TAGEBUCH 1973- 1975- 2012
1012 Laufende Tage: Mai
25. April 2012. Mit E.
(FReiburg)
26. Zurück. Bis 12h noch
mit E. Alles im Bett vögelnd.
27. Lange Fahrt nach
Hause. Grässlich. Schalte falch. Nahm mir vor nicht mhr Auto zu fahren.
Mag mein Leben mit L.
nicht mehr. Auch das Haus, die Landschaft nicht.
Traum von H.J. Schmitt,
meinem ersten Lektor. Sitze am liebsten apathisch da.
29-30. Traum.
Musikinstrumente.
1.Mai. 12. Unsere Briefe
mit Kathi gelesen.
2. Mai. Traum von einer
neu entstehenden Lyrikgruppe.
Enzensberger, der mich
besuchen wollte. Sah in ein Zimmer rein. Er schlief. Alt.
Aber wie soll meine Lyrik
beknnt werden ohne eine Clique. Dabei sind die großen Werke alle auswärts entstanden. Triest Beckett.
3.Mai. Ein Blitz.
Atomgau. Viel mehr im Tb. PSA 099. Penetrante Frage: Was habe ich eigentlich
gestern gemacht. Gearbeitet? An welchem Buch?
4./5.Mai. Elfi und Jutta
Kolck. 13€ „abschreiben“. Goma und 1 Mann dazu. Gestern Marco und Frau mit 2
Kindern im Nachbarhaus. Dazu Josef. Ich als Jammerlappen. Zeigte Marco
wenigstens meine Bücher. Fühlte mich sehr schlecht, auch mit L. Mein Leben da
reingebuttert. Nichts ist wirklich herausgkommen. Kein Erfolg. Und auch sie, die an mich
geglaubt hat, ist nun enttäuscht. Das ganze Lebensprojekt Italien gescheitert.
Leer und Fremde in dieser „Schönheit“ mit Meer, worauf ich mir mal was
eingebildet hatte: meine Flucht auf den Berg, um „rein“ zu bleiben.
7.5. Traum: Kampf mit
Eisenstangen. Dann Bahnfahrt und finde die Fahrkate nicht. Suche in vielen
Taschen. Der Kontrolleur auf dem Bahnsteig. Will ihm eine große Rolle Papier
geben. Er sagt: Dann das nächste Mal.
11./12. Mai. 12. Den Dokuroman Auschwitzapotheker wo
unterbringen? Traum bin ein bedeutender Mann.
Mir klar Edition und
Wissen deckt alles zu. Es muss offen bleiben. Auch jeder Augenblik
Leidenschaftliches und intuitives Denken. Versammelte eine Riege von Leuten um
mich.
Ich blättere im Tagebuch und finde wenig zum Abschreiben, viel Unsinn. Zum Beispiel: solange die Wahrnehmung noch nicht zu einer geschlossenen Gestalt zusammengefügt ist besteht für die synthetische Funktion des ich ein Leistungs zwang. Sehr wichtig: Vernachlässigung der Faktizität; ich bin ein Graphomane. Schwerste Mensch
Äsch hiess damals meine
Haupt figur. Die Szenen gebildete Mensch ergeben sich aus der Erlebnisvorgänge
im Erlebnis der Realität hohen I. gehören Modelle wann ist sinnvolle Realität
und damit Anwesen (locus solus) möglich? Äschs Krankheit ist sehr stillstand in
der Abwehr von Zeit und Geschehen und Wirklichkeit. Äsch also meine Hauptfigur.. Absatz
Ich fühle keine Form
ihnen mir.
Wasslaue Blässe blau
Blaumilchreichs Hauchen,
helldurchreichtes
Nebellicht
auf der Lichtung rauchen:
Siehst sie kommen, siehst sie sie gehen,
weh, verruchtes schreiben
lichter Schatten ohne
Form gelöst Sie kommen gehen
Und die Wärme im Geruch:
Malt den Schreibern
Blumen
doch nach steif gewebtem
Tuch
muss die Stunde kommen.
es ist schon mühsam hier
mit dem sprechen im Gesprächsschreiben das geht sehr langsam
Israel Tagebuch totes
Meer wir sind 400 m unter dem Meeresspiegel und eine Temperatur von 45
vorbeifahren an, und gewöhnen klammert Bibel gefunden worden sind.
1974
Zu
AGLIANO
13.
August 1974. Auf dem Schiff : Fahrt nach
Elba. Die Sommerzeit über dm
Apennin schafft leuchtende Nebelformen.
Der Arno rechts wie die Kokel, Gedanken
an das gestrige Telefongespräch - Vaters Drachen.
Tutzi
wrde gesagt, es sei sehr gut, dass ich
in Italien leben werde, mich aber in Rumänien nicht blicken lasse.
Besser so. Sie hat mir auf meinen Brief nie geantwortet. (Das war des
Eisebburgers Bitte!) Zensur über die Grenze in meinem Kopf. Auch die
Biografie wird versaut. Es ist wirklich ein Punkt in meinem Bewusstsein.
(weiter abschreiben.)
Küste
jetzt, Tirrenia oder Livorno. Ich aber sehe diesen Mutterbauch vor mir, der
unter dem modisch langen Grossmuttrerkleid üppige und aufregende Konturen
erkennen lässt (vor allm der Nabel und die Möse in Scheiben aufschneidn kann,
also alles , was da ist, nicht da ist.
Unhd
doch genau dies, dies unter den Kleidern zu Erratende, dies, genau dies, hier
nun sehr erregend Dahintersehen und in diese
Frauenkörper Hineinzusehen versuchen, macht das letzte sinnlose Moment
(als S
1.
September 1974
San
Fruttoso
Sicher ,
es läßt sichheute nicht schreiben
mit
Daktylen und Wahlkämpfen
doch das
Meer bleibt außer dem Wort/ -
Spiel
und all den Genauigkeiten
aus Metaphern Alltagsmittel.
Es
bleibt das Zahnfleisch rot
nicht
nur weil der Skorbut auch hier bei den
Ex-Fischern
von San Fruttoso abgeschafft wurde ,
die
Stimmung am 1. September,
wenn der
Himmel bewölkt ist und
das
Meer schwarzblau bewegt ist fast die
gleiche wie vor hundert Jahren. Ich
Schliesse
die Augen
höre die
vielen Phantome der Ars Buchstaben kaum
ein
Motorbootverkehr wie mittags bder Berufsbverkehr in Rom ich höre mir das das ganz konkrete
Wasser schlagen und rauschen.
Der
Schetten der die Felsen zudeckt, der täglich
gefürchtte, der uns mordende Tod, der einfach
und so dass ich der Sonne nicht mehr
verkuppelt bin, die Haut abkühlt und der Kopf
lässt mich wieder erkennen was Mäll und kühler die Sonne verdecken
Nebn mir
drei Sonntagstaucher wie Urtiere aus Kunststoff kriechen sie ins verseuchte
Meer
Taucher
zum Unterwasseejesus und die Taucher
zurück in die Gründe mit hochgereckten Armen
Für die
Seetoten stehen bitten, dass die Stricke nicht reissen mögen, dass die Netze
nicht nachgeben.
Nichts
andres als einige befriedigende Seiten,
die genau in mich hineimnhören und das wiedergeben, was mich immer am meisten bewegt hat. (Würde da
nicht M. genügn?) d.h. den Horizont so weit hinaufgehen, bis jeder dabei ist, und
das heisst nicht in die Ferne, nichts
ins Aussen, Sosiologische, sondern an den Punkt kommen, wo dieser Satz stimmt:
“ Wi fühlt ihr es nicht? Ein Unsinniger, der glaubt, dass ich nicht du bin.”
(Victor Hugo).
4.
März Cinque Terre. 5 Terre. Riomaggiore. Manarola. Via del amore.
Trennungsgespräche.
LEBENSZEITJAHRE
Cinque Terre
(Und ins Wasser gefallen, das Meer)
Steinweiß nach einer dunklen
Schlaflosigkeit
Nacht der Trennung
wie übt das schreiende Herz
wenn die Jahre vergehen
jetzt die Weite aus
wund
weil das Meer nicht trennbar ist
nur in den Köpfen
wie die Gewohnheit
gefangen
Der Blick unter Agaven
die Wärme die Füße
aber fast schon im Wasser
lesend
Und oben auf der Terrasse
lieben sich zwei unter dem Pelz
wir: als wir jung waren
Horizontweit der Blick
erinnert den Sommer im Boot
und Vernazzas Turm die Sehnsucht
im Hafen du hebst die Erinnerung vom Grund
das alte Herz ist der Anker.
Schicksalsoffen zu sein und tun
was geschieht
neu wissend da
alles was ist dein Bild hält
das du erzwingst aus Gewohnheit
Doch unbefangen bleibt
Geh sanft mit dir um
ruhig und zärtlich hinter dem Bild
das du viel zu laut vor dir siehst
schreiend nur redest
Unendlich bist du
ohne dass du es willst
Übe die Langsamkeit immer
und langsam kommt deine Zeit
von innen und die Menschen
strömen hinter dein Bild
dir zu
Für die meisten ist kein Heil
weil ihr Gesicht verzerrt ist.
Durchbrich jede Planung
sei ohne Zukunft Hier!
3/96
CINQUE TERRE.. Rapallo. PORTOFINO
1. September 1974
San
Fruttoso
Sicher
, es läßt sichheute nicht schreiben
mit
Daktylen und Wahlkämpfen
doch
das Meer bleibt außer dem Wort/ -
Spiel
und all den Genauigkeiten
aus Metaphern Alltagsmittel.
Es
bleibt das Zahnfleisch rot
nicht
nur weil der Skorbut auch hier bei den
Ex-Fischern
von San Fruttoso abgeschafft wurde ,
die
Stimmung am 1. September,
wenn
der Himmel bewölkt ist und
das
Meer schwarzblau bewegt ist fast die
gleiche wie vor hundert Jahren. Ich
Schliesse
die Augen
höre
die vielen Phantome der Ars Buchstaben kaum
ein
Motorbootverkehr wie mittags bder Berufsbverkehr in Rom ich höre mir das das ganz konkrete
Wasser schlagen und rauschen.
Der
Schetten der die Felsen zudeckt, der täglich
gefürchtte, der uns mordende Tod, der einfach
und so dass ich der Sonne nicht mehr
verkuppelt bin, die Haut abkühlt und der Kopf
lässt mich wieder erkennen was Mäll und kühler die Sonne verdecken
Nebn
mir drei Sonntagstaucher wie Urtiere aus Kunststoff kriechen sie ins verseuchte
Meer
Taucher
zum Unterwasseejesus und die Taucher
zurück in die Gründe mit hochgereckten Armen
Für
die Seetoten stehen bitten, dass die Stricke nicht reissen mögen, dass die
Netze nicht nachgeben.
Nichts
andres als einige befriedigende Seiten,
die genau in mich hineimnhören und das wiedergeben, was mich immer am meisten bewegt hat. (Würde da
nicht M. genügn?) d.h. den Horizont so weit hinaufgehen, bis jeder dabei ist, und
das heisst nicht in die Ferne, nichts
ins Aussen, Sosiologische, sondern an den Punkt kommen, wo dieser Satz stimmt:
“ Wi fühlt ihr es nicht? Ein Unsinniger, der glaubt, dass ich nicht du bin.”
(Victor Hugo).
Immer
wieder die Entscheidung / von hier weg zuziehen / nur noch Zeile! / Alles-Eins
leben / Traum-Reggression (Delta) / Toleranz wo alles hoch ommt / Worte sprudeln den Jungbrunnen / alt.
11.September
6h.
Durch
sas Hier-leben (anscheinend out) ...
(Noch abzuschreiben S. 120.
(Dazu
2009: Maria Irod, Melancholie:
Vlad Dracul, der Vampir, wird nämlich
am besten durch sein leeres Grab und seine verschwundene Leiche symbolisiert.
Diese Leere deutet Schlesak als Zeit des Umbruchs und des Paradigmenwechsels,
eine Art „Leerstelle“, wo alles möglich ist, und die Vlads Epoche ebenos gut
wie unser Zeitalter auszeichnet. Dass diese gefährliche Zwischenzeit mit
gefühllosem Verstand und Beherrschungswillen zusammenhängt, wird von Schlesak
in der Entstehungsgeschichte seines
Romans explizit behauptet. Er spricht vom „Einbruch einer neuen Mechanik der
Leere, des Überhandnehmens der Quantität (...) gegenüber der Qualität“ (S. 154).
Damit meint er, wie mir scheint, außer den bekannten Mechanismen der modernen
Gesellschaft, die den Menschen nicht mehr physisch, jedoch auf sämtlichen
Ebenen seines Daseins zergliedern und instrumentalisieren, vor allem das
Aufschwingen der Schrift zum Mittel der Machtausübung. Vlad selbst steht im
Spannungsfeld der negativen (Bürokratie, Propaganda und Medien-Betrug) und der
positiven (Ausbildung der modernen Subjektivität) Folgen dieser historischen
Entwicklung. Überdies scheint der Vampir ein Symbol des modernen von der Ratio
geleiteten Menschen zu sein:
Mich berührt die Vampirseele des
modernen Intellektuellen wie ein Selbstporträt. Solch ein Un-Toter könnte etwa
so sprechen: Wie immer wenn ich nach dem Leben griff, blieb nichts in meiner
Hand. Ich wollte Flamme sein und Asche werden und hatte doch noch nie gebrannt.
Ich wollte hoch und höher steigen, und sank doch immer tiefer ins
Nichtlebenkönnen! (S. 155)
Hier artikuliert sich ein Bild der
Melancholie, das zugleich wichtige Themen der Schlesak’schen Literatur
zusammenfasst. Ein „Mann aus lauter Wörtern“ – wie der Ich-Erzähler im Verweser
einmal von seiner Frau genannt wird (S. 128) – der nicht leben und lieben kann
und immer zum Schreiben greifen muss, um seinen Erlebnissen überhaupt Sinn zu
verleihen – das ist ein der kontemplativen Schwermut ergebener Geist, für den
jede Bindung an den Alltag der materiellen Welt irreal geworden ist. Sein Blick
richtet sich auf den Tod als eine ersehnte Flucht aus der geschlossenen
Immanenz und den Bedingungen der Leiblichkeit, während ein anderer Teil in ihm
noch in „unstillbare[r] Gier“ (Vlad, S. 155) nach Erfüllung im Diesseits sich
verzehrt. Seine Lage lässt sich weder durch irgendeine Melancholielehre noch
durch eine rein religiöse Dialektik des Todes als Heimkehr der Seele und somit
Überwindung der Melancholie ausreichend erklären. „
4
Lichter
oben in Pedona brennen. Zwingt ZUM Dasein: Andere müssen jetzt aufstehn, der
Weecker klingelt, um “zur Arbeit “ zu
gehen, das weckt in mir diese Härte (ich denke an unsere Ausflüge mit
Koni und anderen Klassenkameraden ans
Meer).
Mich
bemühen, alle Verletzungen (auch L.) nicht heftig abzureagieren, sondern im
Nacvhdenken an jene Gemeinsamkeit, nur einmal als Mensch da zu sein, das Leben
SO anzuerkennen. (Ein Rückholen der Rückbindung, der re-ligio?) Gut- Sein,
nicht einfach nur Verachtung fürs Dasein mit den anderen zu empfinden?
Und
diese Spannung? Janus bestimmt bei den Griechen das Geschlecht der noch
Ungeborenhen.
Schiff
nach Elba 13 August 1974. Die Sommer geht über den Apennin aufs Schiff
leuchtend Nebelformen. Der Aron rechts wie die Kokel. Und ich denke an das
Telefongespräch von gestern. Der letzte
Sommr der Biofrafie 1974. Da ich “unten” gewesen wa, da jetzt Ly und Michael
hiersind? Letzter Winter der amnarchie,
er ist vorbei. Was noch bleibt ist der Tod als Ausweg. Und die detaillierte
Prosa, überhaupt das Detail. Das auseinanderfällt.
Das was
ich immerschön hasste, die schöne und vielfältige Banalität, das Diabellein.
Es
bleibt tatsächlich wieter nur die Hoffnung, dass eine Tür offen bleibt auch zu
diesen Details, dass ich schreibend wenigstens der Sinnlosigkeit Herr werde.
Dass ich JETZT etwa diese toskanische
Küste sam Tirrenia und Livorno, diesen Wieberbauh vor mir, der inter dem
modisch langen Grossmutterkleid üppigen und
aufregende Konturen erkennen
ässt, vor allem den abel und die Möse, also alles, was da ist, verborgen, also
auch nicht da ist. Und doch genau dieses Verborgene, das ghier aufregend ist,
dieses Hinter die Dinge kommen, dies Dahintersehen und in diesen Frauenkörper
hineinsehen, macht diesen letzten sinnlosen Moment (als Shlussfolgerung)
weniger konsquent, dass alles nur banal sei. Klar weshalb alle Jenseitsjümnger,
von Hare cht mich aufmerksam darauf, wie ein Mädchen mit “kolonialem Gesicht”,
ihren Reissverschluss vorne wiet aufmachte und ihrem Gefährten, beide in
blauenen verwschenen Jeans, zeigte, was sie für ein wuchernd3s Wesen da in der
Hose hatte, ich konnte es auch sehen, ja, so war es, die Augenweise... Und
beide scheinen dann dieses “Phänomen” zu erörtern, wie gross, wie haarig,
welche Farbe, vor allem aber zeigte sie dann mit Unterarm und Fingern, wie der
dazu passende beschaffen sein müsse, und beide lachten laut.
Alles so
plastisch, man sich alles, bis in ihre Gedanken gut vorstellen, sie verzog
dabei das Gesicht ganz entsprechend in gespieltem Schmerz und Eksates und
begleitete die Demomnstartion mit schlingernden Bewegungen des bauchtanzendemn
Körpers-. Die Sonne schaute meerig heiss auf die Szene. Zwei deutsche
Oberlehtrer aber unterhielten sich laut dabei über Napolons Exil auf Elba. Ihre
Haut durchsichtig und blass vor
Keuschheit und verlegtem Interess an der
Szene.
17.
August 1974. . An diesem Tag nahe an Feragosto dieser Wahnsinn des Feuers.
L. ging mit einem anderen ins Bett. (Feuer regt auf) Seither bin ich nicht
mehr so gleichgültig, sondern sehe mit
einem inneren Ziehen und Schmerzgedanken ihre kapitaler schwarze Möse. Bis in
den Traum.
Und weiss , dass ich unfrei bin.
Meine Wutausbrüche in
Portoferraio(ähnlich wie auf Kreta) “Du Deutsche”!Todesfahrt
dann nach Hause mit dem Auto, fuhr wie ein Verrückter.
Bericht
aus Elba
für
L.
Muss
ich bescheiden werden
mich
aufgeben zugestehen
dass
ich unfähig bin
mit
diesem Feuer vom “ordino nuovo”
also
Fascisten gelegtes Feur von Elba zu leben
wenn
du nun mit einem
anderen
ins Bett gehst,
dass
ich nie sehen werde genau
wie
ich nie erfahren werde
was
dort geschah
Hat
er dir die Kleider vom Leib gerissen
bis
er an dein spektakuläres Loch kam
und
du dann ächzend ihm entgegenstrebtest
oder ging es deutsch zivilisiert zu
ihr
legtet beide eure Kleider
säuberlich
auf eine Stuhl
und
dann euch auf das Bett
nackt
lag er neben dir
und
begann dich langsam zu streicheln
kam
immer tiefer
zögernd
die Schenkel hinab
und
fuhr mit einem Finger über
deinen
schwarzen Behang
der
sich buschug unter dem schönen
weiberbauch
wölbte
STEHENDES ICH IN LAUFENDER ZEIT
Nachrichten aus der
nachkommunistischen Zeit 1989-1994
9./15. Mai.
SÄTZE ZUR WAHRHEIT NACH
DEM ÜBERHOLTEN ENDE
Mauer, Grenze allein
erzeugt die Sehnsucht. Auch in der Liebe zu Fremden, die werden so nah
gebracht, die Liebsegschichte Ganz stark wiederholt das ganz Ferne wo wirklich,
Schrecken des Abschieds, Tod als gelebt. Gibt es nicht mehr. Dieses Abenteuer.
Das kleinere Übel: Grenze
(ist mir genommen worden) jetzt bleibt das große Übel die Banalität und der
Tod.
Zur WILDEN DESILLUSION
Szenen dazu. Einer erfährt die Wahrheit (zufällig?)
Desillusion auch "alles so , wie es ist" - die
Gedichte dazu.
Zwischen Nathan und Shylock, ein Dialog?
9. Mai 90. Das Datum
entspricht. Es ist die Zeit nach dem Scheitern der Utopie, wo auch "der
Dichter", der bekanntlich Jude ist, nach Martina Zwetajewa, zitiert nach
Paul Celan. kaum Nathan, sondern Shylock wird. Kein Nathan mehr, der er meinte
zu sein, durch Exil und Leid. Etwas zu sagen zu haben.
Plane eine Figur, ein Alter ego, der meinen Michael
Templin aus "Der Verweser" weiterführt. Auch Tabori in seinem neuen
Stück "Weismnann und Rothgdsicht" (Theater Aalen, 50 Jahre Machtergreifung) bringt so
eine Figur. Einen, der völlig von allen entblößt ist, wasLeben lebenswert macht,
so Sterben als Erlösung erscheint. (Wäre es ausgesetzt auf offenem Meer. Und so
entdeckt er völlig vom Selbstbild frei, daß er zwar schlimmes ertragen aber
selbst auch schlimm ist. Nichts mehr
hält ihn. Verteidigt sich nicht mehr. Wird kleinmütig und böse, unsicher,
ohnmächtig und aggressiv.
Illusionen und Märchen
des Exils. Alles wird heute zerstört, auch dies. Emigrant in Pension. Alles in
Pension. Utopie in Pension, Revolution in Pension, Glauben in Rente, Marx
gestorben, alles hin. Und auch das ersehnte Zuhause in langen Jahren des Exils,
banal. Des-Illusion total: der Kalte Krieg hat das Märchen der Trennung, damit
der Sehnsucht, der falschen Heimaten geschaffen, der falschen Freiheiten, der
falschen Leiden als wirkliche Leiden.
.. ohne sie alle bin ich
verloren,
bin ein Niemand, bin nie
geboren.
Chor: In S. schreit der
arme Mann:
wenn du zurückkommst,
denkst du, dann
ist alles wie früher!
Nichts da,
das alles gehört der
Vergangenheit an
drum sei vorsichtig,
Bruder, gib acht.
So sieht es aus in deinem
Land,
drum nimm endlich
Abschied.
Du Luxusenigrant. Und du
bist das Letzte.
Ja, wir sind wirklich die
Letzten, Mann.
Das waren noch schöne
Zeiten, einmal gebrannt
Kinder.
9. April 93 (Schon vier
Monate vergangen). Es ist einfacher, die fertige Vergangenheit zu beschreiben.
Da gibt es auch schon "Material", viele haben darüber nachgedacht.
Während meine eigene Erfahrung subjektiv, unvollkomme, "offen" auch
nicht dicht sein kann, zu wenig "Bildpunkte" enthält, um das Bild
scharf werden zu lassen. Über Kant läßt sich anders erzählen, als über Templin.
Und ist doch wieder künstlich
1 Fassung
13. August 93.
Allerherrgotsfrüh. Ein Hahn krät in der Nachbarschaft, Morgendämmer, aus der
Dachschräge fahles Licht. Der Hund träumt und grunzt in seinem Korb. Vögel
singen durchs offene Fenster in die Synkopen des Hahns. Und sah das Gesicht von
Nikolaus K. vor mir. Mußte an Nikolaus K. schon vorhin denken. Denken nachts,
Freund und Hörspielredakteur in Frankfurt, gleichaltrig, der sehr krank zu sein
scheint. Aids? sagte L. Er ist homophil, hats immer, auch mit einer Freundin,
zu verbergen versucht. Er hat meine grenzüberschreitenden Ansichten nie
geteilt, es gab Streit. Zwei Jahre Pause. Und jetzt, ausgerechnet jetzt hatte
ich ihm geschrieben.
Er wollte es mir nie glauben, daß es kein Ende gibt.
Plötzlich fällt mir Bohrers Bemerkung in seiner "Plötzlichkeit" ein,
daß Kleists Selbstmord durchaus auch mit der Überzeugung jener Zeit zu tun
hatte, es gäbe eine Weiterentwicklung der Seele nach dem Tode. Lessung, Kant
und die Aufklärer hatten es propagiert (ist dies die "Erziehung des
Menschengeschlechts"?, von dem wir weder auf dem Gymnasium noch an der
Universität, nachher im Kulturbetrieb erstrecht nie etwas gehört hatten?!)
Kant? Hatte ich ihm mit meinen Angriffen Unrecht getan, daß seine Philosphie
aus der Verdrängung dieser Sphäre (ins "Ding an sich") entstanden
sei?
Im Halbschlaf noch vor dem Aufstehen, ich versuche es um
sieben, es gelingt selten, da ich ab fünf oft wach liege und die Gedanken für
den nächsten Tag kommen, auch die Träume arbeiten nach - war mir klar, daß das Unheimliche auch aus
dem Exaktesten schon kommt, es auch gefühlsmäßig - im Zustand bestätigt. In
meinem Berliner Celan-Vortrag im Literaturhaus (März 93) hatte ich das auch gesagt,
die Passage lautet:
"Paul Celan hatte
etwas begriffen, erlebt und erfahren, was andere Menschen in ihrer
Idylle nicht begreifen konnten.Es ist
ein `Aus der Sprache fallen` der Dinge, doch dieses Fallen ist zugleich
auch "ein Kernpunkt der Krankheit Schizophrenie", es ist das Erleben,
daß die selbstverständlichen, für
Gesunde sich nur wiederholenden Dinge des Alltages dem Nicht-Normalen
furchtbar neu sind. Eigentlich eine
unerträgliche Erkenntnis der unverhüllten Wirklichkeit, die kollektiv auch im
Todeslager furchtbar erlebt wurde: wenn das Vertraute zerreißt, etwas sowohl
völlig Neues, wie auch etwas in Gedanken
nicht Faßbares da ist. Der Zeitfluß wird nackt, stockt, wie beim Sterben.
Alles scheint einfach, doch gerade diese Einfachheit
macht verrückt und jagt Schrecken ein. Der Bruch ist viel umfassender, weil er
heute den durch Historie veränderten Tod mit dem Weltbild der Physik, das genau
in jene unheimliche Richtung weist, verbinden müßte. In Celans großem
Gedicht-Zyklus "Engführung" klingt schon 1959 dieser neue Ton an.
Celan stellt Sprachinstrumente zur Beobachtung des in der
"Gewohnheit", der Wahrnehmung Noch-Nicht- Vorhandenen her:
"Orkane./ Orkane, von je,/ Partikelgestöber, das andere,/du/ weißts ja,
wir/ lasens im Buche, war/ Meinung.//...Wie faßten wir uns/ an mit/ diesen/Händen?"
G I, 200.
Vom Atom wissend, daß Außen, feste Welt nur
Wahn ist, versuchte Celan eine "Spektralanalyse der Dinge".
Durchaus
richtig beschrieb Tuwia Rübner bei einem Celancolloquium in Haifa in
seinem Diskussionbeitrag "Lyrik
nach Auschwitz" des Dichters unheimliche Lebensstimmung und Sprachkunst,
kafkaähnliche "von Buch zu Buch
atomarere Textualität" herstellend, beschrieb sie mit einem Zitat
aus Eddingtons "Weltbild der Physik": "Ich stehe auf der
Türschwelle, im Begriffe, mein Zimmer zu betreten. Das ist ein kompliziertes
Unternehmen... ich muß auf einem Brett
zu landen versuchen, das mit einer Geschwindigkeit von 30 Kilometern in der
Sekunde um die Sonne fliegt; nur der
Bruchteil einer Sekunde Verspätung, und das Brett ist bereits meilenweit
entfernt... auch hat das Brett keine feste Substanz. Drauftreten heißt auf
einen Fliegenschwarm treten. Werde ich nicht hindurchfallen?" Tuwia
Rübner, "Lyrik nach Auschwitz" a.a.O. (Fußn.12), S. 42ff).
Für den Romanautor Hermann Lenz schien Celan ein Mensch,
der "bewegte sich wie einer, der dem Boden nicht traut." Und genau
dieses ist heute wirklichkeitsgerechter als die Annahme einer gesicherten "festen Welt".
Hermann Lenz, "Erinnerungen an Paul Celan" a.a.O. (Fußn.9).
VII
Von
der Unfähigkeit zu trauern. Kommentare und Briefe
Mein
Text über die Literatur meiner Vaterstadt führte zu Angriffen der
landsmannschaftlich orientierten "Elite" dieser Stadt. Ich fühlte
mich bei dieser provinziellen Erregung an Thomas Manns "Bilse" in
seinem Aufsatz gegen Angriffe aus seiner Heimatstadt Lübeck "Bilse und
ich" erinnert. Grundätzlich ist eine Mentalität erkennbar, die sich
anscheinend mühelos aus den vierziger Jahren "herübergerettet" hat...
So schreibt einer dieser Landsleute, ehemaliger SS-Offizier, lebendiger Zeuge
dieses Bewußtseins-Museums: "DS ist (seine literaturhistorische Kenntnis
in Ehren!) als entwurzelter Intellektueller in meinen Augen nicht dazu berufen,
sich mit diesem Beitrag im Schäßburg-Buch einzunisten." Und wer hört da
nicht das ganze Arsenal der Nazi-Invektiven von "entartet" bis
"Asphaltliteratur" heraus, das zur Bücherverbrennung und schließlich
zur Bedrohung und zum Tod von vielen Intellektuellen geführt hatte.
Ein
anderer Briefschreiber wird noch deutlicher: "Daß die Gesinnung viel zu
negativistisch ist und somit unserer Grundhaltung voll und ganz widerspricht.
Es ist als ob ein Außenstehender urteilt, der uns nicht gut gesinnt ist....(Jude, Kommunist?). Wenn ich vom
Politischen her urteile, so würde ich sagen: links, während wir alle Mitte
rechts einzuordnen sind." Es kommt also nicht auf die
"literaturhistorischen Kenntnisse" und Fakten an, sondern auf die
"Gesinnung", die identisch sein muß mit "Mitte rechts", was
nicht ganz stimmt, denn diese Haltung ist rechtsradikal, NPD (wie das Vorbild
Hermann Oberth), NPD und noch weiter rechts.
Einer
dieser rechtsgesinnten Landsleute schlägt vor, der ehemalige
"Ortsgruppenführer" Alfred Pomarius müsse ins Buch aufgenommen
werden, während DS ... naja: - "wiederholen möchte ich meine Ablehnung von
S.! Mag er auch gute Kenntnisse haben, so teile ich die Meinungen von ....( es
folgen die eben schon Zitierten): er hat es meines Erachtens nicht verdient, in
unserem Buch aufzutreten."
Ahnungslos
wird grundsätzlich gefragt, so in einem Brief des Herausgebers: "Warum
soviel Schuldgefühle, wessen? Wofür? Diese sind dem Schäßburger fremd..
Zeitgeschichtliche (zeitgeistliche?) Betrachtungsweise verstellt den wahren
Charakter des Schäßburgers. Mehr Schäßburg-Seele."
Daß
nur etwa die Hälfte der "Elite" jenem alten "Gedankengut"
anhängt, und daß es auch demokratische Ausnahmen gibt, wie den Leipziger
Professor Heinz Brandsch, der zu meinem Essay schrieb: "Zu meiner eigenen
Schande muß ich weiter gestehen, daß ich D.Sch. und seine Werke nicht kenne.
Aus dem mir vorliegenden Text erlaube ich aber ableiten zu dürfen, daß er mir
mit seiner kritischen Haltung näher steht, als andere bekannte und unbekannte
Landsleute..." - dies ändert wenig an der Trauer, die ich empfinde
angesichts dieser Einsicht, daß ich froh sein muß, nicht mehr hautnah in jener
Enge und mit Leuten dieser Art zu leben, deren Bewußtsein, noch mehr ihr
Unterbewußtsein, von den gleichen intoleranten und harten, ja,
unheilvoll-autoritären Inhalten geprägt sind, die zum bekannten Desaster
geführt hat; eine Prägung, auf deren gefühlvolle Zustände des sentimentalen
"völkischen" (so auch heute noch der Begriff!) Heimatsinnes, Volks-
und Familiensinn, die nichts als eingelegte alte Ideologie sind und einer
Erziehung anghören, deren Schmallippigkeit jedem aufs unangenehmste bekannt
sind, der jene Zeit noch miterleben durfte! Eine Prägung, auf die unsere
braungefärbten Traditionalisten auch noch stolz sind. Das Museale und
Antiqierte springt ins Auge; und hätte ich es nicht selbst erlebt, ich hätte es
nicht für möglich gehalten, daß es solch ein Museum des Bewußtseins noch gibt,
das man als Historiker, Psychologe oder Autor mit Fleiß studieren sollte -
bevor es ausstirbt.
Ich
war leider nicht im Zustand solch einer Freiheit, sondern tatsächlich und in
den Niederungen einer wirklichen Konfrontation mit und in diesem Museum zu
Gast, eben "zu Gast", das ließ man mich auch kräftig spüren! Ich
hatte also meinen Preis zu bezahlen für diese Erkenntnisse und Erfahrungen mit
diesem Ausflug in die, ach so ersehnte Vergangenheit und ihre Zwangslagen, wie
sie wohl früher in dieser Stadt an der Tagesordnung gewesen waren, zu zahlen in
Form von Zeitverlust und Frust. Denn die "Zensur" hatte effektiv und
in einer alten Richtung des kollektiven Drucks "gearbeitet", da
bekanntlich mit allem eine Evidenz herstellbar ist, wo es Mehrheiten gibt, wo
Überzeugungen arbeiten, und man als Einzelner "Realitäten"
gegenübergestellt wird, seien es auch museale oder gar wahnsinnige (wie etwa in
der KP-Zeit). Dieser Gesinnungs-Druck (hier in bräunlicher Ausgabe), der im
Brustton der Selbstverständlichkeit und der Entrüstung, ja eines
"Wir" arbeitete, der zwar eine Art Halluzination war und ist, eine
Enklave (Gottseidank!) in der übrigen Wirklichkeit, jedoch wie in einem
Ehestreit oder einer Parteisitzung etwas Mikrosoziales einsetzt, das dem Zwang
im Wahnsinn gleicht. "Gesinnung" also hatte mit guter Wirkung
gearbeitet. Auch wurde alles "negativistische" (also Kritik und
Wahrheit, wie bekannt und in diesem Ambiente der "Gesinnungen"
üblich!) als "unangebracht" und "dem Schäßburger fremd" in
meinem Essay gestrichen. Es gab keine Möglichkeit der Gegenwehr, die
"Geschlossenheit" und der Druck der Mehrheit war zu stark. Ich bekam
eine Ahnung, wie das früher in den sächsischen Städten vor allem in den frühen
vierziger Jahren zugegangen sein mag! Ich hätte meine Arbeit zurückziehen
können, das wäre die einzige Alternative gewesen. Doch hätte ich da nicht den
Rausschmeißern zugearbeitet und ihnen letztlich Recht gegeben?! Das wollte ich
nicht. Auch hoffte ich, mit den wenigen kritischen Bemerkungen wenigstens etwas
zur geschichtlichen Wahrheit beizutragen; zumindest mit dem Hinweis, daß es die
Nazizeit in Siebenbürgen überhaupt als negative Erscheinung gegeben hatte
(einige der Ansprechpartner halten sie auch heute noch für eine positive Erscheinung!
Und die SS etwa für eine "gute Sache"!). Jedenfalls war es eine
tiefgreifende Erfahrung (und wie eine
emotionsgeladene Reise in die Vergangenheit), an diesem Buch mitzuarbeiten.
So
fielen unter anderem folgende Passagen dem
Rotstift zum Opfer oder mußten von mir nach harter und zäher Diskussion wie in
den besten, mir nur zu gut bekannten roten Zeiten, "abgeschwächt"
werden: Am härtesten war die Diskussion über die Frage, ob die siebenbürgische
Nazizeit ein Verrat an der 850 Jahre alten Tradition der Siebenbürger Sachsen
gewesen war, wie ich nachweisen konnte. Man wollte sie innerhalb dieser
Tradition sehen. Vielleicht gar als deren "heroischen" Höhepunkt.
Doch
alles begann schon mit der Ablehnung jeder
Kritik, jedes "Meckern" und "Kritteln" war untersagt. So
wurden folgende Passagen "gekürzt":
......nach
1876, der Zerschlagung des Königsbodens, beginnt der Abstieg und die
Provinzialisierung auch der siebenbürgischen Literatur, eine Folge der
Isolierung durch eines sich zum finis saxoniae steigernden Wirklichkeitsverlust
und Geschichtsverlust.
Sogar
der "Nationaldichter" Michael Albert durfte nicht zu
"negativ" und kritisch die Wahrheit sagen, etwa wie in diesem Gedicht:
Ob
du in fremden Landen
zum
fremden Mann verdirbst,
ob
du dort festgestanden
und
als ein Treuer stirbst;
es
ist in beiden Lagen
ein
trauriges Geschick,
denn
deinen schönsten Tagen
gebricht`s
am schönsten Glück:
daß
nie auf festem Grunde
du
sicher dich erhebst,
daß
du in keiner Stunde
recht
aus dem Vollen lebst." (1878).
Dazu
schrieb jener, der mir, dem "Kritikaster" und "Nestbeschmutzer"
das Recht, in meiner Stadt geboren zu sein, streitig machte, sozusagen nun eine
Art "Verbannung" post festum zumutet, da ich den "Rang unserer
Heimatstadt - und ihrer verdienstvollen Repräsentanten - ... peinlich
verfremdet und herunterkritisiert. Dazu gehört auch unser lieber Michael
Albert..." Er schrieb apodiktisch:
" Untergangsstimmung ist bei M.A. kaum zu finden."
Ein
Aufschrei also auch wegen der Analyse von "kritischen" und
"negativen" Ansichten und Werken des Nationaldichters, sie wurden
gestrichen, darunter auch die vorhin zitierten
Strophen.
Dabei
ist das Beste, was Albert schrieb, Realitätskritik im Dienste der Wahrheit; und
dieses ist ja nicht nur bei diesem Autor so, Abgründe - und nicht
Opportunismus, in welcher Form auch immer, stehen der Wahrheit nahe,Distanz
schafft Stil, Distanz, und nicht rührselige Bejahung, die Idylle und Kitsch
hervorbringt. Wir wissen heute, wohin Tendenzpoesie und Hymnen führen. Daß Albert
den Untergang der Siebenbürger Sachsen schon damals vorausgeahnt hat, zeugt von
Hellsicht und Talent, dieses Ende, das sich nun vor unseren Augen vollzieht,
ein historisches Ende, das 1940 begann (unter kräftiger Mithilfe der
politischen Elite und der vielen SS-Freiwilligen) - ist unbestreitbar. Doch, so
die Version des schon erwähnten SS- und Auschwitzoffiziers heute (1993), der
mit zum Zensur-"Gremium" gehört hat: "Da wir zwischen den Mühlsteinen
des verhängnisvollen Laufes der Geschichte in den 40er Jahren aufgerieben
wurden, darf es keine Schuldzuweisung geben, auch nicht an unsere politische
Führung". (Die damals die Lümmelgarde des Volksgruppenführers Andreas
Schmidt war, Schwiegersohn des SS-Reichsrekrutierers Obergruppenführer Gottlob
Berger. Schmidt trägt die Verantwortung dafür, daß es einen Vertrag zwischen
Bukarest und Berlin gab, und daß so fast jeder wehrpflichtige Rumäniendeutsche
automatisch zur SS kam. Viele wurden dann in den KZs eingesetzt. So auch der
rumänische Hauptmann Victor Capesius, der zwangsweise zur SS beordert, zum
Auschwitzapotheker ernannt wurde.) Und der erwähnte SS-Offizier (er freilich
meldete sich begeistert freiwillig noch vor der Zeit) schreibt: "Es ist
müßig, nach einem halben Jahrhundert noch nach Schuldigen zu suchen, wie es die
Vertreter der jüngeren Generation tun, die diese Zeit nicht am eigenen Leib
(und an eigener Seele!) erlebt haben.
Volentem fata ducunt, nolentem trahunt, zu Deutsch in Nietzsches Fassung:
Schicksal ich folge dir, und wollt ich nicht, ich müßt es doch unter Schmerzen
tun. Es hätte nichts genutzt, wenn wir versucht hätten, gegen den Strom der
Zeit zu schwimmen... Wir waren keinen Nazis,
wir haben bona fide wie eh und
je, als Deutsche gehandelt und die Tragödie unseres Völkchens ist ein Teil des
gesamtdeutschen Ruins dieses Jahrhunderts..."
So
vermischt man Wahrheit und Lüge zu einem einzigen Brei, der jede Verantwortung
abschiebt! Und es wurde mir klar, daß
mit diesen Mitarbeitern und ihrer Zensur über die wirklichen Ursachen der rumäniendeutschen
Katastrophe keine Analyse geschrieben werden konnte, wie es einige hellere
Köpfe verlangt hatten.
Gestrichen
wurde auch dieser Hinweis: Und genau
hundert Jahre nach Michael Albert, heißt es bei den letzten sächsischen Autoren
unserer Stadt, so in einem Roman des Verfassers: "Sein ganzes Leben war
von einem Rächer bestimmt gewesen, wie von einer Furie, die das Verschwinden
auf raffinierte und kaum merkliche Weise betrieben hatte... Der letzte Schlag
für ihn war die Emigration mit ihren Folgen und Spätfolgen gewesen... (aber) in
seinen Träumen lebte er immer noch in jener kleinen siebenbürgischen
Stadt..." (Dieter Schlesak "Vaterlandstage. Und die Kunst des
Verschwindens", Zürich-Köln 1986, S.275.)
Ganz unmöglich war
folgende Bewertung der vierziger Jahre und ihres Ortsgruppenführers Pomarius
durch die kollektive Zensur zu bringen (und ich höre auch meinen Vater und
meine Mutter in den Chor einstimmen und dabei rufen: "Wir waren immer geschlossen,
das Völkchen!")
(Pomarius
zwischen 1940-1944): ...eine Parallele
etwa zu Arnold Roths oder Zillichs Entwicklung, es ist ein Verrat an der
800jährigen sächsischen Tradition festzustellen... Der alte "Selbstbehauptungskomplex"
(Walter Myss) war in dieser Zeit so falsch gepolt, bis er in die Selbstvernichtung
führte. Kriegsleid, Deportation, Familientrennungen waren die Folge. Diese Zeit
der Siebenbürger Sachsen ist in der rumäniendeutschen Literatur erst spät
beschrieben worden, jedoch immer noch nicht wirklich aufgearbeitet.
