn, aber auch die Sprache, und mit ihr "das Sichtbare" verwesen, vernichten läßt als Illusion, das Banale als Machtmittel der unsichtbaren Fesselung durch das vergiftende             Herrschaftssystem des Geldes und des vulgären Materialismus, die den Lauf der Geschichte stoppen.

            Es ist zweimal radikaler WIDERSTAND. Heute ist dieser Widerstand passiv, jene Traurigkeit, von der Benjamin sprach, aufzuheben. In Zeiten, wo die Dinge noch klar waren, noch "Wirklichkeit" existierte, endete der Autor eingemauert im wirklichen Turm. Heute aber ist der Widerstand ontologisch, denn die stärkste Macht ist der menschenvernichtende Irrglaube, daß das Sichtbare "alles" sei, der Tod ein endgültiges "materielles" Aus sei. Und das stärkste Tabu, von der Psychiatrie bewacht, der Einsatz für das neue fällige Paradigma, wo die Grenze zwischen Leben und Tod aufgehoben ist, die raumzeitliche materielle Welt sich als Illusion erweist, wird in diesem Buch probehandelnd vorgeführt; die Strafe aber ist der Lebensverlust, das Eingesperrtsein in der selbstrefernziellen Phantasie des Buches, die freilich jene Gemein-schaftsHalluzination, in der alle gefangen sind, spiegelt, und       gleichzeitig schon ein wenig ins Freie  überschreitet.

            Am meisten hatte mich bei meinem  Weltwechsel von Ost nach West schockiert, daß im Westen alles "so ist, wie es ist", ein Baum, nichts als ein Baum, ein Mensch nichts als ein Passant, ein   Funktionsträger, eine Trivialität. Was mich immer stark berührt hat: es heißt, Sylvia Plath habe aus diesem Grund Selbstmord begangen. Die Entfremdung  ist total, ist ontologisch geworden, so ist auch die Revolution nur als radikale möglich: als ein       Durchbrechen durch Zeit und Raum, im Einlösen und Spielen der kommenden Partitur von Überlichtgeschwindigkeiten und mentalen Konzerten.
           
            Der Roman verwendet dazu, die in der Sprache gespeicherten Kräfte und apperzeptiven Formen, um jene Zone schon jetzt probehandelnd zu erreichen.



6.Juli 92
ALLEGORIE-Problem bei Benjamin und die Geschichte, das Lesen.
Text, der nur gedeutet verstanden werden kann, die Allegorese wichtiger ist als der Text, der nur Geheimnis bleibt, sich entzieht. Vgl. auch Dante, Scholem. Das Pardem.

Verkörperung, PERSOINIFIKATION. Vermenschlichung von Begriffen und Dingen. BLINDER ZUFALL. Die Sonne lacht. Das Abstrakte zugänglich durch Bild. Im Gegensatz zur Parabel nur an Auserwählte. All. verwandelte Erscheinung in Begriff und diesen in ein Bild. Schlüsselwörter im gemeinen Text, die diesen aufschlüsseln als etwas anders.

Auch Curtius. Allegorie und Allegorese Grundlage jeder Textinterpretation, Beginn Vorsokratiker. Nämlich, daß Weisheit in Rätseln, alles hat einen verborgenen Sinn, der ganz nicht zu enthüllen ist. Dichter als Bewahrer esoterischer Geheimnisse.

AUSLEGUNG als Text müßte heute sein, das Gedicht als Allegorese der Allegorese der Allegorese.