Und
gerade die Ansätze dazu, die kritische Literatur von Pastior, Schlesak, Hodjak,
Hensel, Söllner und den Banatern Müller, Wagner u.a. wollten die wahren Sachsen
sich nicht zumuten, sondern in ihrem Erinnerungsparadies verharren. Gestrichen
wurde auch die Passage, die von dieser Literatur handelte, ich konnte sie nur
retten, indem ich alle Namen strich, dies, weil ich die Heimatliteraten der
älteren Generation nicht erwähnt hatte, die "eigentlichen Werte", so
das Argument.
Ich
frage mich auch heute, warum ich mich dieser Zensur, bei der es wie "zu
Hause" "keine Widerrede" gab, gebeugt habe. Einiges dazu habe
ich vorhin ausgeführt. Dazu kommt noch: Ich habe mich der Tatsache, daß es das
einzige einigermaßen vollständige Buch über meine Heimatstadt ist, es ein
anderes nicht gibt und wohl auch nicht geben wird, gebeugt, weil ich diese
Stadt liebe und ihr viel verdanke. Zweitens weil ich meinte, Tote, und was die
Herkunftsgruppe betrifft, eine dem Untergang geweihte Menschengruppe und ihre
Geschichte, verdienten mildernde Umstände. Der Tod reinigt und Opfer haben
besondere Rechte. Und drittens habe ich gemeint, vielleicht gegensteuern zu
können, und wenigstens ansatzweise etwas von der historischen Wahrheit
"durchbringen" zu können, gar die Mitautoren zu beeinflußen und vielleicht
in ihrer zum Teil zeitfernen absurden
Haltung schwächen zu können. Grundsätzliches habe ich im Gespräch mit
Stefan Sienerth dazu gesagt. (Vgl. S. 209ff in diesem Buch.)
Zitate aus eigenen Briefen an den
Herausgeber des Heimatbuches "Schäßburg":
März 94
Alle
Wünsche konnte ich nicht erfüllen, da einige völlig "daneben" oder
einfach falsch waren. Auch konnte ich die Zeit nach 1944 nicht einfach
wegstreichen, sie ist, was die Qualität der (rumäniendeutschen) Literatur
betrifft - jetzt mal gesamtdeusch gesehen -, den letzten 200 Jahren ...
Literatur überlegen. Und was den Bekanntheitsgrad in Deutschland betrifft,
unvergleichlich wichtiger. Daß sie von den Siebenbürger Sachsen kaum zur
Kenntnis genommen wird, ist kein Maßstab, sondern eher diesen anzulasten als
der rumäniendeutschen Gegenwartsliteratur. Eine gewisse Objektivität der
Maßstäbe müßte auf jeden Fall gelten. Daß Ihr alle anscheinend Pastior,
Söllner, Wagner, Müller etc. gar nicht kennt, finde ich nicht gerade
lobenswert. Und meine Arbeiten, vor allem die "Vaterlandstage"
gehören ebenfalls zu einem neueren und notwendigen exilsiebenbürgischen
Bewußtsein heute.
Ich
sage das alles auch nur, weil Du am Gelingen und dem Wert unseres Buches selbst
zweifelst, und weil ich Dir sagen muß, daß diese Zweifel sehr berechtigt sind.
Ich habe inzwischen, trotz meiner sehr knappen
Zeit, die von Dir zugeschickten Aufsätze gelesen, und dabei ein
unvertretbares "Vergessen" eben gerade der Zeit von 33-44, aber vor
allem der "Volksgruppen-Zeit" (40-44) feststellen müssen, als habe es
die nie gegeben. Das ist unzulässig. Das ist
Geschichtsfälschung. Und es würde mir jetzt nachträglich leid tun,
überhaupt mitgemacht zu haben, wenn dieses "Vergessen" und
Ausklammern nicht berichtigt wird, denn diese "Amnesie" wird einmal
allen Autoren, nicht nur den Herausgebern zur Last gelegt werden.
Aber
ich habe nun wieder viel Arbeit aufgewendet, um mitzuhelfen, so weit das noch
irgend geht, diesen gravierenden Mangel zu beheben, damit dieses erste
umfassende Buch über unsere Heimatstadt keine Fehler und gar Unwahrheiten
enthält!
Mein
ganzes Werk geht dem Grund unseres Geschichtsendes nach, ich kann, falls das
wichtigste Thema der Siebenbürger Sachsen heute in einem Buch, an dem ich
mitschreibe, fehlt, nicht einfach
darüber hinwegsehen, sonst müßte ich mich selbst verachten, angesichts der
Fakten dieser Jahre, die ich nun kenne, die Augen zu verschließen und zu
schweigen, wenn andere es tun.
Ich
möchte ganz dringlich bitten, die Wahrheit in den Aufsätzen nicht zu vergessen.
Und
was meinen Text betrifft, werde ich
unter diesen Umständen einige Sätze über die Spiegelung jener Zeit und ihrer Katastrophe
in den "Vaterlandstagen" an den Verlag nachschicken müssen, damit es
deutlich wird, was es mit jenen Jahren 1940-44 auf sich hatte, viele von mir
erlebte, erfahrene und in Dokumenten gefundene Ereignisse aus jener Zeit in
Schäßburg werden in meinem Buch erzählt. Ich mußte eine Art Korrektur meiner
Erinnerungen vornehmen, was schmerzlich war. So werde ich versuchen, in ein
paar Sätzen darauf einzugehen.
Der
einzige Aufsatz, der diese Zeit und den Widerstand dagegen, den es ja
Gottseidank auch gegeben hat, objektiv und entsprechend abhandelt, ist
"Kirchen und kirchliches Leben" ... Es wird hier sogar klar, daß für
die Kirche die kurze Zeit 44-48 tatsächlich eine Befreiung - eine Befreiung von
der drückenden antichristlichen Naziherrschaft (1940-1944) war.
Eine
einzige Bemerkung hätte ich, auf der fünften Seite vom Schluß: das ruhmreiche
Ende der protestantischen Bildungsgeschichte fand 1941 statt und nicht 1948.
1941, als Bischof Glondys, der rechtmäßig gewählte Sachsenbischof sein Amt
niederlegte, um nicht von der NS-Clique einfach davongejagt zu werden. Und die
Schulen ab Nov. 41 (Schuldekret-Gesetz, veröffentlicht in: "Jahrbuch der
deutschen Volksgruppe in Rumänien 1942, S. 127-131) langsam
"angepaßt", am 1.7.42 dann von der Volksgruppe (außer
Nordsiebenbürgen natürlich) "übernommen" und gleichgeschaltet wurden.
In
den Aufsätzen über die Schule Schäßburgs fehlt dieses verheerende Ereignis. Die
Gleichschaltung des Schulwesens in Schäßburg wird im Text sogar als
hoffnungsvolles Ereignis bezeichnet. Der Autor, der die Bergschule zur
"Gesinnungsschule" erklärt, was das Gegenteil von freiem Geist und
Forschung ist, und auf keinen Fall stimmen kann, meine Studien zeigen mir das Gegenteil,
und auch während meiner Schulzeit an der Bergschule habe ich nichts von solch
einem Gesinnungszwang verspürt, außer bei einzelnen, negativen Lehrern, die
dazu nicht nur den Taktstock einsetzten; der Autor also soll ein einziges Zitat
aus der Bergschulgeschichte beibringen, wo er das nachweist! Jesuiten mögen
"Gesinnungsschulen" haben, doch nicht die Sachsen mit ihren alten
Gymnasien und unserer freien Bergschule, wo "Gesinnungsschule" erst
durch den braunen Zwang und dann durch den roten begründet und spürbar wurde.
Ich möchte das im Andenken an die vielen demokratischen und freien Lehrer und
des Forschungsgeistes der Bergschule nicht stehenlassen! Das ist eine Vokabel,
die unsere Schule schlechtmacht, ohne es zu wollen!
Doch
schlimmer: auf S. 22 wird die verheerende Gleichschaltung der Schule 1942 sogar
mit "Hoffnung auf materielle Sicherstellung" gelobt, und dann
gleichmütig vom "Ende der evangelischen deutschen Schule in
Siebenbürgen" gesprochen. Kein Wort darüber hinaus über diese
zerstörerischen braunen Jahre und den von Hitler verursachten furchtbaren
Krieg: Etwa Notabitur, etwa die Tatsache, daß sich ganze Klassen leerten und
geschlossen zur SS ziehen mußten, mit 17! Wenige sind wiedergekehrt. Auch
nichts von den neuen "Gesinnungslehrplänen" über die Degradierung der
Schule zu einer Schule der Leibeserziehung und Erziehung zum Kanonenfutter usw.
Aber auch über die Umschulung und die Erziehung der Lehrer zum "neuen
Geist" in der neugegründeten Organisation "Deutsche
Erzieherschaft" kein Wort. Man könnte aufschreien. Nichts über den Zwang
zur DJ usw. Nichts über die Unzufriedenheit der Eltern, schon wegen der
Trennung von der Kirche, die ein altes Bollwerk der Sachsen gewesen war, nichts
über die Verbote des Coetus usw. Ich habe mich mit dieser Zeit während der
Recherche zu meinem Roman "Vaterlandstage" befaßt, und ich kann
sagen: diese ideologische Behandlung eines schulgeschichtlichen Stoffes, der
vom Ende der sächsischen Schule und dessen Ursache sprechen müßte, durch
Verschweigen aber Ideologie betreibt, müßte korrigiert werden.
Der
etwas magere Aufsatz "Schäßburger Schulwesen" weiß auch kaum etwas
über die Jahre 1941-44, nichts über die Jahre von 1948 bis heute.
Auch
was die anderen Institutionen und Verbände betrifft, weiß nur der musterhafte
Text "Kirchen und kirchliches Leben" Bescheid - oder besser: will auch Bescheid wissen! Er spricht
vom Widerstand des Stadtpfarrers Dr. Wagner gegen die antichristlichen,
unchristlichen und lümmelhaften NS-Zwangs-Verbote etwa der Nachbarschaften oder
des Frauenvereins.
Als
wäre in der jahrhundertealten Sachsengeschichte so ein Verbot gar nicht der
Rede wert, übergehen auch andere Aufsätze diese Enormität!
In
"Vereine und Gesellschaften von Schäßburg" ... ist weder beim
"Frauenverein", der sicher auch vom NS-"Frauenwerk"
"übernommen" worden war, noch bei der "Lesegesellschaft"
oder dem "Sebastian-Hann-Verein", die dann wohl zur
"Kulturkammer" gehörten, die Rede vom wirklichen Geschehen in jenen
Jahren, allein beim "Jugendbund" heißt es, daß durch die Gründung der
DJ das Ende des JB gekommen war. Und was war mit dem "Musikverein"?
Und dem "Gewerbeverein"? Dem "Verein für Frauenbildung"?
Die Informationen über diese Vereine enden bei 1930. Und tauchen manchmal 1944
wieder auf. Was ist mit ihnen in der Zwischenzeit geschehen? Einzigartig klar
war alles beim "Leichenbestattungsverein", er wurde "niemals
unterbrochen". Ein Hohn.
Und
die Nachbarschaften, die sogar in der kommunistischen Zeit funktionieren durften?
Sie wurden in der NS-Zeit verboten, euphemistisch "aufgelöst". Ein
einziger Halbsatz auf S. 6 und ein (Gottseidank aufschlußreiches Zitat), keine
Einschätzung oder gar Kritik, und keine Charakterisierung, kein Vergleich mit
der Folgeorganisation! im überdimensionierten Aufsatz über die "Nachbarschaften
und das Wesen des Schäßburgers"... Wie funktionierte diese
NS-Nachbarschaft der "Zellen" in der sehr schweren Zeit 1941-1944?
Wieso dürfen wir darüber nichts erfahren? Und wie war das mit dem Richttag und anderen
traditionellen Festen, die sogar die Kommunisten gestatteten, die Nazis aber
nicht: sogar die Monate hießen ja nun "Hornung" usw. (1939 gab es das
letzte Skobationsfest! Warum wohl?) Eigentlich machten die Herren des Nationalsozialismus
all diesen schönen uralten Festen den Garaus. Ist das nicht der Rede wert?! Es
gab Widerstand, inneren zumindest, ich weiß es von meiner Mutter, meinem Vater,
anderen Schäßburgern, z.B. dem ehemaligen Redakteur Clemens Markus, die alle
dagegen waren, wie viele Sachsen, die aber den Mund nicht aufmachten, sich nur
Randbemerkungen im Familienkreis erlaubten.
Es
ist nur die halbe Wahrheit, wenn es im Aufsatz
("Ausblick") heißt: "Die Nachbarschaften haben Türkenzeit
und Kommunismus überdauert". Heißen muß es: "Türkenzeit, Nationalsozialismus
und Kommunismus überdauert"! Ich möchte darauf bestehen, daß die Wahrheit
gesagt wird!
Im
Aufsatz "Landwirtschaft und Landbau", den ich sonst sehr gut finde,
sehr gut geschrieben und mit vielen Informationen, fehlen ebenfalls die Jahre
1940-1944, der Anfang ist außerdem leider etwas tendenziös und sarkastisch
antirumänisch, und er setzt "rumänisch" auch noch mit dem Kriegs- und
Nachkriegsdesaster gleich: "Das Ende des Zweiten Weltkrieges bot die
Möglichkeit, das nationale Ziel der Rumänen fortzusetzen... die
landwirtschaftliche Frage wurde ... erfolgreich gelöst = Enteignung." Das
ist reine Behauptung, durch nichts belegt. .. Auch das Wort
"völkisch" sollte lieber nicht benützt werden, weil es im ganzen
deutschen Kulturraum diskreditiert ist, und nur noch in Anführungszeichen
benützt wird, weil es NS-Jargon ist.
Weiter
fehlen in diesem Aufsatz ebenfalls die entscheidenden Jahre 1940-1944. Von 39
springt der Text sofort zum Jahr 45. Es gab doch das "Landesamt", dem
war die Organisation "Deutsche Bauernschaft" unterstellt. Und
"lenkte" auch die 3 Haupt- und 500 Ortsgenossenschaften, dem
"Reich" und der Wehrmacht lieferte diese Organisation schon vom
1.7.41 bis 1.7.42 tierische und pflanzliche Erzeugnisse im Wert von
9.431.202,-RM; (Gesamtumsatz ca. 33 Millionen RM.-) etc. etc. Und dies im
Zeitraum von nur einem Jahr.
Nicht
richtig ist die Behauptung, daß "unser Exodus ab initio ein
national-rumänisches Anliegen war" - das ist nicht belegt (das Gegenteil
läßt sich belegen!), und tendenziös ist es auch und dies sollte und wollte doch
das Buch nicht sein. Soll es nicht eher
Vorurteile abbauen!? Wenn etwas wahr ist: Ceausescu hat die Rumäniendeutschen
für D-Mark "verkauft", nicht weil er uns loswerden, sondern weil er
und die Seinen das Geld haben wollten! Schlimm genug! Obwohl er doch tat, was
die Sachsen und Schwaben selbst wollten!
Unzulässig
ist auch, daß in der Zeittafel NEDR, DVR, ihre "Saalschlachten" etc.,
die NS-Organisationen, die Gleichschaltung der Schulen, die Abschaffung der Verbände,
der Kriegsbeginn, das Einziehen zur Waffen-SS usw. usf. fehlen. Auch der
"Umsturz" im August 44 und der Einmarsch der Russen im September
gehören in diese Zeittafel.
Der
Aufsatz "Die wirtschaftliche Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert",
den ich ansonsten gut finde, außer, daß der Handel, die Kaufleute zu kurz
kommen, und die haben durch grenzüberschreitende Kommunikation einiges zur
Entwicklung Schäßburgs beigetragen, einige Details hat mir mein Vater über AV.
Hausenblasz erzählt ... auch dieser Aufsatz also macht von der Regel keine
Ausnahme, das Ausklammern von 1933-44. Einzige Bemerkung S. 6 über die
"Erneuerungsbewegung".
Es
kann nicht übergangen werden, daß es damals ein "Amt für gewerbliche
Wirtschaft" gab, mit 13.890 eingeschriebenen Betrieben, die aus Schäßburg
gehörten ebenfalls dazu! Ebenso ist es ausgeschlossen, daß von den 720
ehrenamtlichen und 80 hauptamtlichen Amtswaltern keine Schäßburger dabei
gewesen waren! Ursprung der Organisation war: die Romanisierung zu verhindern.
Dann aber kam alles ins NS-Fahrwasser und in die Kriegswirtschaft. Ebenso die
Wirtschaftsgruppe "Banken und Versicherungen", daß es eine deutsche
Hauptbank gab mit Aktienkapital von ca. 2,6 Millionen DM. (All dies ist
nachzulesen im "Arbeitsbericht der NSDAP der DVR vom 1.7.41 bis 1.7.42, an
das AA D IX, 62-15 19/9.2, Inland II D -4/1.) Unmöglich, daß Schäßburgs Banken
nicht dazu gehörten. Auch daß die Schäßburger Arbeiter nicht zur
"Deutschen Arbeiterschaft" gehörten, ein Amt für die soziale Betreuung
der Arbeiter. Arbeitsvermittlung, Arbeitseinsatz etc. Etwa 1000 Lehrlinge
wurden nach Deutschland zur Ausbildung geschickt, 10 neue Berufsschulen
gegründet, 5 Lehrlingsheime eröffnet. Freilich: Endabsicht war die gesteigerte,
bessere Kriegsproduktion.
Diese
Daten müßten ins Schäßburgbuch hineingenommen werden. Ich habe mir die Mühe
gemacht, sie herauszusuchen, da die Zeit sehr drängt!
(Ein große Hilfe dabei war mir das Buch von
Johann Böhm, "Das Nationalsozialistische Deutschland und die Deutsche Volksgruppe
in Rumänien 1936-1944", Frankfurt, Bern, New-York 1985, eigentlich - außer
Wolfgang Mieges Buch die einzige wahrheitsgemäße Darstellung dieser Zeit. Es wird natürlich von der
"rechten Gesinnung" und der Landsmannschaft verfemt und
totgeschwiegen, auch nicht zitiert!!)
Ich
bin ganz und gar nicht damit einverstanden, daß im Schäßburg-Buch nur eine Art
Bestandsaufnahme durchgeführt werden soll. Obwohl ja auch diese Daten
"Bestandsaufnahmen" sind!! Jedes historisch orientierte Buch ist
neben exakter Information auch Volkserziehung und Selbsterziehung durch
vermitteltes exaktes Wissen, sonst ist es belanglos, beliebig und sogar unmoralisch,
die Wahrheit entstellend. Das wußten unsere Vorfahren sehr wohl. Die alte
Chronik: der "Siebenbürgische Würgengel" (1670) beginnt schon nach
wenigen Zeilen mit der Sentenz: HISTORIA EST VITAE NOSTRAE MAGISTRA; LUX
VERITATIS; TEMPORUM MINISTRA. Und unsere Traditon war immer volkserzieherisch
orientiert, sonst hätten die Siebenbürger Sachsen nicht 850 Jahre überlebt, die
Autoren haben den Leuten nie nach dem Munde geredet, sondern sie stellten an
sich hohe ethische und Wahrheitsanforderungen. Wieso sollen wir das nicht mehr
tun? Sollen wir die geschichtliche Wahrheit und unsere gsamte Tradition
nun von neuem verraten?
Sehr
schön, dicht und lehrreich finde ich den Text von Heinz Heltmann, der mir auch
bei meiner Schreibe inspirativ helfen wird, und so manches Bild im Gedächtnis
ausgelöst hat, steht doch im Mittelpunkt meiner Literatur dieser Schatz der
Erinnerung. Doch bin ich auch den andern Autoren dankbar für die vielen Informationen
und das Bild Schäßburgs, das nun ein viel genaueres und vertiefteres ist, als
vorher! Eben deshalb möchte ich auch meine dringende Bitte noch einmal
vortragen, die vorgeschlagenen Verbesserungen vorzunehmen. Und bitte auch, mir
den etwas polemischen Ton nachzusehen: Sowohl meine Liebe zur Stadt, als auch
mein Gerechtigkeitsgefühl haben diesen innern, nun nach außen getragenen
Aufstand beim Lesen verursacht.
2. April 94
Danke
für Deinen Brief und die neuen "Korrekturen" an meinem Aufsatz... Du
hast anscheinend die letzte Fassung vom
Verlag noch nicht erhalten. Ich schicke Dir diese - mit einigen kleinen Änderungen,
die Deinen/Euren Vorschlägen etwas entgegenkommen, zu. Es ist aber mein letztes
Angebot. Ich kann Zensur auch in diesem Fall nicht tolerieren, vor allem wenn
es um sachliche Dinge, nicht mehr nur um Meinungsverschiedenheiten geht,
sondern um ein von Euch ausgeübtes Diktat. 1. Zu Pomarius. Ich habe in meinem
ganzen Aufsatz andauernd ästhetische und andere Wertungen vorgenommen, sei es
bei Michael Albert, bei kleineren Geistern wie Regine Ziegler oder wenn es um
ganze Epochenwertungen geht. Literaturhistorie lebt von "Wertungen",
das geht nicht anders. Ich bestehe darauf, daß wenigstens in meinem Aufsatz die
kritische Meinung zur Nazizeit erhalten bleibt. Und ich hoffe, daß die in
meinen Ergänzungsvorschlägen beigebrachten Daten - sachlicher Art- in den
verschiedenen Aufsätzen mitaufgenommen werden, diese Zeit nicht einfach
"unter den Tisch gekehrt wird." Ich habe ausführlich in meinem Brief
dazu Stellung genommen, und erbitte auch eine präzise Antwort darauf! Es ist
nicht nur ein sachliches, sondern auch ein zutiefst moralisches Problem!!!
2.
Es geht nicht um Selbstdarstellung, wenn von der rumäniendeutschen
Gegenwartsliteratur die Rede ist, zu der schließlich auch die Schäßburger
Autoren gehören, die keiner "Heimatliteratur" angehören, sondern
kritisch und "links" sind. Ich finde es nicht gut, dem Buch sehr
abträglich, daß diese Unkenntnis, vielleicht heimliche Aversion und auch
Befangenheit in Punkto lebender Schäßburger und Siebenbürger Autoren, die
Sachlichkeit dieses Berichtes über Literatur gefährdet. Von einer heimlich
ideologischen Einstellung, die sich als Neutralität und Nichteinmischung in
Fragen des letzten halben Jahrhunderts tarnt, ein halbes Jahrhundert, das unser
Leben entscheidend verändert hat und immer noch bedingt, ganz zu schweigen.
Wollt Ihr denn ein total museales und unrichtiges Buch haben, das durch
Ausklammern die Unwahrheit sagt?
Es
täte mir von Herzen leid - auch für das Buch - wenn diese Kontroverse, die
einen sehr entscheidenden Punkt betrifft, sich nicht mit einem Entgegenkommen
beider Seiten und mit Gesprächen lösen ließe, wenn ich also am Schluß, nachdem
alles "ausgestanden" schien, meinen Essay nun doch zurückziehen müßte; er hat mich sehr viel
Arbeit gekostet, von den äußerst belastenden und höchst unangenehmen
Einmischungen Ewiggestriger und anderen Sekkaturen, ganz zu schweigen, doch
alles war eine Art Obolus und Hommage an mein geliebtes Schäßburg! Und auch ein
Versuch jetzt zu verhindern, daß die historische Wahrheit über die letzten
fünfzig Jahre verschwiegen wird,
wenigstens punktuell da ist. Es ist für mich ein ethisches Problem, da gibt es
kein "über den Schatten springen", mit meinem ganzen Werk bin ich für
diese Wahrheit und Analyse der Zeitgeschichte unserer Herkunftsgruppe
eingetreten, ich kann nun nicht so handeln, als gäbe es diese Wahrheit nicht mehr, ich kann nun nicht
plötzlich das Gegenteil tun und auch bei andern akzeptieren, daß sie es tun!
25. Dezember 1993. wieder
Kantzas. Gefilmt. Ich sei ein schlechter Regisseur. Sage, ja, kein
Schaupsieler, hasse eigentlich das "Auftretn" im Gegenstaz zu L. Kantzas
wieder die antiamerikanische Theorie ( aus der Jesuitenzeitscrift "30
Giorni". Daß die Mafia Besetzung Italiens durch Amis ersetzt hat.
Geheimdienste etc. Der arme Andreotti also nicht anders konnte, als da mit der Mafia mitzuspieln. Also eine
versteckte Besetzung nach dem verlorenen Krieg.
6.Dezember 93. Autoren auf dem rechten Weg - V. Demuth, P&K. 11/93. Strauß, Enmzensberger,
Walser. Ists auch hier ein Abwerfen von "Selbstunterdrückung", freier
Lauf dessen, was man wirklich denkt, will, erhofft? Will nicht mehr schuldig
sein. Usw. Sieh auch in dich tief hinein. Bist du nicht gespalte? Möchtest
gerne sentinmental werden, schreibst aber einen kritischen Schäßburg- Aufsatz.
Ein Pole (Zeit, 48, 93)
Januzs Tycner über "Warum jammern die Ossis so viel." Ähnlich erging
es mir ja auch nach der Übersiedlunbg. Grassierender Mangel an
Selbstbewußtsein, "nur ei sie Ostdeutsche sind". Dabei geht es ihnen
materielle doch vieo besser, und fühlen sich doch mies. Sicherheit, das Humane
fehlt. "In der DDR lent man mit und füreinander, nicht som wie heute -
anonym und aneinander vorbei. Damals entschieden nicht Ellenbogen und Geld
übner das Sein und Nichtsein d von Menschen." Saget ein Befragter. Ein
anderer "Der 9. November ar für mich ein trauertag". Ist es ein
"Langzeitgefangenen-Syndrom" oder wirklich ein Welt-Wechsel in die
Kälte. Ein Regisseur " Wir haben wirklich Probleme fder ;Menschen
behandelt."
Interessant: eine
Schulklassse im Berlner Deutschenb Historischen Museum" besucht nun als
Museum die DDR-Zeit. Weiß nicht mehr was "Kinderkombination"
Ganztagskindergarten mit Krippenabteilung), was "Jugendobjekt", was
ein "Held der Arbeit" waren etc. Diese Sprache ist ausgestorben wie
die eines ausgestorbenen Stammes. Eine ganze Kultur, eine ganze Geseölschaft
stirbt. Wie sollten sie da nicht trauern, es ist ja ihre.,
Ausgew.
18.9
Vorgestern von L. verletzt,
ich darf aus Sbg. und der Kindheit nichts erzähöen. Diese Abweisung. Dazuz
gehört auch, daß ie Gerd, den Neffen hinauswerfen wllte, ebenso diese Haltung
Mutter gegenüber. Weil sie in mir diesen Komplex anrühft, sie ausgecxshlossen
ist. Eifersucht? Das Haus in Michelsberg, das sie nicht will, gehört dazu.
Merke, daß ich nur Ich bin, wenn ich die Bezeihung zu ihr abschneide. Autonomie
gewinne.
Vorb. Gespräch.
1. Leben emotional und
gedanklich oberflächlich. Wenns an Tiefen rührt m Gespräch, ausgeliefert. Bin
leider kein Auß0enwelt- und mündlicher Mensch.
2. Mich gerne entschuldigen,
aber das ist nichts, nur ein tierischer Aufschrei wegen der Verletzungen.
3. Geht um Substanz, ein
Autor ohne Erinnerung und Kindhitsgedächtrnis ist eine Null. Bloch.
4. Die Diskussion ist alt.
Daß nur gelten soll, was unmittelbar praktisch und ichbar ist, Lebenstil daruf
eingerichtet. Jetzt sind wir so weit gekommen, daß du dir diese Aggressionen
wider meine Substanz erlauben darfst.
Im Rumänischen gibt es ein besonderes schönes Wort für
Schwäche. Slab de ingeri. Schwach an Engeln. Kein Engel, keine Substanz, kein
Gefühl, kein durchwachsenes starkes Leben. Wie dieser T.S., der ich bin. An der
Wand meines Bukarester Schreibtisches hatte ich eine Abschrift von Korinther
13: "Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete, und hätte der
Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle."
Und wie oft klingt diese Schelle, wenn ich leer bin und ich nur intellektuell oder asoziativ rede. Und
lebe.
Ich fand genau diese Stelle auf der Wartburg als Beispiel
aus Luthers Bibelübersetzung. Auf der Solitude wollte ich es T. zeigen. Und
noch ein wichtiges Wort, das meine Poetik genau wiedergibt: "Wir sehen
jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort; dann aber von Angesicht zu
Angesicht. Jetzt erkenne ichs stückweise; dann aber werde ich erkennen,
gleichwie ich erkannt bin. (13,12).
15. 9. 1993. Der Schacht in Andro di Corchia. Dazu
meine Schachtdeutungen, Loch etc. in VT/Struktur.
Im Zeichen dessen, was über
uns hinausgeht, ist der Kreis, die Wiederholung, ein Symbol, das sind wir, eine Vervielfältigung, die mit der
Aufsplitterung der Eins oder des Anfangs beginnt.
Jean Baudrillards "schweigende Mehrheiten oder Das
Ende des Sozialen", stand schon 1979 im Freibeuter: die
"Banalität" des Alltags, das Private als wichtigster vulgärer Wert
ist politisch heute besonders brisant geworden. Rache der Mehrheiten, ihr
Schweigen gegen die öffentliche Manipulation. Sie sperren sich so gegen das
Abstrakte. Das Bedeutungslose, aber auch das UN- Subjekt, das sich entzieht hat
Zukunft, eine Zukunft, die es nicht gibt. Die Un-Klasse des Kleinbürgers.
Enzensberger und Kluge versuchen dies aber nun ins Positive umzumünzen. Vor
allem Enzensberger. Norbert Bolz hat das in seinem Aufsatz
"Eigensinn" (Hörisch/ Winkels) analysiert. Jetzt nach 89 wichtig.
Durchaus zwei Kategorien des Widerstandes, die nicht vermischen: das
Wieder-Aufleben des Subjekts. (Mein Celan-Aufsatz). Und der Widerstand der
Ignoranz, die mächtiger ist. Eigensinn aber bei beiden. Es war die erste und
zweite Phase von 89/90. Aufstand und Zustand (Cola). Kluge: Gibt es einen in
der Geschichte bezuegten Sinn, der die Enteinng der Sinne wiefder gutmachen kann
Antwort: Der Eigensinn. Bei Enzensberger die "antiapokalyptischen Reiter
der Erosion "die da heißen Gelächter, Schlamperei, Zufall und
Entrpie". (PB 96). "Püree". Also genau der Anti-Templin. Bei
Kluge das Unorganiserbare, Ärgernis politischer Kontrolle, soziologische
Atopos, Energie der Normalität, des Gwusels und Chaos. Genau as, was ich in
meinem Voirtrag "Östlicher Reichtum und westliche Armut" analysiert
habe. Biher wars als Widerstand im Osten noch heroisch, und Alibu, jetzt ists
überall unheroisch und zum Teil katastrophal. Trägheitsgesetz als
"Schutztechnik Ignoranz", daher die Bemühung der Reklame den
Konsumenten dauernd herzustellen. Eiegensijnn als "dark continent der
Sozilogie" (Bolz) Zeichen, daß "kollektiev Enteignung der Sinne mißglückt
ist"? Steht "Halsstarrigkeit"tatschlich "nicht für
Befreiung, sondern - der Erlösung vom gesellschaftlichen Schrecken"?
Kluge: "Der Eigensinn ist das, wasd über das Grab hinaus hartnäckig
fortwirkt". (GE 766). Sancho Pansa,
nicht Don Quichotte.Exzentrischj zur Herrschaft, die Toten also? Wider die
"Isolation der Einzelsinne"(Bolz), Celans zerschnittenes Ohr. Und
Kälte. Hautnähe also, Detail. Becshreibung in der Literatur des Kleinsten
genau. Verbündung mit dem Verdräbgten gar? Kluge: Römer 3,28, Einführung von
"sola". Quer- und Neudenken nun das bisher Bekämpfte einbeziehen,
eine Art Gnade für den Einzelnen, der so gebeutelt wird, vor allem die deutsche
Verzweiflung? Heute aktuell nach dem Scheitern der Ideen und Utopien, des
Abstrakten als tyrranisches Maß, das zu Auschwitz führte? So Thomasn Manns
Luther als Elend der INNERN deutschen Spaltung u. Innerlichkeit neu lesen? Nach
89.
Da irdisches Paradies endgültig als Betrug dasteht,
bleibt der neue Odyssues, der in der alten Höhle dem Einäugigen sein
"NIEMAND" entgegenruft, jens befreiende Inkognito, das sich hier
nicht festlegt, wieder hinaus-weist.Und
dies erst, darin auch Kunst als
Zurückgeben des von der Theologie
Geborgten: Zweifel an der Verzweiflung und der Sinnlosigkeit. Nur von
hier aus dem Sumpf des Alltags wieder Paroli zu bieten. (Bis hin zum Chock des
Todes, des Un-Heimlichen, Geistergeschichten usw. Vgl.) Hier durchaus Luther wieder gut, "Herold einer
"zweiten, innern Geschichte", Antidoton wider Verdummung: "Erfahrungswissenschaft
vom Elend". Hat Deutsche bewahrt
"dem Phantasieesel Wirklichkeit anheimzufallen" (GE) "Luthers
Gewissen ist ein Ursprungsphänomen des gewappneten Eigensinns". Nannten
wir es "Spießerdenken"? Äußerst schwierig heute nämlich "das
Verdrängte" als Opfer, als Preis zu sehen, als Anpassung an die Not des
Einzelnen im Wahnsinn der Geschichte. "Inverse Theologie" bei Kluge.
Meine Bemühung ums Dokument, hat mir von vielen älteren
siebenbürgischen
23.10. 93 In den siebenbürgischen, nein,
transsylvanischen Dörfern, Siebenbürgen gibt es ja nicht mehr, sei diese fast
metaphysische Ruhe der Abgeschiedenheit, lese ich im BRief einer Kollegin: Für
einen westlichen Menschen, der Exotik und Kontrast liebt, etwas, das es
"bei uns nicht mehr gibt", mag das wohltuend sein; mich bedrückt
dieses sterbende Land. Und es wurde mir auch in Bukarest übel, als ich einen
Pferdewagen und alte (einmal gewohnte, dann vergessene) Zäune sah. Eine andere
Art von "Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit", nämlich Angriff
der übrigen Zeit auf die Gegenwart.
Ich lese in R. Wagners Buch über "Postsozialistische Zeiten" aus
"Völker ohne Signale" in der Anthologie "Das Land am
Nebentisch" (Reclam, 93). Sehr gute Analysen. Es bestätigt vieles aus
meinen Aufsätzen und aus dem Essayband "Wenn die Dinge aus dem Namen
fallen. Essays", Rowohlt 1991.
. Die Akzelleration. Das
Zwangsgleichgewicht der "guten alten" Zeit der langweiligen
Wartezeit. (Ende der Wartezeit) Die beruhigenden Lebenszwänge. Und daß die
Kommunisten nicht an allem Schuld sind, sondern es auch noch die Vielfalt des
Lebens gab. Daß wir alles dem "System" in die Schuhe schoben, das war
einfach, ja, äußerst entlastend, sogar Krankheit, ja, den Tod abschieben zu
können, als wären wir unsterblich, und nur diese unsäglichen Funktionäre und
der verhasste Staat waren für alles "Irdische" und Miese
verantwortlich. Aber dann, einmal im Paradies, im Westen freilich, da wird
alles wunderbar sein, wie vor dem Sündenfall. Wie bitter zu sehen, jetzt, daß
alles so ist, wie es ist. "So ist das Leben" nun. Die Lüge der
Kommunisten war ja leider nur eine transformierte Wahrheit, nicht die reine
Lüge, eben. Und die Leute hatten das sture Beharren auf einer "negierten Lüge"
zum Lebensprinzip erhoben, etwa, es sei z.B unmöglich, daß im Westen etwas
schlecht sein könnte, eben nur weil dies die Kommunisten behaupten. Unmöglich
war es so zu Huase im armen alten Osten sich auf Komplexiät sich einzustellen.
Kommunismus hat die Zeit zerstört.
Gut, Analyse des "POstsozialismu" CHAOS.
Und Erklärung für das nur kurzlebige Prozesieren mit dem
Komm. Verbrechen.
Recht reicht nicht aus.
Aber auch politische Prozesse nicht. Denn es geht um jene Art von
Verbrechen, die auch das Nazi-Unrecht so unfassbar macht. Und dann: es geht
auch um Millionen Leben. Wichtig ab 1961: die Verquickung, die Profiteure, die
Privilegienbhierrachie. Verführungen und Erpressungen - so daß alle Täter und Opfer wurden. So auch
R. Wagner. Bin ich in der Seuritate-Zeit schuldig geworden, ich glaube: Ja!
Schon weil ich bis 1969 "gebloeben " bin, nicht versuhct habe
wegzukommen, wie etwa Peter Grosz, der durch die Donau schwamm, gefaßt wurde,
die Flucht abbüßen mußte. Legal war es mir erst 68 möglich zum erstenmal die
Grenze in Richtung Westen zu überschreiten. Ich blieb 6 Monate und kehrte mit
Schuldgefühlen anderer Art zurück. Und hatte "Wahrnehmungs- Heimweh".
Dort herrschte , wie W. richtig definiert, das Chaos: die "Negative
Organisiationsform," und nur "offne Dissidenz" oder
"Ausreise" gaben die Möglichkeit sich dem allgemienen
"Mitmachenmüssen" zu entziehen.
Doch alle flüchten
heute vor der ethischen Debatte. Als h#tte es nur einige IM`s gegeben.
Ist dies die "dritte Schuld?"
So aus dem Unreflektiretne entstehen die Nostalgien.
Kurztschlüssig: Als sei die Rfeorm an allem Schuld, nicht das Tot. "Wieder
"Armut für alle" und Sicherjeit.
Jetzt Kluft zwischen "Weltzeit" unds
Lebenszeit" So Flucht in die Symbole: Lenein-Sturt, Namenbennnung, Fahne
mit dem Loch Kitsch, Fiktionen. Mythen
vopr allem.
(Unbedingt W.G. lesen und zitieren).
6./7.9. Die Gegenwart
konzentriert alles auf den Zwang eines Moments. Wo ist meine Lebensgeschichte,
hier: Fahrt nach Portovenere. Streit mit L. Nach einem Abendessen in der
Taverne dei Pirati am Meer. Läßt mich nicht mit einer Kroatin, die Bilder
verkauft, reden. Regelmäßig sich "zerfleischen", Leben - eine
wirkliche Ehegeschichte? Sie behauptet, sie habe schon "jemanden" zu
dem sie gehen könne. Und das ist dann meine schlaflose Nacht. Schreiben, Lesen
als Flucht?
Nachts eine Idee, hab sie aber vergessen.
Lese Ritter Hoffmann von Ortinau. Kitschig und gewaltsame
Verbindungen zu Berlin und zur Stasi. Wie solch Aktualisierungen auhcb den
besten Text verderben. Dies "gefundene Fressen" ist erst wahr und
literaturfähig als Hintergrundgecshichte, dann aber müssen wir erst wissen, was
uns tatsächlich damals gesxhehen ist, möglic h, wie in der Nazizeit nur als
eignes Wissen von der Schuld und den subtilsten Arten der Kollaboration. Kein
"Dissident" (da denke ich an die Chaostheorie und an
"dissipativ", an denti im Italienischen, an Muß i denn, muß i denn:
Mußident, sagten wir als Kinder), kein Dissi-Dent also soll behaupten, ert sei
völlig schuldlos. Aber eigentlich ist Ortinaus Geschichte auch eine
Geistergeschichte, das rettet diese verkrampfte Parodie ein weni.
Wichtiger DAS MAJORAT von Hoffmann: Nachtwandler
sprechen. Auch Verbrechen, wenn man ihnen ins Ohr flüstert.
5. Sept. Ich lese das Nachwoert zu
den "Schraubendrehungen": Auch Freuds Studien über Hysterie
(Erzieherinnen) Fall einer Patientin in einem Wiener Haus. Bringen Geister, wei
bei Macbeth moralische Welt in Unordnung? Ja, psychische Hygiene. Besessenheit.
Hierrachie der Geister, Tote nur unter unnormalen Umständen hier. Und diese
unnormalen Umstände sind heute gegeben.
Müller: weil Zeit unsere Erfahrung überschritten hat.
Wichtig auch E. Bronte
"Jane Eyre" (1847). Schauerroman einer Erzieherin. "Wuthering
Heights" Wiedergänger beenden ihr irdischee Levebn freiwillig oder
durchbunaufgeklärten Mord. Vgl. auch Thderapie des rztes "30 Jhre unter den Toten". Doch Austreibung
von Geistern kostet den Patienten oft das Leben. Der Exorzist?) Volksballade.
Stoff von Erzbischof von Cantherbury: zwei Waisenkinder auf einsamem Adelssitz,
denen Geister schlechtbeleumdeter Dienstboten nachstellen, versuchen, sie ins
dunkle Reich zu zoiehen. Schraubendrehungen
Wichtig wäre auch im transsylvanischen Milieu (wie
victorianisch ähnlich:
1. Kinder engelgleiche Wesen. Romantik seit Rousseau. Bis
zu Rilkes junge Tote. Und Wiedergeburtserinnerungen noch bei Kindern da. Dann
verlieren Kinder durch Berührung mit der sozuialen Welt ihre schöne Unschuld.
Es gilt sie abzuschirmen. Erzieherinnen. Bergschule: "das Schöne" von
da? Tabus. Das Sexuelle vor allem, das
nur im Bereich der Dienstboten. Und daraus dann die Hysterie, denn es geht bis
ins Erwachsenenalter.
2. Ein Chock aber ist die Fassade zu erkennen, Diskrepanz
zwischen Schein und Sein. (Bei Sachsen etwa). Schauder. Aufhebung der
Verdrängungen.
Hawthorne. Poe. Dickkens. L. Stevenson (Jekyll and Hyde).
Und Friederiuke ium Mittelpunkt mit dieser Hysterie und Angst. Mutters
Verdrtängungskünste. Wilde im "Dorian Gray."
Müßte auch Hauptperson: namenlos beichten lassen, alles
erzäjhöen lassen. Die heimlicheHauptperson ist der Erzähler.
2.Sept. 93
Handke, zehn Jahre jünger
als ich, jetzt fünfzig und zelebriert sich mit zwei Büchertn. L. sagte mir, Du
muß0t es Delf S. sagen, daß sie dein Buch zum 60. herausbringen. Ebenso den
Gedichtband.
Heute morgen
Umgebungsgefühl, in diesem Alter muß man sich darum bemühen, die Nähe als
Distanz oder "Einfühlung", das Vibrieren mit der Aura. Es scheint das
wichtigste zu sein. Benjamin hat sich sehr damit beschäftigt: in der Näghe eine
Ferne fühlen, Distanz durch Feinheit und scheu. Handke:" Als ich 36 Jahre
alt war, hatte ich die Erleuchtung der Langsamkeit." Kein bloßes
Story-Aufnehmen der Bücher, kein Überfliegen eben oder Überspriungen, dies ist
die Totalitäre Seele in mir, die keine Umwege möchte. ZEIT als Leben der Seele.
"Treffender Bedachtsamkeit" "Nie, nie schnell werden".
Abstände in der Zeit, Pausen, Zartheit, Zärtlichkeit, schon wie ich diese
Tastatur behandele, nicht blind, sondern immer ganz bei der "Sache"
sein, merkwürdig, dann ist auch im Detail alles im "Lot", also recht,
vielleicht sogar gerecht, allem "gerecht" werden, indem man sich hiungibt,
einen Teil von sich gibt. Und Kräfte strömen, nichts wird abgeblockt. Alles
wird, kommt auf einen zu. Nichts anderes sagt das "Honigwissen", mit
dem "Funken" in jedem Ding korrespondieren, wenn Pausen eingelegt werden,
läßt man sie kommen, die Dinge auf sich zukommen lassen, sie nicht dauernd
überfallen.
Wird so nicht Streß vermieden, alles zum Leben, zum
Augenblick der wahren Empfindung gebracht; Aufmerksamkeit ists auch, ein Gebet
der Seele. Das rein "willensmäßige" und "verstandesmäßige"
aufgelöst, und ein Strömen tritt ein, das auch wieder Lust als Kraftquelle
ermöglicht. Und so kann auch alles durchwachsen, die Trennungen werden
aufgelöst, der andere Plan wird spürbar, auch die Mitarbeit der Umgebung, nicht
gegen sie, sondern mit ihnen wird gelebt, es gibt plötzlich keine Banalität
mehr. Es ist wie der Unterschied zwischen einem Motorboot, das die Wellen
forciert, den Wind, und einem Segelboot, das mit Wind und Wellen arbeitet, ja,
erst durch sie überhaupt existiert und sogar fährt.
1.September. Schon ist es
September. Denke an Mutters Verdrängungskünste: Das Schöne. Alles was stört
"fort". Auch das "Unheimliche", in meinem Roman bemäkelte
sie die Geistergeschichten, Sex und Au.
Fiel mir wieder ein: Goma, der Freund. Dachte er sei
vergrämt, weil ich abgelehnt hatte, in "KOntinent" über ihn zu
schreiben. Dabei so I.SCH. hatte ich ihn nicht hier in C. haben wollen, der
Junge "störe". Inder. Infam, wenn ich das gesagt habe. Und mit I.S.
war die die Freundscghaft zerbrochen wegen eines nichtbeantwortetetn Briefes zu
VT. Doch die Post hat ihn mir nie zugestellt.
Zeitangst. Heute 4 Uhr aufgewcht. 6 Uhr aufgestanden. L.
murrte.
31.August. Gestern kam
L.s Mutter aus dem Krankenhaus, sprach
wie aus dem Grab am Telefon. Hatte einen Herzanfall, ist fast daran gestorben.
Und schreckliche Todesgefühle, Schmerzen. Hat Angst so sterben zu müssen, mit
diesen furchtbaren Zuständen. Der Vater fiel in der Nacht in der Küche hin,
konnte nicht mehr aufstehen und lag die ganze Nacht auf dem Steinboden.
Hilflos. L. ist nur noch mit diesen Todesgedanken ihrer Eltern beschäftigt.
Dieses freie Gefühl, etwas "geleistet" zu
haben, etwas schweres hinter sich zu haben, wie es etwa Mutter empfindet,
nachdem sie jetzt aus der Ulmer Klinik kam, wo sie den grauen Star operieren
ließ, hat Liselotte nicht mehr, es ist endgültig, es kann nur noch schlechter
werden.
Abends Stefano Baroni, der junge Fotograf. Hat vor allem
die Lyriker Caproni und Luzi mit Fotos wunderbar erfasst, das Innere scheint
durch. Der metaphysische Augenblick der Neugierde bei Caproni, der böse,
verkniffene bei Luzi. Diese Schwäche, Ohnmacht, die nur kompensiert wurde durch
Schreiben, der Egoist.
GIORGIO CAPRONI
Pronomina der Person
versprochen
SO wünsch ich mir die
Ich-Variante
zu jeder angeblich sichern
Nachricht
die der Beweis des Todes ist
heut mehr denn je
für uns gefährlich
obwohl es immer klarer wird
daß weder ES noch Nie beweisbar ist
Wie Er auch Ich
sollten wir nie wiederkehren
könnt ihr mit Sicherheit
wissen
daß Er hier überlebt:
Er war nie fort.
Und dieses lange Reisen
von meinem Anfang an, sagt
er:
"war nur ein Bleiben
dort
wo ich nie war."
30.August
Theo Bucks Kritik in
"Juni" an den reinen MarktBüchern und Bestsellerbn, anders siieht
Bevölkerung und Politiker nicht. Dabeii der komplizierte Zusammenhang der
Realkität heute und Steigerung, also Lebensqlität diies zu wissen, geht unter.
Gen dies "Aktualität des Subjekts, seiner "Selbstreferenz" - nur
ganz weniige. Dazu: -
Am 28. hatte G. Weber von
der Uni Münster angerufen. Ich solle an einer Vortragsfolge für sein
Hauptsemiinar mitwirken: PERSONALE IDENTITÄT UND EMIGRATION. Reflexionen eines
Betroffenen,
Nun lese ich seine Arbeiten.
Vor allem das Zenderschbuch. Und jetzt: IDENTITÄT, ETHNIZITÄT UND GESELLSCHAFT.
Ich bn fasziniert. Vor allem von den 3 Stufen der Identiitätsbildunbg in der
Geschichte. 1 Segmentierende Differenzierung. Schichten-Diff. und de Moderne:
Funktiionale Diiff. Da denke ich an Brechts: Alles ist iin diie Funktion
gerutsch. Oder Inhalt iin die Funktion geutscht. Und an Blochs Vorschlag das
Nicht-Mehr-Zusammenkommen der vieklne Teilsysteme, de enorme Zersplitterung
"zu heilen". Vorschlag: Person. Geist. Kant auch Synthese des
Manigfaltiigen.
Unschärfrelation: Subjekt
muß wieder einbezigen werden. Meine Ahnung, daß diese Abgründe des Sunkelts,
des SELBST so wichtiig werden, wird durch Soziologie bestätigt. Da es kene
Zentralinstanz nicht mehr giibt. Luhmann: "Funktion und Leistung"
sein niicht mehr durch einen "geamtgesellschaftliche Grundsymbolík der
Hierarchie" zusammenzuhalten, sondern durch eine "dritte
Systemreferenz": der zu sich selbst. Was es freilich genau heißt, daß
"neben funktionale und leistungsmäßige Sinnbestiimmung" eiine
"Art teilsystemspezifische REFLEXION "tritt, "mit der das
Teilsystem seine Identität bestiimmt und das Verhältnis zu Funktion und Leistug
reguliert", ist mir noch nicht klar, eher daß dieser Vorgang ziemlich
anstrengend und sehr zeiit-raubend "ohne zureichende
gesamtgesellschaftliche Sinnvorgaben und Kmnsenssicherungen", aber
"autonom" gecshieht. (Luhmann,
1980,S.29f.) Zitierbar dazu eine eigene Erfahrung be einer Baurnhochzeit aus VT
(S.25f), daß die Bauern alles fertig geliefert erhalten, wähernd wir in die
eigen "Selbstrefrenz" entlassen, alles, was in Jahrtausenden an
"Rahmen" zur Lebensorganiisation erarbeitet worden ist, iim
Augenbliick immer selbst erarbeiiten müssen.
Aber ist Leistung wirklch nur Beziiehung zwischen den Teilsystemen und
Funktione die Bezeuhung diieser zum Gesamtgesellschaftluiche? De ja bekanntlich
sozusagen fehlt, also wäre eher dies die Leistung? Ebnormer Zerfall also
"Dekompositiion" und OFFENHEIIT, vor allem ene verwirrende
Perspektivenmanigfaltigket. Jeder sieht anders, vielelicht sogar jedes Subjekt?
Und niichts mehr miteinander koordiniierbar, auch die Eiinzelnen ncht mehr?
Daher Katastrophe? Bekcs "Risikogesellschaft" Alles im Nirgendwo
sozusagen des Offenen, der Überacschung, des Unübersiichtlichen und der
Üerscahung? Also seit 89 noch mehr. Ziitat LM E. Erb. Kafka.
Wir aber alle "Mischexiistenzen" m
Ziwschenraum der Teilsysteme, also wirklich potentielle Zwischenschaftler, ohne
de Ziwschenschaft aber, auf der wir im Dazwischen hinschliittern begreifen, gar
definieren zu können?
Auen tatsächlich als unlösbare Ökologie und unlösbare
ethnische Konflkte äußert? Und innen? Steuerungsproblem versagen. Aber: so
Weizsäcker: es ist das Subklet, das betsimmt, und sich eben risikoarm verhält,
aus Amngst. IIm überacshenden Raum müßte es sich auch überraschend verhalten.
Avber wie? Der Entwurf, daran arbeiite ich seiit der Emgration. Liiteratur,
Kunst, Theologe wäre der Partner iin diiesem Bereich der Soziologiie.
Mischexistenz also, kein Teilsystem, also kein Außen
s"spendet" Identiität. Zutritt zu allen Funktionskreisen und
Systemen? Das wäre schön. Aber Utopie. Ausgecshlossen.
Was bleiit iist der Identtätszerfall, Unmöglichkeit von
Identität a prior schon. Sieh Gerhardt u. Literatur.
Und die sogenannte "universelle Inklusion"
(idealisiert als Freiheit und Gleichheit) ist sie nicht eigentlich Inklusion in "alles", aber ohne
"vorreguliert" zu sein, sondern Exklusion, ist eine Art Wahnsinn, zu
allem und nichts zugehörig zu sein. Wie Schlesak anhand der Soziologie und
eigener Erfahrungen mit Beispielen erzählend vor Augen führt. Wie wichtig das
Subjekt und seine Erfahrung geworden ist, zeigt nicht nur der Aufstand von
millionfacher angestauter Innerlichkeit als Widerstand in Millionen im Osten
1989 (auch hier kommen Zeiitzeugen zu Wort, und Erfahrungen bei Heimreisen),
sondern auch für den Westen zeigt sich, so die moderne Soziologie heute, daß
sogar "innergesellschaftlche
Teilsysteme nicht mehr parallel zu persönlichen Lebenslagen verlaufen",
wie Ulrich Beck in seiner "Risikogesellschaft" formuliert, und für
welchen Zustand Schlesak Chock-Beispiele aus einer Welt-Wechsel- Biographie
bringt, die immer narrativ sind oder anekdotisch oder introspektiv. Was nun?
Wie verlaufen diese zersplitterten Perspektiven, die sich oft nicht berühren,
sondern absurd ausschließen und verwirren im geseklschaftlichen Leben:
"Teilsysteme" eben. Aber, so Beck: "Alles, was in systemtheoretischer
Perspektive getrennt erscheint, wird zum integralen Bestandteil der
Indvidualbiographie: Familie und Erwerbsarbeit, Ausbildung und Beschäftiigung,
Verwaltung, Verkehrswesen, Konsum, Medizin, Pädagogik usw. Teilsystemgrenzen
gelten für Teilsystem, aber nicht für Menschen in institutionsabhängigen
Individuallagen(...) Die Teilsystemgrenzen gehen durch Indiviiduallagen hindurch.
(Beck 1986, S. 218). Also wäre wieder ein Universalmensch wie in der Renassance
nötig? Das ist kaum mögliich bei der Zersplitterung. Doch das Selbst, das
Subjekt allein kann in einer "Selbstreferenz", wie die Soziologiie es
nennt: in einer anstrengenden Seelenarbeit "bündeln". Die Aufgabe des Schriftstellers also von neuer
Bedeutung? Das Subjekt wieder das
wichtigste, die Person, der Einzelne, die Ich-Identität ist
"selbstreferentielle" Eigenleistung. "Synthesen im Einzelnen"
( N.Luhmann.)
Durch Systemwechsel und Kulturschock, heute ja massenhaft
durch die Wiedervereinigung, wird dies besonders klar. Das Ich ist auf sich
selbst zurückgeworfen, steht nackt allein. Und muß wieder "Ressourcen
mobilisieren, um auf die Frage zu antworten: WER BIN ICH?. " Erstaunliche
Umkehr durch äußere Komplexität. Schlesak als "Emigrant in Pension",
wie er sich nach 89 nennet, hat dies als schmerzhaften Prozess erlebt. Jetzt
nach 89 bricht alles wieder auf, auch in seinem Tagebuch.
Bei Habermas der Wandel vpom "konventiioneller
Rollenidentität" zur "postkonventiioneller Ich-Identität." Daher
auch de Reberein in der Ehe, weil sich nackt Iche gegenüberstehen, ohne Wand
und Schutz. Musch: Krieg geht durch sei durch. Heute. Diies enorme Leistung.
Daher Lteratur heute das wiichtiigste. THeologe? Und
Hoffnung auf siie. Sogar Lyrik: deren Gattungsbegriff vomn Selbst ausgeht.
" Selbstreferenzielle Aneignung der eigenen Person durch Reflexion und
Interaktion" -der Roman. Oder diie Erzählung. Das nrratiive Elemnt wird ja
betont.
Was ist das
"transzendentale Subjekt" seit 1789 und Kant. Selbstbestimmung und Autonome? Nie das
Vorfindbare, also Gewsenee, sondern das offfene JETZT. Wobe, Luhmann riichtig
sagt: Indiividualiität über "Exklusion", niicht mehr über
"Inklusion" bestimmt. EXIL also wäre das Extreme des Vakuums, ums ich
selbstfiinden zu müssen, ohne Stütze und äußere Hilfe.
Ja, die Abwesenheiit als Schmerz, um das, was man seiin
könnte, aber niicht ist, "daß man nicht das ist, was man iist"
(Luhmann) zu erkennen, denn ohne diiese totale Loslösung vom Gewohnten, das
blind macht, gäbe es den Sog niicht, daher auch diie Chance jenr, de den
sozialen Boden unter den Füße veroren haben, wirtlich in die historiische
Gegnwart zu kommen, in der die mesten (im Westen) nicht leben oder mnicht leben
wollen, sondern sich falsche dentifikationsangebote kaufen oder träge
konsumieren (Frnsehen etc.) Exil aber iist Erkenntnisanlaß und ihr Vakkum
erzeugt den Wirbel, den Sog. Luhmann abwanfdelnd ... "ohne ein solches
Defiziit bestünde überhaupt keiin Anlaß, die eigenen IIdentität zu
reflektieren, so wie auch umgekehrt de Reflexion das Defiizt als Dfferenz
zwischen dem, was man ist, und dem was man nicht iist, produziert.
bndividuaklität ist Unzufriedenheit. (Lhmann 1989a, 243).
Und diiese charaktersiiert auch einen Autor, der sich in
der Moderne auch nur negativ bestimmt, was ziiemliich zehernd iist. Als ewiger
Emigrant undimmer unzuhaus. Er ist also voarus modern , postmodern. Vgl. auch
"Tod iist nicht beii Trost" "Aufstandes der Substanz iin der
Person." Und denbare Rückkoplung der Transzendenz zur Physiik.
Ägyptien schreibt mir,
schickt "Juni". Empfiehlkt mir Kuno Raeber (+(. Und durchaus in menem Sinn, daß Revolutionen
"Kategorie des Plötzlchen im Raum der ungeschützen Sekunde iist die neu
Utopie des Offenen." E.Ö hat Rehct: IIm Historischen wie 89 nur blendens
Aufbliitzen, dann wiieder Dickhaut. Panzer. Diichter allein halten
"flüchtiig Offeen aufgespannt" und so ewgiie Wunde. Ausbrüche also
immer "selbe Ergebnis" nur der Chock zählt. Dazu Benjamin.
"Proklamiierte Paradiies zur prakrischen Hölle" Benjamin
"Notbremsen" und 89 auf Turmuhr-Schießen. Doch "Hoffnung iist
ein Wort für Feiglinge" (TRoerinnen) Euripide. Gut " Gerade diie
Aufgabe der Dichtung, das unabwendbare Gehaltensien ins Unglück als Skandalon
zu artikulieren, seiil - wei Sljoderdijk- as vergebliche Sich-nbereiit-Halten
fpür Glück vor der ärgsten Verrohung bewahren kann." Genau diies;
Utopielosigkeit schafft Mörder im Kleinen, Utopie im Großen.
Geht auf meinen Vater ein (in Fassungslos, Flugasche von
mirvzitiert), daß jedes Leben eiinen Plan hat, den wir nicht kennen?
Auschlüsseln? Dazu Kaiserliche Botschaft im LM 31 von miir zitiert.
Meine verfehlte Barockinterpretaion iist miir klar seit
ich Benjamins Alllegoriie-Therie kenne. Im Celanaufsatz zitiiert. Dazu meiine
Deutung der Sixtimna-Decke: Verschränkung. Konstellation. Urext aber nicht
erkennbar, nur eiine bersetzung (wei Eich). Was ist Aura? Eben dies: unfssbare
snnlich wahrnehmbar. Kiindheit z.B. "Zeit in einer Mauer" die deshalb
schwiingt. In jedem Ding eine Art Gedächtnis. Brahma? Funke? "Honigwissen"
Dies die Nähe einer Ferne (Benjamiin)? "Jede Ferne macht dich
schwieriig" (Goethe). "Scjattenregion" wie ich genannt habe.
Verborgene. Das sich offenbarende Verborgene, das sich wieder verbirgt:
Heidegger?
29. August. Auch Buch von
Böhm, klar geschrieben, gut dokumenitiert, zeigt miir wie wertlos viele meiner
ad hoc verfassten theoret. Texte sind. Objektiver werden.
Gestren in Brochs "Die Idee ist
ewig" (dtv) gelesen. Ersaunlich nah mir. Im Briief an Elisabeth Langgässer
über den "Autor, der sich bishr für einen "bedeutenden Menschen"
hielt, sich diesesn durch "Erfolg unaufhörlich bestätigen " mußte,
das ganze sei "Eitelkeit", grob des Efolgs oder subtiler eds
Gelingens. Sogar Th, Mann hat das Dichterfürstliche modernisiert zum
"kranken Künstler". Schlechte Gewissen des Dichtens. Langgässer aber
sei anders. "Sie dichten aus Verzweiflung"m, Grundproblem
"Ketzer", "also des zwar teufelsbesessenen Gottesszweiflers und
doch dabei gottbesessenen Gottsuchers." "Suche nach dem unbekannten
Auftraggebers". "Schwelle, die man selber ist", sage sie. Gegen
die äußere Versuchung.
Dazu gehöre das P"Problem der Simultaneität"
Verbindung mit "drüben". Und daß es eine innere Simltaneität gebe:
Zeit und "drüben" evben zusammengehören, kaum durch eine Grenze
getrennt. Musik hebt Zeit auf. Lyrik eine einzige Sekunde. Roman ein Tag.
Joyce. Unmöglichkeit des Meta-Romans. Und sahs am Verghil.
Und für ihn sei das ärgste Problem - sein Alter, d.h. die
limitierte Zeit. Zeitmangel also. Und diie "metapyhysische Angst des Nicht-Fertig-Werdens"
. - obwohl er 16-17 Stunden am Tag arbeite. (Ich nur 10 und L. ist schon
wütend.)
28. August. In Marons
"Nach Maßgabe meiner Begreifungskraft" gelesen. Kleists
Männlichkleitswahn, und Unfähigkeit zur Liebe kompensiert in heroischem Ruhm-Versuch,
Ehgeiz: Arbeit, Unsterblichkeit also. Bis zum Tod. Das kritisiert die Frau MM.
Der gesunde Menschenverstand. Ist nicht dieses, Kleist auch als Vorbild, was
ich bekämpfe, tatsächlich Unsterblichkeit als wichtigste Kategorie, nicht Ruhm
allerdings. Geist wider "Leben", das Ordinäre. Zugleich aber sehr
eiunseitig so, undemokratisch, vielleicht "unmensclich",
"ver--rückt" eben. Alsi kryptofaschistisch auch?
Meine Kleist-Novelle will zeigen, wie auch er, erledigt
wurde von der "Familie", dem Banalen, der Engstirnigkeit, die Erfolg
auf gesellschaftlicher Ebene, nicht auf geistiger forderte.
27. August 93
(Brief an Ingrid Bachér und
Ulrich Erben, den Maler).
Liebe Ingrid,
bei unserer Rückkehr von
unserr Segeltour fand ich Deinen Brief hier vor; es ist nun wieder eine
Ewigkeit her; so schnell geht das. Bei der schönen Beschreibung Eures Fluges,
dachte ich an unser Delphin-Erlebnis bei der Segelfahrt zwischen Elba und
Korsika, etwa zwanzig Delphine spielten mit unserem Boot und drei-vier
begleiteten es, d.h. schienen es wie mythische Tiere zu ziehen.
Ich konnte sie unter der nur
noch ganz dünnen transparenten Wasserwand fast berühren, und begann mit ihnen
zu reden, wie ich mit meinen Haustieren rede, da legten sich zwei voller
Vertrauen auf den Rücken, "aalten" sich, ähnlich wie meine Katze,
zeigten ihren weißen Bauch. Die freien Tiere, auch die im Wald, sind uns
geheimnisvoll entzogen, ferne, ihr Auftauchen ist wie eine Art kleine Epiphania,
das ganz Ferne, ANDERE, zu dem wir gehören und auch nicht mehr gehören, ist
plötzlich nah, und wie in der
Kindheit, wenn man glücklich ist, frei, wie bei einem Wunder, meint
fliegen zu können, geht der Atem schneller.
Du sprichst vom "Nichts", das es möglicherweise
gar nicht gebe; und denkst dabei sicher auch an die Häufigkeit, mit der diese
"Chiffre" in meinen Gedichten vorkommt. Es hat für mich durchaus auch
mit dem eben geschilderten erregenden "Chock" zu tun, und dem
auftauchenden negativen Gefühl dieser enormen Distanz, die so fühlbar wird.
"Nichts" ist für mich so eine Metapher der Unsagbarkeit, ein Topos
negativer Kontur. Wie man ja z.B. einen Berg auch als Trennung,
Zwischenraumbegrenzung z. B. des "Ausschnittes" also des Tales sehen
kann, oder die Speichen eines Rades genau so, es kommt darauf an eben, den eingewohnten Blick "umzudrehn."
Also auch das Abwesende zu sehen, vor allem vielleicht dieses. Es ist freilich
eine Gefühlszerstörung des Vertrauten oder eher des kleinen Gewohnheitsgefühls,
um zum Un- heimlichen zu kommen, zum
"tremendum" Rudolf Ottos oder Scholems, wobei ich letzteren vorziehe
und auch viel von ihm und der Kabbala gelernt habe. Und seit kurzem auch von
Virilios "Rasendem Stillstand". Aber 15 Jahre Yoga übend, habe ich gelernt, den Film der Wahrnehmung "aufzuheben", den
Schleier der Maya zu durchdringen, was freilich schwer gelingt, vor allem wenn
quälende Gedanken oder Sorgen da sind, das "Abschalten"
Schwerstarbeit ist. Hilfreich für mich ist, weil ich immer zuerst mich selbst
überzeugen muß, auch Theorie: daß die durch Atomphyik längst bestätigte
Vorstellung der uns entzogenen Lichtwelt, und daß Sprache und Sinne den Tiefenvorgang,
das Enigma der Nachrichtenvorgänge des Lichts nur im absurden Selbstwiderspruch
fassen können.
Ich könnte jetzt darin immer weiter denken und Dir schreiben,
bis hin zu meinen Geistergeschichten, an denen ich jetzt arbeite, um jenen
"Chock" und das Abwesende und Absurde, Un-Heimliche erlebbar werden
zu lassen, schönes "Material" dazu gibt es hier in den alten
luccheser Villen, samt den dazu gehörigen dramatischen Liebesgeschichten, doch
ich höre jetzt damit auf, und kopiere Dir hier zum "Nichts" etwas aus
meinem Essay über Celan (für "Sinn und Form"), der in sehr vielem,
nicht nur stilistisch mein Vorbild ist, sondern die Zwiespältigkeit auch meiner
Herkunft mir immer wieder vor Augen führt, wenn nicht "aufreißt" mit
allen Wunden, und so dann direkt zu meiner jetzigen Existenz hier und zu deren
Ursachen heute führt.
Titel und Anfang des Essays: "DIE NACHZUSTOTTERNDE
WELT, BEI DER ICH ZU GAST GEWESEN SEIN WERDE
Paul Celans "Wahn-Sinn" - Leid und Erkenntnis
eines millenaren Zeitbruches
(Sinn und Form 3/93)
1
Das Blochsche Noch-Nicht, das
Noch-Nicht-Nachvollziehbare, das aber DA ist, braucht Zeit; wir sind meist
unfähig, es wirklich zu erleben, an
bisherige Erfahrungen zu binden, fähig nur "punktuell" es aufblitzend
erstaunt wahrzunehmen; es "geschieht"
im Schlag von Lebensaugenblicken, eher von Todesaugenblicken, auch im Tod von
"Zeit"; und vielleicht geschah es aufblitzend auch 1989. Diese Art
blitzartiges Erleben, wie es auch Walter Benjamn in der Kategorie des
"Chocks" beschrieben hat, finden wir bei Paul Celan. Was im Alltag
noch nicht erfahrbar ist, vorwegzunehmen und so etwas Unmögliches
sprachhandelnd zu TUN. Solch eine Art Dichtung wartet darauf, daß sie von der
Geschichte eingeholt wird.
Das Kreative geht voraus: es ist eine Art Teleskop,
Fernrohr, Elektronenmikroskop für Orte der ZEIT, in Zeit-Räumen zu sein, die
genau wie bei jenen Geräten, entdeckte Wirklichkeiten zeigen, die mit freiem Auge
oder Nicht-Sprachlichem Erleben gar nicht da und nachvollziehbar sind, ja
absurd erscheinen, wie etwa die Titelzeile, die ich für meinen Essay gewählt
habe: "Die nachzustotternde Welt,/ bei der ich zu Gast/ gewesen sein
werde, ein Name". Dieser Name aber ist kein Begriff, es ist der Ort des Subjekts, wo mehr
geschieht, als begriffliche Sprache auszudrücken vermag. Für Celan ist er
erfahrbar im ungedeuteten Augenblick, im Offenen, im Bereitsein, im "Gebet
der Aufmerksamkeit".
Und dann die entscheidende Stelle über das
"Nichts":
"Das Absurde, das
Unfaßbare allein spiegelt in unseren Mitteln etwas von jener Wahrheit: jene "nachzustotternde
Welt," die zu unserer gehört. Die Vergangenheit vergeht nicht, sie war nie
vergangen. Ist so nicht Leben und Schreiben
sind ethisch möglich nur noch von diesem Punkt aus, jener WUNDE aus, die
zugleich jenseits unserer Vorstellung ist? Alles konvergiert in diesem
Fünfzeilengedicht von der
"nachzustotternden Welt", das vernichtend Historische wird mit
dem Rückblick auf die Gegenwart im
Metasprachlichen aufgehoben. Die
Haupt-Zeile, wo der Kopf "NAME" heißt, sich selbst benennt, lautet:
" ... ich zu Gast/gewesen sein werde, ein
Name". Es ist der HEBRÄISCHE, also der unaussprechbare,
unvorstellbare Gottes-Name, hinter dem das lyrische Ich eben-bildlich und
verschwindend auftaucht, als
"Gast", Fremder und
schonungslos Nicht-Beheimateter: Nichts zählt, eben deshalb im Namen bleibt, der freilich
unbekannt ist, im Hebräischen gar nicht
ausgesprochen werden darf. Dem Unvorstellbaren also durchaus entspricht. Deutsch und Hebräisch, das
Jüdische und das Deutsche stehn sich hier in diesem Gedicht also untrennbar und
gleichzeitig unüberbrückbar auch sprachlich gegenüber, abgegrenzt und zugleich
vermittelnd, wie Leben und Tod nicht vermittelt werden können und doch
zusammengehören - mit der Zeit. Dem "Namen" steht ja die Zeit,
deutsch auch ausgedrückt im Prozeß und absurd gegenüber als: "gewesen sein
werde", diese selten gebrauchte "vollendete Zukunft", die auch
wie eine völlig vergangene Vergangenheit klingt, abgeschüttelt also jede Zeit,
als wäre, wie Hegel formulierte, "Gott der Tod", im Hebräischen ist
er das "Nichts", im Sinne der Abwesenheit von Welt, der conditio sine
qua non von Anwesenheit des Gottes-Namens, auch NICHTS genannt. Und zugleich
führen diese Abgründe zu keiner Hoffnungslosigkeit, obwohl sie radikal, wie das
Geschehen selbst sind: eine Vernichtung: die völlige Umkehrung dessen, was in
der stupiden Gewohnheit als Existenz gemeint wird, nämlich "Leben" in
jenen starren "gewesenen" nur sichtbaren Formen, die zu dieser Hölle
geführt haben, unbedacht, nicht hinterfragt - bis heute! Und heute ist es
besonders akut neu das Alte, das falsche Alte, sogar der falsche Alte als
Anpassungsbeispiel. Obwohl jenes "Stottern," manchmal ein
"Lallen" und "Brabbeln"
- und dann auch das Verlangen schon bei Hölderlin nach einer "vaterländischen
Umkehr" als Umkehr "aller Vorstellungen und Formen," längst akut
war und ist.
Celans Gedicht an Hölderlin heißt "Tübingen, Jänner",
und die Schlußzeilen lauten: "Käme,/ käme ein Mensch, käme ein Mensch zur
Welt, heute, mit/ dem Lichtbart der/ Patriarchen: er dürfte,/ spräch er von
dieser/ Zeit, er/ dürfte/ nur lallen und lallen,/ immer-, immer-/ zuzu..."
(GW I, 226).
Hier ist im Lallen
das "Nachzustotternde", der
Dichter, der sich jener Wunde nähert, der Zeit nähert, und steht für die
Toten als Zeuge. "Ich verliere dich an dich, das/ ist mein Schneetrost,//
sag,daß Jerusalem ist// sags, als wäre ich dieses/ dein Weiß,/ als wärst du
meins,// als könnten wir ohne uns wir sein..." (GW III,109). Der Dichter will
"unerkannt" bleiben. Und steht fürs "DU", für ein mysteriöses
Du, einen abwesenden Partner, wie wir
sehen werden. Das nur Gedachte, gar Aus- Gedachte, die fertige, schnellfertige
Sprache, gar die All- tagssprache ist ungeeignet etwas davon zu begreifen.
("IN DIE RILLEN/ der Himmelsmünze im Türspalt,/preßt du das Wort,/ dem ich
entrolle..."(GW II,13). Es gibt ein
unsichtbares Netz von Verweisen im celanschen Gedichtkosmos: die kosmischen Gedächtnisrillen
und der Psalm kommen hoffnungsvoll auch
im Zyklus "Engführung"
vor: "... in der jüngsten Verwerfung,/ überm/ Kugelfang an/ der verschütteten
Mauer://sichtbar aufs,/ neue: die Rillen, die// Chöre, damals, die/ Psalmen.
Ho, ho -/ sianna./... Nichts,/ nichts ist verloren."(GW I,203) Die
"verschütteten Mauern" hier
erinnern an die Mauern der "nachzustotternden Welt" im
eingangs zitierten Fünfzeilengedicht, daß uns zu Posthumen macht, Welt, wo
wir alle einmal gewesen sein werden, ein
so selbstverständlicher Satz, der doch
ver-rückt klingt und uns alle zu werdenden Toten macht: das Undenkbare ist
real, jetzt schon, aber weil die Grenze heute ganz anders offen ist, als
gemeint und gedacht, ist die Zeit gegenüber diesem Satz sehr entgegenkommend.
Schon 1945 geschieht etwas Unglaubliches - das hätte geschehen können, nicht!
Die Katastrophe, die Apokalypse hätte durchaus im alten Heils-Sinn zur eigentlichen Rettung, Besinnung und
Umkehr werden können. Es geschah die Wiederkehr des Alten, wie auch jetzt wieder.
Die begriffliche Sprache wie der Alltag sind das Immergleiche in verschiedener
Kostümierung, sie helfen nur zu vergessen, sich zu sichern. Und wissend ist Sprache
für Celan nur ( etwa im Gedicht "Von Ungeträumtem", GW II,12) in
lauter quälenden hellwachen
Schlaflosigkeiten, dann ist sie in einem "Brotland", wirft einen Lebensberg auf, "aus seiner Krume
knetest du neu unsere Namen"- und dies verweist auf das große Gedicht
"Psalm" vom Nichts, ein Antipsalms von der paradoxesten Auferstehung,
U-Topie, Hoffnung aus tiefster Hoffnungslosigkeit? (Im Sinne von Hölderlins
"Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch"?) Die Opfer als Zeugen:
"Niemand knetet uns wieder aus Erde und Lehm.../Niemand."
"Gelobt seist du, Niemand./ Dir zulieb wollen/ wir blühn./ Dir/
entgegen.../ die Nichts-, die/ Niemandsrose." (GW I,225).
Die Laudatio zum Büchnerpreis beendete Marie Luise
Kaschnitz mit dem Celan-Vers: "Wir waren tot und konnten atmen". Atem, das ist der Hauch, der besetzt wird
vom Verlogenen, Bebilderten. Wahrheit ist erst da, wo es einem Atem und Sprache
verschlägt,denn die Rede ist ein "Zuviel", und nur "das nicht
mehr zu Nennende, heiß/ hörbar im Munde", wenn der Atem stockt, wie im
Rosa-Luxemburg-Gedicht, Gedicht auf ihren Tod: "Nichts" -
großgeschrieben : "stockt" dabei, das Ereignis bricht in die alltägliche Lebenslüge eines vernebelten
Bewußtseins ein.
5
Celans Sprachbehandlung kehrt das Gewohnte wider den
Strich, mit der Erfahrung eines eigentlich schon Toten, eines Überlebenden,
angeschärft noch durch das Ausgesetztsein im Exil und der Verfolgungsangst des
Juden. Das ist dem "normalen" Leser fremd und wirkt ver-rückt, auch die bewußt zerstörte Lesererwartung
geht bis zur Blasphemie.
Nach Otto Pöggeler ist das wichtigste Wort, das fehlende Wort bei Celan,
das "nachzustotternde"; des Schweigenden Wort auch im Martin
Heidegger gewidmeten Gedicht "Todtnauberg", wo Celan ein wenig naiv
erwartet, daß dies schweigende Wort dem
Philosophen mitten im Herzen erwachen soll. Ja, daß er das erlösende
Wort sprechen wird, in aller Vielschichtigkeit: vom Schuldbekenntnis bis zur
"Rettung". "Todtnauberg" ist die Frucht eines Besuches bei
Heidegger, wo der im Heimatlichen bruchlos Denkende und Lebende, so, als wäre
nichts geschehen, den im Bodenlosen lebenden Emigranten, den von allen Epochentraumen
Verletzten, verstörte und
herausforderte, ihn enttäuschte: "Krudes" um ihn, nur
Außenwelt. Celan aber suchte ein anderes DU, das (im Folgegedicht nach
"Todtnauberg") so sprechen konnte: "nimmt den Einen/ Pulsschlag mit,// verbirg dich darin,/
draußen." (GW II,257): WIE DU dich ausstirbst in mir:" (GW II,261).
"Du,"die Ansprache, die Aussprache, die Celans
Werk durchzieht, die fehlte dem
Emigranten nicht nur in Paris. - Wer ist dieses DU? Was ist des "Einen/
Pulsschlag".( "Einen" großgeschrieben!). Celan hat sein Leben
lang nach diesem Du und diesem "Einen" gesucht, es ist eher das
Unfassbare des größten Zusammenhanges, als eine Person oder ein Name. Auch zu
seiner Poetik gehört dieses DU, das im Blitz und Glücksgefühl eines Zueinander-
Findens DA wäre, der Angesprochene, die Richtung des Gedichts, die nah,
zugleich in größter Distanz ist, sieht in einem scheinbar Abwesenden, einem
Niemand, den Leser, Adressaten und Partner. (Manche meinen, auch Celans tote
Mutter sei damit gemeint). Ein ganzer Band ist nach diesem Niemand benannt:
"Die Niemandsrose", Rose im Sinn der mystischen Rose, Niemand auch im
Sinne von Nichts, Abwesenheit, die in der jüdischen Kabbala etwa die
Anwesenheit Gottes ist. Und Celan hat die Kabbala über die Schriften Gersholm
Scholems gut gekannt. Es ist die Rede vom Andern, ja, "Ganz Andern,"
und darin sieht Celan im "Meridian", der Büchnerpreisrede,
"Richtung und Schicksal",
etwas "aus einer Ferne oder Fremde" kommend. Im
"Meridian" ist der Zeuge dafür Lucile aus Büchners "Dantons
Tod", die "Es lebe der König" ruft unter dem Schafott der
Revolutionäre, und "den Draht zerreißt" unter Lebensgefahr, sie richtet sich dadurch
vorgreifend selbst hin, wird so Zeuge für die "Majestät des
Absurden." Wie der Zustand in einer Geistergeschichte, die etwas wirklich
macht, was unglaublich,
undenkbar, eben absurd ist: jenes "Fremde", "Andere"
"Unheimliche".Und es würde einem dabei vor Angst die Sprache
verschlagen. Ahnung, Furcht und Zittern, eine Art mysterium tremendum. -
Ja,Paul Celan hatte etwas begriffen,
erlebt und erfahren, was andere in ihrer gewissenlosen Idylle nicht begreifen
konnten. Diese "unheimlichen"Dinge sind Grenzerfahrungen im Zeitbruch,
der sich auch heute immer deutlicher zeigt. Es ist ein Aus- der- Sprache-fallen der Dinge, doch
dieses Fallen ist zugleich auch "ein Kernpunkt der Krankheit
Schizophrenie", es ist das Erleben, daß die selbstverständlichen, für
angepasst "Normale" in ihrer
Idylle Ungestörte sich "nur wiederholende Dinge des Alltages"
dem Nicht-Normalen "furchtbar neu sind", so schreibt der Schweizer
Psychiater Gaetano Bendetti in seinem Buch über "Psychiatrische Aspekte
des Schöpferischen", eigentlich eine unerträgliche Erkenntnis der unverhüllten
Wirklichkeit, das kollektiv auch im Todeslager furchtbar erlebt wurde: wenn das
Vertraute zerreißt, "etwas sowohl völlig Neues, wie auch etwas in Gedanken nicht Faßbares," da
ist. Benedetti zitiert dabei sogar den englischen Philosophen David Hume, der
die Kausalität als Gewohnheit entlarvt
hat. Der Zeitfluß wird nackt, stockt, wie im Tod. Zitat aus dem "Meridian": "Vielleicht gelingt es
der Dichtung zwischen Fremd und Fremd zu unterscheiden. Vielleicht wird hier
mit dem Ich - mit dem hier und solcherart freigesetzten und befremdeten Ich
- vielleicht wird hier noch ein Anderes
frei?" Und um dieses "Andere" geht es. Es reicht dazu nicht aus
die Topoi psychopa- thologischer Literatur aufzuzählen, es müßte anhand dieser
Analyse auch die ontologische Zensur des Normalen und seiner Seelenpolizei, die
gefährlicher ist als die politische
Zensur, erarbeitet werden. Jene
historischen Abgründe, die Celan im
Gedächtnis hatte, die ihn nicht losließen, führten aber genau dahin, und sie störten; denn, ich zitiere
Benedetti: "Dieses Neue ist so neu, daß es im Unerklärlichen gründen
muß", die Kausalität wird unheimlich, unheimlich, weil gerade sie zutiefst
erleben läßt, daß "sie nicht ausreicht, die Dinge zu erklären." Alles
scheint einfach, doch gerade diese Einfachheit macht verrückt und jagt
Schrecken ein, und dieser Schrecken zeigt die Differenz zwischen dem was
wirklich ist in der Zeit und dem neuen, genau so absurden "Normalen",
was wir unsere neue Lebenslüge nennen müssen: Als müßten wir heute keinen Widerstand
mehr leisten. Nein, er muß nur anders sein als bisher gedacht, Widerstand
geleistet werden wider die neue Zensur des neuen grenzenlos
"Normalen". Umfassender. Und dies zielt mitten ins Zentrum der Kunst:
das Verborgene, Nicht- Vertraute,entlarvend Unerwartete und überraschend
Un-Normale.
6
Das Doppelspiel mit dem "König" aber, dem gefährlichen Ruf wider den Strich dessen, was
unter dem Schafott (aber in jeder Zeit) das "Angebrachte" und
Realitätsgerechte gewesen wäre, ist nicht zufällig: Der König ist im
Hebräischen der Kabbala Synonym für das Unnennbare, für "Gott".
"Im Nichts - wer steht da? Der König./Da steht der König, der König./ Da
steht er und steht. " - Das Gedicht
geht dann merkwürdigerweise über zu den "Augen": "Und dein Aug -
wohin steht dein Auge?/...Dein Auge, dem Nichts stehts entgegen./ Es steht zum
König./ So steht es und steht.// Menschenlocke wirst nicht grau./Leere Mandel,
königsblau." Das Gedicht aber beginnt: "In der Mandel -, wer steht in der Mandel? /Das Nichts."
(WG I,244). Nichts heißt im Hebräischen ayin; ayin ist aber auch der Name für
einen "stummen" Buchstaben, das Schweigen dieses Buchstabens also ist
identisch mit dem "Nichts", wie jeder
Buchstabe aber hat auch "ayin" eine Bedeutung, nämlich AUGE.
(Im Gedicht "WOHIN MIR das Wort" dieser Vers: "... das Auge ein
Bilderknecht -/ Und dennoch : ein aufrechtes Schweigen..." GW I,273). All
diese semantischen Sinngeflechte, die zugleich ein Tiefendialog des Deutschen
mit dem Hebräischen sind, oder wohl
eher umgekehrt, eine Rückübersetzung aus dem enormen Sinn- und
Zusammenhangsgeflecht der Ur- Bibelsprache ins "arme" Deutsche, gehen
über die schmerzliche historische Bedeutung weit hinaus, bleiben ihm aber in
einer Rückkopplung als Agens der extremen
Auflösung und Unfassbarkeit verhaftet, trotz andauernder poetischer
Befreingsversuche. .."
Schade, daß die Sache mit dem Fischer-Haus nicht klappt,
da hätten wir noch lange und gute Gespräche führen können, aber Deine Argumente
sind plausibel. Goffy, bei dem wir schon zweimal waren seither, hat auch nicht
mehr darüber gesprochen. Ich habe begonnen seine Lebensgeschichte
aufzunehmen, vorerst als
"Erzähltes Leben" für den HR. Ich will vesuchen, einiges, auch den
von Dir gegeben Tip, das merkwürdige
Verhältnis zu den Nazis herauszuarbeiten, ebenso Zufall und
"Schicksal" in einer Biographie wie dieser. Die Zeitzeugenschaft zur
Reflexion und zur geschlossenen Kontur zu bringen, auch das Verhältnis zu den
Autoren aus den Details und Anekdoten herauszuführen. Ob mir das gelingten
wird?