Gespräch mit Ioana:
Kann man seinen Geschichten trauen?      
Der AUGENZEUGE bei Dürrenmatt, sagte ich ihr, da findet man die beste Verhöhnung des Augenzeugen. Daß alle etwas anders sehn, weiß man ja von Prozessen. Daß manche in Gefahrenlagen halluzinieren auch. Weißt du, was mir in Kronstadt ein alter Bekannter, der dortige Stadtpfarrer über seinen Küster erzählt hat: Er habe mit eignen Augen gesehn, wie Terroristen aus dem Turm der Schwarzen Kirche geschossen hätten, auch Tauben verletzt wurden. Die tote Taube wollte er mir zeigen, doch auch sie war verschwunden. Oben auf dem Turm suchten wir gemeinsam mit Soldaten vergebens nach den Terroristen.
            Auch jetzt hat der Helvetier in einem Buch sowas ausgeheckt, ein schon Verurteilter, zu 20 Jahren wegen Mordes, den  er vor aller Augen in einem Züricher Restaurant am hellen Tag begangen hat, beauftragt einen Rechtsanwalt, eine Hypothese zu erarbeiten und zu beweisen, daß er unschuldig, ein anderer schuldig sei. Das soll und könnte gelingen, weil die Welt absurd ist. Denn Wahrheit scheint ja inzwischen ein unbrauchbarer Begriff zu sein, wie alle Begriffe unbrauchbar sind. In seinem "Sterben der Pythia"... und das könnte hierher zur jetztigen Schuld nach der Revolution am besten passen, setzt Ödipus die Ermittlung, wer an der Pest schuld sei, selbst in Gang. Und es wird am Ende der Ermittlung klar, daß er es nur nicht gewußt hat: er selber ist der Schuldige, er hat, ohne eine Ahnung davon zu haben, die schlimmsten Verbrechen begangen, den Vater getötet, die Mutter geheiratet.  Doch war das Schuld, oder das "Leben" selbst, das wir hier geführt haben? Und schon bei dem transparenten Planspiel wird klar, daß je mehr der Verstand da bewegt wird, umso dunkler wird die Gecshichte, bis er scjließlich selbst mit reingezogen wird, ja, die Suche wird zur Mitschuld, gehört zum gleichen Anspruch des Besserwissens, wie die Nötigung vorher, nämlich Gesetze aufzuzwingen, die Liebe und Tod erzwingen, Macht als höchstes gut sehen lassen. Wer wirft den ersten Stein, wer hat Recht zu richten? Nur wer sich selber richtet, aufdeckt. Und der blinde Seher sieht das ein, daß er das Gegentei erreicht hat, von dem, was er wollte. Und der große Kollege sagt, daß seit jener Zeit, wo der Richter Urteilsfindungen hatte, Schuldige mit dem Verstand ausmachen konnte, genau wie der Detektiv, es gab ja ein  logisches Ganzes. "Damals war alles gewiß, man konnte jedes Problem mit dem Verstand lösen. Eine berechenbare, mechanische Welt, die Welt der klassischen Physik. Heute hingegen wissen wir genau, daß die Welt nicht berechenbar ist."
   Eher ist das ja heute umgekehrt, also wie findet Glaubwürdigkeit statt bei Erzählungen der Unberechenbarkeit, wie z.B. Dinge, die im Dezember geschehen sind, die das Paranormale streifen. Ich erinnere mich da an eine Spukgeschichte Kleists "Das Bettelweib von Locarno", wo ich selbst war, und nachgedacht habe, auch ich gehöre also dazu, wenn auch als Detail, denn alles ist, auch die Spukgestalt mit mir, da ich nicht nur dort war, sondern auch gelesen, ja, geschrieben habenund jetzt mit- schreibe, ist alles nur mit allem verbunden, nichts gilt an sich, und eine Aussage über Ereignisse wäre nur möglich, würde man das Ganze kennen, nicht nur den Auschnitt, ja, auch den aus der Zukunft geworfene Widerschein, dessen, was jetzt schon im Keim in dem was vorgeht, enthalten ist. Und bei gutem Nachdenken, käme nur Konsekutives und Möglichkeitsformen als dramatischer Ausdruck wirklich zur Frage, daß es ein tödliches, aber vor allem verwirrendes Geschäft ist, zu leben, solange wir mit Zeit- Grenzen umgehn, jene Einbrüche uns un-heimlich, nicht aber heimlich, also vertrauter sind, da wir dorthin gehören, ein Ort, von dem wir nichts wissen können.
     Und dies ist auch der Sinn von Hypotaxe und Parataxe. Adorno hats bei Hölderlin getan, Staiger bei Kleist.