Woran arbeitest Du zur Zeit. Und wie geht es Ulrichs
Ausstellung?
Du hattest vor eine Initiative gegen RECHTS zu
gründen?
JEDERZEIT MACHE ICH DA GERNE
MIT.
Ich hoffe, wir werden uns "auch so", ohne das
Fischer-Haus bald wiedersehen, uns nicht aus den Augen verlieren.
Seid herzlich umarmt von uns beiden
Euer
24. August. Gesättigt mit
"Kulturstoff", Ereignisse, die darn gebunden sind, können wichtiger
sein.
Ein Geburtstags-Brief (für den 7., "Löwe",
Sonne) kam aus Rumänien an, von meiner Nichte Ina, die Bau und Maschinenbau
studiert hat, dann aber etwas anderse Geistiges wollte, 3 Mal Architektur-Versuch, und seit drei
Jahren Theologie studiert. Sie berührte den wunden Punkt. Schreiben ist
andauerndes Hinausschieben dessen , was erkannt und daraufhn getan werden
müßte, geschrieben ist es nur "eingesargt". Dies beginnt schon mit
dem nicht sofort auf Briefe antworten. Oder durch Briefe in mir ausgelöste Gedanken zu Hilfsmaßnahmen zu
"verschieben".
Ina ist geschieden , hat einen kleinen Jungen Ionut. Und
alles ist "sehr, sehr schwer", ohne meinen Glauben wäre ich verloren.
Und ich muß auch an dieses Pitesti denken, wo die schlimmsten Folterkeller des
Regimes waren. Mein Freund Goma hats geschildert in einem furchtbaren Roman.
Erstaunliches schildert die orthodoxe Theologin. Jener
achte Tag, von dem ich aus der Kabbala weiß (7 Tage Gechichte, der Achte aber
der Übergang zu einer andern Seinsweise, die Körper auflöst in Licht) finde ich
bei Ina wieder. "Aratare la fata" am 6. August. Schönes Erscheinen,
und fast symbolisch verkehrt in den Blitz in Hiroshima. Doch die Hoffung
bleibt. LICHT. Da denke ich an das Celangedicht "Einmal wusch er die
Welt". Und Ina begeistert: Christus, der in diees Welt kam, die
Auferstehung vorzubereiten. Wir leben die Morgenröte des achten Tages, keine
Nacht mehr, und die Materie in pures Licht verwandelt. Und es wird kein Hunger
mehr sein, keine Müdigkeit, weil kein Leib mehr ist. Und das vorausgeworfene
Zeichen ist Christus, der Christus-
Lichtleib in uns, das Virtuelle von dem schon Hölderlin sprach.
Benjamin, Scholem, Celan. Und Ina: die umgekehrte Acht der Mathematik, das
Unendlichkeitszeichen ist von diesem Tag.
Sogar die Wissenschaftsgeschichte spricht davon (Popper)
wenn die Naturkonstanten in unserem Paradigma überschritten werden, und sie
müssen in jedem Paradigma für ein neus überschritten werden, wird die
Lichtgecshwindigkeit überschritten, das heißt, alles löst sich in Licht auf,
und die Zeit fließt nur noch zurück. (Gedächtnis). Und es gibt auch den Tod
nicht, der Fall wird aufgehoben.
Im Yoga die Übung ebenfalls, den Buddhaleib: den
Christusleib zu entwicklen, Aura zu haben, Ausstrahlung stärkster Art. -- Und
die kleine Theologin spricht vom Heiligen Geist, im Hebr. ist ja Rouah, im
Indischen Pranah? Und es bedarf freilich der "Gnade", unsere
Anstrengung und der Wille reicht nicht aus, damit er "über uns
kommt". Schwieriger ist das Prinzip der Dreieinigkeit zu begreifen,
erscheint wie reine Scholastik und Haarspalterei. Oder isst nur Verbildlichung
eines Geheimnisses, das für uns an die Undenkbarkleit grenzt?
Und dann kommen wieder diese verlängerten Erinnerungen
von den Jüngeren auf mich zu: die ich vergessen habe. Ina, damals eine kleine,
zerbrechliche Kleine, wie ein Siebenmonatekind mit sehr großen Augen und
schweigsam, still in sich gekehrt, weiß, daß wir mit Li, meiner ersten Frau,
Schwester ihres Vaters, in "Trivale " waren, ich sie auf den
Schultern getragen hatte. Und unsere Literatur als Enigma. Und daß mein
Lieblingswort damals "Kolossal" war. - Ähnlich erging es mir im
siebenbürgischen Denndorf, wo ich Volksschullehrer gewesen war, als ich nach 35
Jahren meinen Erstklässer wieder begegnete. Wissen Sie noch, Herr Lehrer, so
prasselte es auf mich nieder. Ich wußte wenig. Etwa daß wir auf dem Stundenturm
gewesen waren, daß ihnen bei mir zuhause in der Gartengasse meine Mutter gute
Ratschlä gegeben hatte. Und daß wir auch am Secuhaus vorbeimarschiert waren.
Ina zitiert andauern Staniloae, den ich auch eben lese.
Und definiert die Heiligen eben als jene, bei denen jener Christuskörper
durchscheint, sogar fühlbar, ja, sichtbar werden kann. Wäre dies die
eigentliche Zukunftstat, das, was kommen wird, vorwegnehmend als Beispiel in
die Welt zu stellen: den ACHTEN TAG?"
23. August 93. Mein Gott.
"Befreiung" Obs noch gefeiert wird? Als Stichtag eigentliczh ein
Unglückjstag.
Gestern Abend wieder Feuer. Wir gingen auf den Berg und
sanhen uns das drohende Züngeln unter dem Pedone an. Angst, davon erreicht zu
werden. Sah auch wie eine Feuerfront, die sich uns zu bewegt aus.
Heute Morgen wieder schöne Umgebungsgefühle. Ruhepunkte.
Fühlte in mir das Gras, die Olivenbäume. Ob es damit zu tun hat, daß mich
Angst, geschriebene Traumzonen von gestern (Mansi) öffnen, das Unterbewußtsein
sich ergießen kann, Anmutung.? Oder das Feuer. Oder die Zufriedenheit, mit dem
Phantasie und der Zeile identisch zu sein?
Oder weil soviel Schlimmes hier in der Umgebung
geschieht. Kann das Gesicht des am Strand ermordeten unbekannten Mädchens,das
nackt bei Torre di Lago in der Hurenzone des Niemendslandes gefunden
wurde.? Sand in der Scheide. Vielleicht
vergewaltigt? OIder eie Hure. HUndert Meter vom Mordort fand man ein
verlassenes Hurenlager, wie sie dort üblich für die schnelle Liebe. Orgien
nachts, auch Transvestiten. Drogen. Ein Babel.
Las gestern in der ZEIT neben dem Artikel von Radih, die
mich auch hochmütig "behandelt", eine andere merkwürdige Passage: wir
also, die das westliche System ablehnen, sind "rechts", so wird man
diskriminiert. Bisher hieß das doch "links".
Rief Mutter an, sie läßt
sich den Grauen Star in Ulm am 25. operiren. Anita begleitet sie.
Diese Ängste, weil ich Roland A.s Tätigkleit in Auschwitz
und Flossenbürg erwähnt hatte. Daß man ihn verhaftet, er ist doch herzkrank.
Das muß endlich begrabn werden. Nichts muß begraben werden, sage ich.
21./22 22.8.93. Heute 25.
Jahre. Alles hat in Prag angefangen. Die Weigerng zum Einmarsch des Diktators
in Bukarest. Die Balkonrede. Ich wäre nicht hier, wo ich jetzt bin, wenn es
damals nicht geschehen wäre; spontan mich eingeschrieben in die
"Patriotischen Garden" etc. Ausreise. Westen.
Jetzt ist auch Dubcek "überholt".
Mit L. redeten darüber, daß Ungeduld schlimmer sei als
alles, als Schlamperei, als Ordnungssucht, als Gewissenslosigkeit, denn alles
ließ sich daraus ableiten, sogar der Fluch des Totalitären und seine Sucht
alles umweglos zu "überspringen". L. ist nämlich genau so ungeduldig
wie ich. Und dies, so sagte ich, dies kommt aus einer "tiefen"
Irreligiosität, aus einem eingefleischten negativen, zerstörerischen Denken,
einem großen einem Mangel ; und der schlage uns ja seit dem Fall. Wir glauben
seither, als Strafe: an den Tod, an sonst nichts,. Daher die Hetze, Zeitnot und
Angst.
Ich zitierte Kafka: Aus Ungeduld haben wir das Paradies
verloren, aus Ungeduld kommen wir nicht mehr hinein. Und auch Lessing, der
davon ausgeht, daß es logisch völlig ausgecshlossen sei, daß eine so kurze
Lebenszeit für eine Entwcklung sämtlicher in uns angelegter Keime, ausreiche, und
es absurd sei, daß die Anstrengung, ein geistiges Wesen zu werden, so
unterbrochen und vergeudet werden könne, glaubt an ein Wiedererkennen und
notwendiges Wiederkommen; daher sollten wir uns nicht beeilen, denn wir haben
eine ganze Ewigkeit Zeit!
Geschichte dazu.
Gestern telefonierte L.s Bruder, Gisela hat einen
Herzinfarkt erlitten. Ihre Lunge ist voller Wasser, das Herz äußerst schwach.
Die Schmnerzen sehr groß, so habe eine Ärztin, die bei dem Bruder wohnt,
gesagt, es sind die größten Schmerzen, die ein Mensch ertragen muß.
Mit diesen Geschichten vom Überleben und vom Tode ist
nicht zu spaßen, über das Kinder Spiel weit hinauzs, und das Gegenteil; eine
Zeit, auch unsere, hört auf.
Wir schlieefn schlecht. In der Nacht dann geschah es. Wir
hörten deutlich ihr Rufen, ähnliches hat uns GBF erzählt: seine tote Frau rufe
ihn nachts mit Namen, doch sei dies nur ein Echo des Gehirns, ers ei ein
"Ungläubiger." Und doch malte er, unbewußt, jenen Durchgang, den
Lichttunell, der wie eine Spirakle aussieht.
18.August
Wieder Un-Sinnstraum, d. h.
wie beim TZufall, ich weiuß nicht in welhcen grö0eren Zusammenhang er gehört,
daher versteh ich nur das Fragment, d.h. nichts, ästhetisiere. Ästhetik, ist
das nicht ein Fragment der unverstandenen Religion. Also: Ein großes Wasser,
ich soll ins Andere schwimmen, hinüber also. Jemand sieht zu oder sagt mir
einiges dazu. Die ASzimme von Roland W.
vielleicht.
19.August bei GBF.
Besprechen die Aufnahme. Nachmittags um halb vier ist er am frischesten, nach
dem Schlaf. Es fallen ihm wieder zweiu Anekdoten (exempla, mit denenn er
einenVor-Fall, eine Merkwürdigkeit beleuchtet) ein. Soll man sich wundern,
staunen? Der Bearbeiter von Dr. Schiwago bat um Tantiemen, kein Honorar. Es
wurde gewährt: 2%. Eoines Tages rief er an, Herr Dr. können Sie mir bitte einen
Vorschuß, von sagen wir 3000 DM auf die zu erwartenden Tantiemn geebn? Worauf
GBF: Sie wissen wohl nicht, daß sie ein Guthaben von 200000 DM bei mir haben.
Sechshunderttausend Exemplare sind verkauft worden.
Wir erzählen von den Selbstmprderprogrammen in den
Zellen. Da sagt er: in der Charitee habe ich schon solche Expeimente gemacht,
zu erkennen, daß es Abwehrmechanismen in jungen Organismen gibt, in alten
nicht. Im Palais de dance, wo er Titti zum zweitenmal traf und sie das
gemeinsame Musizieren ausmachten, mußte er alle zwi Stunden hinüvber in die
Charite rasen, um die Zellkulturen zu füttern.
Zur AUFNAHME
Großbürgerliche Kultur in
Berlin. Enorm. Und wie sie von den nazis zerstört wurde.
Was will ich aufnehmenß
Gesprcähe oder Erzählungen, Bekenntnisse? Nachgelesen unter Autobiographie und
BIOGRAPHIE. Lebensbeschreinbungen (Herodot). Und Eckermann als Prototyp?
Oder hochgegriffen und
größenwahnsinnig: die Mäeutik.
Es ist eigentlich eine
"herausgereizte" Selbstdarstellung.
19. August. Übernehmen aus
dem Juli:
Tutti Kennenlernen. Zufall?
Und nun alles andere ausgeklammert aus der Zufallskette? Was wäre gewesen
wennn... Möglichkeitszeit...
Juden und Nazis - diese
geheime Haßliebe?
Dieses Zerreißen, das schmerzt am stärksten, sagte er,
daß man alleingeblieben ist, ein Teil von mir ist für immer fort, ich bin ja
Mediziner und ein Ungläubiger, sagte er. Nur manchmal höre ich sei deutlich
meinen Namen rufen, doch nicht mehr, und ich träume nie von ihr. Einmal
(erzöhlen, als alle Briefd und Fotos durecheinander). UNd malte einiges. Sitzt
am niedrigen Glastisch fast den ganzen Tag vpr ihrem Bild, ihrem Buch "Sie
schrieben mir alle".
17.August
Nachts irrte ich total fremd
nackt durch zwei Bibliotheken. Es könnte Bukarest gewesen sen, doch wurde
deutsch gesprochen. Italien war nicht dabei. Am Schluß hatte ich auch noch die
Schuhe verloren, verzweifelt, wil ich nicht wußte,mwo ich sie gelassen hatte,
war in Strümpfen. Die Kleider waren "Nirgends".- Keiner sah mnich n und wunderte sich. Nur
einer sprach ich n, wllte, da er blind oder somnst behindert sei, eine Flug
nach Brüssel teleonisch reserviert haben. Allerlei Faxgeräte standen da herum.
Ich sagte ichm, ich könnte dasd nicht bedienen.
Gleich beim Aufwachen fiel mir Jürgen M. ein,.
Hochschullehrer. Und daß ich ausgecshlossen sei aus jedem akdemischen nd
überhaupt jedem Betrieb. Nahm mir vor beim Frühstück mit L. beim Reden zu
"formulieren". Sprachfähigkeit ist ja Macht, dachte ich. Und bekam
Angst vor dem Symposion an er Kölner Uni. Ich habe das Formulieren verlernt,
obwohl das nur Afferei ist, wichtig beim "Auftreten". Dachte an Ilse
S., die mich so "überfahren" kann.
Weil ich auch im Umgang nicht formuliere wrde ich auch
von Alltagstypen überfahren.
Finde eine Notiz, weiß nicht zu welchem Buch sie gehört,
aber sie ist wichtig: NACHRUFE. Möglicherweise das Nachruf-Buch in Marvburg.
"Hat das Thema ausführlich behandelt. Eine ganze Kultur der
"Absenz".
Das völlig Geformte, wie ein
Abwehrzauber: wseltverzehrendes Palindrom:
SATOR
AREPO
TENET
OPERA ROTA
Nun eigentlich entschlossen,
einen Nachlaß bei Lebzeiten zu schreiben, und gibt mehr Freiheit, vor allem
Autonomie Lesern und Verwertern, Verlagen und Publikationen - gegenüber.
Dazu gehört, den Abriß wahrzunhemen, ihm abreißend,
voraus zu sein, zusammenfassend. Die Tife ist ein Blitz, also knapp.
Und die absolute Prosa hineingenommen, und alles
abreißen, wie in einem Abreißkalender Zeit und Momente der Person, zum Block
hin, und die Person dabei aus-holen darf, sich anders zu begründen, und so neu
und autonom zu werden im Zerfall, im Bewußtseinstrom abgehen, was möglich ist.
Nachzulesen wäre Carl Einstein, Sack,
die Rönne-Geschichten von Benn.
Und mit Bebuquin zusammen
auf die Theresienwiese zu gehen, wo der Sohn wartet, erinnert aber: eine Fahrt
ins Gruselkabinett, wobei er jauchzte mit diesem Kitzel im Bauch: Schwindel.
Die Elegie= Nänie,
Totenbklage eigentlich. Oder auch das Epikedeion (auch Epigramm)und der Threnos
(KLage) im Rum. Bocet.
Dirge, engl. Totenklage
("Dirige ,Domine" - Leite, Herr. Shakespeare im Sturm.
Das Totengespräch, seit
Lukian: Gespräche in der Unterwelt. Eigentlich immer in Distichen, wei
Schillers Nänie: "Auch ein Klaglied zu sein im Mund der Geliebten, ist
herrlich,
Denn das Gemeine geht
klanglos uzum Orkus hinab."
14.August. Die Frage: was wird hier im TGB beschrieben,
doch nie der Moment, sondern immer Gedächhtnis, also ist der Text , das Datum
fiktiv, wird aufgehoben. Und hat auch wenig mit der äußeren Realität zu tun. L.
weiß nichts davon, das TGB berührt sich mit ihrem Tag kaum. Morgens hatte ich
beim Frühstück versucht, ihr etwas über Lessing und die innere Überzeugung,
jenen Punkt zu sagen, der doch sehr wirklich in uns allen ist, wirklicher als
die "Tat Sachen". Ich schwieg und wir redeten über Belanglosigkeiten.
Daß die Sonne bei uns später aufgeht als bei Ch. D. , daß die elektrsicehn
Leitungen da neueingeführt bis zum alten Brunnen, wo spekzlativ einer bauen
will, um dann mit Gewinn zu verkaufen, nicht genützt wird, daß der Nachbar Dr.
B. reklamiert habe, ENEL keine Genehm,igung von ihm hatte, die Pfosten in
seinem Grundstück zu versenken, und sei wieder ausgegraben werden müßten. Dann
daß Ch. Buggert meinen Kant nicht sehr mag, zu historisierend. Aber gerade
diese authentische Montage fasziniert mich ja, entgegnete ich. Wieder war nur
im Negativen in ihrer Kritik ein Anknüpfungspunkt gegeben, fat diabilisch gern
stellt sie meine Welt in Frage. Nie etwas Piositives ist zu hören.
Fiktiv also alles zeitlich: "Gestern" las ich
am Strand, costa dei barbari, sehr voll, das Wasser dreckig, las Lesings
"Erziehung des Menschengeschlechtes". Die Frage, ob die unendliche
Volllkommenheit in einem einzigen Leben rreicht werden könnte. Die Ungeduld
zerstört alles. Wozu die Natur Jahrtausende braucht, soll sich in einem
Augenblick, in einem kurzen Leben ereignen?
_ 98 "Warum sollte ich nicht so oft wioederkommen, als ich neue
Kenntniksse, neue Fertigkliten zu erlangen geschickt bin? Bringe ich auf einmal
so viele weg, daß es der Mühe wiederzukommen etwa nicht lohnt?" Dies sagt
der glasklare Verstand. _100 "Und was habe ich denn zu versäumen? Ist
nicht die ganze Ewigkeit mein?" Wer das glauben könnte. Seine These, daß
das was mich angeht nur in der Form einer Vergewisserung mich erreichen kann,
die von derselben Qualität ist wie das zuständige Aufnahmkeorgan, also die
Vernunft. Undfür ihn ist es gegeben mit diesem Gedanken, den er beglaubigt.
Helmut Thielicke bringt im Nahcwort einiges dazu: im Streit mit der Orthodoxie,
die ihren Unglauben, der durch die Hölle "historischer Anfechtung"
erzeugt, nun mit diesen Mitteln des hist. Beweises den eigenen Unglauben
bekämpft. Unwahrfahfig. So "am Faden einer Spinne, die ganze Ewigkeit
auifhängen". Das Unbedingte läßt sich eben nicht auf Bedingtes gründen.
Und im Bereich des Geistes ist jede Ausflucht und Flucht verboten. Es kann nur
das Tiefste sein, wie bei Hegel, Hölderlin später: das Eigene, Subjektive, der
Einzelne, denn "was im Bannkreis des Koontingenten bleibt, kann niemals
den Grund meiner Gewisseheit, meineds Glaubens, insofern meines eiwgen
Schicksal bilden." (Thielecke). Nicht zufällig, daß heute
Kontingenz-Analyse und ZUfälligkeitsanalyse Trumpf ist. (Rorti, Marquart u.a.)
Subjekt soll abgeschafft werden. Zurück zu dieser Frage. Th.: 1. Begrpndet auf
die Frage "wer bin ich". Cogito ergo sum. Und Kants Autonomie gegen
Autorität und Tradition oder Beweise historischer Kontingenzen, Außenwelt.
Selbstdenker. Selbtsgewissheit. Ich bin mit dem zu Erkennenden verbunden durch
das Divinatorische (Hermeneutik Schkleiermachers, Diltheys).. Verstehen
ebenfalls immer nur bei einem Verhältnis der Kongenialität zum Gegnstand
möglich. Also meine INTUITION, Assoziazionsvermögen. Mitbestimmung des Subjekt,
was es für sich als mögliche Wahrheit ansehen könnte.- 2. Was ist Wahrheit?.
Welches Verhalten um zu ihr zu kommen. Rijgparabel. Welches echte Ring. Kein
objektiver Befund, sondern "ein mich ergreifendes Ereignis" Entsteht
nur so, indem ich mich ihrer Wirksamkeit aussetze und mit ihr
"kooperiere". Es geht um "existenzielel Wahrheit", um
"leidenschaftliche Innerlichkeit". Also Kierkegaard auch. Aber schon
bei Hegel da. Bei Hölderlin, Schelling. Nietrzsche. "OBjektibe
Wahrheit" vergleichgültigt die Subjektivität, löscht sie aus. Das
Instrtumentelle. Die Nahcricht etc. Heisenbergs Unschärfe rückt Kosmos und Ich
wieder ins Exakte herein. Gibt nur eine "objektive" Ungewissheit.
Für eine Geistergeschichte:
RUHE.WÜNSCHENSWERTES NICHTS
Bei Landolfi lernen:
Zufälligkeit und Nichtigkeit beschreibend aufheben. In "Mailand gibt es
nicht" Zufall-Chaos-Nichts-Tod rächt sich die mißratene, unvollendete
Existenz an der Wirklichkeit, d.h. der unzerstörbare Einzelöne an der Kontingenz,
indem einfach die Namen, aus denen sie besteht, gelöscht werden. Gibts ja gar
nicht. Und wers laufen läßt aufs "Geratewohl", dem geräts wohhl.
Vollzug der Verneinung dessen , was ist beizeiten bei Lebzeiten dem Nichts
entgegnzuarbeiten.
Und auch das eigen Haus, der eigne Körper als Gefängnis,
Fluchten gibts nicht. Ich bin mir der ärgste Feind. Pascals Weisheit, daß sich
alle s Unheil vermeiden ließe, wenn man zu Hause bliebe, stimmt nicht.
Und so der Selbstbesuch nach dem Tod, kann nicht ruhen,
weil das Leben verloren. Richter große Vorwürfe. Aus dieser Perspektive
Terplans Leben: sieht, wie er sich selkbst umbringt. Belangloses Geplapper in
C. Wagt nicht einmal darüber zu schreiben, weil er nicht daran glaubt, sucht
nur fremde Themen, die ih anmachen.
Banalität aus dem VT. Gleichzeitig Gedankenflucht: morge habe ich diese alles
schon vergessen. Nichts bleibt.
Und ich stelle mir eine Erzöhlung vor, Terplans, der nach
dem Tode wiederkehrt, den Unsinn erkennt, das heißt , die Unmöglichkeit
tatsächlich wünschenswert ein Nirwana hergestellt zu haben, daß er auch nicht
wiederkehrebn müßte: Terplan aber war entschlossen gewesen, alles vorher
abzuschaffen, uzurückzunehmnen, wie er sagte, sah das Fenster, Blick hinaus:
Olivenblätter, silbern. Blatt, Blatt, Blättchen, kleiner und kleiner, und da
war er kahl. Im Winter 85 erinnert sich T.: auch wirklich erfroren, ein Skelett,
und gefällt. Usw. Aus dem VT die Mikrokaktik.
Fpr die kurze Geschichte eine Geschichte zu finden in
Matthiesen.
Und mit Kronauer-Hilfe, die ja ehrfürchtig, das
"Wahrgenomnmene" zeigt, wieder demiontiert diese Künstlichkeit.
"Lektüre" des Realen so? Läß sich aus dem Vielen, Amorphen, etwas
symptomatisch "herausheben" als "Zeichen? Also im Sinn von
Salvidan kalvidan Brahma? (Hionigwissen also?) Grenzübergänge schaffen so, da
lacht Terplan von dort ziemlichlaut! Kontingenz ist Irritation und Verführung.
Unbedingt anknüpfen an
Kronauer.
15.- August. Nun ja. Aber
das Vergessen löscht die Welt asu wie der Schlaf. So daß wir vn gestern so
wenig wissen, wie von einem vergangenen Leben. Und eine Geschichte für Terplan
habe ich auch noch nicht gefunden.
Dafür Hinweise bei W.B. Yeats, der seit Oktober 1917,
vier Tage nach seiner Heirat, über seine Frau mit "ihnen" verkehrte,
schriftlich, der in Trance schreibenden und mit der im Schlaf sprechenden Frau.
In "Eine Vision" ist diese ganze Gecshichte beschrieben. Auch der
Verdacht, daß die "Toten" im Schlaf sprechen, der sie gefangen hält,
wie Schlafwandler durchbrechen sie das Mögliche, die Mauer die uns trennt.
Vielleicht seien sie Gefangene eines Dramas, das wahrscheinlich diese
Verbindung überhaupt möglich mache. Hatten sie hier was verloren, eine Hälfte,
etwas voin ihrer Seele, diese Hälfte nun suchend, die beschädihgte?
Aber zu Terplans Geschichte, die ja meine ist, könnte ich
Yeats rfahrung mit "ihnen" nehmen, das symbolische System, nämlich,
das er erhalten sollte, würde Jahre dauern, sagten sie ihm, und er wußte: bevor
er nicht seine innere Geschichte egschrieben habe, wie auch Wilhelm Meister vor
seiner Initiation seine eigene Geschichte lesen und kennenlernen mußte, die ein anderer gecshrieben hatte,
bekäme auch Y., und natürlich auch ich nicht jene Kenntnisse von dort, die im Zusammenfinden
zurückleuchten wpürde, den zurückgelgten Weg in einem Blitz zu erkennen und
mehr noch.
Eines aber weiß0 ich, ab heute Nacht werde ich das
Grausen in Kauf nehmen und wieder das Tonband einschalten zum
"Stimmenhören", vielleicht gibt es eine ähnliche Verbindung, wie
früher schon.
Ihm hatten sie ein interessantes "geometrisches
Modell" diktiert, aber immer wieder zurückgezogen, gecshwiegen, wenn es
nahe daran war, endlich kam es so weit, und er erfuhr von 28 typischen
Reinkarnationen. Und dann in der Zeichnung eines Trichters oder einer Spiralem
ein Bild für das Leben der Seele nach dem Tode. Dabei drehten sich dies
Tichter, einer im andern in verschiedenen Drehimpulsen in entgegengesetzter
Richtung. Aber auf die Frage danach erhielt er keine Antwort, sondern Hinweise
auf Krisenjahre Europas, ähnlich aufgelistet, wie sie einige Moinate später in
Spenglers "Untergang des Abendlamndes" angeführt waren. Undf ich
griff mir an den Kopf, mein Gott: es war genau das Datum der russischen
Revolution 1917.
Yeats sieht die Reife und Tiefe seines "Towers"
durch die innere Veränderung begründet, die sihc in ihm vollziog, nachdem er
diese Erfahrungen gemacht hatte. Ich las in einem Essay von John Holloway
darüber nach, um mir den "Tower" nahezubringen, doch kein Funke
schlug. Dann kam ich an die Stelle der "Verknüpfungen", an die der
"Snthese des "Manigfaltigen" durch ein ICH, das die des Dichters
ist. In Kants "Kritik der reinen Vernunft" - "Analogien der Erfahrung",
wie werden sinnlose Eindfrücke, Bilder zu einer "Welt". Und daß sie
nicht in einem Vorher-nachher-Verhältnis verknüpft werden. Sondern durch eine
"Regel". Und die kommt in der driten Analogi: nämlich dem
gleichzeitigen Zusanmmenhang aller Apperzeption. Dich die Kette von Ursache und
Wirkung wird bei Y. und überhaupt im Gedicht durch Analogie (Metapher)
teilweiser Ähnlichkeit ineinandergecshoben,
assoziativ. Und apriorisch durch
das schöpferische FIAT des Dichters, der selbst mittendrin ist in einer nur
sinnvollen Symbolwelt von Ereignisssen einer andauernden verhexten Verwandlung
ins Unmögliche, das möglich wird: durchs "Lied", das dem
Bauernmädchen "Glanz" verleiht, die Bauern drängeln läßt,
Trunkenbilde um den Verstand bringt. Hanrahan, Saufbiold und Hauptheld verhext
die Spielkarten zu HUNDEN. Die begraben werden? Riter mit eisenbeschlagenen
Schuhen rennen die Trepp des Turms hoch, schlagen ihre Würfel aufs Brett.
Y. will Latera-magica-Bilder
geben.
Werde mich auch dem "Seth"-Bericht wieder
zuwenden. Denn hir wird im "Augenblickspunkt", so, heißt es, lebten
die Toten, und es könnn gleichzeitig Handlungen ungehemmt ablaufen, gemäß
ASSOZIATIVEN Mustern, die gegeneinander bewegten "Trichter" und das
Gedichtmodell von Yeats, überhaupot von Dichtung bestätigt. Das also viel mehr
ist, als jede betriffliche Debnkarbeit, weil wor uns dorthin öffnen, wahrer,
existierender sind.
Las in Walt Whitmans "Gesängen", da mich die
Behaupthauptung von Landauer angemacht hatte: hier werde ins Gedicht üversetzt,
was Nettersheim, Böhme oder Cusanus und Paracelsus dachten, wollten, fühlten.
Ebenso Indien. Aber ohne daß er es gewußt habe. Ich erinnerte mich an eigenes
Gedicht an ihn. Und dann an den Bericht, wie er nach dem Tode seinem Biographen,
dem Dichter Horace Traubel erschienen war, als wollte er ihn daran erinnern,
daß es mit der "Biographie" nicht so einfach sei, und das wichtigste
darin fehle, noch ausstehe. Der Biograph lag nämlich auf dem Totenbett. Die
Erscheinung sei gut bezeugt, und zwar war Walt mehrfach dem Horace erschienen,
meist stand er am Fenster, schweigend, doch auch Dr. Bucke habe Horace besucht.
Walt stand da von einem goldenen Strahlenschein umgebn, grüßte anmutig mit der
Hand, dort m Fenster, das ihn nicht spiegelte, und sagte beim zwzweiten- oder
drittenmal "Komm, ich erwarte dich", und jedesmal, wenn er kam, sagte
er: Komm, mit mir, komm, ich erwarte dich." Meist war Horace allein, doch
einmal kam Oberst Cosgrave
zu Besuch, öffnete die Tür,
es muß im August oder Septmeber 1919 gewesen sein, und wachte dann die drei
letzten Tage an Traubels Bett, und sah, daß Horace gelähmt war, halbbewußt und
wegen der Zungenlähmung fiel auch der Gruß verstümmelt aus, seine Augenb waren
aber ausdrucklsvoll und wach, und der Colonel konnte an ihnen die Wünsche des
Sterbenden leicht erraten.
In der letzten Nacht gegen 3 Uhr morgens verschlimmerte
sich plötzlich sein Zustand, er schien in einem schwer beonnemmenen Zustand,
die Atmung war kaum wahrnehmbar und der Körper von Krämpfen geschüttelt. Dnn
öffnete er die Augen und sah zu einer bestimmten Stelle hin, bewegte die
Lippen, versuchte vergeblich zu sprechen, der Colonel wandte den Kopf wie unter
Zwang und sah zu jener Stelle am Fenster, das Zimmer war halkbdunkel, nur von
einer Nachtlampe hinter einem Vorthang erleuchtetg, in diesem Halkbdunkel war
eine kleien Wolke zu sehen, die sich rasch ausbreitete und bald eine
menschliche Getsalt annahm, und die Züge Walt Withmans trug, und in der
gewohnten Haltung und Kleidung. Er blickte Traubel an und lächelte ihm
liebevoll zu, als wolle er ihn ermutigen und willkommen heißen. Zwimal machte
er ihm ein Zeichen mit dem Kopf, wobei am Ausdruck des Gesichts erkennbar
wurde, daß er Traubels Mut heben wollte.
Er blieb etwa eine Minute sichtbar, dann löste sich seine Gestalt in
Nichts auf. Doch bevor er verschwand, bewegte er sich Horace zu, dieser war
wegen seiner Lähmung nicht imtande lange und anhaltend den Kopf zur Seite zu
wenden und mußte in seine norm,ale Lage zurückkehren, aber er murmelte: Walt ist
hier. In diesem Augenblick bewegte sich das Phantom auf den Colonel zu, schien
durch das Bett hindurchzugehen und berührte die Hand des Obersten, wie um ihm
Lebewohl zu sagen. Der Colonnel empfand bei dieser Berührung wie einen leichten
elektrischen Schlag. Schließlich lächelte Withmann Harace ein letzes Mal zu und
löste sich auf. Zwei Stunden später, es war am 6. Septemvert 1919, tat der
Kranke seinen letzten Atemzug.
Heute feiern die Leute in Stuttgart Walters 85.
Geburtstag auf der Solitude. Auch die Hochzeit von L.s Bruder, die Taufe Philips wurde dort gefeiert. Ich erinnere
mich plötzlich an das Ambiente, und erschrecke: "jene" Solitude hatte
gar nichts zu tun, in ihrer Perspektivverschiebung, wie ich sie damals sah, mit
der von heute, wo ich mehrfach als Stipendiat (seit drei Jahren) gewohnt hatte,
und viele Erlebnisse, darunter Liebserlebnisse gehabt hatte. (Ruth!) Die
Umbauten, die inzwishen stattgefunden hatten, auch, daß damals eine einfache
Gaststätte und ein Hotel, heute aber ein Nobelrestaurant und die
"Akademie" dortstehen, könen unmöglich solch eine Verwandlung bewirkt
haben, daß mir jenes alte Erlebnis "vorher", wie ein Traum, eine
fremde Gegend erscheint. Und ich erinnerte mich an solch eine, nun wirklich
frappierende Aufschlüsselung durch eine Ausstellung auf der Solitude dieses
Phänomens der Erinnerungsverschiebung und Konstruktion durch unsere Phantasie
der "ORTE", Projektuion aller Erlebnisse, als wären sie in einer
Inszenierung erst von uns geschaffen worden; nein, doppelt inszeniert, erst
beim aktuellen Moment, dann in der Wiedererinnerung:
Ich suche im Tagebuch eine gemeinsame Erinnerung mit
Ruth.
Die ich dann beim Berliner
Colloqium im Juni 92 vorgetragen hatte.
12. April 1991
Anselm Baumann
AUGEN ZEUGEN
Im "Kunstgang" auf der Stuttgarter Solitude mit
den vielen Türen, wo ebenfalls Künstlerwohnungen waren in diesem von Phantasien
überfüllten Haus, hatte Baumann ausgestellt. Und T. lud mich ein, die Objekte anzusehen. Wir gingen den
langen Gang bis ans Ende, an den Türen vorbei, alles in Weiß und links die
lange Fensterreihe, wie ein durchlöcherter Raum, und unten im Tal die Stadt.
Der Bus hielt an einem der Fenster, man sah die Leute ein und aussteigen. Es
fiel mir auf, wie viele Türen sich andauernd bewegten. Und Augen, die alles
ansahen, Welt herstellten, die ich sah.
Dies ist die Replik der Kunst auf die Medien, sagte T.
nämlich die Arbeit mit dem wirklichen Raum, dem Körper, dem Übergang vom
Zweidimensionalen zum plastischen Ausformen im RELIEF, also etwas, was das
Scheinbild auf dem beliebtesten Objekt heute, dem Bildschirm nicht kann.
Was ich hier im Buch kann, das kannst du auch, sagte ich:
was keine Kamera kann, so mit unseren Wahrnehmungen arbeiten, sie ausbilden,
als hätte wir wie in der Liebe wieder mit richtigen Sinnen und Räumen und
Körpern, wie deiner und meiner, zu tun.
Sehe nur Mattscheiben, zumindest thematisiert, wenn nicht
hintergründig zum flash des Erkennens gemacht worden. Und doch gehen wir vom irritierenden ÜBERGANG aus zwischen dem
Blatt, also hier der Seite, die zur Saite wird: hin zum Plastischen also
Dreidimensionalen, gar noch höher als
nur Körper, zu seiner Metaphysik, was er zeigt, nämlich in
zentral-perspektivischer Gliederung wie im Barock die Konvergenz, daß durch die
Anordnung eine optisch verstärkte Tiefenwirkung entsteht, eine Illusion, die
nur wir, wie hinzugesetzt, sehen, die wirklich nicht da ist, ähnlich wie in der
Scala Regia im Vatikan, die hab ich oft gesehn, sagte ich, aber freilich
erotisch dienlich, als ließe sich die verstorbene Liebe durch Verschieben der Wände, die sie
verhindern, erreichen.
Ideal wären zwei Aufnahmeapparate, sagte sie, und sah auf
die Reliefs, eines, Wood-Cube genannt, wie zwei Spiegel gegenübergestellt, ein
Sehpleonasmus, so wird der Raum, durch das Volumen der Reliefs illusionistisch
zum Bild seiner selbst.
Ouspensky müßte man dazu lesen, sagte ich, keine
himmlischen Erscheinungen sind nötig, im Raum selbst hier, schau und versuch zu
beschreiben, ich möchte es, samt den Figuren, da liegt schon ein unlösbares
Geheimnis, wie wir den Raum, also das Erscheinen der Wirklichkeit mit den
Blicken erst herstellen, ihn mit den Augen abtastend, oder ganz abgehen, daß er
uns ganz abgeht, wir darin verschwinden können oder er in uns. Und das genau
ist heute das wichtigste, unmittelbarer, nicht der schlimm geübte lange
abstrakte Umgang mit dem, was wir sehen, dem Herumjonglieren mit Namen, sondern
die Welt daraus fallen lassen. Wir finden darin einen Spalt, durch den wir
schlüpfen können, aber wir brauchen dazu, wie die Kabbalisten es mit Buchstaben
taten, das Verschieben von Wänden und Perspektiven, oder auch von Silben
und Buchstaben, und das Arbeiten
mit dem, was Wände oder Wortwände so blind herstellen, unsere Wahrnehmung. So
greifen wir ja nicht nur ins Unmittelbare ein, in das, was ich hier im Text
sage auch, sondern heben es auf, greifen in seine Wirkung ein, indem ich
sie hier mit aufnehme, und die
Dimension, die wir gewohnt sind, unmerklich verrücke, Gesetz, vielleicht des alten Falls oder gar
der Vergeltung, lösche. Zu wissen, daß Blicke zeugen können, der Text aber hier
nun das Auge.
Fern sehen , sagte sie: tut nichts anderes, stellt
künstlich ein Bild her, das wir sehn, und kalkuliert seine Wirkung mit einer
optischen Kulissenschieberei, Schnitten, Zeitlupen, und natürlich schnelle Bildbewegung, Illusion
der Wirklichkeit, als wäre es nicht nur ein Voranrücken des Statischen,
rasender Stillstand also, sondern
"Leben", auf daß wir erkennen, was es gewollt hat; ja, es ersetzt abenteuerlich,
genau wie das Autofenster oder Flugzeugfenster auch, das Greifbare,
Unabgezogene mit dem Abziehbild, auf daß wir daran lebend sterben. Ich aber habe
Sehnsucht nach dem Geruch und Geschmack, der Kontur wirklicher Dinge in ihrem
Raum, wie es sie in andern Jahrhunderten,
aber auch noch vor zwanzig Jahren gab, und ich möchte wirkliches Holz mit
seinem Duft im wirklichen Raum, wo wir uns wirklich mit unseres Augen und
Händen und Ohren, und wo wir herumgehen und uns ganz befinden, kein
austauschbares und verviel-fältigtes Phantom aus Zelloloid, Kunst-Stoff oder
hier Papier, das sie mir da auf einer
Glaswand vorspielen oder du.
Ja, genau so ist es, sagte ich: Hier mit dir Ruth lebe
und erlebe ich wirklich, daher werde ich in Museen, leider nur sie sind noch
wirklich, und in Austellungsräumen: high, als beginne ich zu leben, springt
dann ein Funke über. Und du bist drin, Ruth, ich kann deinen Augenausdruck an
mir erkennen, und wir erschaffen in diesem Augenblickspunkt oder Ort die
gleiche Welt, und sind gespannt auch aufeinander, Pfeil beide und Ziel
zugleich, gefährlich schon, wie im Zen, wo der Blick das Ziel erschafft, und so
der Pfeil auch immer die Mitte der Scheibe, hier des Labyrinthes trifft,
mühelos in seinem Raum drin, den wir herstelllen, und schlag das Auge auf, nach
bei Kant.
Sieh, das Relief, sagte sie: es ist sogar ein
Sprachdoppel, Anagramm, lies es rückwärts: Pfeiler, wirklicher Sinnraum in uns:
wider die Verflachung des Apparates, der uns die Arbeit abnimmt, Massenfaulheit
herstellt, Passivität der Welt, bevormundet, lenkt, daher auch die schreckliche
Fadheit nachher, nichts schöpferisches, wir müssen die Welt nicht selbst
herstellen, sie wird uns vor-gespielt, das ist Diktatur, Michael, nichts
anders, Bild- und Denkdiktatur, daher müssen wir uns aufbäumen, mit dem Holz,
mit den Pflanzen und Tieren, und dem Mineral gegen den falschen Hersteller von
Welt, der sie uns stiehlt, ihre letzten Reste, die noch nicht vernichtet sind.
Ja, sagte ich, konkrets Dasein nicht nur, fühlbar,
tastbar, riechbar, HOLZ, schön gemasert, die Zeichnung, sieh, elementar und aus
dem Geheimis selbst hergestellt, Mater materia, alle Atome, Elektronen, Zellen,
drück darauf mit dem Finger, berühr sie, kleinster Punkt des Weltalls, sondern
auch Gegenspieler nun das Relief, nur ein Schein und Phantom von Geisterbild,
und betrügt uns, meint unabhängig zu sein, vom Träger, den wir berühren,
Schaltung und wirkliches Gerät, das Auge schafft überspringend diese
eingeplante Synthese, du meinst ja dort einen Menschen zu sehn, wohlbekannt,
normal, und ist doch nur ein Produkt von Wellen, künstlich getan, was auch
sonst unser Augenbild über die Lichtstrahlen, doch von wirklichen Dingen
hervor-gerufen, herstellt hinter dem Lid. Dabei wäre aber die Analyse so
wichtig, was ist solch eine Schaltung anderes, als das geronnene Wissen, daß
sich selbst zum Modell wird, das Feste auflöst in Schwingungen, und nun auf
diesem Weg Vorstellungen von etwas Nichtvorhandenem, nun gut: Gespeichertem,
blitzschnell "überträgt", daß wir meinen, gewohnte Welt zu sehen, doch
gerade diese wird ja nun so in ihre wirklichen Bestandteile zerlegt, daß das
"wirkliche" Bild als doppelter Betrug, als Phantom
"erscheint", uns einlullt, hypnotisiert, mimt, was sonst die Natur
tut: unsere Augen zu täuschen.
Doch nach dieser Täuschung sehnen wir uns doch, meinte
Ruth, nachdenklich. Und ist es wirklich nur "Täuschung"? Oder eher
Unaufmerksamkeit? Wir stoßen andauernd an unsere eigne Absenz. Wenn wir aber aufmerken, uns im Raum wirklich
empfinden, dann mit LEIB und Sele, lustvoll und atmend: ein Körper, der lebt.
Immer noch: ich wollte, daß Wahrnehmung
sich selbst wahrnimmt, sich anschärft, wund, wie im Frühlung, an ihre Grenze
stößt, an ihre Wundränder sozusagen, unser Körper nämlich, wie die Sinne sind
die wirkliche Metaphysik. Der Raum, in dem wir uns befinden, dieser Gang also
mit den Türen, und den neben den Türen an der Wand in den Reliefs dargestellten
Räumen, geometrisch stilisert, bis hin zum darauf sichtbaren Illusion eines
Faltobjekts auf dem dreidimensionalen wirklichen Relief, irritiert, pendelt
zwischen tatsächlichem Raum und Bildraum, erlebt das Oszillieren zwischen
Scheinraum und Raum, in dem wir uns befinden, so merkst du etwas: nämlich, daß
es jenes Apriori, von dem Kant sprach, gibt, daß wir eine in uns wirkende
Raumvorstellung haben, die alles formt, sonst könnten wir ja diesen
Unterrschied zwischen wirklichem und Scheinraum gar nicht erkennen, wie wir in
der Bewegung beim Sitzen in einem Zug,
nicht wissen, welcher Zug fährt, unserer oder der andere gegenüber, nehmen wir
nicht irgendeinen Punkt außerhalb der beiden Züge, einen Baum, ein Signal,
einen Menschen, der "steht", zum Vergleichen: Nur die Vorstellung
"Raum" aber kann uns ja Orientierung verschaffen. Und da wollte ich
eine Rückkehr des Leibes, über unsere Sinne, den Blick vor allem, erleben
lassen, auf den sich ja alles bezieht, und den schützen vor dem Verschwinden,
Körperwahrnehmung, ohne die Liebe nicht möglich ist, trainieren, denn ich bin
selbst liebeshungrig und sehne mich nach einer Rückkehr in meinen Körper, der
sich in dieser toten Umgebung oft so empfindet, als gäbe es ihn nicht mehr, nur
den Kopf. Raum Vorstellung ist das
Mirakel, die gibt es
sie ordnet das Chaos. Es
heißt, ein Außerirdischer könnte nur irres Partikelgestöber hier erleben, auch
ein Toter, der nur Gedanken telepatisch zu Landschaften vorstellt, nicht aber
wirkliche Partikel in Gegenwirkung von Herstellen und Unform.
Die Anwesenheit des Leibes fordert sich ein, ich merke
es, und du bist mit dabei. Ich fühle dich. Und weiß ja, daß du meine Projektion
bist. Entlang von Breite, Tiefe, Länge wird der Leib zum Ergründen seiner
Raumhaftigkeit angehalten, ich spüre es wie einen Zwang, wie einen Kinderblick
auf den ersten Holzblock, den ersten Menschenkörper, das Dach, den Baum,
Konturen die fast schmerzen, Gewißheit da zu sein, und dazu gehört auch noch
das Gehen hier im Gang, kein Gedanken Gang, wir tun es mit dem Körper und auch
noch gemeinsam, und ich berühre dabei deine Hand, wie ich dein Relief mit den
Blicken berühre, mich an einen unsichtbaren Pfeiler anlehne, der mein Eindruck
ist, merke, daß ich einen Körper als Mittler dazu habe, ein
Wahrnehmungsoperator, Mittler, überhaupt etwas außer mir zu erkennen, ja, mit
ihm zu sein, und Wahrnehmung der Wahrnehmung an der Grenze angekommen, im Zusammenfallen
der vielen Eindrücke, Erinnerungen, Ruth, die mich überfallen, ergeben das
Bild: Ruth mit ihren Reliefs, und ich mit allem, was ich dabei spüre, mitten im
Raum, dies Spüren gewissermaßen nun das geheime unaufgelöste Bild dieses
Ganzen, sein Bild im Bild, so wie sich eine Kuppel auch nur hält durch das
Zusammenstürzenwollen aller Teile, die sie zusammensetzen.
Aber vergiß nicht, ein Haken ist dabei, eine Gegenidylle,
auch gegen jene, die du nun gerne herstellen willst, um mich in deinem Bild und
als "Ganzes" schon "zu haben", mein Lieber, ihr denkt immer
nur an das Eine, sagte sie scharf, machst schön auf platonische Denkliebe in
abstracto, damit fängst du mich nicht, sagte sie plötzlich heftig, daß ich ganz
verdattert schwieg.
Zu sehen ist ja der Schein, wir erkennen das, was wir
ersehnen, als dieses Nichts, ach, die Kunst, auch sie: Vorspiegelung, was
bleibt, ist der sinnleere Raum, das H., wenn wir wissen, was da geschieht, mit
uns geschieht und geschehen ist, wir
handeln nicht frei, eingeengt, die Situation, die wir jetzt erleben, auch als
Einfall, ist strikt gebunden an die Kette, und jetzt ausgelöste Kettenreaktion
vorhergegangener Ereignisse in uns um uns, die Kette fesselt, ist unsichtbar,
wir nehmen sie nur wahr als Macht äußerer Ereignisse, nicht als das, was wir
verursacht haben, mit dem Resultat, das wir sind, die Macht der Ereignisse, die
hinter uns liegen. Vergiß es auf keiner Ebene, das H, am allgemeinsten und
anscheinend uns so fremd, gewaltsam Asche und Atom, das zur Leere führt, und
erst dies mit aufgehoben im Bild, kann das, was wir tun, auch was du da auf
deinen Blättern tust, ich weiß, unweigerlich wird auch das, was ich sage, auf
deine andere Seite kommen, aber hüte dich!
Du bist schon hier, entgegne ich nun, aufblickend aus dem
hypnotischen Blatt Papier, hier: meine Vorstellung, festgefroren im Laut, in
der Silbe, auch wenn es dich nicht mehr gibt, alles vergangen ist, was
festgehalten werden soll, hier.
Ach, Ruth, verzeih, nichts anderes wolltest du doch
selbst:
Wir meinten, ALLES sei
Bezug, verschwanden darin, im Schein, der uns trog, wir dachten, nur die
Bedingung für die Möglichkeit unseres Erscheinens müßten wir herstellen, dann
wäre, das, was wir empfanden, schon Liebe, und auch schon ein Kunstwerk. Es
wäre mehr gewesen, wenn es Liebe gewesen wäre. Es reicht nicht aus, diesen Raum
zu haben, ihn zu bedenken, auszufüllen, er bleibt unausgefüllter Rahmen, kein
Kontext, auch dieser im Künstlerhaus, samt den Erregungen, die in dem
Selbsthergestellten wie Funken sprangen, reichten aus, die Sehnsucht zu erfüllen,
nein, dazu gehört jene Liebesfähigkeit, von der du ein Zitat erbatest, ich
hatte es in der Vitrine auf der Wartburg gesehen, ein Foto eben von einer Reise in den Osten mitgebracht, aber der Schlüssel
reicht nicht aus, nicht einmal die Türe, wenn es dahinter kein Zimmer gibt; es
bleibt hektische Leere vor der Tür, oder im Anprobieren des Schlüssels, ein
Drehen im Loch, die Leere.
Du hast es ja in den Kunstkontext deiner Reliefs selbst
eingebracht, und faszinierend, daß ich
trotz allem davon erfüllt sein konnte, wie mit dir: der Wahrheit dieser
Bedingung heute, so bleibt die Magerkeit unserer Zeit gewahrt, als Kritik,
Unterscheidung also, schmerzliche Teilung, Mit-Teilung-Sein auch an dem, was
wir meinen kreativ tun zu können oder in der Liebe Nichtssein zu können;
Ausstellungs- ja, Museumssituationen hineinverarbeitet, in die Reliefs nicht
nur, ihre eigene Lage in ihnen enthalten, aussagend, was sie nicht sein können:
Bäume zum Beispiel, nicht einmal Holz oder wirkliche Labyrinthe, sondern
Simulationen und Modell ihrer eigenen Bedingung.
Und höre dich: auch unsere Liebesillusion ist solch ein
Museum. Retten kannst du dich nur, indem du sie genau so entlarvst, wie ich es
versucht habe. Daß es künstlich ist und war, dürfen wir nicht ernstnehmen, um
weiter leben zu können, doch ist es unabdingbar notwendig, es zu wissen und zu
verschweigen. So treffen sie genau auf den Ort, den sie als Ereignisse
nachstellen, im Wissen davon, aber gehn sie unter; was bleibt ist nachhallende
Bitterkeit, hier zu sein, wo nur das Absurde zur Wahrheit entstellt.
Alles löst sich in einem unsichtbaren
Gesamtzusammenhang auf. Wir haben große Worte dafür wie "Tod" oder
"Gott": Das Bild, die
Außenwelt verschwinden, sind nicht fassbar; ihm wird jede Einzelwirkung
genommen; alles eilt der Zukunft zu, die der eigentliche Hauptakteur ist, und
wo ein großes Versprechen eingelöst wird, das man ahnt, noch nicht weiß, dem
aber in einem rasanten Tempo die Sätze zustürzen. Eigentlich ist alles ein
einziger offner großer und bodenloser Satz. Und so wird tatsächlich verhindert,
daß wir uns ein BILD machen oder ein Gleichnis und Sinn suchen. Denn an sich
gilt das Detail, das Sichtbare nichts, ist nur Funktion und auf etwas anders,
noch Unbekanntes bezogen; jede Handlung hat in sich schon das Zukünftige, ließe
sich nur von da aus begreifen. Dieses aber ist fast immer die Katastrophe, ein
Untergang, das Zeichen dafür steht schon am Anfang, was geschieht, holt nur die
Zukunft gewissermaßen ein, wiederholt, das, was tödlich in ihm steckt, am Ende
als unausweichliche Katastrophe und Tod oder als erschreckendes Geschehen, das
so tut, als breche es ein, war aber schon längst da und zeigte sich schon
vorher als Warnung. Im weitgespannten Rahmen des Geschehens, wird das für unser
beschränktes Sehen völlig Unvereinbare Detail für Detail aufgedeckt, wobei die
Einzelheit wieder vom nicht-begreiflichen angesteckt ist, genau wie wir es
heute so evident in der Wirklichkeit ziemlich offen nun erkennen können.
In einer spannenden Geschichte "Das Haus" hat
Maurois nicht das Haus zur Begegnung mit Geistern geführt, ondern das Haus ist
ein Produkt der Träume, mehr noch: die fiktive Erzählerin, die das Haus träumt,
war selbst im Traum abwesend und hat das Haus mit ihrn Schatten bewohnt, das
sie in der Nähe der Isle-Adam später in der Wirklichkeit wiederfindet, als wärs
eine Umkehrung des Deja Vu.
13. August 93.
Allerherrgotsfrüh. Ein Hahn krät in der Nachbarschaft, Morgendämmer, aus der
Dachschräge fahles Licht. Der Hund träumt und grunzt in seinem Korb. Vögel
singen durchs offene Fenster in die Synkopen des Hahns. Und sah das Gesicht von
Nikolaus K. vor mir. Mußte an Nikolaus K. schon vorhin denken. Denken nachts,
Freund und Hörspielredakteur in Frankfurt, gleichaltrig, der sehr krank zu sein
scheint. Aids? sagte L. Er ist homophil, hats immer, auch mit einer Freundin,
zu verbergen versucht. Er hat meine grenzüberschreitenden Ansichten nie
geteilt, es gab Streit. Zwei Jahre Pause. Und jetzt, ausgerechnet jetzt hatte
ich ihm geschrieben.
Er wollte es mir nie glauben, daß es kein Ende gibt.
Plötzlich fällt mir Bohrers Bemerkung in seiner "Plötzlichkeit" ein,
daß Kleists Selbstmord durchaus auch mit der Überzeugung jener Zeit zu tun
hatte, es gäbe eine Weiterentwicklung der Seele nach dem Tode. Lessung, Kant
und die Aufklärer hatten es propagiert (ist dies die "Erziehung des
Menschengeschlechts"?, von dem wir weder auf dem Gymnasium noch an der
Universität, nachher im Kulturbetrieb erstrecht nie etwas gehört hatten?!) Kant?
Hatte ich ihm mit meinen Angriffen Unrecht getan, daß seine Philosphie aus der
Verdrängung dieser Sphäre (ins "Ding an sich") entstanden sei?
Im Halbschlaf noch vor dem Aufstehen, ich versuche es um
sieben, es gelingt selten, da ich ab fünf oft wach liege und die Gedanken für
den nächsten Tag kommen, auch die Träume arbeiten nach - war mir klar, daß das Unheimliche auch aus
dem Exaktesten schon kommt, es auch gefühlsmäßig - im Zustand bestätigt. In
meinem Berliner Celan-Vortrag im Literaturhaus (März 93) hatte ich das auch gesagt,
die Passage lautet:
"Paul Celan hatte
etwas begriffen, erlebt und erfahren, was andere Menschen in ihrer
Idylle nicht begreifen konnten.Es ist
ein `Aus der Sprache fallen` der Dinge, doch dieses Fallen ist zugleich
auch "ein Kernpunkt der Krankheit Schizophrenie", es ist das Erleben,
daß die selbstverständlichen, für
Gesunde sich nur wiederholenden Dinge des Alltages dem Nicht-Normalen
furchtbar neu sind. Eigentlich eine
unerträgliche Erkenntnis der unverhüllten Wirklichkeit, die kollektiv auch im
Todeslager furchtbar erlebt wurde: wenn das Vertraute zerreißt, etwas sowohl
völlig Neues, wie auch etwas in Gedanken
nicht Faßbares da ist. Der Zeitfluß wird nackt, stockt, wie beim Sterben.
Alles scheint einfach, doch gerade diese Einfachheit
macht verrückt und jagt Schrecken ein. Der Bruch ist viel umfassender, weil er
heute den durch Historie veränderten Tod mit dem Weltbild der Physik, das genau
in jene unheimliche Richtung weist, verbinden müßte. In Celans großem
Gedicht-Zyklus "Engführung" klingt schon 1959 dieser neue Ton an.
Celan stellt Sprachinstrumente zur Beobachtung des in der
"Gewohnheit", der Wahrnehmung Noch-Nicht- Vorhandenen her:
"Orkane./ Orkane, von je,/ Partikelgestöber, das andere,/du/ weißts ja,
wir/ lasens im Buche, war/ Meinung.//...Wie faßten wir uns/ an mit/ diesen/Händen?"
G I, 200.
Vom Atom wissend, daß Außen, feste Welt nur
Wahn ist, versuchte Celan eine "Spektralanalyse der Dinge".
Durchaus
richtig beschrieb Tuwia Rübner bei einem Celancolloquium in Haifa in
seinem Diskussionbeitrag "Lyrik
nach Auschwitz" des Dichters unheimliche Lebensstimmung und Sprachkunst,
kafkaähnliche "von Buch zu Buch
atomarere Textualität" herstellend, beschrieb sie mit einem Zitat
aus Eddingtons "Weltbild der Physik": "Ich stehe auf der
Türschwelle, im Begriffe, mein Zimmer zu betreten. Das ist ein kompliziertes
Unternehmen... ich muß auf einem Brett
zu landen versuchen, das mit einer Geschwindigkeit von 30 Kilometern in der
Sekunde um die Sonne fliegt; nur der Bruchteil
einer Sekunde Verspätung, und das Brett ist bereits meilenweit entfernt... auch
hat das Brett keine feste Substanz. Drauftreten heißt auf einen Fliegenschwarm
treten. Werde ich nicht hindurchfallen?" Tuwia Rübner, "Lyrik nach
Auschwitz" a.a.O. (Fußn.12), S. 42ff).
Für den Romanautor Hermann Lenz schien Celan ein Mensch,
der "bewegte sich wie einer, der dem Boden nicht traut." Und genau
dieses ist heute wirklichkeitsgerechter als die Annahme einer gesicherten "festen Welt".
Hermann Lenz, "Erinnerungen an Paul Celan" a.a.O. (Fußn.9).
12. August
Traum: in S. ein altes Haus.
Werde von vielen Mädchen begrüßt. Eine liegt neben mir, Marcella. Sie sind alle
komisch freundlich, aber zurückhaltend, reagieren aber sofort auf jede Bewegung
von mir, als ich nach M. die Hand ausstrecke, rollt sie sich sofort in mein
Bette. Und kreicht wie eine große Katze unter die Decke, ja,ja, so ists gut,
sagt sie, zu dir. Dann schickt sie eine andere, kleine, alles spielt sich in
einer Art Küche ab, ins Nebenzimmer, die bringt einige große Scheine, Franken
und D-Mark. Die soll ich bekommen. Wieso, frage ich mich, schweige aber, nehme
das Geld und gehe schnell die Treppe hinab, beginn zu laufen. Es ist klar, sie
haben mich für ihren Zuhälter gehalten. Viele Hinderniss, Zäune, Sackgassen.,
Bauplätze usw. stellen sich mir in den Weg auf meiner Flucht. Es gab da auch
eine Begegnung mit jungen Typen, doch zu einer Schlägerei kam es nicht. Hab ich
meinen Beruf verfehlt?
In der "Hermannstädter
Zeitung" ein Artikel über den Schüler-- Aufsatzwettbewerb "Ich, als
Deuitschsprchender in Rumänien". (Aus einem Schülerwettbewerb ist einmal
die "Aktionsgruppe Banat" hervorgegangen.) 98 Auzfsätze. Die Hälfte
Rumänen und Ungarn. Not. Schüler vom Land erleben die Verölassenheit. Ausgewandert
sind sie, die Bewohner diesr schönen Häuser, einen Teil ihres Leben shatten sie
hier leigengelassen." "Hätte ich auch gehen sollen? Hier gibt es was
aufzubauen, dort ist alles schon fast fertig. Fleiß braucht man überall, doch
dort läuft alles fast von selbst... HIer braucht man Pioniergeist, Begabung im
Improvisieren." Die meisten wollen bleiben. Tränen in den Augen beim
Treuebekenntnis der Mehrheitler. Seelische Bindung an Deutsch. Sie werden diese
Kultur möglicherweise fortführen. Auch wnen sie Nachteile, ja Haß hinnehmen
müssen. Bindung an diese Sprache und Kultur und die sbg. Tradition.
Wieder Gedichte von Anemone L. Sie sind gut. Und lese
ihre Sonette an G.C. als sie sich trennten, diese Trauer der Verlassenheit.
Dieser Riß im "Weltwechsel (blödes Wort), der mir einmal so naheging.
Jetzt? Ich gehöre nicht einmal mehr in diese Trauer. Ganz trocken geworden im
Nirgendwo. Hier ist das Nirgendwo. Das merke ich auhc im Umgang mit den ganz
andern Menschen hiert, die ein anders Leben haben, meines gehört nicht dauzu,
ihres zu mir nicht. Wie vertraut und warm jene ander Atmosphöre wie
glöeichgültig diese. Nichts, nichts ist vergessen.
Ein Gedicht vom 9.8., das so weit, zu weit oben ist:
HOFFNUNGS-
LOS
Habe ich tatsächlich
den Glauben/ an etwas
Kommendes? Dort ist die
Hölderlinie weiter gereist
am Neckar zur Kokel zurück.
Am Meer aber
aber vom Ich weggefahren,
der Tod.
Keine Frage: die Grenzen
sind ersehnt und befreit,
käme ich an, käme einer
ichlos an: säuft am Abend
entspannt, der Augenblick
offen, rätselt aber die
Frühe
eben im Tau.
Doch weiter, immer weiter
entzieht sich der Horizont,
komm ihm näher,
unfassbar ist und nie
das Kommende,
genau am Horizont,
genau die Sekunde,
die im Gras IST eben
verendet.
Aber fernangekommen hier am
Waldrand heimgekehrt
auf eine Breite: hier, ja
der Bogen zurück
ein Ich niemals mehr -
Nein, tatsächlich darüber
hinaus, Gesetz aus
der Leere/ wo Ich/ langher:
verschwunden bin, und
zurückgelassen ist: das
Späte
Glück, wenn kein Auge mehr
haftet:
Nein, würfelnd sammelt, Ja,
Er würfelt ja doch
unter der alten mittel-
meerigen Iris: Schwarz
auf Weiß. Stiftet sich
Selbst. Kein Kreis,
Nein: vier Ecken
der Welt, ein Ent-
Wurf gefangen mitten
im Entkommen.
Es geht, um den Zweifel an der Zukunftshoffnung, ähnlich
wie sie N. hatte. Und doch ein "Kern" in uns ist, diese Hoffnung.
Im Tagebuch gelesen. Und
dort die Szene mit Bianca Döring, ich erzähle ihr von meinen Schreckmomenten
hier auf dem Berg, nachts; diese Öffnungen, Angst schafft einen freien Raum
jener Fremde, wo Wahrheit aufblitzt: das Unheimliche nach Freud. Bei Heidegger
ogar Methode.
Meine Mittel: Totenstimmen auf Tonband nachts
aufzunehmen. Dies Gruseln ist alt. "Das Schaudern, heißt es sogar im
Faust, sei der "Menschheit bester Teil". Aufzurütteln, aus dem andaurenden
Selbstvergessen.
Geistergescjhichten z.B.
24.1. 92
Gestern Gespräch mit Bianca
Döring, junge Autorin. Was interesiert ist ja Sprache. Und das unheimliche, die
Grenzgänge.
Wie Schleef. Oder auch der
Knecht von Werner Fritsch im "Cherubin". Ich hatte ihr dise Geschichte erzählt und sie
härte fasziniert zu, als käöme ich in diesert Sphäre der Wahrheit nah:
Es war im Dezember,., kurz vor Weihnachten. Ich schrieb
an einem Vortrag in meinem Zimmer in C., es war Nacht. Da knackte es im Raum,
irgendetwas klirrte, vielleicht ein Vogel, der aus Versehen ans Fenster
geschlagen hatte. Und die ganze schöne Ordnung, woraus ich für diese Rede, die
ich vorbereitete für ein Tagung an der Kölner Universität, brach zusammen, und
was ich da sagen wollte, schien mir plötzlich höchst lächerlich. Das Alleinsein
nachts hier, vor allem nach zwölf Uhr ...
Eine Ecke ist da in meinem Zimmer, wo es hoch hergeht, woher ich nur den
Ausdruck habe, "hoch her geht", stimmt genau: da die Unsichtbaren dort wohnen, ganz nah am
Fenster zum Wald, sind auch und nie zu greifen, aber da.Mondsgefrieser, könnt
ich meinen. Und wenn es Nacht wird, reichen sie herein, und rühren mich von
hinten an. Da steh ich auf, dreh die Deckenlampe an, dann erst knipse ich die
Schreibtischlampe aus und geh mit dem Gesicht der Tür zu, Rücken ihnen zugwandt
und rückwärts, Schritt für Schritt, immer den Blick in die Vergangenheit,
schnell, so schnell Es in mir geht, zur Tür hinaus zum Schlafen, zum Treff mit
ihnen im Traum, wo sie eher hingehören als in den Blick, der mich trifft und
erschreckt, denn im Traum bin ich ja ganz bei ihnen, einer der ihrigen, das
weiß ich, und flieg. Doch hochgefahren aus dem Traum, ist es auch ganz voll im
Zimmer mit ihnen, und ich geh unter die Decke, um nicht mehr da zu sein, das
löst sich heiß und weich auf, aber schwitzend schon.
Und dachte: Bei Celan sinds doch auch lauter
Geistergeschichten, jenes "Fremde", "Andere"
"Unheimliche" aus dem Meridian? Aber gerade die Öffnung, seine
Überraschung, sein Rätsel, des Nie-darüber vorher Bescheidwissens- ist ja...
auch dieser Schrecken auch in einer Geschichte, oder im Gedicht, das spricht
nur so, wie es in der Büchnerpreisrede heißt: " wer weiß, vielleicht in
eines ganz Anderen Sache? Und es würde einem vor Angst die Sprache verschlagen,
und das Absurde eine Geste, jenseits der Sprache: erkennbar etwas Ganz Anderes
in der Emotion, Ahnung, Furcht und Zittern gar im Undenkbaren? In der Literatur
als Trick eingesetzt? wie eine Katharsis. "Den Draht zerreißen",
alles andere Wortanpassung?! Opportunistisches Schreibnen? Der Zustand ist
durch Sprachhilfe zu erzeugen, ja, aber die Sprache muß hlflos, muß unnötig
werden. Eine Art mysterium tremendum, vielleicht, wie Rudolf Otto sagt, es
könne zu "fast gespenstischem Grausen und Schauder herabsinken". (Das
Heilige). Ich nahm mir fest vor, dieses in Köln zu asagen, und wußte schon im
gleichen Augenblick, daß dies unmöglich ist. Und warum? Alle würden lachen,
ddies Angst kenn kaum noch einer, Niemand mehr, und ist doch das eigentliche
Nirgendwo und Nicht-zu-Hause -sein, nach dem wir uns sehen, ein Wiederschein in
der Kindheit, mit Großmutter auf der blauen Vranbda in der Morgenfrische, Sonne
scheint durch die bunten Glasfenster auf den Frühstückstisch usw. aber was ist
vertraut: dies?
Mich hat da die Gecshichte des Russen, Herrn
Mamtschitsch, beeindruckt, der die vierzehnjährige Schwester Paladja eines
Freundes aus Kiew als Reisemarschall auf die Krim begleitet jhatte, und die
wenig später an einem Aneurismabruch starb, und dann auch in Kiew, als er, Herr
M., der Offizier, mit einem Dienstkameraden in Kiew eine neue Wohnung in der
Prorjesnajastrada bezogen hatte, und auf einem eben hereingetraghebnen Klavier
spielte, Palladja plötzlich in der offenen Tür stehen sah, die aus dem Sal in
sein Arbeitszimmer, wo das Klavier stand, führte, sie, ein wenig von der Seite,
aber ihm zugekehrt, das Gesicht, und ihn ganz ruhig anblickte, gnau jen
Kleidung trug, die sie im Tod getragen hatte, und verschwand dann nach wenigen
Minuten hinter der Tür des BNebenzimmers, löste sich sozusagen in Nichts auf,
und einmal, sie kam dann immer wieder, kaum sprechend, nur einmal das Wort
"Ruhe", mit jenm besonderen Klang, und da hatte Mamtschitsch jedesmal
dieses Schauderbn im Rücken, ervblaßte, und leicht aufschrie wie ein Anhalten
des Atems empfand und die Sprache so verschlug, als wäres auf der Schwelle der
Tür, eine Art Versuch jens Sogs, im Einzelnen, in ihm freilich noch,
dahinzukommen, wo er mit seinem Bewußtsein sonst nie sein konnte, eben das
Unheimliche so erzeugte, als außergewöhnlichen Zustand, der ein andauernder
hätte sein müssen, um jeder Lüge zu entgehn, als wäre das, was sich täglich
zeigte, einzig wirklich, und dr Zustand sei auch nicht die Wirkung eines
Erschreckens oder einer Erregung gewesen, sondern etwas Ganz Anderes,
vielleicht waren es bei solchen Zuständen die oft beobachteten Anzeichen einer
außergewöhnlichen Beanspruchung zum Zweck eines Sichtbarwerdens jener, die
eigentlich keine Person mehr sind, sondern ein anderes Strömen und Wirbel, und
unsere Halluzination, eine Art Wahnsinn an sich ziehen, um erscheinen zu können
mit Hilfe unserer Augen, Lichtverarbeitend,
und eines von uns im Gedächtnis gespeicherten Bildes - alles aus
atomaren Konturen sozusagen hervorsteigend, und jenseits jener rasenden Lichtwelt,
aber über sie hervorbrechend.
Und da fiel mir das Wort eines Freundes ein, Forscher auf
diesem Gebiet, der Jung zitierte, und von unserer Schwäche sprach, das
Traumleben enorm mitgenommen, beschädigt das Unterbewußtsein sogar, so daß uns
die Kräfte fehlen, um sie jenen, die sich da drängen leihen zu können; so sei
auhc die gesamte Totenwelt durcheinader geraten, nicht nur unsere. Sie
versuchten es jetzt über Mikrophone und Fersehen, an der Grenze der
Lichtgeschwindigkeit, wo nun alles sozusagen "automatisch" und ohne
uns vor sich geht: so die sogenannten "Tonbandstimmen" entstehen.
Und meine Flucht, wenn mich solche ZUstände nachts
überkommen, schien mir nun gewissenlos, was und wewn versäumte ich dann, der
mich brauchte.
Da bleibt nur der "interessante" Zustand und
oihne Folge. Es ist das Verborgene, Nicht-Vertraute. Daß es roh ist, aber
äuß0erst intensiv, "Gänsehaut", Haare zu Berge stehen, unnd selbst
Otto erkennt an, daß "Spuk- und Gespenster-Erzählungenb" "auch
aiuf hohen Stufen der allgemeinen Gemüts- bildung "Gewlt und Reiz habe.
Für Heidegger ist "Angst eine ausgezeichnete Erschlossenheit des
Daseins", er verweist auf Augustinus timor, auf Luther und Kierkegaard in
"Sein und Zeit". Vertrautheit zerbreche, und in der Angste sei einem
"unheimlich", es sei Nichts und Nirgends, das Nicht-zuhause-sein und
zeige so die "Grundverfassung des daseins" an, soar die "Klärung
des existentiellen Sinns". Und zerbricht "die alltägliche
Öffentlichkeit des Man, das die beruhigte Selbstsicherheit, das selbstverständliche
"Zuhause-sein" in die durchschnittliche Alltäglichkeit des Daseins
bringt". (S. 188/89.) Das eine "Flucht vor dem Unzuhause, das heißt
der Unheimlichkeit" sei.
Weniger erhellend und nicht vom wirklichen Schrecken, nur
vom Literarischenb ausgehend, ist Karlheinz Bohrer in seiner "Ästhetik des
Schreckens". Wobei allerhei Unheimliches von Hoffmansthal bis Jünger
gebracht wird. (Plötzlichkeit, 1981). Besser dann 1991 (Merkur 506): "Erwartungsangst und Erscheinungsschrecken".
Ausgehend vom Tragödienschrecken und dem Medusenhaupt - das wie ein
abgeschlagener Kopf ist, starr macht. Chock erzeugt.
Am besten das Kapitel über den "gefährlichen
Augenblick."
Zwitfolge muß zerrissen
werden, viel mehr noch als in der Novelle, einer "unerhörten
Begebenheit", KOntuität der erzählten Zeit aufgehoben. Unvorhergesehnens
Ereignis wichtig, als Zeit-- Geschichte sozusagen, denn es "gibt keine
Aussage, die rekevant wäre über einen Augenblick hinaus". Niemand war in
der nächsten Sekunde. Grauen bei Nietzsche: weil "der Satz vom
Grunde" eine "Ausnahme erleidet," sernn der Mensch plötzlich an
an den Erkenntnmisfprmen der Erscheinung irre werde." Eine "große
Loslösung" subjektiv "Subjektivität eschatologischer Erwartunbg"?
Jeden Augenblick möglich, was uns trennt: die Wand. (Ändert euer ganzes
Bewußtsein, denn das Reich des Himmels ist DA. Seligpreisungen ?) Keine
Erkenntnis mehr aus der Therie, nur Bexcshreibung was ist? War also schon damals
das, was heute gilt: "Anspruch antiideologischer Freiheit" (Bohrer).
Eben , eben alles zum Teufel schickn, das "langweilig" wird. Und
Kierkegaard: "Das Dämonische iost das Plötzliche" (Der Begriff
Angst). Bohrer unbedingt weiter.
So aber wäre das, woran es gemesenn werdebn könnte: das
Totengespräch. Die KZ-Geschichte. Schrecken im Alltag. Vor allem aber: die
Geistergeschichte. Alles, was Gewohnheit zerbricht. Es ist doch so, daß
Geistergeschichte mit Schuldkomplexen umgehn. Und von Untaten und Gewalt
ausgeht. Diese ERscheinungen eben reißen uns ins Fremde, und dies müßte im Satz
gut übertragen werden auf den Leser. Aber ich muß selbst davon ergriffen sein,
der unerbittlich andern Welt. An ihr muß nicht nur die Handlung, das Ereignis,
die Zeit ins Paradoxe und Absurde kommen, sondern auch die Sprache selbst. Dies
müßte erarbeitet werden. Jetzt habe ich wenigstens einen
"Auf-Hänger".
Müßte solche Szenen und Txexte als Rohmaterial suchen. In
Macbeth. Lenz. Büchner z.B. Matthiesen?
Ein mein Hörspiel für den SDR "Der
Doppelgänger" brachte ich noch folgende Szene mit ein:
TEMPLIN: Ja, ich kann dir
eine Geschichte dazu erzählen. Das war Weihnachten, und ich war
mutterseelenallein in Lucca, Freunde hatten mir ihr altes Haus überlassen in
der Via del fosso, sie mußten zu ihrer kranken Mutter nach Rom, und das Haus
stand leer. Es ist nicht schön, aber wahr, was ihm einsamen Haus passierte. Da jeden solch komisches
Gefühl befällt, der Weihnachten allein bleibt, als wären wir dann Kinder. Und
im Haus, nahe vom Fenster ists sowieso unheimlich, dem Wald zu bei mir, deshalb
war ich nach Lucca gekommen. In solchen Momenten bist du ganz aufgeschlossen,
wund, Angst steht dem, was wirklich im Grunde ist, nah. Starke Gefühle.
MICHUM: Eine Art tremendum
oder?
TEMPLIN: Und ich war froh,
als es läutete, sah durch den Spion, da stand ein jüngerer Mann, ein wenig
seltsam altertümlich gekleidet. Doch hier ists bei manchen Brauch, zu Neujahr
sowieso. Sogar Masken. Und der fing an zu sprechen:
STIMME GRANUCCIS:
Verzeihung, da dachte ich, es sei mein Zimmer.
TEMPLIN: Sind Sie auch
allein? Fragte ich gleich, dachte, das sei ein Nachbar vielleicht, der die
Zimmertür verfehlt hat.
GRANUCCI: Hoffentlich
glauben Sie nicht gar, ich hätte mich absichtlich geirrt, Signore, ich dachte
wirklich, es sei mein Zimmer, ich wohne erst seit kurzem hier zur Miete.
TEMPLIN: Ich nahm das für
einen Trick.
STIMME: Ich hatte keine Lust
zu meiner Familie aufs Land zu fahren, ich bin nämlich Schriftsteller, und bin
hier geblieben.
TEMPLIN: Ja, dann! - Nun,
das war auch die Erklärung für seine extravagante Kleidung. Und fragte: Woran
schreiben Sie denn?
STIMME: Nun eine Art
Tagebuch ists, auch Gedichte. URBANO nennn ichs. Meine Mutter behauptt, es sei
alles Unsinn, was ich schreibe. Weil ich jung bin. Ich fühle mich aber alt.
TEMPLIN: Nun ich hatte ihn
akzeptiert. Bat ihn zu bleiben. Und ging
in die Küche um ein Weihnachtsessen vorzubereiten. Als ich wieder kam, war der
Mann verschwunden. Ich fühlte mich noch einsamer, als vorher, aß abwesend von
der kalten Platte und griff nach einem Buch. Zufällig wars ein sehr altes
italienisches Buch. Ich blätterte darin, es waren Aufzeichnungen, ich stieß auf
das Datum des Heiligen Abends 1571, und las in altem italienisch, das ins
heutige Deutsch übersetzt, folgendes berichtet: "Das erstemal allein zu
Weihnachten. Ich hatte ein höchst sondrbares Erlebnis. Als ich von einem
Spaziergang heimkam, saß ein älterer Mann in meinem Zimmer. Zuerst glaubte ich,
ich hätte mich in meiner Zimmertür geirrt und in ein fremdes Zimmer geraten,
aber das erwies sich als falsch. Und nachdem wir uns eine Weile nett
unterhalten hatten - war der Mann auf einmal spurlos verschwunden. Ich glaube
fast er war ein Geist. Gefürchtet habe ich mich allerdiungs gar nicht, er war
sehr sympathisch, und siogar recht vertraut, mir äuß0erordentliczh ähnlich, als
wäre er ich, der ich einmal im Alter sein werde."
*
Heute hatte ich mich hier wieder geärgert, weil die
Putzfrau meinen Namen nicht wußte, keiner kennt ihn hier; die Italiener sind
eine für Fremdsprachen völlig untalentierte Nation, nicht einmal meinen
Vornamen könnenen sie aussprechen. Gottseidank, wer fleißig ist kann
sich durch Schreiben und Reden, vor allem durch Talk Shows im Fernsehen einen Namen machen. Hätte ich
doch hier gleich den Profesore eingeführt, wären die titelbesessenen Leute hier
sofort eingestiegen; wer keinen Titel hat, hat auch keinen Namen. Aber ich
hatte ihn ja sowieso seit dem Exil verloren.
Mein Trost ist meine Einsamkeit. Im Alleinsein finde ich
zu mir selbst. Ich schrieb an einem Vortrag in meinem Zimmer, es war Nacht. Da
knackte es im Raum, irgendetwas klirrte, vielleicht ein Vogel, der aus Versehen
ans Fenster geschlagen war. Und die ganze schöne Ordnung, woraus ich für diese
Rede, die ich vorbereitete für ein Tagung an der Kölner Universität, brach
zusammen, und was ich da sagen wollte, schien mir plötzlich höchst lächerlich.
Das Alleinsein nachts hier, vor allem nach zwölf Uhr ... Eine Ecke ist da in meinem Zimmer, wo es hoch
hergeht, woher ich nur den Ausdruck habe, "hoch her geht", stimmt
genau: da geschieht ganz nah am Fenster
zum Wald etwas, von dem man dann, wenn einer ma nächsten Tag frägt, sagt: es
war nichts. Sie sind auch und nie zu greifen, aber da.Mondsgefrieser, könnt ich
meinen. Und wenn es Nacht wird, reichen sie herein, und rühren mich von hinten
an. Da steh ich auf, dreh die Deckenlampe an,und knipse dann erst die Schreibtischlampe aus, geh mit dem
Gesicht der Tür zu, Rücken ihnen zugwandt und geh rückwärts, Schritt für
Schritt, immer den Blick in die Vergangenheit, schnell, so schnell Es in mir
geht, zur Tür hinaus. Leg mich Schlafen zum Treff mit ihnen im Traum, wo sie
eher hingehören als in den Blick, der mich trifft und erschreckt, denn im Traum
bin ich ja ganz bei ihnen, einer der ihrigen, das weiß ich, und flieg. Doch
hochgefahren aus dem Traum, ist es auch ganz voll im Zimmer mit ihnen, und ich
geh unter die Decke, um nicht mehr da zu sein, das löst sich heiß und weich
auf, aber schwitzend schon.
Und dachte nun. während ich die TReppe hochging: Bei
Celan sinds doch auch lauter Geistergeschichten, jenes "Fremde",
"Andere" "Unheimliche" aus dem Meridian? Aber gerade die
Öffnung, seine Überraschung, sein Rätsel, des Nie-darüber-vorher
Bescheidwissens- ist ja... auch dieser Schrecken in einer Geschichte, oder im
Gedicht, hat mit diesem verlegenen "es war ja Nichts" zu tun, das
spricht nur so, wie es in der Büchnerpreisrede heißt: " wer weiß,
vielleicht in eines ganz Anderen Sache? Und es würde einem vor Angst die
Sprache verschlagen, und das Absurde eine Geste, jenseits der Sprache müßte
geschehen: erkennbar etwas Ganz Anderes in der Emotion, Ahnung, Furcht und
Zittern gar im Undenkbaren? "Den Draht zerreißen", alles andere
Wortanpassung?! Opportunistisches Schreibnen? Der Zustand ist durch Sprachhilfe
zu erzeugen, ja, aber die Sprache muß hlflos, muß unnötig werden. Eine Art
mysterium tremendum, vielleicht, wie Rudolf Otto sagt, es könne zu "fast
gespenstischem Grausen und Schauder herabsinken". (Das Heilige). Ich nahm
mir fest vor, dieses in Köln zu sagen, und wußte schon im gleichen Augenblick,
daß dies unmöglich ist. Und warum? Alle würden lachen, diese Angst kennt kaum
noch einer, Niemand mehr, und ist doch das eigentliche Nicht-zu-Hause -sein, das Vertraute
zerbrochen, von dem alle nur reden.
Nur noch in Wahnsinnszuständen wird die Pappwelt, die
wirvfür lebendfig halte, unsere in einer Art "Atomlicht" sichtbar.
Marguerite Sechehaye berichtet von ihrer "kranken" Renee, d. h. diese
sahgt es selbst: wie auch ihre FReundin fremnd werde bei einem Besuch, sie
versuchte "verzweifelt, Kontakt zu ihr zu bekommen, zu spüren, daß sie
wirklich da war, lebendig und greifbar. Aber es wurde nichts dartaus... und
dennoch erkannte ich sie ganz genau. Ich wußte, wie sie hieß, und alles, was
mit ihr zu tun hatte, und trotzdem kam sie mir fremd vor, irreal, wie eine
Statue. Ich sah ihre Augen, ihre Nase, ihren sprechenden Mund, ich hörte den
KLang ihrer Stimme..." Und das Auß0en erscheint ihr, "wie eine wiete
grenzenlose Ebene, und alles "weiß0 und glänzend wi unter den Strahlen der
Sonne, glänzend wie eine Nadel." Sie sah sozusagen das atomare Geschehen,
das uns trennt.