 Ist aber die Revolution eine Anekdote in der, wie bei Kleist, "unwahrscheinliche Wahrhaftigkeit" vorkommen kann? Das, was auch du, Ioana erlebt hast? Was alle erlebt haben? Es zeigt daß dies sozusagen ein Durchbruch aus der Zukunft sein soll.
            Nicht aus der Zukunft, sondern aus dem, was schon da ist, noch unerkannt, ja verhindert durch das dünne Blatt des Bewußtseins, das verhindert...
   Ich weiß, ich weiß, dieser Satz aus der Bergpredigt, griechisch...
und von Luther falsch übersetzt; nicht,ändert euer ganzes Bewußtsein, denn das Reich des Himmels ist da  sondern "Tuet Buße, demnn das Himellreich ist nahe herangekommen".
            Weißt du, da komme ich wieder auf unser ìntru ceva. Noica sagt, dieser Nicht- und Zwischenbegriff habe Hegel, aber auch schon Pascal gefehlt Pascal sagte:
            Weißt du, was mir da einfällt, daß in dieser ganz späten Stunde, das, was Moderne und Nachmoderne sind, also die Reihung, der parataktische Stil etwa bei Hölderlin, wie in Benjamin und Adorno zeigen, also , wie gesagt wurde, daß der Geist dabei passiv, in die "Mitte des  Lebens" versetzt, nur das Warten, Regsamkeit und Fügsamkeit, also Resignation übrigbleibe, und sogar darauf verzichtet, so, aus lauter Enttäuschung an Ideen und Utopien, Stellung zu nehmen, bescheiden nur "tut, was geschieht", sozusagen als Geschlagener, als Nichts nun meint zu entkommen, oder daß hier dieses "Nichts" gerade der Übergang ist, die Begegnung, der Unort, wenn du willst, wo aus Fügsamkeit doch Fügung wird, ja Aufbäumen, und aus der Parataxe, wo sich die musikhafrte Reihung als Sprache, deren Elemente anders verknüpft sind als im Urteil, das sich als falsch erwiesen hat, der große Zusammenhang aufscheint, und ein Einbruch geschieht, bisher in der Phantasie, also auch in vieln Texten, nun aber real, in der Wirklichkeit, hier bei euch, wie du es mir ja auch erzählt hast, und wie e für viel die stillstehenden Uhren in der Französischen Revolution, nachher vielleicht 1917 war, so sich also jetzt Parataxe und Hypotaxe verbinden, aus dem Zwar ein Aber wird, nämlich im Hinblick auf das Erscheinen, des Kommenden, das ja immer das Realere ist, alles andere nur gewesen, auch dieser Augenblick schon vergangen, das Jetzt also zum Querschnitt, zum Schnitt wird, den nur ein einziger Satz, in dem alle Zusammenhänge eingehn, in jedem im Detail jenes Ungewußte des größten Zusammenhanges aufblitzt, das Gericht sozusagen, so nicht nur im Aber, im Chock eine erregende Freiheit über das Zwar der Sinnenwelt triumphiert, sondern das dieses, wie einmal gesagt wurde, erst im Hinblick auf Künftiges Sinn erhält. ( STAIGER, 97.) also dann von der Erzählung, dem Präteritum ins Präsens übergeht, aber alle unselbständigen Teile zum unerkannten, zum aus dem Nicht-Wissen neu aufleuchtenden Ganzen zusammengezogen werden müßten. Es ist schwierig, glaub ich, aber meine Intuition sagt mir, daß dies "wahr" sei.
    Aber es war mir klar, daß auch dieses Buch an dem ich jetzt hier schreibe, worin wir uns befinden, sich dem unterwerfen muß.
Über dies Buch!.-

Und was nun die Reihung, die Parataxe, auch bei Hölderlin etwa zum Ernst zwingt, aus dem "Geist" heraussaapringen läßt, ist sein Real Gewordenes daran, Jetzt, Hier, an diesem Ort, wo wir stehn. So sein wunderbares Gedicht vom "Einzigen", das die Ereignisse von heute interpretiert, also erst jetzt aus der Parataxe zur Hypotaxe geworden ist. Als wäre es über die Revolution geschrieben worden "Es entbrennet aber sein Zorn; daß nämlich
Das Zeichen die Erde berührt, allmählich
Aus Augen gekommen, als an einer Leiter.
Diesmal..."
            Hör nur dies "Diesmal", das isoliert steht, die Reihung unterbricht:
"Eigenwiillig sonst, unmäßig
Grenzenlos, daß der Menschen Hand
Anficht das Lebende..."



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