Mutter, die Geschwister, sie können das, sie erschleichen
sich das Vertraute auch im Fremden, eine Soße deckt alles zu; noch besser im
Dienst, Regierungsräte, Polizisten, Minister, Beamte, Lehrer, handeln alle in
irgendeinem Namen "als" dies als das, offizielle Geschäfte, Betriebe
und so haben Vorhang... Und da fiel mir, wenn ich so an Namen denke, eine
Geschichte ein, die Großmutter immer erzählt hatte, und soll in Kronstadt
passiert sein, einen merkürdigen Ton bekomm ich da ins Ohr, ihren: Es war am
13. August 1905, da starb meine Tante, Lea Coates, Tochter des Ingenieurs
Coates, hör ich die ein wenig singende Stimme der Schwerhörigen: Leatante starb
nach einem sehr zurückgezogenen ereignislosen Leben, wie viele von uns damals
gutbehüteten Bürgersfrauen. Sie hatte einen Anfall oder eine Ohnmacht, während
sie eine Treppe hochstieg, schlug beim Fall mit dem Kopf so heftig auf, daß sie
das Bewußtsein verlor. Sie konnte sich nach
einiger Zeit zu ihrer
gebrechlichen Schwester hinschleppen. Nach einigen Tagen starb sie, nachdem sie
nur für Augenblicke das Bewußtsein wiederlangt hatte. Sie wurde in der
Familiengruft bestattet. Fünf Jahre darauf starb auch ihre kranke Schwester,
die Gustitante. Die dritte Schwester aber, die Tante Marie, die bisher mit den
bneiden zusammnegelebt hatte, zog zu ihrem Sohn Robert, dem Pfarrer ins große
leere Pfarrhaus. Sechs Momnate darauf, etwa im November 1910 begannen dort die
seltsamsten Erscheiungen. Robert mein Vetter war ein geistig hochstehendr und
sehr wissbegieriger Mann. Alles, was dort geschehen war, ist in seine
Aufzeichnungen eingegangen. Ich selbst
war damals nmoch ein halbes Kind, doch die Mutter, die Frau, die Töhchter und
die Dienstmagd waren Zeugen und hatten alles ebenfalls sehen kjönnen, was dort
an unwahrscheinlichen Begebenheiten die Gemüter so erregt hatte. Ich erinnere mich noch, wie meine Tante Marie
zitternd von einem geflügelten kugelartigen Wesen erzählte, dies sei mehrmals
über ihrer Tür erschienen, die Flügel flatterten wie die eines Vogels, erzählte
sie atemlos, und der Vorhang an der Innenseite der Türe sei zur Seite gezogen
worden... obgleich sich niemand näher als 3 Meter davon entfernt, aufgehalten
hätte, erzählte sie, so gab es
meine schwerhörige Großmutter wider,
lautes Kratzen sei zu hören gewesen, während der Erscheinung von einem großen
Vogel, zu sehen auf der Türfüllung, und anscheiunend aus der Richtung der
ERscheimnung kommend, eine Stimme gerufen habe: "Ich brauche dich"!,
wobei dies mehrmals wiederholt worden sei, und die Stimme rufend: Marie, Marie,
Marie, habe es auch auf englisch wiederholt, nämlich: Mary, Mary, Mary, Maries
Name, aber auf englisch, weil ein
Bruder, den sie sehr geliebt, als Schiffsart unterwegs war, unerreichbar
damals, und ein lautes Knurren wie von einem Tier, endend in einem Geheul oder
KLagelaut, ließ es allen kalt über den Rücken laufen, und nichts konnte
entdeckt werden, obwohl die vier Zeugen augenblicklich alles untersuchten,
zumal der Pfarrer, der ja den Geist hätte bannen müssen, was seines Berufes
war, Umgang mit dem Jensiets durchaus diues Gesoenstische zu vrtreiben und
alles zu gesunden, er konnte nur in sein Buch später, am 18. Dezember
schreiben, daß dies Unheimliche sich wiederhole, sogar bei hellem Lampenlicht
gegen sieben Uhr abends, während der Hermann, der Sohn und Ilse, die Tochter
Roberts, im Speisezimmer mit der Mutter, da wurde die Türe plötzlich weit
aufgerissen, und aus dem leeren Türrrahmen die gleiche Stimme rief: Ich brauche
dich! worauf gleich eine hohe Frauengestalt, schwebend und weiß durchs Zimmer
gleitend nach dem Nichts in der offenen Tür, den Vorsaal etwas über dem Bodenb
gehend, durchschritten, zur Küche hin in dem dort sich erstreckenden langen
Gang hinab, und die Mutter mutig, hielt sich unmittelbar hinter der Gestalt,
griff wiederholt nach ihr, aber durch sie durch weie durch Butter, keine Hand
konnte sie fassen mit diesen eigentlich, wie wir nun wissen, auch aus Licht
bestehenden, aber nun festgewoirdenen Fingern und zu dicht, wie die
nachfolgenden Tante Marie und Ilse rein gefühlsmäßig nur und unmittelbar als
tasteten sie selbst, wahrnahmen, ohne jedes Wissen aber, und konnten noch sehen,
wei die Erscheinung, den Fuß der Hintertreppe erreichend, die in den Gang
mündete, die TReppe hinaufstürmte, und als wäre eine richtige Verfolgung im
Gang, beraten die FRau Roberts und Ida , die Magd den Gang von der Küche her,
so daß nun alle schs die weiße Gestalt ganz deutlich sehen konnten, und als die
nun die TReppe erreicht hatte, warf sich Tante Marie sozusagen mit einer Art Hechtsprung,
die ihr mniemand zugetraut hätte, dem Unheimlichen nach; es war dabei ein erstaunlicher Ernst,
und wie angetrieben von mehr als nur Neugierde, alle umgaben das, was gecshah,
mit mehr als ihrem sichtbaren Körper schien es, und keine der Frruen kreischte
und zitterte gar, alles ging eigentlich ziemlich sachlich vor, als wäre ein
fremdes, exotisches Tier ins Haus eingedrungen, das es fangen oder zu verjagen
galt..
...
Was Lea wollte, stellte sich im Laufe der Zeit heraus.
Sie kam noch oft, Robert war vor allem von der Stimme (ein Außerhalb, Nichts,
was beschreibbar ist) beeindruckt, am 22. Dezember besonders deutlich, im Oberstock nebst großem Lärm und Läuten
aller Hausglocken, sechs Personen hörten diese Stimme, langgezogene klagende
Töne, laut und klar aber gesprochen, und gab sich zu erkennen der Mutter und
den beiden Tächtern, am Ende "Gute Nacht"! in langgezogenem
klagendem, Ton, und auch das Ich bra-u-uu-ch-e
d--i-ch, wobei der sonst nüchterne und forschende Robert zur Ansicht
kam, daß der anscheinend heftioge Schmerz, der in der Stimme lag, der Art der
Erzeugung der Stimme zuzuschreiben sei, und nicht so sehr einem wirklichen
Kummer, vielleicht auch dem Echo in uns selbst, das Einmalige dieses Tönens aus
einem Hohlraum der Ferne, der das Abwesende ganz nahe bringt, etwas, das alles
Gewohnte zerreißt, den Anschein eines Durchbruchs dessen, das so fremd ist und
ddem wir doch angehören, meinte der Pfarrer, und ließ seine Frau und die
Töchter untersuchungshalber diese Stimme nachahmen, was nicht gelang, die
Wirkung war völlig unähnlich nämlich es war möglich bei all diesen Versuchen,
der Stimme einen genauen Ort anzuweisen, die Stelle, Richtung usw. aus der sie
kam, die Stimme aber schien von irgendwo aus der Luft zu kommen und sich von
Zimmer zu Zimmer fortzubewegen, jedoch auf eine schwebende und hellhörige Art,
wo ein unsichtbarer Hintergrund wie ein Trichter und Sog ein Echo bildete, das
eine nicht erkennbare Mauer zu durchschallen hatte, und an keine Person
gebunden war, wie die Stimme auch.
Ich dachte an Palladja, und daß "sie" uns
tatsächlich brauchen würden, doch sie "dringen nicht mehr durch. Bei
unserem Nachbarn, dem alten GBF, der ein überzeugter "Unglaubiger"
ist, wie er selbst immer wieder betonte, dessen Frau vor zwei Jahren gestorben
ist, kamen zwar auch seltsame Phänomene vor, und sie rufe ihn jede Nacht mit
seinem Namen, als hielte sie sich daran fest, einmal hatte sie auch in alten
Briefen und Dokumenten "gewühlt", etwas gesucht, alles auf dem Boden
liegen lassen, doch keiner wußte, welchen "Sinn" dieses Suchen gehabt
hatte, und in ihm hatte auch keine weitere Ereignisebene PLatz, alles blieb
stumm, bis auf den rufenden Namen.
Ähnlich gings auch in meiner Familie vor vielen Jahren
zu, nur, damals war der Kontakt noch zustande gekommen, immer wieder durch die
Stimme, die "Ich brauche dich" rief. Man versuchte es, um bessere
Auskunft zu erhalten, mit Klopftönen, die weniger anstzrengend sind für beide
Seiten, und da kam tatsächlich auf die Frage, "bist du glücklich",
das Wort "Le", aber nicht zu Lea
fortgesetzt, also zur
unmittelbaren Person, die es ja "dort" nicht mehr gab, sondern zu
"Letters" auf Englisch, was wieder an den Schiffsarzt denken ließ. Ob
sie die Buchstaben der Schrift über dem Familiengrab meine? "Ja", sehr
lautes "JA". Und Erstaunen, warum sich eigentlich Tote um solch
irdische Dinge, wie Srache bemühen, Inschriften. Und Robert dachte an das darin
enthaltene "Gedächtnis". Robert, der in der Materie bewandert
war er hatte viel gelesen, fiel auch
eine Theorie von du Prel ein, die sich "Monodeismus" nannte, eine Art
hypnotischer Traum jener, die im Ganz Andern Zustand sind, aber wie
Schlafwandler,m vor allem in der ersten Zeit des Übertritts, wobei Schlaf und
Wachen, wie Leben und Tod nun sind, als Mondsüchtige des Todes hier ihre
nächtlichen Gänge unternehmen, Folge eines tiefen Konfliktes, und mit ihrem
Erkleben von hier, einem andern Gedöächtnis wie in wirren Träumen verbinden,
und vermischen, so alos zum Schauplatz jener Erinnerungen und des Konflikts
gezoigen werden, und die "Infizierung" könne Tage, Wochen, Jahre, ja,
ganze Jahrhunderte dauern. Und Robert erinnerte sich, wie sehr Lea darunter
litt, daß sie in ihrem Leben kaum zur Knentnis genommen worden, auch
unverheiratet geblieben, unscheinbare Ertschjeinung gewesen war, ein "Imchen",
wie das hier hieß, ein Mauerblümchen, ein armes Wesen, und jetzt hatte man sie
auch noch namenlos begraben, quasi anonym, gleich fiel ihm diese Sünde des
Nichtbegrabnseins ein, des furchtbaren anonymen Todes in Massengröäbern des Krieges,
der Massaker. Ja, Robert besnn sich nun uf eine Aussage seiner Mutter, Leas
Schwester, daß wegen ihrer und ihrer Schaester Krankheit, keien Inschrift auf
dem Granitpfeler angbracht worden war. Und auf eihne entsprechende Frage,
erfolgt in lautes "Ja". Man versprach also Abhilfe, was aber wegen
des Winterwetters vorerst nicht möglich war, so kam die AStimme auch am 1.
Januar, am 8., dann am 1. März, als sie wieder eine Tür öffnete und im Leeren
stand. Am 24. März wurde sie an verschiedene Orten des Hauses von meheren
Personen gleichzeitig gesehen, und sagte: "Marie, Marie, ich will meinen
Namen wieder haben". Was darauf hinweist, dachte Robert, daß sie ihn hier
wohl nie gehabt hatte, und nun ehernvoll nachträglich im Gedächtnis aller sein
sollte, was früher versäumt worden war. Die Arme, dachte er. "Wir sind
dabnei es zu tun", hatte Marie dann gesat. Und als Antwort, daß es diesmal
alle sehr rührte, und die Frauen weinen muß0ten: Tu es JETZT", voller
Trauer, Ungeduld und Enttäuschung, als sei alle Verletzung aus dem Leben nun
wieder da. Worauf wieder alle Glocken läuteten, die Uhren schlugen, und man Lea
den Gong geradezu anschlagen gesehen hatte, nur wer oder was sah, schien
diesmal unklar, weil es sich alles in inem Gefühl der Reue aller auflöste, und
Robert dachte: ja, und doch haben wir die Gelgenheit wieder alles guit
zumachen, so spät, und sozusagen NACHHER. Oder nach hier? Die Nachzeit kam als
er seine Aufzeichnungen das Ereignis beschrtieb anstatt Nachtzeit... Und man
beeilte sich endlich di Inschrift anzubringen. Nahcdem es gecshehn war, wurde
Lea nie mehr gesehen oder gehört.
11.August 93
Was aber ist Celans recht
paradoxe Hoffnung? Sie ist zugleich an Negatives gebunden: daß es nun kein
Gerede, keine Worte Machen, keine "großen Worte" gar, ja, keine
"Kunst" mehr geben darf, aber Dichtung, nein, Toten-Gerspräch, in ihrem
Dienst nämlich sprechen, das Sprechen überwindend. Celan versucht es eben von
hier aus zu schreiben, immer wieder vom Tabula rasa her in der Umkehr, im Chok,
wo es den "Atem und das Wort...verschlägt", ja, wo sie im gestockten
Atem fehlt die Sprache, da erst wäre "Gegenwart des Menschlichen"
(Brief an Sperber). Ein un-heimlicher Moment des JETZT, wirklich, nicht
geredet, evoziert: Das "Es lebe der König" Lucilles unter dem Blutgerüst
in Paris nach den "großen Worten" Camilles und Dantons, ist es etwas
Absurdes, eine Geste, provokativ, kein
Wort mehr, Ereignis, etwas Wirkliches: sie gibt sich damit den Tod, wird sofort
verhaftet. Was sie tut "befremdet" in diesem sich freisetzen,
"Gehuldigt wird hier", wie
Celan in seiner Büchnerrede 1960 sagt, "der für die Gegenwart des
Menschlichen zeugenden Majestät des Absurden," dem Tod und Wahnsinn am
nächsten stehn, aber auch der Einbruch des "Ganz Andern" im Chock,
jenes "Nichts", mit dem z.B. das Gedicht über den Luxemburg-Mord
endet, wo, auch der Wunsch Luciles "der Strom des Lebens müßte
stocken":".. Der Mann ward zum Sieb, die Frau/ mußte schwimmen, die
Sau,/ für sich, für keinen, für jeden -// Der Landwehrkanal wird nicht
rauschen.Nichts/ stockt."
Laut Celan ist solch eine
Evokation eine "Verharrende", "verhoffende" Pause, wo etwas
ganz Neues geschehen kann in der unerbittlichen Sukzession des Immergleichen
von Herrschaft und
Unterdrückung, eine Art
Widerstand wirklich geschieht.
Oder wie der wahnsinnige
Lenz, der auf dem Kopf gehen möchte, um den Himmel als Abgrund unter sich zu
sehen.Wenn alles umkehrt: Zeit stockt:
so "Nichts" erfahrbar wird. Wie bei Hölderlin die "Zäsur"
und "gegenrhytmische Unterbrechung" in der Tragödie.
"Es lebe der
König" also. Es könnte noch mehr gewesen sein als "Geste" und Suzid.
Für das "Nichts" steht ihm Hebräischen auch "König". In
einem Gedicht über Hölderlin heißt es: er "zackerte an/ der
Königszäsur", was laborieren heißt, früher "pflügen". /PC 191).
Er "zackerte" (Kronenzacke?) "Wie Jener/ am Pindar", Hölderlin
ist gemeint im Jahre 1905 in Homburg. Eine dieser Pindar-Fragmente lautet
" Das Gesetz/ Von allen der König, Sterblichen und/ Unsterblichen; das
führt eben/ Darum gewaltig/ Das gerechteste Recht mit allerhöchster
Hand". Der König ist die
"strenge Mitteilbarkeit des Gesetzes", in Hölderlins Kommentar. Das
Gesetz ist der Ort der Begegnung von Gott und Mensch. Es geht um die Trennung,
vielleicht ist dies die Königstzäsur, wie
Bernhard Böschenstein vermutet. Gott, das Heilige, Mensch, die
Erkenntnis. Und das Tragische beruht ja in der Vernichtung, wo "grenzenlos
die Naturmacht und des Menschen Innerstes im Zorn Eins wird, dadurch sich
begreift, daß das grenzenlose Einswerden durch grenzenloses Scheiden sich
reinigt." (Anm. zum Sophokles.) Kann zwischen Königszäsur und
"messianischer Stillegung" durch die Katstrophe eine Verbindung
hergestellt werden? (Benjamin?) Die griechische Tragödie wurde durch den Seher "gegenrhythmisch" - indem er
die ganz andere Sphäre der Vor-Sehung in die Realität brachte, in der Zäsur
unterbrochen. Bei Celan ist es der Ruf, das "Gegenwort" Luciles. Und
dies sei Dichtung. Stillegung der
Geschichte durch ihren Grund und Ab-Grund im Namen der Toten.
Das "Gegenwort",
das "den Draht zerreißt" zum Normalen, das nur absurd ist, "das
Wort, das sich nicht mehr von den `Eckstehern und Paradegäulen der Geschichte
`bückt, es ist ein Akt der Freiheit. Es ist ein Schritt." (Meridian). Ein
gefährlicher Schritt, der Wahnsinn und Tod mit sich führt, diese riskiert, ja,
sich selbst so einsetzt, um mit dem Leben zugehörig das zu bezahlen, was nicht
gedacht, aber da ist. Dies "im Namen der Katastrophe (im Namen der
abgründigen Konversion, und genauer, der Revolte), das heißt im Namen dfes
Daseins, wird sie nur um einer Sache willen gerechtfertigt oder gutgeheißen: um
die der Hoffnung willen auf das, was Celan die Begegnung nennt." Philippe
Lacou-Labarthe "Katastrophe" in: "Paul Celan" (Fußn ) S.
46).
Die Begegnung mit dem "Ganz Andern", jem Du,
das in uns mit DA ist, im Andern da ist, und in jedem Grashalm da ist, freilich
nur JETZT, wirklich, erhellt nur durch den Chock, den Blitz im Augen-Blick, der
ÖFFNUNG. Oder der Vernichtung. Aber gerade die Öffnung, seine Überraschung,
sein Rätsel, des Nie-darüber vorher Bescheidwissens- ist ja das Gedicht, das
spricht nur so, wie es in der Büchnerpreisrede heißt: " wer weiß,
vielleicht in eines ganz Anderen Sache. Dieses `wer weiß, zu dem ich mich jetzt
gelangen sehe, ist das einzige, was ich den alten Hoffnungen... hinzuzufügen
vermag". (Meridian)`
Ereignis und Weg, Augen-Blick des Geschehens, anknüpfend
an alles Zugehörige - Nicht-Wissen wissend, wirft diese exakt in der
hölderlinschen Spur einer "Apriorität des Individuellen" nun neu in
rätselhafter WENDE schon damals um 1800 - oder Wendung der Trope, die ja der
"Meridian" "Durchkreuzt", dem zu, was nach der Vernichtung
dessen, was Hegel
"Gemeingeist" nennt, singuläres Ich nur noch hinterläßt,
dieser Abgrund schon damals als Ort für Dichtung genannt; nach Auschwitz aber
bei Celan: "heimgekehrt in/ den unheimlichen Bannstrahl,/ der die
Verstreuten versammelt.""In der Luft", GW I, 290.
Darf das eine Hoffnung sein? In etwas das
unsagbar ist "versammelt" der neue "Bannstrahl"? Im Gedicht
"Psalm" aus Celans Antibibel "Die Niemandsrose" -
"blühen" die anonym in aller Nichtigkeit Ermordeten, die ohne Namen
ausgelöscht und unbegraben zum zweiten Mal starben durch Nicht-Gedenken dem
"Niemand" und dem "Nichts" entgegen. Das Schweigen des
Sinnes, das Schweigen des alten Gottes zur Shoa, so Georg Steiner,"Das
lange Leben der Metaphorik. Versuch über die Shoa," "Akzente",
Heft 3, Juni 1987, S.210ff.
in einem Essay über die Shoa, wo er Celan als
wichtigsten Zeugen würdigt; gibt allein diesen Opfern das Recht den alten Gott
aus seinem Schweigen, der Machtlosigkeit und Abwesenheit zu retten. Und gibt
auch zu bedenken, daß uns, in "westlicher Rede" diese Shoa-Gedichte
unzugänglich seien, da die Shoa diese Rede und den Sinn dieser Zivilisation
gerechterweise ausgerottet habe, doch dauere möglicherweise das Gebot des
Dialogs mit dem stummen Gott innerhalb des Judentums fort. Eben: Nichts und
Niemand, wir haben es gesehen, sind ja auch sein Name. Doch schlagen wir bei
Hölderlin oder Hegel nach, finden wir Nichts und die Negation in eben der
Bedeutung, und daß Gott (oder Sein) der
Tod ist.z.B. "Phänomologie" S. 332: "Diese Allgemeinheit, zu der
der Einzelne als solcher gelangt, ist das reine Sein, der Tod..."
Von Heidegger zu schweigen. Und davon hat
Celan genau so gewußt, wie von der Kabbala. Direkt zum "Bannstrahl"
von vorhin und Celans Hoffnung des "ich weiß nicht": dieses Gedicht
aus der "Niemansdrose": "Gott, das lasen wir, ist/ ein Teil und
ein zweiter, zerstreuter:/ im Tod/ all der Gemähten/ wächst er sich zu.// Dorthin/
führt uns der Blick,/ mit dieser/ Hälfte/ haben wir Umgang." Und gleich darauf:
"Das Selbe hat/ uns/ verloren, das/
Selbe/ hat uns/ vergessen, das/ Selbe/ hat uns - -. GW I, 218, 219.
Nie ist aber zu vergessen, daß Gedicht immer Gegenwart,
aufgeblühtes Jetzt ist, Zuwendung, Gewährenlassen eines, der inspirativ,
anbindend in uns spricht, Gespäch im Augenblick, im Herzen bewegt, wie Celan
sagt, "Innigkeit", kein historischer Exkurs. Nur lallend, stotternd
oder im gestischen Ausdruck der Stummheit ist aber solches möglich unter den
Auspizien des Tabula rasa und ganz Neuen: Dichtung als Destruktion des bisher
Dichterischen oder des Schönen, stellvertretend für den tiefsten Grund einer
gesamten Kultur. Das "Wie" ist vernichtet, Unvergleichliches ist
geschehen, nichts Seinesgleichen mehr. Oder wie Améry sagt:
Das Schöne "als
Gegenstand der Erfahrung im Stande der Ähnlichkeit" (Benjamin) - ist es
durch das "Böse", die "Banalität des Bösen " und die totale
Trennung (nicht einmal nur von Sinn) sondern von jeder Schwingungsmöglichkeit,
Vertrautheit und Ähnlichkeit ersetzt worden?
Abends Stefano Baroni, der
junge Fotograf. Er hat Fotos von mir gemacht, viel aus mir rausgeholt. Vor
allem eine Art Totengesicht, ich war erschrocken, als sähe ich mich endlich
selbst. Wieder zuviel getrtunken. KOmische Angst vorher, nicht zu entsprechen,
zu enttäuschen. Diese Angst nimmt zu.
Nachts schlaflos, dauernd der Streß wegen der Auftritte
im Herbst. Die Zeitnot. Und daß der Sommer vergeht.
10.August
Spiel mit "Wende".
Wendig eben. Und mehr auswendig als inwendig, ohne daß das was bisher zäjhlte,
auswendig zu können. Dagegen sehr aufwendig alles, viel einzuwenden und vor
allem Entwendung ists, was gecshieht. Das meiste ohne Verwsendun Alles von
Winden, und windig ist es.
Dazu:Die FRucht von gestern:
Hölderlins Geschichtsauffassung. Sein Gedicht führt Hegel weiter. Bei Hegel
eine Ganzheit da, die frappiert, alles eingesammelt, so z.B. auch, daß der
Einzelne nur wirklich sein kann in der Gemeinschaft. So also eigentlich heute
eine große Schuld, auch der Dichter. Diese Schuld aber zugleich eine Aufgab des
"Einzelnen" , Herausgefallenen? Ja gar notwendig Herausgefallenen?
Als großer Trost aber schon dies: "die negative Bedeutung des Einzelnen
über die Einschließung in das natürliche Gemeinwesen zu erheben, dem er als
wirklicher angehört. Wenn nun aber schon das menschliche Recht zu seinem Inhalte
und Macht die wirkliche ihrer bewußte sittliche Substanz, das ganze Volk, hat,
das göttliche Recht und Gesetz aber den Einzelnen, der jenseits der Wirklichkeit
ist, so ist er nicht ohne Macht.." Er kommt aus dem "Grund", der
auch der des Gemeinwesens ist. Doch einer, der nur in dieser Negativität
bleibt, ist wirkingungslos. Und da wieder auch mein Schuldgefphl des
"vertanen Lebens" und Schreibens. Denn was gilt da noch von diesem
"Idealismus", Geist usw. Lyrik, haha, sind total überscxhüttet,
überrollt von innerter Masse des evident Mächtigeren, aber falschen, nicht mehr
durchwachsenen Außen, das gar Spiegel sein kann. Erstaunlich, wie naiv Hegel
noch zum Krieg stehen kann, aber so die Wahrheit sagt: Denn "der Geist der
allgemeinen Zusammenkunftb ist die Einfachheit und das negative Wesen dieser
sich isolierenden Systeme" des Gemeinwesens Erwerbs und Genuß, Besitz etc.
muß von Zeit zu Zeit zerstört werden: "Um sie nicht in dieses Isolieren einwurzeln
und festwerden, hierdurch das Ganze auseinanderfallen und den Geist verfliegen
zu lassen, hat die Regierung sie in ihrem Innern von Zeit zu Zeit durch die
Kriege zu erschüttern, ihre sich zurechtmachende Ordung und Recht der Selbsständigkeit
dadurch zu verletzen und zu verwirren, den Individuen aber, die sich darin
vertiefend vpom Ganzen losreißen und dem unverletzbaren Fürsichsein und der
Sicherheit der Person zustreben, in jenr auferlegten Arbeit ihren Herrn, den
Tod, zu fühlen zu geben. Der Geist wehrt durch diese Auflösung der Form des Bestehens
das Versinken in das natürliche Dasein aus dem sittlichen ab und erhält und
erhebt das Selbst seines Bewußtseins in die Freiheit und in seine Kraft."
(S. 335). Daß also eine Art "Inversion" sich an der Unwirklichkeit
des Todes vollziehen muß, und daß also der Geist sich darin als Substanz der
Subjektivität erkennt, spiegelt, in der Einzelheit nun so verletzlich wird, und
seine eigene Unwirklichkeit, nun im Bodenlosen, weil außen ihm nichts mehr
entgegenkommt, was gefestigt ist, keine Formen mehr da sind, worin er sich
erkennen kann, ein riesiger Mangel also, eine Absenz, die sozusage wartet, in
Zerrisenheit und Nichts wird es - wie bei Höälderlin - erst in der Dichtung zum
Grund zu kommen, zum Quell wieder möglich. So kann sich der Geist im Negativen
ins Angesicht sehen. In der Dichrtung sozusagen absoluter Nudus, Verweilen
darin, was eine Zauberkraft, ein Sog ist "die wahrhafte Substanz, welche nicht
die Vermittlung außer ihr hat, sondern diese selbst ist." Schöner Trost im
Tod? Not-Wende also. Bei Hölderlin auch Lyrik aus dem Mangel. Schön in
"Andenken" (nach Beißner) der Sxchiffer als Tatmensch, dann die
L:iebe als vergehendes Intime, Kostbares, das verweht. Der tragisch offene und
zugleich leere Horizont des Tatbereiches und der Liebe steht das stiftende Der
Dichtung gegeüber, die einholt im Andenken, Eingedenken, schon im Hyperion
(Diotima, Alabanda) dann der Ereemit mit der ganzen erinnernden Vortselklung
der wiederholten Einsicht Er-Innerung des Ganzen, und es erlöst im Bewußtgewordensein
und Angeshlossnsein, hervorteribend, was nicht gechieht , sondern IST im Grjnd
nämlich. Heidegger erläutert Andenken" als Zurückholen des ganzen Kreises
bis zu den Griechen, zu Kolom, ja Indien., Umkehr um heimzukehren. UNd das
Virtuelle, schön: "Denkt das `Stiften`nicht eher àn`das Zukünftige. Dann
wäre Andenken`doch ein Anenken, aber solches, das an das Kommende denkt.
Gesetzt, dies Andenken denkt voraus, dann kann auch das Zurückdenken nicht an
ein `Vergangenes`denken, dem nur der Becsbheid des Unwiderruflichen zu leihen
wäre." (80). Besonders eindringlich bei Binder.
"aber so vieles
gecshieht,/ Keines wirket, denn wir sind herzlos, Schatten, bis unser/ Vater
Aether erkannt jeden und allen gehört." -(Brod und Wein). Geschichte wirkt
nicht mehr, schalltoter Raum der Geist der Gecshichte. Geist der Gecshichte
wirkt ungehindert, Geist der Geschichte, da ist die Wand Mensch davor heute.
Dieser "Geist der Geschichte" ist virtuell, Potenz, bei H. sogar eine
Art Überperson. oder ein Gott, dessen Macht an der Stupidität der Menschen eine
Grenze findet Paradox, schon bei Lessing. Das Fürchterlichste in der Gecshichte
also widerlegen ihn nicht, er ist etwas anders, als sein frei entlassenes Werk,
das er selbstständig handeln lassen will,
bei Schiller sogar Sündenfall "glücklicshet Ereignis der
Weltgeschichte". Natur wirkt, Geschichte handelt "frei", damit
sei zusammenkommen braucht esein Drittes: Kunst. (Wie bei Schiller). Wo sie zu
sich kommen. Allerdings, der Dichter darf sich nicht isolieren, muß teilhaben
am Geist der Gecshichte, wirklich, wenn sie offenen Aufgen geschieht. Eben. Und
dies die Schuld. Doch Offenheit auch. Und hier so eine Synthese, die aussteht,
die bei mir unmöglich war: sie kann nicht gewollt, sie kann nur von Ihm gewollt
sein Schon Lessing in Nathan: "Ich rief zu Gott: `Ich will`! willst du
nur, daß ich will!" Dies warten wie im Yoga. Es ist dann
"Schicksalstag", Ernst, kein ästhetisches Spiel. (Auschwitz heute
gar). Sondern Zeuge sein. Der Geschichte zu dienen. Hölderlin immer bescheiden,
diesen Dienst betont. Originell die Aufgabe: Da der Geist der Gecshichte, sein
unbekanntes Futur nur durch das Geschehen, wie die Natur durch ihr Sein
spricht, also stumm ist, ist erst Deutung ihr Bewußtsein durch uns, schlägt in
der Kunst die Augen auf Übersetzung ihrer Formen ins Menschliche, Gott sich so
selbst beim Namen nennen.
Doch wie trügerisch zu warten auf den
"Gemeingeist", der alles im Wirklichen dan auch zum Geishct und
sichbra bringt. Gemein schon, aber kein Geist wird sein. Binder fasst zusammen:
"Deutung der Geschichte im Gedicht ist Selbstdeutung des Geistes der
Gecshichte, aus dem das Gedicht geborenb ist und der im Geist des Gedichtes
sich selber eerknnn will." Dichtung geht eine Schritt weiter als Hegel,
als Philosophie, holt aus ihr das Höhere, Näher zum Verboregenn,
Nicht-Verfügbaren
10. August 93. Abends Decrescenzos Vorstellung seines
Buches "Delizia" in der Versiliana, das L. überstzt hat. Der
Entertiner trug mündlich wie Witze lustige Teile seines Buches vor. Im Freien.
Schöne alte riesige Pinienbäume. Besser waren die Fragen und de Antworten.
Kommt aus dem Süden, aus Neapel die Revolution? (D. ist Neapolitaner. UNd er
hatte die verrotete konsumistische Mailänder Art, die Kälte etxc. der Wärme und
Offenheit der Neaolitaner in seinem Buch verglichen. In meinem Vortrag in
Hermannstadt " Östlicher Rechtum und westliche Armut" hatte ich ihn
in der ersten Fassung zitiert. Vgl.) Er wioegelte ab, sagte, wir hätten ja
schon eine Revolution von obven. Und erhoffe, daß mit noch zwei Selbstmorden de
Sache abgecshlossen sei. Sein Buch über die Liebe habe er gecshrieben, weil
jetzt nach der Kälte des Konsumzeitalters das der Gefühle käme. Gab Beispiele für
die südliche Weisheit. Der Neapolitaner vergleiche alles in seinem Leben mit
dem Tod. Z.B. wenn er eine Minute den Zug verspätet, dann ärgert er sich zwar,
aber nicht allzu sehr, er will noch etwas übriglassen für schwerwiegendere
Dinge. Oder manche bezahlen in der Bar
gleich zwei Espressos, einen für die
"Menschheit", für den nächsten , der Kaffeetrinken kommt.
9.August
Geschrieben. Beim Boot dann.
Anruf von HJ Schmidt. Kauft ein haus in Spanien. Abend den Film Pappilon. Ging
mir bis in die Träume, diese Isolierhaft von 5 Jahren.
8.August. Verkatert von
gestern. Warum muß ich mich betäuben. Ists ein Ausruhn im Unbewußten, das mir
fehlt: (Benjamins Baudelaire). Aber, ists gelungen? Aklka Selzer, Vitamin C.
Und doch inspiriert. Beim Lesen von Pezzella und Binder über Hölderlin. Dann
Heidegger. Schlißelich Hölderlkin. Und dann erstaund festgestellt, daß mein
Schreiben von Gedichten ein von mir inspirativ "gelenktes Diktat"
ist. Eine inneer Sprachstimme, die unendlich strömt. Und daß du nicht enden
kannst...
7.August. Geburtstag und
nehme mir heraus, mich schreibend gehen zu lassen. Und auch rein in dies Laue
und angenehme der Umgebung, auch der Familie und Freunde. Wir überlegen, wohin wir Festessen gehn
sollen beiom Frühstück. L. hat mir sogar Geschenke auf den Tisch gelegt
diesmal. Am löiebsten hätte ich einen Innenraum gecsjhaffen, Pezzella, Baroni,
Dionfrancesco, Luigia eingeladsen, Verse auf Deutsch und Itlainisvh gelesen,
Stimmung. Doch das wäre zu streng, und "aufgezogen" gewesen, und
überlege, wei ich wohl den 60. begehen werde? Nicht privat, sagte ich zu L.
sondern vielleicht eine Literaturbeggnung, italienisch-.rumänisch-deutsch hier
zu orgasnisieren. Aber welch aAufwand, und bin dazu gar nicht geeignet, weil
äußere Fetse am innern Anspuch immer scheitern müssen. Und am verhasstesten
sind mir Qautsch- und Fam,iliengeburtstage, drücke mich davor, wo ich nur kann,
was von allen belehernd und säuerlich registruiert wurde, vor allem, als ich
beim 80. meiner Mutter fehlte. Denke, daß alle Kreativen ihre Schwierigkeiten
mit diesen Familien hatten. Von Hölderlin und Kleist ganz zu schweigen. Meien
ganze Novellensammlung über die VORBILDER get ja in diees Richtung, und wie sie
fertifggemahct wurden. Heute gechicht dies nur noch ganz sanft und man kann sich
gut weren, auch wenn man immer einsamer wird, je mehr die eigne Richtung
eingeschlagen wird.
7. August 1993. Wie
gewöhnlich las ich noch im Bad, da nehme ich mir die meiste Zeit, las in
Christine Fischers Roman "Eisland", den sie mir eben aus St. Gallen
geschickt hatte. Sie ist Logopädin, und im Buch geht es um die gestörte
Sprachkommunikation zwischen einem Liebespaar, die Hauptfigur ist Logopädin,
wie Christine. Großartige Idee:
Schweigen, diese Umnmöglichkeit von Sprache, die Liebe stärkt und das Verstehen.
Wie klein die Welt ist, Lektorin ist Barbara Traber, die ich von Bern gut
kannte, die meine alten Lektor von Hallwag geliebt hatte, enthusiastisch und
sensibel ist. Die die "Vaterlandstage" auf Berndütschn im Radio
besprochen hatte. Ich war ein wenig enttäuscht von diesem Roman-Erstling,
dessen Thema mich faszinierte. Besser hatte mir Christines Reiseberticht über Rumänien gefallen, der
vorurteilsloser und gerechter war als jeder andere, den ich kannte: "Rumänien
- ein Puzzle". Sie und ihr Freund Richard Butz waren zweimal dort gewesen,
Freundschaft mit Werner Söllner, der in Zug Stadtschreiber gewesen war, so ein
Sonderheft von "Noisma" über rd. Lit. entstanden war. Die Lesung in St. Gallen
und die Bekanntschaft mit beiden war so zustandegekommen. Im Literaturcafé die
wenigen Leute. Letzte Veranstaltung, ein wenig makaber. Immer diese Angst, daß
niemand kommt zu den innerlich schon vorher zehrenden Lesungen. So geht
Literatur kaputt. Hier ist die Konkurrenz der Veranstaltungen zu groß. Und es
war Samstag. Zu wenig weise, um an "Niemanden" in solchen Fällen zu
glauben.
Christine Fischer beschreibt die Schönheit Rumäniens.
Auch daß die Westler Hotels, Autos, etc. zur Genüge vorfinden, daß aber alles leer ist. Wohl aus Vorurteil.
Die Ostdeutschen entdecken wieder
Bulgarien, machen DDR-Nostalgie-Ferienreisen - kommen nun als Westdeutsche
quasi dorthin, um "wiedergutzumachen" diesen Frust: Deutsche früher
zweiter Klasse gewesen zu sein. Vielleicht entdecken sie für solche
Nostalgiereisen auch Rumänien wieder. Schön wärs. Was Christine F. sah, war ja
auch mein Gefühl, als ich in den Westen kam: ZEITHABEN (Cioran fand diese
Beschreibung damals in VISA, 1970, auch seiner Erfahrung entsprechend. Und das
Intime, die Nähe der Mutterhöhlen in den orthodoxen Kirchlein und Klöstern.
Menschliche Nähe, im Gegnsatz zu den Domen, ihre Kälte, dem Alleinsein, wo nur
abstrakt sozusagen, in der Nähe des Altars einer Art Vibration stattfindet, ich
spürte es in Florenz besonders. Aber auch in Ulm mit Anita, der Nichte).
Christine F. beobachtete auch das "Wohnen im Körper, wie es vielleicht Kinder noch haben", das
Stehen und Schauen "als
eigentliche Tätigkeit". Dieses andere "Gefühl beim
Versteichen, den Gebrauch von Zeit". Die Gastreundschaft beruht darauf.
Mindestens eine Woche, "ein kurzes Gespräch beinahe ein Affront". Und
das Gegenteil von dem, was etwa Herta Müller, aber auch Wagner oder besonder Maron an Ekelhaftigkeit
gegenüber ihren alten Landsleuten
loslassen: dies Östlich-Laute, Egoistische, Verkorkste und die totale Idiotie,
beobachtete Christine F. eine
"Kultur der Sanftheit", wie sanft ein Schläfer geweckt werde in einem
Abteil, da er einen Platz widerrechtlich besetzt hielt. Oder wie eine Sitzplatz für ein Mütterchen
gesucht wird, unbekannte, übermüdete
Frauen sich gegenseitig stützen , um im Stehen schlafen zu können. Und dann die
noch vorhandene "Kultur der Sinnlichkeit", eben was mir auch
aufgefallen war, diese Armut, Armseligkeit im Westen dagegen "Wahrnehmungsverlust"
sagte ich, meinte nicht mehr schmecken, riechen, zu können. Fiel mir auch auf
den Frankfurter Wanderwegen im Taunus, aber zuerst am Kölner Bahnhof auf.
Momentaufnahme am Dorfplatz von Heltau in einer Minute
"ziehen zwei Kinder ein klappriges, mit leeren Flaschen beladenes
Holzwägelchen, andere Kinder spielen am Straßenrand mit Steckchen, die sie auf kunstvolle Weise
zu kicken versuchen, ein Mann stößt ein Rad, über dessen Längsstange er einen
großen Sack gelegt hat, zwei Männer tragen einen großen Fensterrahmen vorbei,
zwei Pferdefuhrwerke kreuzen sich, ein Zweispänner, beladen mit kaputten Velos,
ein Einspänner mit einer fetten zweifarbigen Sau. Das alles an einer einzigen
kleinen Minute." Auch gebe es Kultur der Eigeninitiative. Das sieht sie
ähnlich, wie ich die Sache mit dem Durchwurstlen im Chaos. Der Mann einer
Freundin hat sich als Ingenieur in Mazedonien verdingt und stampft jetzt mit
dem Ersparten eine Kaffee-Bar aus dem Boden. Verkauft Cola und westliche
Zigaretten in einem eignenen kleinen Kiosk. Usw.
Ich werde dauernd durch Anrufe unterbrochen. - Anrufe von
Lieselotte und sogar Walter, nachdem ich zum erstenmal nach zehn Jahren nicht
auf dem Boot, sondern zu Hause bin an diesem Tag. (Das Erstaunliche während der
"Heimkehr" auf dem Boot, als ich die Berge sha, den Matanna, den
Altissimo und auch den Pedone, daß ich hierher also "nach hause"
komme. Bei Marina di Pisa dachte ich es. Und L. beton auch dauernd, wie
"gut wir es doch haben". Das Familiäre: Liselotte und Walter sind
dankbare Leute, daß sie hier sein durften zwei Wochen, daß ich ihnen
Altersratschläge gebe, mit Gerontologie und Thanatologie umgeh. So eben die
Pillen Vita-Gerin-Geistlich mit K.H.3, ein Tip, den ich aus Butlars Buch über
die "Spuren der Unsterblichkeit" habe. Über das Altern als unheilbare
Krankheit möchte ich eine Novelle schreiben, das Schicksal von jean Améry, der
Auschwitz wseniger schrecklich fand, als das Altwerden, und freiwillig in denb
Tod ging. Dies rätselhafte und enorm komplizierte Körpergeschehen, jetzt werden
neue Steurungs- und Informationsvorgänge in den Körpergenen gefunden, eine ART
sELBSTMORDPROGRAMM DER zELLEN, DAS ALS rEINERHALTER UND rEINIGUNGSVORGANG
EINGESTZT WIRD, WEHE, ES VERSAGT, DANN WUCHERN DIE KRANKEN zELLEN UND DER
mENSCH STIRBT AN DIESEN Metastasen und Mutationen an Krebs. L. meinte, es sei
doch kaum verständlich, woher, denn dies Wunderwerk der Zellen käm,e, und wie
das funktionieren könne. Ich versuchte vorsichtig eine Deutung: meinte, es sei
das "Wissen", in jeder Zelle, Teil eine höheren Intelligenz. Trotzdem
habe ich Agts, sagt sie. Ich auch. Was da in uns in jeder Sekunde vorgeht,
Millionen Zellen stzereben , erneuern sich. Vom Kopf ganz zu schweigen. Auch
Aids scheint mit dem versagenden oder
falsch gelenkten Selbstmordprogramm zuammnenzuhängen, daß sich massenhaft die
Helferzellen selbst töten, und so den Körper schutzlos lassen.
Mutters Anruf dann, mit etwas Bitterkeit, wie ihr Brief
auch, weil wir sie hier "gewaschen " hätten. L. meinte, aus dem Brief
schon habe ein stiller Vorwurf herausgekluingen, daß wir zu "offenb"
gewesen wären. Ihr die Wahrheit geagt hatten. So, das hatte sie selbst gesagt,
so spräche niemand in der Familie mit ihr. Alle Spannungen werdenb
verheimlicht, oben Tütütü undf verborgen die Animositäten. Das ist doch immer
so, sagte ich zu L. Die Spannungen sind doch Tabu, darüber wird nicht
egsprochen. "Häßlich" nannte meine Mutter früher das Aussprechen von
solchen WQahrjheiten. Sie hat mich wütend gemacht, mich leiden lassen, sagte
ich, das konnte ich nicht mehr ertragen. Früher hab ich geschwiegen. Sie ließ
mich einfach links liegen, wiel sie meinet, mcih hätte sie ja sopwieso und sich
um dich bemüht, nur um dich. Das kam fast einer Verachtungs-Haltung gleich. Und
da ich emotional doch sehr an sie gebunden wbin, meine Arbeiten bisher ohne sie
- als Erinnerungsverlänegerer- kaum auskamen, so war das doppelt katastrophal
für mich. Jetzt aber ist ein Bruch da. Auch weil sie nun versucht, uns nur als
Einheit zu sehen. Bisher hatte ich ein separates Verhältnis zu ihr, en sehr
gutes, intimes, herzliches. Am Telefon sprachen wir nur übe unsere Seereise.
Ich erzählte vomn den Delphinen vor Korsika. Und sei hat Angst wegen ihrer Augenoperation
im August. Grauer Star. Heute gehen wir zu Roswitha baden, sagt sie, auch dein
Vetter "kommen". Das betont sie immer, als wäre es eine Ehre. Und es
ärgert mich. Deine Gdschwister sind intzwischen auch wieder zu Hause, sagte
sie. Und ich dachte gleich, ob die wohl heuet anrufen. L. sBruder hatte
angerufen, und ich erzählte ihm von der Reise. Und von dem segelgerechten
Verhalten seines Sohnes Philipp. Er sagte mir, daß auf einem großen
Geburtstagsfest sie über die Toskana, über das Hunzingerhaus gesprochen hätten,
ja, da sei er auch gewesen. Und da si auch die Red auf mich und mein Hörspiel-Projekt
beim SDR gekommen. Düben heiße der Mann, und sei nun wohl schon in Rente. Das
erschreckte mich, denn eine Euinnahmequellöe schien so verbaut. Aber mnein, er
sei noch da, und ich soll mich bei ihm melden, so habe er gesagt.Ich erzählte
vom Anruf Walters und Liselottes, Walter traueer um seine Schwester Dora. Sie
hatte noch in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg eine schöne gemeinsame Kindheit
erlebt, vor 1914 die heile, schön geordnete Welt, wo alle Stände und KLassen
noch bunt auch nach aißen an ihrer Kleidung erkennbar waren. Es noch keine
Massen gab. Nun ja, der Vierte Stand kam erst später. Und er brachte auch das
Elend, die Prletarisierung mit sich. Auch die Gegenwebgung Hitlers als Abwehr.
Ja, er sei deshalb Pg gewordebn, weil er diese gute alte Kaiser-Zeit wieder
haben wollte. Und auch etwas für die aufbrechenden sozialen Fragen in den
zwanziger Jahren etwas tun wollte, vor allem für dfie Jugend.
Ich komme nicht frei von dummen Gedanken, denke an das
langsame Abbröckeln alter Freundschaften, wie sich das Verhalten vieler
Bekannter aus dem herzlichen und gar enthusaistischenb Verhalten und einer
Anteilnahme in Fremdheit, Gleichgültigkeit, gar Kälte verändert hat, so I.B.
aus Köln, noch vor zwei Jahren als ich im G.Hauptmann-Haus gelesen hate, hatte
er mnich überall hin begleitet, auch nachts zum Bahnhof, zusamm,en mit einem
alten Scxhulfreund, der alles notierte, was ich sagte, und jetzt
verabschiedsete er sich schon ganz früh nach der Lesung im Schnabelowosky, und
s kam kaum zum Gespräch, er war nur sehr hinter Kontakten her, als wäre ich da
eben uninteressant geworden, ohne Machtposition. Ist es so? Dachte auch an
Ingrid Bacher dabei. Ein wenig Distanz, Fremdheit schürt das Intesse, läßt die
igene Phantasie, was den andern betrifft, arbeiten, je näher man sich kennenlernt, umso mehr wird
diese Vorstellung abgebaut, und man wird zum normalen Menschen , banlisiert
alles. Sogar wenn noch so interssante und geistige Gepräche und auch Gewinn
dabei ist. Von Monika Maron ganz zu schweigen, die ltezte Beggung in Berlin
gemeinsam mit Katja Lange-Müller war
eine grße Enttäuscbung. Auch für mich, ie zeigte diese kalte Medienfrau, fuhr
uns allen über den Mund usw. Ging bald. Auch die alten Freunde hier Ch. D., die
eben anrief, sie wopllen Abend doch kommen, gestern als wir sie einluden, da
hatte sie woghl nicht geschaltet, auch CH. war kühl. Kommt nun bei mir die
Altersparanoia? Walter sagte, es heißt ja, daß Dichter mit dem Alter weise
werden. Da sagte ich, na hoffentlich stimmt das auch bei mir. Und L. sagte, ja
die Fünfziger, überal steht ja in den Zeitungen, wie toll die doch sind, und
wieviel sie noch vor sich haben, erst jetzt kommt ihre ganze angesammelte
Erfahrung zum Zuge, auch wenn die Vitalität und auch die Eriunnerungsfähigkeit
etwas abgenommen hat, wird das kompensiert durh das, was sie angesammelt haben
bisher. So ist es. Eben kommt eine Karte von meiner Schwetsr an, der Poster
klingelt, ich speicher ab undlaufe die Teppe hinab. Die gute Schwetsre hätte
auch anrufen können. Aber der Geriz, der Geiz, vor allem des sächsischen
Ehemanns. Sie kanns wohl nicht wagen. Alks sie hier waren, mußte sie mir auch
heimlich 100 Dm zutecken, damit wir für denb Garten Blumen kaufen in ihrm Namen
und Sinn. Unterschrieben nur von ihr,
ihre Tochter ist ein Ekel geworden, von ihrem Vater gegn unsere Familie
"programmiert". Reitfan und von einem unwahrscheinliche Egoismus,
obwohl erst dreizehn. Aber das "Okonomische", ists nicht auch bei mir
"drin", gestern voller Sorge Berichte über den Zusammnebruch der EWS
und unsere Ecu in der Schweiz kam mir in den Sinn, die sind im Eimer, Tausende
gehen so verloren. Ich studiere immer genau diese Börsenberichte, als wärte ich
Makler. Es ist freilkich auch ein Spiel. Und verwalte dann auch L. sErbe, das
mit dem Tod der vielen Tanten immer größer wird, uns langsam jede finanzielle
Zulunftssorge nimmt. Und wir verdineen ja auch noch, und besser als früher, vor
allem müheloser.
Doch seelisch belöastendf ist das dann schon.
Auch konnten wir nicht wie früher ruhig 4 Wochen segeln. Der Kreis wird enger
durch Beknantheit. Das Ikognito war Freiraum. Frei werde ich nicht, eben kommt
ein Prsopekt zu den
"Baden- Württembergischen Kunstwochen", wo ich lesen soll,
offen, aber doch schließt sih der raum um mich, wenn ich zu hause bin, auf dem
Meer ganz frei, und nach drei Wochen Wohnen nur im Körper, Luft, Sonne, Meer,
Wind. Und fast keien Sorgen mehr.
Der Traum von heute Nacht zeigt es. Es war die erste
Nacktlesung der Weltliteratur. Na alos, eine Premiere. Zuerst verabschiedete
ich mich von irgendjemandem, ein Paar, um "hin" zu fahren, es wirkte
wie Ostdeutschland, und weggefahren wie von S. Es gab einen kleinen Hof, Stühle
an der Wand. Mutter war da, glaub ich, auch L. Aber sehr dunkel. Ich stellte
die paar armseligen Stühle in zwei Reihen auf. Dann ging ich aufs Klo. Dort
hatte ein deutscher Camper seine Sachen in der Pisse liegen. Ein Junge war
dabei. Ich kam wieder raus, da war der Hof viel größer, und eine Menfge empfing
mich. Ein Bus nach dem andern, auch Kinder. Ich aber war nackt, und hatte eine
Errekton Schämte mcih nicht, es war ganz
normal. Schwieriogkeiten machte mir nur, daßich auch die Lesung "von gestern",
die ich eigentlich gernau kannte, mit einbringen sollte. Ich stand schon vorne.
Dachte, daß ich eigentlich ekienattraktive Stimme habe. Wieso, viel Faruen
hatten mir doch gesagt, am Telfon hätte ich eine sehr sympathische Stimmer,.
und waren nur der Stimme wegen zu einer Lesung gekommen, in Ulm z.B. Die letze
Lesung in Ulm, bei der VHS aber war ein Fiasko gewesen, nur meien Nichte und
eien Freundin mit ihrer Hausbesitzerin und dem Freund waren da gewesen. In dxer
Traum-Lesung standen vor Befinn eine blinde Englkänderin da mit ihrem Kind, und
sagte etwas ü+ber Hölderli, unterbrach sich und ging wieder. L. meinte dazu:
manchmal ist es so, due redets und scjhämst dioch, hörst auf. Und jetzt sollte
ich laut reden, lesen? Fast frh war ich als die Kinder reihenweise aufsprangen
und auf den Schulhof liefen, wo die Pause begomnnen hatte, und andere Schulkinder
lärmten.
3.4.August. Jetzt überfahrt
nach Viareggio von Capraia. Gestern von Korsika nach Capraia, schön gesegelt.
Übernachtatet in der Hauptbucht, Cala maestra. Abends bei Beppone gegessen. Der
Wohlstand der Wsstler ist zum Teufel. Sonst war es schwer hier einen Platz zu
finden, diesmal nur zwei milein alös Gäste. Der Blick von der Terrasse aufs
alte Gefängnis und denTurm ist einmalig.
Es ist also vorbei mit dem Luxus. Die Ita.liener haben
auc begonnen ihre großen Räuber zum Teufel zu jagen.
Vielleicht begiunnt doch wieder eine reelle Zeit
wirklicher Werte. Da fiel mir ein Inmterview von Hans Mayer auf (in fder
Medienzeitschrift, Juni.) Mayer zitiert dfas Schiller-Gedicht
"Hoffnung", und - was die innere Stimme spricht, das veraltet nicht.
Und Brewcht in "Mahagonx" - obnwohl es immer mehr gäbe in derStadt,
fehle etwas. Und Hsses Glasperlenspieler bewege ja auch nur leere Hülsen,
Perlen aus Gals, falscvhe Werte also. "Kein wirkliches Gespräch in einer
Wegwerfgesellschaft." In Wendezeitenn undcder "Turm von Babel"
hat er davon gespreochen, daß die DDR eine
deutsche Wunde beibe, die so bald nicgt heile." und ist deshalöb
heftig angegriffen worde, so als könneman dfas einfach "wegbekommen"
wegopereierern, als ei nichts gewesden. Dabei war dieses Land eine Art Mahnmal
im Negtaiven.
Ich üebrlegte, eigentlich müßten auch meine eigenen
Sachen so aufgebaut sein, wie Brechts "An die Nachgeborenen":
subjektiver Geist, pbketiber Gest, absoluter Geist.
Schiller: "Nur der Irrtum ist das Leben und das
Wissen ist der Tod". Daher Versuch zu vergessen, irrtum eben,um leben zu
können.
Es stimmt, was Mayer sagt: Es hat sich ungeheur viel
geändert: Die Religion, als "Benimmregel" und Angbst ist nucht mehr
da. Der Mensch aber zuz unmündig, um ohne Angst zu leben, selbst zu betimmen,
er bestimmt gberade, wenn er frei ist fremds: vonden tierischen Instinketen
her.
Klarsicht aber, Humanität, Geist unendlich kleine
M;inderheit, heute wie je. Sich darau einstelen. FRüher verbrann wie Münzer,
Bruno, Hus u.a. Hölderlin im Irrtenhaus. (Mein Buch.) DSie Masse aber, na ja.
Einzelne nur, Genies (vgl. Apriorische in der Wissenschaft u. Geshicgte haben
vorangebract.)
Hedute alölöe auch noch verblödet durch Prsese. Politik.
Konsum. Und eine Menge Wichtgtuer treibe sich herum. Gegen Chrisa Wolf, die
Literatur die DDR.
Am Gräßlichsten die Geschichte über das Reserve-
Polizeibatallion 101 aus Hamburg. becshrieben vom Holocaust-Forscger
Christopher Browning. 8im Spiegel nr. 30.) Wo ganz gewöhnkiche Männer, keine Ns
oder SS, zu Massenmördern wurden. Sie kotzen und wienten, starben vor Mitrleir,
Reue, Scham fast. Doch sie kannten keine Gnade, schossen, mprdeten.
Ein amerik, Experiment fällt mir ein: ein fingierter
"Versuch", ein Elektrisierapparat, der Scherzen zufügen sollte. Ein
Schaupsieler mimte den Schmerz und dasSchreien. 80% der VP ging bis zum Extrem,
wofast Tod angesagt war auf einer Markierung. Nur einige wenige vertwwigerten
Mitzumachen!.
Habe mit L. überlegt, welchen roten Faden ic
h beim Gespräch mnit Goffy
Fischer ansetzen soll: Judentum (das nur zum Nutzen eingesetzt, hat sich inmer
als Deutscher gefühlt, gezwungen ein Jude zu sein.) Exil (eigentlich
Luxusexil). Alles nur die Familie. Schlie-lic: das wichtigste: das Gecshäft.
29./30. Gestern Überfahrt Marciana- Korsika. Glattes
Meer, schwacher Wind. Delphine dann vor Korsika. Wie Seide ist das Wasser über
ihnen, wie Schatten mit Händen zu greiufen. Drei sxhwimmen wie lachend dem Boot
voraus, einer legt sich wohlig auf den Rpcken, man sieht den weißen Bauch.
Ichofeife, rufe. Als verständen sie, wenen sie sich mir zu. Wie im Paradies
zehn Meter weiter springen zwei wqie Kunstspringer im Takt aus dem Wasser.
Eleganz. Ich fotografiere pausenlos, auch die Delphine unter Wasser. L. und
ich- seit wir den Hund haben lieben wir die Tiere. Auch L. beginnt mit ignen zu
sprechen, wirft ihnen BRotstückchen zu, doch sie kümmern sich nicht darum.
Signalisieren eher Neugierde und Spietrieb.
In der Bucht bei Maccinaggio
eine Kapelle, ein Turm, ganz angefressen in Richtung NW. Dann 3 Taucher. Kühe.
Und ein wilder Sabdstrand. In der Ferne sieht man das Cap Corse mit der
Giraglia. Zwei weitere Wachtürme. KLarer Himmel. Der Mond scheint taghell. Da
Wasser glüht. Wir ganz allein mit dcer Natur. Leider begann gegen sechs erin
stärkerer Wind, ein Pfeifen. Ich hatte das Gwicht reingelassen, aberkurz
geankert. Der Verdacht, daß wir hinausgetrieben wurden. Liegen viel weiter
draußen. Schrecken. Der Wind nimmt zu. Und geht bis ca. 30 Kn. Landwind SO,
andauernd SO in diesem Sommer, der verstärkt wird durch die Berge.
Eine Nervosität wird erzeugt, ein Prickeln, Denken ist
nicht mehrvmöglich. Da Radio andauernd an. Bei den Ihjseln Finochiaro, etwa 1
Meike von hier ist ein Schiff gestrandet, ein Italkieber. Das Schiff verlassen.
Einer, der es gefunden hat, ruft Mayday.
Las moirfgens noch im "Neuen Pitaval" die
Gecshichte des Kotzebue-Mörders Karl FRiedrich Sand und seine Hinrichtung. Wie
solches zelebriert wurde. Auch er, bittet den Henker zu sich, hält ihm die
ghanze Zeit die Hand, fragt, wie er sich verhalten solle. Und es mayche gar
nikchts, wenn er beim ersten Schlag nicht treffe, er halte auch zwei drei
Schläge aus. Dieses Leben auf Illusion und falsche Gefühle basiert: Kotzebue,
der russische Spion uhjd mit seinen Stücken Verderber der deutrschen Jugend.
Sand ein Reaktionär.
Ein Walter von Rossum,
Jahrg. 54 - sucht nach der Deutschsein- Möglichkeit. Zitiert Raul Hilberg
"Gesamtkunstwerk Holocaust". Die These, daß man etwas wahnsinniges
erreichen wollte
28.Juli .Dieser Raul Gardini
verfokgt mich, doch sicher nicht nur mich. Zeitungslektüre der Reppublica wird obligat. Nachts eine
Autobombe in Mailand, fünf Tote, und zweei in Rom. Der Krieg, nein, dcie
Revolkution von oben in Italien geht weiter. Eine ganze politische Löasse, die
ja eng an die Mafia gebundsen war, wird beseitigt. Doch Gardini gehörte dazu,
gena wie der ehemalige Präident von Eni, des Staastholding. Ich höre es auf der
Promenade des Hafens in Marciana aus einem Autoradio. Dann in der Repubblica.
Cesare Garboli kommentiert die beidenm Selbstmorde. Gardini, eine At
Sportlicher Held, Meer, Kraftz, Selbstbewußtsein, der k,eine Niederlage
duldete. Und um nicht in HANDSCHELLEN ABGEFÜHRT ZU WERDEN; DIESES Bild wäre
völlig unmöglich gewesen für ihn, nimmt er die Pistole. Die Milliarden, die
bleiben wiet zurück, ebenso die Geschäfte im metaphysischen zuvorkommenden
"Helden"- Akt. Die Plastiktüte des Cagliari dagegegn im Gefängnis wie
Ble, verspätet und "unaufstehbar", dabei schreib der Häftling
Gedichte, nach Garboliverraten diese, daß dieser Mann keine Identität hat,
weder vorher noch nachher, und dr Tod ihm auch keine geben kann. Garbolit
frägt, was sind das für Leute, die da oben, die nur durch Privilegien eine
Maske erehalten, die nicht wissn, wer sie sind, verabtwortungslos, eigentlich
Nihilsten, und auch nichts können. Wohiun soll man jetzt mit all diesen Leten?
Ist es nicht ähnlich wie im Osten? Diese Nomenklaturen simnd austauscvhbar und
KÖNNEN nur mafiös überleben und mit Gewalt.
Solche ein Davonjagen und Einspöerren müßten auch mit
vielen deutschen Bürokraten geschehen, leider haben die sich weiger zu schulden
kommnen lassen, es gab keine Mafia. Allerdings 2000 haben als IMs mit dem osten
gepakelt.
Wie naiv ist dagegen der Erguß unserer Freundin Ilse St.,
Proffesorin für Staats- und Verwaltungsrecht an der Uni Frankfurt in ihren
"Überlkegungen zur Neukonstituierung einer Bürgergesellschaft". Als
wäre nur der Staat Schuld an der Misere. Nicht gerae der
"Volkssouverän", die Masse Mensch, die keine Staatsbprger sind,
ungeeignet für eine Zivilgesellschaft. Höchstens eine kleine Minderheit von
Bprgerrechtlern sind aktiv. Man sieht es aber in Ostdeutschland, sie sind
weggefegt worden von der Masse und ihren Wünschen. Es wird nur das Icvh , nicht
der andere gesehen, nicht, daß alle zusammen eigentlich ein Wesen sind, wie es
Hegel definierte.
Wie schön, wenn ich jetzt meine Geschichte weiter
erzählen könnte, wie weiland in den "Jahrestagen", daß jetzt Templins
Mutter nicht m,ehr schlafen konnte, weil Templin angekündigt hatte, daß er die
Gecshichte des Andreas, wie er Kommandant in Flossenbürg erzählen würde, und
die Aufnahme in Innsbruck, wo< Andreas selbst unvorsichtiogerweise über
seine Taten berichtet hatte, verwenden könnte. Um Gotteswillen, tu das nicht,
hatte sie am Telefon gesagt, am E de spoerren sie ihn noch ein. Du weißt ja, er hat ein schgwaches
Herz, und es passiert ihm was, wenn er sich jetztr aufregt.
Ist dieses nicht
im Kleinen genau so, wie im Fall der Industriellen ud Politiker heute, Egoismus
und Familöiensinn geht vor, nicht das Recht, das ist etwas "anderes",
man nimmt es in Kauf, es ist aber nicht für uns, sondern für... ja, für wen.
Nun ja, für den Staat.
Ist nun auch der Tod von L.s Tante Dora, einfach ein ganz
kleines Ereignis? Sie wird nach strengem Ritual der Korntaler Brüdergemeinschaft beerdigt, heute ein Uhr. Jetzt ist es fünf.
Sie hat ein Testament hinterlassen, zuöffnen nac m,einem Tode. Wir wissen
nicht, was drinstreht. Es interssiert mich wneig. Bin ich unnorfmal. Für die
meisten wäre es zentral. Auch L. inmteressiert es wenig. Doch aus jenem
Interesse ist die Welt gebaut. Und in SXtuttgart ist ein Teil der Familie auch
schon "dahinter".
L. hat kaum geschlag'fen, diesen Tod geahnt. Tod umgibt
sie anders als mich, viel konkreter. Sie hat Angst ihr Vater stirbt, ihre
Mutter. Rief deshalb heute an. Ich rief Mutter auch an. Sie könnten ja längst
tot und begraben sein. Und da sagbte sie mir ihre Nahctängste wegen Andreas.
Ich las ein Manuskript von Bettina S. "Nicht für
Geld. Eine Biographie". Ja, aus lauter Banalitäten besteht Literatur,
Alltagsbanalitäten. Doch tiefsinnig beshrieben, Kleinigkeiten, Einzekheiten.
Müßte das tun. UNd hasse doch gerade sie. Bin ich deshalb für Literatur
ungeeignet? Ich mag eher die herasugearbeitetn Strukturen und roten Fädenb und
Assoziationben, die alles erdichten. Das fehlt B.
Saul
Below in einer diskussion, die das LM 31 abruckt: Im Osten warttte eine
Diktatur mit Gefängnissen und GULAGs auf alle, die neiederschrieben, was sie
für wahr hielten. Im Westen ahbe das, was man sagte, keinerlei deutung. Es gebe
keine Strafen und dsewegen keine Erntshaftigkeit. Unsere Freiheit rücke damit
in die Nähe einer Karrikatur." Jetzt scheint es anders zu sein, die
"Probelme des Istens" sind jetzt auch unsere. In Italien droht in
umgekehretem Sinn sogar Gefängniks für Korruption, dfie im Osten das ganze in
Gang gehalten hatte. Wehe wer es sagte. Milosz meinet, jetzt sähen wir ujns in
eine Lage versetzt, in der es keinen Mythos mehr gibt, wie Intellektuelle damit
zurechtkommen? Und daß wir ohne Feimnde leben müssen, sei eine Tatsache.
Wirklich? Jetzt erst kommen die wirklichen Feinde. Vielleicht serden sie
abgeurteilt. Und: Es gäbe einen UJnterschied zwischen Intellektuell und
Schriftstellern. Ein großer Gegensatz. Bellow ebenso. Den Intellektuellöen in
uns überwinden, um Autoren, also wahr zu sein. Kopfverseucht die Literatur.
Brodsky meint, Autoren werden einfach durch eine Art lyrischges Gespür für die
Sprache vorangetrieben. Und Belolow: Die herrschendeKultur ist die des TV. Und
Osteuropa wird konform gehen. Darin sei das geistige Elend der Zukunft zgu
erkennen.
Brodsky meint in Rußlan habe die Kiurche eine
zerstöreiscvhen Rolle gespielt, weil sie Gehorsam einbk,eut, unterscheidet
nicht zwischgen Staats- und Kirchenoberhaupt. Venebelt soziale Fragen.
Konrad erinnerft daran, daß
Ungarn, Tscgechen, Polen tausendfjährige Nationen snd, während Serben, Kroaten,
Rumöänen, Bulgaren Spätankömmlinge seen. Diese späte Nationwerdenb ist das
eigentliche Problem heute. Krieg. Den gro0 Nationen längst geführt.
Zugehörigkeiten, neue Identität. "La nation homogène ist ein Alptraum."Rußland
vor allem. Das es nicht gibt, meint Tatjana Tolstaja. Unendlich viele r
ußischsprechende Nationen, Stämme, GRuppierungen scjon um Moskau herum. Und
erinnere mich an ein Gespräch auf der Siolitude mit einem Moskauer.
Und mein Freund Norman Manea sagt, Brecht habe das Exil
als die ebste Schule der Dialektik betrachtet, Und hat seine
"volksdeutsche Zugehörigkeit" nicht eungesetzt ( er ist Jude, und
Kittner hat den Paß wohjlö auch so erhalten, ebenso wie Silbermann u.a.) Herta
Müller hatte ihren Paß nur so erhalten, indem sie sagte, mein Vater war
Mitglied der SS. Da habe der Beamte, der sie nicht aufnehmen wollte, sie habe
ja gegen CVeausescu gekämpft, müsse also politisches asyl verlabgen, gesagt: ach
so? Und dier Sache war peefekt. Exilierter sei ein enttäuschter Liebhaber.
27.Juli 93 Gestern im Hafen.
Abends viele Deutsche. Ersatunlich wie viele Nationen unterwegs sind;
inzwischen auch Spanier, dann auch Polen und Tschechen, freilich nun auc Ostdeutsche.
Beobachte das Treiben der Ankermanöver und Abendvorbereitungen. Schön das eite
Wasser. Schwarz der Berg von Gewitterwolken.
Lese heute im Corriere zu
meiner Einstein-Novelle, daß ein Buch von Roger Highfield und Paul Carter
erscheinen soll über das privae Leben von Einstein, der, so seine Enkelin ein
"macchio Schwein " gwwesen sein soll.
Nachts höre ich andauernd
den Namen: Raul Gardini, Raul Gardini und sehe Bilder vor mir. In der Zeitung
Raul auf seinem "Moro di Venetia", Raul mit Andreotti, mit seiner
Frau Idina Feruzzi, die einaltes intelkigentes Hexengesicht hat, mit seiner
Toichter Eleonora. Ihn immer lachend, ein Partylöwe und Schönling, markanter
Mann mit vieln Frauengeschichten. Er hat ein Afrarimperium in Argentinien,
dafür bekam er den Dr. hon. causa Agraria der Universiutät Bologna. Man sieht
ihn mit Doktorhut und Mantel. Er war ein Abenteurer, hat Milliarden an Bestechungsgelder
an Parteine gezahlt, so seine Geschäfte gemacht.
Diese Tragödien, Gardini hat sich mit einbem
Revolverschuß in seinem Arbeitszimmer getötet, wie der Batler, der ihn morgens
strbend auf den Bett liegebd vorfand, berichtet, ein anderer Industrieller, der
über ein Monat in dcer Isolationshaft lag, hat sich mit einer Plastiktüte, die
er sich über den Kopf stülpte und zuzog, das Leben genommen, all diese Fälle
sind Resultat der "neuen Zeit", in Itaklien Kampf gegen die Mafia und
die unsäglichen Tangentopolis.
Vopm andern Resultat nach 89, Bosnien hört man auch jeden
Tag. Gestern las ich über einen Witzbold, der meinte, die Bosniuer hätten sich
mit den Serben verbünden müssen, denn sie sind ja Serben, nur die Religion
trenne sie, dabei sei das Orthodoxe viel näher dem Islam als das Katholische
der Kroaten. Mit diesen wiederum hätte man sich verbünden müssen, da die Kroaten
der natprlicge Verbündete seien wider Sewrbiens Großmachtstreben.
In der NL. 1/93: für den Kroaten Vladimir Biti, Professor
in Zagreb, ist "Geschichtsbemächtigung", also das Elemenmtare auf
jeder Ebenm auch der Gecshichte nach 89 in Bewegung geraten. Und zitiert E.
Lämmert/ Glkotz: "Die Zukunft der Aufklärung", heute wolle man nicht
mehr verunsichernde Kritik und emotionale Irritation, sondern eindeutige
Sicherheit und Selbstgewissheit, das was ist eben. "nicht
weltbürgerlicher, sondern elementar partikulare Bedüprfnisse". Und Alain
Fienkelkraut verteidigt sogar diesen Expamsionsdrang der "j'kleinen
Völker".
Und Ivo Andric, der Nobelpreisträger hat Bosnien zu einem
SAchauplatz der Weltliteratur gemacht. Symbolisch allerdings die Brücke über
die Drina, die diese alte blutige Grenze: Osmanen- Europa. Islam-Katholiken
trennt.
Auch ein anderer Autor, der Kroate Moroslav Krzla hat in
seiner Geschichtsphilosophie ("Die Fahnen") längst die Gründe für
denheutigen Konflikt erarbeitet. Stanko Lasic beschreibt sie. Es wird klar, wie
wichtig inzwischen diese Explosion der Peripherie für Europa geworden ist.
Krzla geht davon aus, daß alles sein Gegenteil schon in sich hat. Der andere im
"Herzen des Ich". Jeder geschichtliche Organismus braucht den andern,
in dem er siuch selbst erblickt, wie umgekehrt auch, so daß keiner den andern
vernichten darf, ohne nicht sich selbst auszulöschen. Dies ist jetzt in Jugoslawien der Fall. Diese Gespaltenheit
werde mittels einer Scheinsnthese erreicht zwischen gewalttätiger Pracis und
idealer Moral. Scheinheilig. Geschichtiche Tragik: Unfähig ein Mnesch zu sein,
jedoch auch mit diesem Bewußtsein nicht leben kann. Christus sei eine Lösung:
radikal den andern zu lieben, wie sich selbst. Die Spaltung aufzuheben.Er ende
aber auf Golgatha oder bei Füsrt Myschkin im Irrenhaus.
Bleibt die Taktik und Tarnung, wie sie auh Nietzsche für
Europa entlarvt hat. Getarnt werden die Massaker und Gewalttaten mit Moral.
Tragik oder Karneval. Im Mittelpunkt: Europa. Das Zentrum. 3 Kreise: Zentrum,
Peripherie, Ödraum. Angeblich leben im Ödraum nur Barbaren und Menschenfresser.
Das hatten ja auch die Spanier bei er Conquista berichtet, um ein Alibi für die
Plüderungen und den Mord an den Eingeborenen zu haben. Heute Zigeuner, Dritte
Welt, aber auch Teil des Ostens. Zur Peripherie gehört das ehemalkige
M;itteleuropa. Alle schotten sich ab, wollen ihren Status behalten. Die
Peripherie warte und antichambriere,. um "anerkannt" zu erden
Imitiert das Zentrum aus dritter vierter Hand.. Ersatzzentern entstehen,
Ungeduld und Nervosität herrscht.Und vor allem, Abwehr des Ödraumes, Angst vor
dem Rpckfall in den Ödraum. Dort hertrscht Hunger und Elend. Einzige Hoffnung
Peripherie zu werden, und sich am Zentrum zu rächen..
Zum Zentrum sagt Krzla: es töte viel grtausamer als
Hitler mit Hilfe der Banken. Unmd erteile der Peripherie und Ödraum gute
Ratschläge in Humanität. Hochnäsig vor allem, Kolonialismus- gewohnt. Seit 200
Jahren setze es eine heikige TGriade ein von Marktwirtschaft, Demokratie und
Liberalismus, tritt die übrige Welt mit Füßen. Wer das anerkenne kriege ein
zeugis in gutem Betragen. Diese Trias sei viel wirkungsvoller als der Eiserne
Vorhang, wenn auich unsichtbar die Trennwand. "Europa ist ein Monsterwsen,
das Mozart spielt".
Die Nutzanwendung wäre, diese Wahrheit anzuerkennen, sich
danach zu verhalten. Nicht "idealistisch", sonderb wahrheitsliebend
aggressiv.
Befreiung sei unmöglich, denn jederKreis sei gespalten in
Behrrescher und Berrschte, Reicher und Arme. Und nie käme es zur Solkidarität
zwischen den Unterdrückten der versxhiedenen Kreise, eher zwischen den
Herrschern. Ist es nicht si: die abgecshotteten Sphären, die dann noch in
"Nationen" und Klasen gespalten sind, schaffen die Zellen und Käfige.
Nationen sind harte egozentrische Organismen, die sich entwicklen und
abschotten muß. Und immer sind es domoinierende Nationen, die die adern
unterwerfen, beherrschen. Auch die Ethnien. Die Ethnien freilich haben einen
Vorteil: nämlich doppelter Zugehörigkeit.
Wie wir sehen, ist dies Minderheitenverstreuung in
Jugoslawien heute tgödlich.
26.Juli. Verlust des Textes. Diese blöden Umformer.
Über den Sturm am Westcap.
Unsere Flucht aus Fetovaia. Das Abendessen bei jungen Leuten, Sergio,
Christian. Siebenmeterboote.
Nähe Menschen im Hafen. Die
blinde Taube. Das Fehlen der Becshreibungslust oder auch Talent. Wie im Leben
über alles hinwegdenkend, flach.
25. Juli 1993. Joachim
Kaiser in der Südddeutschen über Kunzes "Tagebuch eunes Jahres":
prinzipiell müßte bei einem "literarischen Tagebuch", falls nicht
genug erregende "private Erlebnisse vorhanden oder ein unerschöpflicher
Reichtum an kulturkritrischen Einsichten" da sind, eben
"strukturbildende Elemente", so
"Handlungsstränge", die das ganze durchziehen, Notizen sollten
dramatisch angeordnet sein und zugespitzt werden, schließlich etwas da sein,
womit sich der Leser in Sympathie verbündet, zumindest Anteil nimmt.
Weiter vergleicht er dies neue Tagebuch K.s mit den
"Wunderbaren Jahren", wo Druck und Spannung eben von vornehein allea
dramatischer, interessanter auch unmittelbar allgeiemngültig und historisch
werden ließ. Jetzt, bei mir genauso: dies Muhen vor dem Tresen. Lasche
Privatheit oder nur Abrechnung mit Vergangenem, wo das eigentliche Leben eben
war: die Gegenwart. Jetzt haben wir keine mehr.
Aneta Khana, eine ostdeutsche Jüdin fühlt heute stärker
wieder die "peinliche Frage: wer bist du?" Nachdem ihre Tochter, die
erst jetzt nach 89 zu einer Frage wie dieser kommt: mit der Frage kam:
"Mama, stimmts, ich bin ein jüdisches Kind und kein deutsches". Mit
Mühe unterdrückte die Mutter ein Pssst. Doch geht es mir als einem Deutschen
der dritten Art nicht ähnllich und verheimliche, in Deutschland eigentlich
weniger als hier, meine Herkunft "Rumänien". Kommt man damit nicht
gleich in die Ecke der Roma? Und des Balkans und der Levante und und und.
Ausgedrückt wirds nicht, aber unterschwellig ist dies immer da, nur durch
persönliche Anstrengung, überhaupt andauernd diese Anstrengung, anerkannt zu
werden, und sei es auch nur in der persönlichen Begegnung, läßt sich diese merkwürdige
Animosität, Auralosigkeit, wer weiß noch welche Unterschwelligkeiten, die ich
auf den andern auszustrahlen scheine, überwinden.
Was das Jüdische betrifft, da hat Anetta Kahna, die
Leiterin der Regionalem Arbeitsstellen für Ausländerfragen in Brandenburg und
Berlin, eine "Ostdeutsche" also Recht, es ist ein historisches
Edelfremdentum, und eine Umkehrung findet statt:sie fühlt sich als Jüdin
"Objekt abstrakter Schuldgefühle, sozusagen als persönliches Opfer im
Eigentum meines Gegenüber." Dies verursache ihr Übelkeit, denn "die
gleichen Menschern halten "Zigeuner und ihre 500000 Toten einer solchen
Ehrung keineswegs für würdig." Und doch ist es weiter die Angst, der Zwiespalt
denn "das jüdische Privileg ist gar keines, denn es steht auf den tönernen
Füßen von Schuldgefühlen und nicht auf dem Fundament der Bereitschaft zu
lernen." Kollektiv ist da gar kein Lernen, denn wie wäre sonst das
"rassisch begründete Staatsbürgerprinzip in Deutschland" möglich, das
eine "Schande" ist. (Sz,24/25.Juli.)
Ein neues Überdenken dieses "jüdischen
Privilegs"? Ich muß zugeben, daß
ich bisher zu wenig auch über diese Seite meines "Philosemitismius"
nachgedacht habe, dieses Schuldgefühl, das, wie mir einmal mein jüdischer
Freund Kittner sagte, auch ein Halt sein könne, sogar ein Eintrittsbillet zur
"deutschen Identität" und sei es auch eine negative, und am Grauen
der deutschen Geschichte teilzuhaben sei ja besser als irgendwer zu sein. Und
weiter:
S. Kleinschmidt von "Sinn und Form"
hat Recht, wenn er mir vorhält, mein Celan-Vortrag vom März im Literaturhaus
Berlin, sei zu gestisch, also zu vordergründig den Westen attackierend, auch
führe ich Celans Gedichte auf die "Anlässe" zurück. Zu biographisch
beides also. Und vielleicht pro domo. Außerdem zu postitiv biographisch für
Celan, der wohl ein Ekel war und viele verletzt hat, ein Genieprivilieg über
das Schuldgefühl und Holocausttrauma verlangte. KLeinschmidt schickte mir einen
Artikel aus der ZEIT vom 7.5.93 der ungarischen Jüdin Agnes Heller. Die Lukacs-Schülerin Heller hält ein anderes Privileg für wichtig,
sich nämlich zum Holokaust zu äußern, das dürften nur die Betroffenen, nicht
die "Zuschauer". Und eigentlich nur in Gedichtform. Doch die
Überlebenden, auch Menschen wie Celan also, dürften sich gar nicht äußern,
eigentlich dürften dieses dann nur die Toten? Auch diese Alpträume und
Erinnerung jener, die im KZ waren, sind nicht adäquat? "In den Gaskammern
wurden keine Gedichte geschrieben". Dann aber ist auch inkonsequent, wenn
sie sagt, es ließe sich nichts als Schweigen schreiben. Und es gäbe vier Arten
des Schweigens. Schweigen der Schuld, Schweigen der Scham, bei den Juden wurde
das Reden über den Holocaust vermieden. Schweigen, weil sie übertlebt hatten?
Und auch der Stern - Scham, zum Volk zu gehören, dem dieses zugestoßen ist?
Dann Scham der
Unzulänglichkeit auch, der Minderwertifgkeit usw. Drittes Schweigen: Scham des
Schreckens, Schweigen der Unfähigkeit. Viertesn, das "tiefste
Schweigen", das der Sinnlosigkeit. Und genau dieses hat Celan versucht zu
bekämpfen. Nach Heller ist der Holocaust, das "absolut
Unvernünftige". Zwecklos, und auch in die Geschichte nicht
"einzugliedern" weder in die jüdische noch in die deutsche.
Hier aber zeigt sich
wieder nur die Selbstwiederlegung auch
der eigenen Versuche,
rational deutend etwas über den Holocaust zu sagen, vor allem in der
Aufklärungstradion, in der sich Hellers Denken bewegt, denn nicht nur durch
Auschwitz, sondern seit 89 nun defnitiv ist diese unfähig, das was geschieht zu
begreifen. Was heißt "absolute Sinnlosigiet"? Was heißt
"normaler Ablauf von Ereignissen", die sich erzählen lassen? Was
heißt "Verstehen", "Erklären". Sind wir nicht gerade durch
Auschwitz und Hiroshima an einer Grenze angelangt des bisherigen Erklärens und
Verstehens, heißt dies nicht, daß die Instrumente dieses Verstehens
unzureichend sind, umgedacht, eine Umkehr nötig ist, ein millenarer Bruch
stattgefunden hat? Heller nähert sich dann dem, was nicht sagbar ist, durch die
Metapher von "Gottes absolut negativer Abwesenheit", nimmt Isac B.
Singer als Beispiel, wo die Beschreibung der Gottverlassenheit außerhalb der
Geschichte anbgesiedelt sei. E. Levinas hat eine treffende Umschreibung von
"Gott" gegeben, wir bezeichneten mit Gott die Schwierigkeit vom
"Andern" und Ganz Andern zu sprechen, das ja außerhalb jeden
möglichen Zugriffs liege. Er kann nur, im Hebräischen besonders, nur durch
Abwesenheit da sein, unsere Absenz, Weltabsensz, in ihrer Auslöschung also. Ist
es nicht so, daß der Bruch erst durch die beiden totalitären Diktaturen und
ihre Massenvernichtung, durchaus ein Produkt der Geschichte, Organisation,
Technologie, Bürokratie und gleichgültige, nivellierte Masse, Resultat der Auflösung von
Gemeinschaft und Individuum eine Art Mephistophel also, das durchaus beschreibbar
ist, sichtbar wurde.Er selbst, der Holocaust, Promotor des Bruches aber ist
unbeschreiblich: eine ungeheure Trennung wird sichtbar, die im Negativen so
sehr jenseits unserer Vorstellung ist in ihrer Undenkbarkeit, daß sie jenem
Nichts (also JHWH) nahekommt. Heller sieht diese beiden Pole, bringt sie jedoch
nicht zusammen, sondern verharrt in der TRENNUNG VON Geschichte und
Transzendenz: genau hier aber setzt Celans Poesie ein, geht weiter, viel weiter
und entläßt daraus Erfahrungen und Umwege der tiefanrührenden Metaphern und Sprachsonden, die seine Dichtung
erhellender als jede pohilosophische, historische oder auch theologische, gedachte
Analyse also, sein läßt für den millenaren Zeitbruch, in dem wir uns orientierungslos
und hilflos heute befinden.
Ist die Suche nach der absoluten Metapher aus dem
Schweigen, wie Heller meint, gar zu vermeiden, da sie eine "unheimliche
Eigenschaft" besitze, da sie nicht nur künstlerische, sondern "reale
Nachahmung" verlange? Wollte Claude Lanzmann mit seinem Fim
"Shoah" dies mitteilen, daß das "Sur-Historische" historisch
werden kann, zur Wiederaufnahme einlädt?
Aber wäre es dann nicht gerade wichtig,
diese "Transzendenz" nicht sich selbst zu überlassen, sondern den
Bruch, wo er historisch ist auszudenken, ins Erfahrbare Brücken zu bauen und
sei es, wir entdeckten den eschatologischen Grund, und sei es der
Untergang. Denn wir stehn vielleicht vor
dieser Wahl: - Kassandra oder Jonas zu
folgen, durch Prophezeihung den Untergang zu beschleunigen oder ihn gerade
durch seine Vorhersage zu verhindern.
Kleinschmidt: "Wie
sprechen Schuldige und Opfer miteinander, das alles ist Noch- Vergangenheit und
Schon-wieder-Gegenwart. Unsere Gegenwart." Vergangenheit also, die nicht
vergehen will. Als habe der Osten die Gegenwart überhaupt jetzt erst
angerichtet (was hast du angerichtet?!), alles wird aufgewühlt, bis auf den
Grund, also auch auf den Celanschen Grund." Und er möchte, ich solle der
Gesellschaft nicht die Maske vom Gesicht reißen wollen, denn während man
schreibt, zeige sie dir die nächste. Ich solle nicht wie im Vorwurf den andern
entgegensprechen. "ES bleibt nur das Echte, Eigne, Ungeschützte aufsuchen
und ruhig entgegenzusetzen."
Aus meinen Tagebüchern:
24.Juli 1993
Celan hat sein Leben lang
nach dem du gesucht. Auch Zu Celans Poetik gehört das DU, der Angesorochene,
die Richtung des Gedichts, Du, das nah, aber zugleich in größter Distanz ist,
der Angeredete, ja der Leser dieser dialogischen Dichtung, die geegn die
monologische lyrisch-romantische Ästhetik gerichtet ist, kommt schließlich
dazu, in scheinbarem Abewesenden, einem Niemand, den Leser, Adressaten und
Partner zu sehen. Martin Broda (PC, 212)sieht den Einfluß des Französischen
"personne" darin. Ein ganzer Band ist nach ihm benannt: "Die
Niemandsrose", Rose im Sinn er mystischen Rose, der hebräischen Schechina,
der "Einwohnung Gottes in der Welt", Niemand auch im Sinne von
Nichts, Abwesenheit, die die Anwesenheit Gottes ist. Es ist die Rede vom
Andern, ja, Ganz Andern, und darin sieht Celan im "Meridian", der
Büchnerpreisrede "Richtung und Schicksal", es ist etwas "aus
einer Ferne oder Fremde" kommend, einen Begegnung, Ende und Ziel einer
Bewegung, vielleicht die unermeßliche Zukunftskraft. Im Meridian ist der Zeuge
dafür Lucile, die "Es lebe der König" ruft unter dem Schafott der
Revolutionäre, und "den Draht zerreißt" des "Wirklichen"
Zeuge ist mit diesem "Gegenwort" für die Majestät des Absurden.Das
Doppelspiel mit dem "König", dem damals gefährlichen Ruf, ist nicht
zufällig: Der König ist im Hebräischen der Kabbala Synonym für den Herrn, der
kommen wird. "Im Nichts - wer steht da? Der König./Da steht der König, der
König./ Da steht er und steht.//Judenlocke, wirst nicht grau." (Mandorla)
Das Gedicht geht dann merkwürdigerweise (für uns) über zu
den
"Augen":"Und dein Aug - wohin steht dein Auge?/...Dein Auge, dem
Nichts stehts entgegen./ Es steht zum König./ So steht es und steht.//
Menschenlocke wirst nicht grau./Leere Mandel, königsblau." Das Gedicht
aber beginnt: "In der Mandel -. wer
steht in der Mandel? /Das Nichts."
Nichts heißt im Hebräischen ayin; ayin ist aber auch der
Name für einen "stummen" Buchstaben, das Schweigen dieses Buchstabens also ist identisch mit dem
"Nichts", wie jeder Buchstabe aber hat auch ayin eine Bedeutung,
nämlich AUGE.
All diese semantischen Sinngeflechte, die zugleich ein
Tiefendialog des Deutschen mit dem Hebräischen sind, oder wohl eher umgekehrt,
eine Rückübersetzung der Bibelsprache ins Deutsche, gehen über die schmerzliche
historische Bedeutrung weit hinaus, bleiben ihm aber in einer Rückkopplung als
Agens der extremen Auflösung und Unfassbarkeit verhaftet, trotz andauernder
poetischer Befreingsversuche.
Doch in solchen Parallellen und Assoziationen erschöpft
sich der Einfluß des Hebräischen nicht, es geht bis in die Grundformen, nämlich
ins parataktische, reihende Verfahren, das nicht urteilt, gar verurteilt,
sondern "setzt". Adorno hat in seinem Hölderlinaufsatz einiges über
die Fähigkeit der Parataxe, das Unbeschreibliche doch auszudrücken, gesagt.
(Pezzella)
Vor allen Klaus Reichert hat
den parataktischen Stil Celans untersucht. (PC 156) Neben den
"freischlagenden Fügungen", wo immer noch Wörter dazwischengekeilt
werden können, ist die Möglichgkeit der "Wortartentransformation" wie
aus Ich ein Verb "ichten" (bei Celan ) oder Superlative durch Wortverdopplung
"Immerimmer" oder intensivierende Wiederholung: "Wort und
wort", "zu jeder Not, jeder Not", anstelle der Zeitformen sieben
Paradigmen und Zustandsformen, die "Inständigkeit des
Begründetseins", ausdrückt, etwa das kausative Paradigma von Sterben: "sterben machen",
viele appelative und Imperativformen, usw. Aber die wichtigste poetische
Möglichkeit: es werden nur Konosonanten geschrieben, die Vokale aber im großen
Zusammenhang dazu "gedacht", der Assoziationsspielraum eines
Worthofes ist sehr groß, das Mitgedachte, Mitgemeinte, die gesamte Streuungsbreite
ist da, so lassen sich sonst logisch, ja, dem Sinn nach sich ausschließende
Dinge zusammensagen etwa qds (umgekehrtes Dach auf s), wenn die Vokale dazukommen:
qada`s, heilig, qade`s: Tempelhure. Bei adm, Stamm für Adam, ist es noch
schwieriger aber immer voller Sinn. Wie Atome, die fähig sind sehr viele
"Bindungen" einzugehen, sagt Reichert. Das Widersinnige im selben
Wort wird möglich. Und da möchte ich mir gestatten eine persönliche Erfahrung
mit diesem Widersinn einzubringen:
Pezzella und Hölderlin.
Und da kämen wir wieder zum vorhin genannten
Grundkonsensus Celans, der Suche nach dem DU und der Rückübersetzung ins
Hebräische. Celan benützt Personal- und Possesivpronomen zunehmend emphatisch,
das Du besonders, zu dem ja das Gedicht spricht, und dieses Du ist in den
Psalmen durchwegs die Nähe des JHWH (Jahweh), der Name, der nicht genannt werden
darf. Doch wie sehr das Ungenannte nur umkreist werden kann, zeigt etwa das
Gedicht Celans "Einem, der vor der Tür stand", das bisher
verschiedene Interpreten als zum Golem-Mythus führende Um-Schreibung gedeutet haben, auch Reichert. Und hier treffen
wir wieder auf das Motiv der Annäherung an das Enigma der Zukunftskraft, die
wir negativ eingangs schon als seltene Form des Futurs vorgefunden haben:
"in der ich zu Gast gewesen sein werde..." - hier nun verständlicher
als Figur; und es ist nicht falsch, wenn wir das Du, wie auch das Andere mit
einbeziehen, die beide als noch ausstehende Begegnung im Futur gedacht werden
müssen. Und es ist auch nicht von der Hand zu weisen, daß die Kategorie des
Durchbruchs durch die bisherige Zeit und Denkgewohnheit mitgeführt werden
sollte. Golem heißt ja etwas noch Ungefeormtes, eine Art entstehender Embryo
oder Keim, in Psalm 139, 16, kommt es vor, Buber übersetzte: " Meine
formlose Masse sahen sie, deine Augen, und in dein Buch wurden sie alle
geschrieben, die Tage, (die) geformt wurden und (da noch) nicht einer von ihnen
(war)." Und wieder die Augen, das
ayin mit allem Implikationen: "Lies nicht mehr - schau"!1
Auf diesem Hintergrund das
Biographische Problem mit dem DU.
Der Erzähler in diesem Buch befindet sich schon in dem
vorhin erwähnten Zeitstillstand, er ist
zugleich der Held der Erzählung. Er hat
wird gleich am Anfang der Handlung von einer Schlange gebissen, erlebt im Koma
einen Zustand zwischen Leben und Tod; und hat so gewissermaßen zum zwitenmal
vom Baum der Erkenntnis gegessen. Der
Tod als Tor, das Aufblitzen im Augenblick der Öffnung. Die Organisation
des Romans braucht einen Standort jenseits der Zeit, aus dem Zeitfluß
herausgehoben. Erzählen ist erst möglich, wenn ein Ereignis, ein Leben oder eine Kultur abgeschlossen
sind; Hegels Eule der Minerva.
Der Augenschein aber ist das Gewesene,
Vergangene. Der "Verweser", namens T., bringt die Illusion der "festen
Welt" mit Hilfe der Sprache, der
Fiktion, des geöffneten Gedächtnissses zum Verwesen, hebt die Illusion der Zeit
auf. Es geht also um einen ontologischen, den einzigen effektiv möglichen
WIDERSTAND, den des einzelnen Subjekts angesichts des "Objektiven".
Die Hauptfigur T., jene, die ihr Leben selbst erzählt,
jene, die sozusagen durch den Schlangenbiß zum zweitenmal vom Baum der
Erkenntnis isst, weiß nicht, ob sie tot ist oder lebt. Sieht alles mit dem
andern Blick, wie ein Wiedergänger, keiner sieht ihn, jene furchtbare Erfahrung
aus der Kindheit, taucht wieder auf, die Angst nicht mehr gesehen zu werden.
Möglicherweise halluziniert T. alles im Koma, doch dieses soll wie im Traum,
wie im Leben in der Schwebe bleiben, niemand kann entscheiden, was "wirklich" ist. Jene Erfahrung,
von der Thanatologie als gesichert angenommen, daß eine Panoramaschau, eine Art
Gericht über das eigne Leben im Todesprozess einsetzt, wird mit Materialien aus
dem eignen Erleben und dem von Freunden, in eine dynamische Handlung
umgesetzt. Mit dem Tod erkauft sich der
Erzähler also erst seine Existenz.
Dabei ist ja schon das Lebensopfer beim Schreiben so ein kleiner Tod. Träger
der Absenz des Lebens ist das Zeichen. Der Ernst der Situation macht ihn
glaubwürdig.
Eine Übersetzung unserer eignen Absenz im
historisch so Späten, das Gefühl, daß wir Abwesende und Posthume sind, läßt
sich so als Existenzgefühl sehr intensiv beschreiben. Ein Prozess, der schon
1950 mit Becketts "Molloy" in der Literatur begann.
Auch wird so das Jenseits der Zeit jedes Textes fruchtbar,
Spiegel des Un-Wirklichen, das wir heute ja tatsächlich ertragen müssen,
jetzt kann also solch eine Fiktion wirklicher sein als das Leben. Schon
Rousseau hat in seinen "Les
Confessions" vom hypothetischen Standpunkt des eignen Todes aus erzählt.
Und im Hinblick auf das Jüngste Gericht.
Im Koma also tritt jene Panoramaschau ein, wo
das ganze Leben noch einmal wie ein Gerichtstag im Sterbeprozess vorbeizieht; und das alles in einer zeitlosen
Geschwindigkeit, so daß eine Sekunde wie tausend Jahre sind.
Interessant dabei ist, daß das anscheinend so
Absurde dieses Zeitparadoxes nun auch
fruchtbar wird: wie kann nämlich ein abeschlossenes Leben, das in einer
Panoramaschau zum Urteil und Gerichtstag über sich selbst ansteht, noch
erzählt, also eine Zeitperspektive mit überraschenden Momenten haben. Dieses
geschieht nun mittels jenes T., der sein vergangenes Leben neu erlebt, erlebt,
wie es intensiver wird in der IN-Eins-Bildung durch den Todeszustand und das
Gericht. Jedes JETZT erhält dabei eine
unendliche Perspektive, alles öffnet sich bis ins Unheimliche. Denn es
ist ja nicht so, daß T. nun nichts mehr erlebt, er erlebt nur ganz anders.
Ähnlich wie beim Tagebuchschreiben, das ja die Ereignisse eines Tages erst
bewußt macht, sie an den Sinn bindet, der ungeschrieben verloren ginge, so aber
gerettet wird. Die erzählte
Hintergrundzeit wird so zur Zukunft der Vergangenheit im Prozess. Das
ist kompliziert auch als Verb-Lösung. Die In-Eins-Bildung aber besorgt das riesige Gedächtnis der
Sprache mit ihren apperzeptiven Formen.
Auch gibt es einen erlaubten Trick, nämlich die Unsterblichkeit der
Personalpronomina der Sprache, die das Bewußtsein tragen, sich weiter erinnern
zu lassen, als die Grenze einer individuellen Lebenszeit oder die unseres
historischen Bewußtseins-
Horizontes es eigentlich erlauben. Dieser Horizont ist freilich, wie wir gesehen haben, an seine Grenze
gekommen, die übersprungen werden muß, um jene Partitur, die heute schon vor
uns liegt, richtig zu spielen. So wird die Offenheit der Zukunft in die
geschlossen, scheinbar abgeschlossene Vergangenheit eingeführt, mit dem
bitteren Fazit und Urteil: daß wir uns selbst das Leben geraubt, weil wir es
uns haben rauben lassen.
Einzig jene Momente des Traumes, oder das andauernde Bewußtsein auch im Alltag, da und zugleich
nicht da zu sein, abwesend, und doch da, wie im Zeitstillstand bei
Todeserlebnissen, in der Revolution, und jetzt eben bei diesem
"Unfall" T.s, der letzte,
die letzte Chance beim eignen Sterben, die auch dieses Erzählen ermöglicht, die
tiefste Erfahrung, erst am Anfang zu sein, also auch in der eignen
Vergangenheit das prickelnd Offne zu finden, und nicht nur in dem was kommen
wird. Geahnt hat er es mit Glücksgefühlen: daß es die Trennwände zwischen den
Zeiten nicht gibt, daß der Tod also ein
neuer Anfang sein muß.
Das Grundgefühl im Alter dieser Welt läßt sich so
beschreiben: daß alles noch da ist und doch schon längst vergangen, auch ich,
doch durch welche Zeit des Verbums läßt sich dieses ausdrücken, es trägt nicht mehr, hängt mit
dem Vor- Schein zusammen, der trügt, was wir sehen, das äußere Augenbild macht
alles so alt und zwiespältig, denn das Andere der "Partitur" ist auch
in uns, sehr jung und so, als gäbe es noch sehr viel an Möglichkeiten: Nichts ist vergangen, es
lebt durch uns, ein Ich trägt das andere, wir leben die Toten weiter.
Noch da ist nämlich auch alles andere Längstvergangene,
jenseits der individuellen Lebenszeit und des Augenbildes. Der Trick ist das
Déja-vu und das Unbewußte, wo mehr an Erfahrung gespeichert ist, auch via
Sprache, als wir wissen können.
In den Personen, nicht nur in T., sondern auch bei seinen
beiden Frauen Jeanne und Jann, zwischen denen er sich im unentschiedenen Gefühl quält, wie sich
Jeanne zwischen ihm und Jean-Christian quält. Schon die fast gleichklingenden
Namen verweisen auf nur abweichende Identitäten, in den Personen lebt ein sprachlich
ausgeweitetes Erinnerungsvermögen, eben das Déja- vu.
Jeder von ihnen meint, auch ein anderer in anderer Zeit
gewesen zu sein, und baut daraus das Bewußtsein einer sehr komplexen Biographie, die aber zu seinem
heutigen Leben unheimlich genau passt, und in all diesen Beziehungen spiegel-
geschichtlich ein tragisches und gefährliches Gespinst mit entsprechenden Knoten enthält. Aber
vergessen wir nicht: es ist nichts als die Panoramaschau des Erzählers T., der
sich im Zustand zwischen Leben und Tod befindet, und die so auftauchenden
Spiegelgeschichten, die alle auf Erzählkreisen beruhen, sowohl heute, als auch
im 16. Jahrhundert, sind Wirklichkeiten
auf der Grenze, im Koma dieses Zivilisationszustandes!
Es sind auch lauter grauenhafte Geschichten, die aus dem
kollektiven Sprachgedächtnis dieses Okzidents via Personen und tragischen, schmerzhaften Mord-und
Totschlag-Liebesgeschichten "entlassen" werden. Zugleich erscheinen
diese Geschichten und auch die "Erzählrunden", ähnlich wie im Dekamerone
oder in 1001 Nacht, als Rettung vor dem Tod (Pest, Henker, heute: totales
Verschwinden der sinnlichen Welt durch Strahlung und Chemie und im Wahrnehmungsverlust - alles ist noch da,
doch wie längst vergangen!)
Der Erinnerungsstrom T.s wird andauernd von andern
Erzählinstanzen, Personen, Briefen etc. "übernommen", auch
interferieren die diversen Zeitebnen, und zeitliche Transparenz ist da,
zwei oder mehr Szenen scheinen durch,
überlagern sich, so wenn T. durch eine Szene, einen Geruch, ein Gesicht,
plötzlich seine Identität verliert,
(im Buch) zu seinem Doppelgänger Nicolao Granucci wird, die
"Madeleine" weckt nicht nur Kindheitserinnerungen, sondern Szenen aus
dem "Vorleben". Dazu hat T. einige Schlüsselerlebnisse gehabt, vor
allem ein Déja-vu, bevor er Lucca kannte, hat er eine Straße aus Lucca
geträumt, wo er im "Traum" entlanggeritten, in ein Haus eingetreten
ist, das er dann beim ersten Besuch der Stadt "wiedererkannte", seine
Nachforschungen ergaben, daß hier der Arzt und Literat Nicolao Granucci gelebt
hat.
Zukunft, Präsenz, Erinnerung, Déja-vu fließen zu einem
Zeitmagma zusammen, verschachteln sich zum Panorama der unheimlichen
Geschichte. Denn oft wird es auch nicht deutlich, ob erinnert wird, T. den
andern, der ja eigentlich längst tot ist, durch dies Ich aber lebt,
erinnert, oder ob Granucci, der
"Todesdoktor", der die Fähigkeit hatte, an gewissen Zeichen zu
erkennen und vorherzusagen, wann sein Patient sterben wird, nun voraus- und hellsehend, die Handlung, die wir lesen,
aus seinem Bewußtsein entläßt und nach außen in den andern, heute Lebenden
projiziert. Die heute lebende Hauptfigur erkennt dieses, auch den Schrecken Granuccis, T. vermag dieses
ja, denn er liegt im Sterben, und begreift sofort die Ursache dieses Schreckens,
denn mit ihm würde auch der andere endgültig sein Bewußtsein verlieren, nicht
mehr existieren. Das Absurde wird in dieser Zeitüberschreitung wirklich
fassbar, es ist wie in der Patientenkunst, wie im "Patientensystem"
und seiner strengen Logik, die unsere aufhebt.
Diese Vorausschau, zu der die Leute früher anscheinend
noch fähig waren, vor allem auf der Schwelle zwischen Leben und Tod, und
Granucci befindet sich spiegelgleich mit T., ebenfalls in diesem Zustand,
gelingt eben auch kraft der Sprache, die ja ihre Zukunftsformen hat, und die
wir erzähend einsetzen können. Sie macht ja Granucci überhaupt erst möglich,
was aber nicht heißt, daß es ihn nicht gibt. Nur wird es nötig sein, die Vorherrschaft der Substantive und
Hauptsätze einzudämmen, die Korrelate der "Substanzen", um den
Zeitstrom , der seinerseits diverse Subjekte trägt, zu ermöglichen (ähnlich wie in der Quantenfeldtheorie, in ihren großen und
kleinen kosmischen Informa-tionsfeldern mit den "lokalen Erregungen")
und Zeit-Worte wechseln so leicht von einem träumenden
Granucci zu einem gerade erwachenden T. Oder das Geräusch und Geklapper im Haus
T.s, bringt Hufegeklapper hervor, weil Granucci in seiner Erinnerung zu reiten
beginnt. usw. Scheinhafte Identität unseres Ich wird so durchbrochen in
sukzessive Zustände aufgelöst, die nicht im
Vorurteilsraster unseres Zeit-Raum-Kausalität-Denkens versacken. Der
Autor, das Ich oder die "Iche" werden so aufgelöst, abgeschafft. Die
Subjekte werden Opfer übergreifender Konstellationen neuer Sinneinheiten der
Berührung, die die Wort- Höfe und "wirklichen" Augenblicke bieten.
Das Opfer erweist sich als Geschenk und als Schlüssel für T.s Lebensverlust in
diesem Gericht.
Und ich vermute, daß dieser Zustand, wo die Figur nicht
weiß, ob sie lebt oder tot ist, generell als wichtigster ästhetischer Ort
heute, angesehen werden muß, als Apriori jeder Erzählung. Das "EINE",
von dem ich vorhin sprach, wird nämlich
so sehr konkret sichtbar, was nicht schilderbar war, nur intuitiv erfassbar
ist, erhält so Gestalt. Bei Paul Ricoeur etwa ist die Leistung der Erzählung
die In-Eins-Bildung der momenthaft
erlebten Zeithäppchen, "narrative Konzentration der zeitlichen Zerstreuung
empirischen Bewußtseins," ähnlich war es schon in Augustins
"distentio animi", das bloße Leben ist "Zerspaltung", Qual,
Berührung des Zusammenhangs aber im "Bedeutungserlebnis" ist Glück.
Dieses Glück, das so als "Panoramaschau" nur auf dieser
Todes-Schwelle erlebt werden kann, wird von T. als Glück sehr oft und nur da:
wenn er in diese Berührungszone gerät, empfunden.
Es ist eine Arbeit am "größten Zusammenhang",
am Einen also, die In-Eins-Bindung im schöpferischen Prozess der Spaltungen,
Zersplitterungen des Lebens, die als Textgewebe das kosmische
Informationsgewebe zu reproduzieren suchen. Zur Methode des Schreibens gehört,
das Aufschreiben solcher intensiv erlebter Sequenzen, Szenen, Momentaufnahmen,
die wie Röntgenblder einen Augen-Blick mit "schwachem" oder
"starkem" Sinn durchdringen. Erst im Zusammensetzen solcher Sequenzen
allerdings ergibt sich ein Muster, eine Annäherung an den großen Zusammenhang.
Wahr bleiben nur solche
Sekundenbilder, zusammengesetzt wie
Fotos im Labor, vergrößert, verkleinert,
Momentaufnahmen, Ausschnitte,
Vorder- und Hintergründe herauspräpariert
und vertauscht in Großaufnahmen. Auch Umkehr der Bilder oder Schnitte von
ihnen, sie wieder zusammenzukleben usw. Und dann werden sie auch noch hie und da retouchiert,
als wären sie nur Schablonen.
Aber: was sind diese Momentaufnahmen, was ist das JETZT
der Augen-Blick? Darum geht es. Dieses Jetzt der Lebensmomente, nun so, ins
Unendliche verlängert, ist unheimlich, aus dem Namen gefallen, aber im
unausdrückbaren EINEN, im Informationsnetz der Beziehungen aufgehoben.
Doch nicht nur das Ich löst sich dabei auf, und Aufgabe
wird wie im Strom der Meditation, dem indischen oder tibetischen Dharma, der
christlichen Meditation Genuß, sondern die starre Ästhetik und das
frustrierende Gesellschaftsdenken,
das, was kanonisiert ist, Beute der Sieger, löst sich ebenfalls in Wohlgefallen
auf, entfernt sich, wie die Zeit stehenbliebt, so soll auch der Verstand,
sollen die Sinne stehenbleiben im Unheimlichen, und sei es in furchtbaren
Momenten der Folterszenen oder der Finsternis der totalen Isolierung im Turm.
Oder auch heute: im Metasprachlichen, Worthöfen, dem Zerbrechen der
Sprachlogik.
Was T. dabei beschäftigt, ist aber auch: wie komme ich nun ins Freie, ohne das
andere Gedächtnis, das in der Sprache gesammelte aufzugeben? Auch hier gibt es
einen Trick: die Parataxe ( schon Adorno und Benjamin haben sie am Beispiel
Hölderlins untersucht; noch schöner ist Steigers Untersuchung der kleistischen
Hypotaxe!) - Auflösung der Geschichte in Geschichten, Erzählung in Erzählungen,
um zum kleinsten Nenner, dem undurchschaubaren Moment, JETZT zu kommen.
Querschnitt also dessen, was Struktur der Welt ist? Widerstandshandlung der
Verlierer, um zum Tun, was geschieht zu gelangen? Hierarchische Ordnungen,
Gewissheiten aufzulösen? Wie das parataktische Schreiben, wie die Nebensätze,
die das Haupt und die Regierung der Seite durcheinanderbringen, Randphänomene, die zur Berührung kommen,
zur Grenze. Randzonen und Nebensätze, Nebenhandlungen, die gegen die Totalitäre
Seele der Figure und der okzidentalen Sprachlogik arbeiten.
Es hat auch zu Granuccis Zeiten eine nachrevolutionäre
Stimmung gegeben, genau wie heute; unlängst hat ein französischer Forscher
verblüffende Ähnlichkeiten von 1491/2 und 1991 bis ins Detail festgestellt.
Gegenreformation damals und heute die
"neue US-Ordnung", die diese Todesschicksale hervorbringen.
Schon im Erzählunterschied zeigt sich der
Zeitunterschied, damals gab es noch Realität und Natur, daher konnte auch
sinnlich gelebt und erzählt werden. Im scharfen Kontrast dazu steht die heutige Umgebungslosigkeit, damit Verlust
auch des Narrativen. Daher auch die Wahl der Spiegelgeschichte aus zwei
verschiedenen Jahrhunderten.
Weiter: heute wird
keiner mehr von der
"Gegenreformation" physisch
hingerichtet, wie Giordano Bruno oder auch Nicolao Granucci, der als Chiliast
und gefährlicher KetzerAutor achtzehn Jahre in einem Gefängnisturm eingemauert
war, zwischen Leben und Tod lag, diese Handlung voraussah, halluzinierte, die T. als sein fortlebendes Ich aufschreibt,
und wirklicher wird an den gelebten, noch lebbaren Geschichten. Heute herrscht
"nur" der
Wahrnehmungsverlust total, das Vakuum, und die Biographien sind
abgeschafft.
Erst zwischen Leben und Tod, merkt T. den Betrug,
versucht sich gegen das totale Verschwinden: den Umgebungsverlust zu wehren. Er
existiert dann freilich nur in seinem eigenen Tagtraum, dem Buch, nur noch mit
erfundener Umgebung, erfundenen Personen etc., die aber wirklicher sind, als
die Umgebung, die noch da ist, aber längst vergangen. Traum im Traum, denn zu
seiner Geschichte gehört ja, daß er total allein ist nach einer doppelten
heftigen Eifersuchts- und
Liebesgeschichte, letzter Versuch zur Realität zu kommen, Liebe aber muß
in dieser Umgebungslosigkeit noch drastischer scheitern, ja, sie zeigt erst das
ganze Ausmaß der sinnlichen Katastrophe.
Granucci endet im Turm, T.
aber im Buch.
Das BUCH als Heimkehr- oder Rückkehrversuch spielt
eine große Rolle. Vor allem die
mögliche halluzinative Macht des Buches. Zwei gescheiterte spiegelverkehrte
Heimkehren: Granucci, der des Mordes an seinem Rivalen verdächtigte und zum
Tode verurteilte Luccheser, flieht und verbringt fast sein ganzes Leben im
Exil, unter anderem auch in T.s Heimat Transsilvanien; nach zwanzig Jahren
Exil, erträgt er die Fremde nicht mehr und kehrt ganz unvernünftigerweise nach
Hause zurück, rechnet mit dem Tod, ja, hofft auf ihn. Die alte Tat ist fast
vergessen, aber er bringt das Zauberbuch aus seinem Exil mit nach Hause, und
wird deshalb eingesperrt als gefährlicher Machtusurpator. Mit diuesem
Zauberbuch kann er nämlich Staaten, Menschen, vor allem aber Frauen
beherrschen, die Liebe, kein Problem. Ebenso wie dfer Tod kein Problem mehr
ist, dieses Buch macht den Besitzer unsterblich. Er bringt dieses Buch aus der Fremde, aus
Transsylvanien, aus T.s Heimat, der nun in der Lucchesia im verlöschenden Exil
aller Ostler lebt, denn T. ist ja nun
WIRKLICH im Buch (des Okzidents?) gefangen, das der andere mitbringt, und von
dem T. nun schreibend Kenntnis erhält,
auf die große Heimkehr hoffend. Der
Todesprozess erweist sich als nichts anderes als der Schreibprozess, denn was
ist das Zeichen anderes, als die Absenz des Lebens: Zuerst nichts als gedacht,
am Ende wars ein ganzes Leben!
Das Buch aber, als
versuchtes Zauberbuch, wie Granuccis Buch- Macht, für die er leiden mußte,
verurteilt: 18 Jahre eingemauert im Turm nicht leben und nicht sterben zu
können, erscheint heute möglich als
Zaubern durch Sinnzusammenhang, wo die Zahl, also die Proportion zum
Namen kommt, den Namens-Fallen entkommt durch Randberührungen, durch Worthöfe,
Hintersinn und Hintergrund der Momentaufnahmen, "Fotos", die sich
selbst wissen müssen bis in die Atome ds Silbernitrats. Ist es das im Hintergrund wartende
Apriorische Licht?
Das Problem Erzählen
spiegelt freilich auch den Charakter beider Helden, unsicher, unwirklich zu
sein, Traumtänzer. Unpraktisch. Sie meinen beide, die Welt nur zu träumen. Mit unterschiedlicher Konsequenz. T. ist aus
Schwäche nichts als Schreiber. Granucci
aber im 16. Jahrhundert ist Arzt, Todesdiagnostiker und Magier.
T. wirkt auf seine
Umgebung "verrückt" und "unmäßig", denn er ist einer, der
WIDERSTAND leistet, der Gewöhnung an die Gemeinheit widerstehen will, die von
"oben", die vom "System" verlangt wird und die sich im Leben
der Menschen dann so oft als ihr eignes Ausbrennen niederschlägt. Er kämpft
gegen dieses Ausbrennen, er ist DER VERWESER, einer der unaufhörlich das, was
ist, voller Schrecken als das Gewesene und Verwesende erkennt, jetzt vor allem,
wo sogar der Osten in die Vergangenheit rückt, die Kindheit während der
Nazizeit in die Vorvergangenheit, immer im Abschied und voller Trauer, wie
schon gestorben, zwischen Leben und Tod, das in sich spiegelt, was die Zeit
ist: alles noch da und schon längst vergangen, egal, ob er bei seiner Heimkehr
in Siebenbürgen sein Elternhaus
betritt, die Reihe der Weinstöcke auf seinem Berg sieht oder durch die Straßen
Luccas oder Stuttgarts geht, und merkwürdig,
daß jenes 16. Jahrundert Granuccis nun näher jenen selbsterlebten Vergangenheiten steht, als die
Gegenwart: wann war das?
T. ist einer der
stellvertretend die Stellung
hält, radikal in jenem Sinn, aber auch die Sprache, und mit ihr
"das Sichtbare" verwesen, vernichten läßt als Illusion, das Banale
als Machtmittel der unsichtbaren Fesselung durch das vergiftende Herrschaftssystem des Geldes und
des vulgären Materialismus, die den Lauf der Geschichte stoppen.
Es ist zweimal radikaler WIDERSTAND. Heute ist dieser
Widerstand passiv, jene Traurigkeit, von der Benjamin sprach, aufzuheben. In
Zeiten, wo die Dinge noch klar waren, noch "Wirklichkeit" existierte,
endete der Autor eingemauert im wirklichen Turm. Heute aber ist der Widerstand
ontologisch, denn die stärkste Macht ist der menschenvernichtende Irrglaube,
daß das Sichtbare "alles" sei, der Tod ein endgültiges
"materielles" Aus sei. Und das stärkste Tabu, von der Psychiatrie
bewacht, der Einsatz für das neue fällige Paradigma, wo die Grenze zwischen
Leben und Tod aufgehoben ist, die raumzeitliche materielle Welt sich als
Illusion erweist, wird in diesem Buch probehandelnd vorgeführt; die Strafe aber
ist der Lebensverlust, das Eingesperrtsein in der selbstrefernziellen Phantasie
des Buches, die freilich jene Gemein-schaftsHalluzination, in der alle gefangen
sind, spiegelt, und gleichzeitig
schon ein wenig ins Freie überschreitet.
Am meisten hatte mich bei meinem Weltwechsel von Ost nach West schockiert, daß
im Westen alles "so ist, wie es ist", ein Baum, nichts als ein Baum,
ein Mensch nichts als ein Passant, ein
Funktionsträger, eine Trivialität. Was mich immer stark berührt hat: es
heißt, Sylvia Plath habe aus diesem Grund Selbstmord begangen. Die
Entfremdung ist total, ist ontologisch
geworden, so ist auch die Revolution nur als radikale möglich: als ein Durchbrechen durch Zeit und Raum, im
Einlösen und Spielen der kommenden Partitur von Überlichtgeschwindigkeiten und
mentalen Konzerten.
Der Roman verwendet dazu, die in der Sprache
gespeicherten Kräfte und apperzeptiven Formen, um jene Zone schon jetzt
probehandelnd zu erreichen.
6.Juli 92
ALLEGORIE-Problem bei
Benjamin und die Geschichte, das Lesen.
Text, der nur gedeutet
verstanden werden kann, die Allegorese wichtiger ist als der Text, der nur
Geheimnis bleibt, sich entzieht. Vgl. auch Dante, Scholem. Das Pardem.
Verkörperung,
PERSOINIFIKATION. Vermenschlichung von Begriffen und Dingen. BLINDER ZUFALL.
Die Sonne lacht. Das Abstrakte zugänglich durch Bild. Im Gegensatz zur Parabel
nur an Auserwählte. All. verwandelte Erscheinung in Begriff und diesen in ein
Bild. Schlüsselwörter im gemeinen Text, die diesen aufschlüsseln als etwas
anders.
Auch Curtius. Allegorie
und Allegorese Grundlage jeder Textinterpretation, Beginn Vorsokratiker.
Nämlich, daß Weisheit in Rätseln, alles hat einen verborgenen Sinn, der ganz
nicht zu enthüllen ist. Dichter als Bewahrer esoterischer Geheimnisse.
AUSLEGUNG als Text müßte
heute sein, das Gedicht als Allegorese der Allegorese der Allegorese.
Gespräch mit Ioana:
Kann man seinen
Geschichten trauen?
Der AUGENZEUGE bei
Dürrenmatt, sagte ich ihr, da findet man die beste Verhöhnung des Augenzeugen.
Daß alle etwas anders sehn, weiß man ja von Prozessen. Daß manche in
Gefahrenlagen halluzinieren auch. Weißt du, was mir in Kronstadt ein alter
Bekannter, der dortige Stadtpfarrer über seinen Küster erzählt hat: Er habe mit
eignen Augen gesehn, wie Terroristen aus dem Turm der Schwarzen Kirche
geschossen hätten, auch Tauben verletzt wurden. Die tote Taube wollte er mir
zeigen, doch auch sie war verschwunden. Oben auf dem Turm suchten wir gemeinsam
mit Soldaten vergebens nach den Terroristen.
Auch
jetzt hat der Helvetier in einem Buch sowas ausgeheckt, ein schon Verurteilter,
zu 20 Jahren wegen Mordes, den er vor
aller Augen in einem Züricher Restaurant am hellen Tag begangen hat, beauftragt
einen Rechtsanwalt, eine Hypothese zu erarbeiten und zu beweisen, daß er
unschuldig, ein anderer schuldig sei. Das soll und könnte gelingen, weil die
Welt absurd ist. Denn Wahrheit scheint ja inzwischen ein unbrauchbarer Begriff
zu sein, wie alle Begriffe unbrauchbar sind. In seinem "Sterben der
Pythia"... und das könnte hierher zur jetztigen Schuld nach der Revolution
am besten passen, setzt Ödipus die Ermittlung, wer an der Pest schuld sei,
selbst in Gang. Und es wird am Ende der Ermittlung klar, daß er es nur nicht
gewußt hat: er selber ist der Schuldige, er hat, ohne eine Ahnung davon zu
haben, die schlimmsten Verbrechen begangen, den Vater getötet, die Mutter
geheiratet. Doch war das Schuld, oder
das "Leben" selbst, das wir hier geführt haben? Und schon bei dem
transparenten Planspiel wird klar, daß je mehr der Verstand da bewegt wird,
umso dunkler wird die Gecshichte, bis er scjließlich selbst mit reingezogen
wird, ja, die Suche wird zur Mitschuld, gehört zum gleichen Anspruch des
Besserwissens, wie die Nötigung vorher, nämlich Gesetze aufzuzwingen, die Liebe
und Tod erzwingen, Macht als höchstes gut sehen lassen. Wer wirft den ersten
Stein, wer hat Recht zu richten? Nur wer sich selber richtet, aufdeckt. Und der
blinde Seher sieht das ein, daß er das Gegentei erreicht hat, von dem, was er
wollte. Und der große Kollege sagt, daß seit jener Zeit, wo der Richter
Urteilsfindungen hatte, Schuldige mit dem Verstand ausmachen konnte, genau wie
der Detektiv, es gab ja ein logisches
Ganzes. "Damals war alles gewiß, man konnte jedes Problem mit dem Verstand
lösen. Eine berechenbare, mechanische Welt, die Welt der klassischen Physik.
Heute hingegen wissen wir genau, daß die Welt nicht berechenbar ist."
Eher ist das ja heute umgekehrt, also wie
findet Glaubwürdigkeit statt bei Erzählungen der Unberechenbarkeit, wie z.B.
Dinge, die im Dezember geschehen sind, die das Paranormale streifen. Ich
erinnere mich da an eine Spukgeschichte Kleists "Das Bettelweib von
Locarno", wo ich selbst war, und nachgedacht habe, auch ich gehöre also
dazu, wenn auch als Detail, denn alles ist, auch die Spukgestalt mit mir, da
ich nicht nur dort war, sondern auch gelesen, ja, geschrieben habenund jetzt
mit- schreibe, ist alles nur mit allem verbunden, nichts gilt an sich, und eine
Aussage über Ereignisse wäre nur möglich, würde man das Ganze kennen, nicht nur
den Auschnitt, ja, auch den aus der Zukunft geworfene Widerschein, dessen, was
jetzt schon im Keim in dem was vorgeht, enthalten ist. Und bei gutem
Nachdenken, käme nur Konsekutives und Möglichkeitsformen als dramatischer
Ausdruck wirklich zur Frage, daß es ein tödliches, aber vor allem verwirrendes
Geschäft ist, zu leben, solange wir mit Zeit- Grenzen umgehn, jene Einbrüche
uns un-heimlich, nicht aber heimlich, also vertrauter sind, da wir dorthin
gehören, ein Ort, von dem wir nichts wissen können.
Und dies ist auch der Sinn von Hypotaxe
und Parataxe. Adorno hats bei Hölderlin getan, Staiger bei Kleist.
Ist aber die Revolution eine Anekdote in der,
wie bei Kleist, "unwahrscheinliche Wahrhaftigkeit" vorkommen kann?
Das, was auch du, Ioana erlebt hast? Was alle erlebt haben? Es zeigt daß dies
sozusagen ein Durchbruch aus der Zukunft sein soll.
Nicht aus der Zukunft, sondern aus dem, was schon da ist,
noch unerkannt, ja verhindert durch das dünne Blatt des Bewußtseins, das
verhindert...
Ich weiß, ich weiß, dieser Satz aus der
Bergpredigt, griechisch...
und von Luther falsch
übersetzt; nicht,ändert euer ganzes Bewußtsein, denn das Reich des Himmels ist
da sondern "Tuet Buße, demnn das
Himellreich ist nahe herangekommen".
Weißt du, da komme ich wieder auf unser ìntru ceva. Noica
sagt, dieser Nicht- und Zwischenbegriff habe Hegel, aber auch schon Pascal
gefehlt Pascal sagte:
Weißt du, was mir da einfällt, daß in dieser ganz späten
Stunde, das, was Moderne und Nachmoderne sind, also die Reihung, der
parataktische Stil etwa bei Hölderlin, wie in Benjamin und Adorno zeigen, also
, wie gesagt wurde, daß der Geist dabei passiv, in die "Mitte des Lebens" versetzt, nur das Warten,
Regsamkeit und Fügsamkeit, also Resignation übrigbleibe, und sogar darauf
verzichtet, so, aus lauter Enttäuschung an Ideen und Utopien, Stellung zu
nehmen, bescheiden nur "tut, was geschieht", sozusagen als
Geschlagener, als Nichts nun meint zu entkommen, oder daß hier dieses
"Nichts" gerade der Übergang ist, die Begegnung, der Unort, wenn du
willst, wo aus Fügsamkeit doch Fügung wird, ja Aufbäumen, und aus der Parataxe,
wo sich die musikhafrte Reihung als Sprache, deren Elemente anders verknüpft
sind als im Urteil, das sich als falsch erwiesen hat, der große Zusammenhang
aufscheint, und ein Einbruch geschieht, bisher in der Phantasie, also auch in
vieln Texten, nun aber real, in der Wirklichkeit, hier bei euch, wie du es mir
ja auch erzählt hast, und wie e für viel die stillstehenden Uhren in der
Französischen Revolution, nachher vielleicht 1917 war, so sich also jetzt
Parataxe und Hypotaxe verbinden, aus dem Zwar ein Aber wird, nämlich im
Hinblick auf das Erscheinen, des Kommenden, das ja immer das Realere ist, alles
andere nur gewesen, auch dieser Augenblick schon vergangen, das Jetzt also zum
Querschnitt, zum Schnitt wird, den nur ein einziger Satz, in dem alle
Zusammenhänge eingehn, in jedem im Detail jenes Ungewußte des größten
Zusammenhanges aufblitzt, das Gericht sozusagen, so nicht nur im Aber, im Chock
eine erregende Freiheit über das Zwar der Sinnenwelt triumphiert, sondern das
dieses, wie einmal gesagt wurde, erst im Hinblick auf Künftiges Sinn erhält. (
STAIGER, 97.) also dann von der Erzählung, dem Präteritum ins Präsens übergeht,
aber alle unselbständigen Teile zum unerkannten, zum aus dem Nicht-Wissen neu
aufleuchtenden Ganzen zusammengezogen werden müßten. Es ist schwierig, glaub
ich, aber meine Intuition sagt mir, daß dies "wahr" sei.
Aber es war mir klar, daß auch dieses Buch
an dem ich jetzt hier schreibe, worin wir uns befinden, sich dem unterwerfen
muß.
Über dies Buch!.-
Und was nun die Reihung,
die Parataxe, auch bei Hölderlin etwa zum Ernst zwingt, aus dem
"Geist" heraussaapringen läßt, ist sein Real Gewordenes daran, Jetzt,
Hier, an diesem Ort, wo wir stehn. So sein wunderbares Gedicht vom
"Einzigen", das die Ereignisse von heute interpretiert, also erst
jetzt aus der Parataxe zur Hypotaxe geworden ist. Als wäre es über die
Revolution geschrieben worden "Es entbrennet aber sein Zorn; daß nämlich
Das Zeichen die Erde
berührt, allmählich
Aus Augen gekommen, als
an einer Leiter.
Diesmal..."
Hör nur dies "Diesmal", das isoliert steht, die
Reihung unterbricht:
"Eigenwiillig sonst,
unmäßig
Grenzenlos, daß der
Menschen Hand
Anficht das
Lebende..."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen