Giancarlo
Micheli
NICHTS ANDERES
DENN ALS SEIN zu sagen
Nichts anderes
denn als Sein zu sagen
Heute im
Sterben des Sommers
Innen im
konkaven Arm des Himmels
Nichts anderes
Denn in den
ersten klaren Abenden des Herbstes
Wenn sich der
Mond hinein biegt
In die Wolken
Formen
Und ringsum wie ein Vorgefühl
Die vage Angel
des Ungewissen
Wie ein
Flattern von Faltern
Sind angedockt
an Gräserspitzen
Bis hin zur
aufsteigenden Straße
Wo die Mauer
der Schritte
Versinkt.
BEUGUNG
ZWISCHEN ZAHL UND FALL
Das Erscheinen
der Wahrheit
Braucht alle
Augen
Dal so im Wahren
Viel Nichtwissen
ist
Und daher muss
ein Zusammen
Führen mit der
Liebe sein.
WUNSCH NACH
LEICHTIGKEIT
In einem
Rundtanz der Übergangenen kommt es vor
Umwege zu nehmen
unerquicklicher Zölle wegen
Bei sublimen
und miserablen Schndtaten
Um eine
Mauteinschätzung zu betteln
Da es keinen
gib der es sagt
Keinen der
sich zum Sagen aufschwingt.
Verschwinden
wir doch zusammen
In ein Exil
der Träume
Um etwas Boden
zum Laufen zu haben
Auf einem Weg
mit uralten Steinen
Spuren von
Liebe zu hinterlassen
Sich einzugravieren
entlang des Wanderns.
Schmerzhaiku (Haiku del dolore)
Es ist der größere Schmerz
Und ein einziger Körper fasst ihn nicht
Den Schmerz da zu Sein
Eingeschlossen in einen einzigen Körper.
(Dieter Schlesak)
Eine bessere Welt ist
möglich (Un mondo migliore è possibile)
Wenn das Entzücken der Anima
möglich wäre
Wenn der Same aus Licht
möglich wäre
Wenn die Frucht der Ejakulation
Möglich wäre
Dann würde ich die
Wahrheit
von jenem Ast pflücken
Den ich die Liebe nenne
(Dieter Schlesak)
(Le prime tre poesie sono pubblicate nel volume La quarta glaciazione (Campanotto, 2012) e le ultime due da Canto senza preghiera (Baroni, 2004).
Armando Rudi
ZUSAMMENFALL
(Coincidenza, aus: Divagazioni, 2012)
Ich trage
immer Gestreiftes
Und dieses
vielleicht
Weil ich ein
Sträfling bin?
ZUR ZAHL DER
UNBEKANNTEN DICHTER (Sul numero die poeti ignoti)
Wie viele
unbekannte Dichter
Sind an diesem
Tag verstorben?
Nicht
nachverfolgbare Rechung.
Doch machen
wir uns keine Sorgen:
Mit dem weltweiten
Anwachsen
Der menschlichen
Bevölkerung
Ist es sicher
daß täglich
Unbekannte Dichter
geboren werden
Mehr als
unbekannte Dichter sterben.
DIE
ALLGEMEINVERSPÄTUNG (Ritardo generale)
Ich verspäte
Alle verspäten
Verspätet auch
Gott?
WESHALB LEBT MAN (Perché si vive)
Weshalb lebt
man eigentlich?
Um eine
Karyatide zu mimen?
Im Gehege der
Schlauen
Am Pfahl der Mächtigen
Dem Balkon der
Starken
Am Wagen der
Sieger?
GELD (Soldi)
Geld war für
mich nie wichtig,
Doch spürte
ich stets seinen Mangel.
BEIM VERLASSEN
EINER AUSSTELLUNG VON MIRÓ
(Uscendo da una mostra di Mirò)
Wenn Miró ein
Ästhet ist,
Sucht einen
anderen Namen für mich:
Da ich dachte,
ein Ästhet sei auch ich.
Wenn Miró ein
Virtuose ist,
Sucht einen
anderen Namen für mich:
Da ich dachte,
ein Ästhet sei auch ich.
Wenn Mirò
ein Sänger ist,
Sucht einen
anderen Namen für mich:
Da ich dachte,
ein Ästhet sei auch ich.
Stefano Busellato
GEDICHTE
(aus „Chi non muore“, Campanotto 2012)
FÜR DIETER SCHLESAK
Die Stunden
bieten
synchrone
Kadenzen
m Anderswo
es verfällt
die geliebte Zeit
ist vergangen.
Eolische
Synkope
Der Hoffnung
Öffnet und
schließt
Das Tor
Der rote
Himmel
Ist schwarz
Der Himmel
Und das gestirnte
Nichts
Das die
Schrift fordert
Die im Reim
ist
Und wie am
Anfang
Der Reim die Angst ist.
(Zwei
schneidende Augen
Hinter den
Läden
Ein Licht
heute Nacht:
Ein Mann der
Bleibt bis zum
Licht
Das wartet und
sein wird
Schreiben wird:
Mehr als Eines
Mit dem
Dunkeln
Wurde keiner/
verletzt
Und keiner
geheilt.
DER ÜBERLEBENDE (Il sopravissuto)
(E.C.)
Die von der
Zeit verminderten Tage
Dunkel mit
wenig Licht auch
Am Morgen,
wenn heiser
Ein Hahn eins
zweimal kräht,
Und dann
schweigt
Von Kräften
verlassen,
Auch wenn er
gefiedert erinnert
Wie es viele versuchten.
Keiner hat es bis
heute
außer dem
niemals geborenen
Engel, geschafft
nicht zu sterben,
.
HINFÄLLIGKEIT
(Caducità)
Man geht ein
und Aus
Wie nächtliche
Blitze
In taghellem
Sein.
BRÜDER (Fratelli).
Wir sind alle
Die wir sind
Alle im
gleichen
Boot.
VORWÄRTS
Und jetzt
Da wir
Einsam sind
Nehmen wir uns/
doch
An der Hand
DER SCHLAF (Il
sonno)
Ich schlafe
weil es
Nur im Schlaf
möglich ist
Zu träumen es
möglich ist
Verständigt zu
werden zurückzukehren
Zu sehen nur
schlafend ists möglich
Zu wünschen
sich vorzustellen
Dass wir eines
Tages wirklich
Aufwachen könnten.
(Dieter
Schlesak)
Alfonso Gatto
Pensieri
inediti sulla poesia e altro
Nulla è più solo di un nome, di una storia morta.
Ma che serena tristezza camminare per i viali deserti del cimitero di Boulevard
Quinet: tra la mamma e il patrigno c'è anche Baudelaire, in una tomba piccola
come quelle d'un bambino.
Alfonso Gatto
(Paraphrase und Variation
nach: Pensieri inediti sulla poesia e altro)
Nichts ist
einsamer als der Name
Niemand einer
toten Geschichte.
Lebend noch
und schon eines der Opfer
glücklich die
vergangene Zukunft
ja die alte
Grenze zu schauen
himmelnd
Klein bleibt
auch Baudelaires Grab in Paris
eine Grube wie
ein Tor türgroß nur wie ein
neues Kind und
kinderleicht mit dem letzten Atemzug
entkommen wer
nur das Loch sieht von
der Seite des
Blickes vergißt jeden Ausgang
den die Opfer
doch alle genommen
Einer zitierte
Charles in der Kammer noch
wie ein
letztes Gebet auf den Lippen schon Rauch.
Uns aber
bleibt nur verspätet zu widerstehen:
die Armut sie
gräbt sich nach innen
nur sie
erreicht noch den Ausgang
im letzten
Verzicht fest zu schließen
die gierigen Lippen
Erinnert den
Sinn Tod von damals
atmend
erstickt im Müll.
(Poesia, 94,
p. 15)
Franco Fortini
L'esame
Mi presento all'esame. Non ricordo più nulla.
Le cose che avevo credute non le credo più.
Come posso difendere, maestri, le mie tesi?
Esaminatore, di chi sono le parole che dico?
Franco Fortini
Prüfung
(L´ esame)
Ich stelle
mich der Prüfung. Und weiß nichts mehr.
Was ich bisher
glaubte, glaube ich nicht mehr.
Wie, meine
Lehrer, kann ich noch meine Thesen verteidigen?
Ihr Prüfer,
vom wem sind die Worte, die ich sage?
Vittorio Sereni
Ahimè come ritorna
Ahimè come ritorna
sulla frondosa a mezzo luglio
collina d'Algeria
di te nell'alta erba riversa
non ingenua la voce
e nemmeno perversa
che l'afa lamenta
e la bocca feroce
ma rauca un poco e tenera soltanto...
(Saint-Cloud, luglio 1944)
PARAPHRASEN
Für
Vittorio Sereni
[ Totenstimme.
Nach dem Motiv von: Ahimè come ritorna]
Ach, wie
er hier wiederkehrt
auf den
gewendeten Blätten sein Reichtum
mitten im Juli
algerische Hügel erinnert
auch deiner im
hohen Gras verkehrt
geschrieben,
gesagt die Stimme Nie
und nicht
unschuldig oder pervers
wie sie flimmernde Hitzeschleier beklagt er
wild gräbt
sich durch der Mund
nur etwas
heiser doch zärtlich
am Ende
Saint-Cloude, Juli 1944
(Poeti italiani,
Mondadori, 1978 p. 755)
Franco Buffoni
Vittorio Sereni
Il sentiero scendeva sulla fronte d Armio,
Lago d'inverno stropicciato solo.
Se ne andava con profondi squarci
Nel ritratto d'acqua dell'acqua che indossava
E il suo cavallo sollevava onde di polvere
Nello sguardo semplice del cielo.
I pini salivano nel buio
- ripeteva a nascondersi
tra stelle decenti
coi soli sorrisi -
E adesso erano proprio tutti uguali.
Franco Buffoni
Vittorio Sereni
Ein Pfad im Abstieg auf der Stirn des Armio
Wintersee allein zerstäubt getäuscht
Verschwand und
hinterließ die tiefen Schneisen
Im Bild des
Wassers: er im Wasserkleid
Und im Naturblick
eines Himmel-Spiegels
In Wellen
Wasserstaub stieg auf: Galopp des
Pferdes
Die Pinien
stiegen noch ins Dunkel hoch
- Immer wieder
ein Versteck
zwischen den Sternen leidlich
still ists allein ein reines Lächeln -
Jetzt waren sie wirklich alle gleich.
(ADIDAS, 1993, p. 44)
Franco Buffoni
O
da un Sant'Antonio paralizzato
O da un Sant'Antonio paralizzato
Picchiato dai diavoli del Sassetta
Lo stantio fetore di bontà
A contrastare l'allegria dei diavoli
La loro vanità. Poi il viso a terra
Volge piano il santo e gli occhi
Rassegnati ma non vinti
Sono quelli in preghiera di una foto
Di Lager. Sono quelli che avevo da bambino.
Le
morti
Le morti sono capricciose non arrivano
Quando le desideri o le aspetti,
Imprevedibili balzano sui tram
E sono già arrivate
Oppure ai capolinea se li lasciano
Partire tutti, irascibili
Fingono di leggere.
Franco Buffoni
( Le
morti)
Die Tode sperren sich sie kommen nicht an,
Wenn du sie
ersehnst oder erwartest
Unberechenbar
springen sie auf die Trambahnen
Und sind schon
angekommen oder
An der
Endstation wenn sie alle aussteigen lassen,
Täuschen sie
zornig vor zu lesen.
( O Sant´Antonio)
Oder ein gelähmter Heiliger Antonius
Verprügelt von
den Teufeln des Sassetta
Der ranzige
Leichengeruch der Güte
als Kontrast
zur Fröhlichkeit der Teufel
Schnellerer
Nichtigkeit Kontur. So schlägt
Der Heilige
langsam seine Augen nieder
Resignierte
aber nicht besiegte Augen sind
Augen im Gebet
auf einem Lagerfoto.
Es sind die
Blicke meiner Kinderaugen.
(Poesia 96. p. 44, 45)
Elisabetta Robert
NOSTRA SIGNORA DI LOURDES
Während sich
die Augen senken
und die Lippen
das Wort fürchten
hebst Du
Mutter der
Mütter
die Gesichter
Das dauernde
Wunder wird erneuert
(Vivere
significa, p. 42)
IM ANFANG WAR
DAS WORT
(In principio era il Verbo)
Im Anfang
das Wort.
Am Ende war
das Schweigen.
(Vivere
significa, p. 43)
Elisabetta Robert
Nostra
Signora di Lourdes
Mentre gli occhi s'abassano
e le labbra temonno le parole,
Tu,
Madre delle Madri
sollevi i volti...
Si rinnova il miracolo perpetuo.
In
principio era il Verbo
In principio
era il Verbo.
Alla fine
fu il Silenzio.
Dieter Schlesak
Grenzen
Los. Notturno
("Autoritratto
al chiaro di luna")
Der Übergang
als wärs
der Tod
erlebt, die Form, die Aus
dem Sterben
kommt: Notturno jedes Leben.
Der Mond, der
Mund Endymions,
zerschweigt
die Welt, verzittert
wie unter
Wasser Jetzt ist alles, was
du sahst
veschwunden, Hier und dunkelt schon
der Übergang
in blauer Schattenfarbe.
Hörst du
Musik, im Hirn das Delta T,
in dir das
Kind, das Weinen, denn über alle
Dächer geht die Mondsucht Ruh, du wachtest
schliefst seit
vielen Jahen deinen Tod,
du weißt, bald
ruhst du hinter jeder Form,
zerfällst sie,
wie Terralba. OPUS Reife
Trancechemie,
wo Nichts mehr ist nur NULL
das
unsichtbare Gold im Mond verzittert
jeden Mann und
Schatten löst uns auf, der Schein
verliert aus
sich den Traum, den jedes Ding
Musik in sich
verschwingt und selber ist
gedankenhell
sich weiß, berührt in mir
den Innenraum,
der fließt, Essenz, der Mondschein
klopft die
Scheibe auf, das Draußen hat so
ausgedient im
Duft der Transzendenz
Oltrelimite
("Autoritratto
al chiaro di luna")
Trasmutare, come
fosse la morte vissuta, la forma che dal
morire viene: Notturno d'ogni vita.
La luna, la bocca di Endimione,
scioglie il mondo in silenzio, ora
come dissolta in un tremito d'acqua è ogni cosa,
che
vedesti svanita, qui è già s'oscura
la trasmutazione nel turchino colore dell'ombra.
Odi la musica, nel cervello il Delta T,
in te il bambino, il pianto, poiché so ogni
tetto va la sonnambula quiete, tu da ottant'anni
la morte vegliasti e dormisti,
tu sai, presto dormirai dietro ogni forma,
come Terralba la decomporrai. OPUS maturità
chimica d'arte, dove il nulla altro diviene, e il
cerchio dello zero
in un tremito scioglie l'invisibile oro
nel silenzio lunare,
in ogni uomo, e l'apparente bagliore
da sé dilaga il sogno, musica pulsante
di ogni cosa, che in limpido pensiero si conosce,
ed in me sfiora
l'intimo, fluente, spazio, essenza, il lunare
bagliore
apre e dilarga l'disco, l'esteriore si compie
nel trascendente aroma.
(Traduzione italiana: Mario Pezzella)
Dieter Schlesak, Pieve/Agliano 327,
I-55041 Camaiore, ITALIA,
Tel./Fax 0039 584 951214
Prof. Franco Buffoni
Lieber Franco Buffoni,
Sie sehen ,
ich habe mich intensiv mit Ihrem sehr aufrgnden Band "Adidas"
ausinandergesetzt, denn ich habe Deutungsfragen.
Eine Fassung neuer Übersetzungen
lege ich bei. Denn so wie ich es auch bei meinen eigenen Gedichten
Fragenden immer wieder sage, daß der Text nur der Anstoß sei, ein eigenes
Gedicht im Leser in Bewegung zu setzen, so sehe ich (mit Walter Benjamin) auch die Übersetzung,
vor allem die "Paraphrase", und lasse mich im flash vom fremden
Gedicht "berühren", genau wie auch bei Erregungen in Ausstellungen, oder im Falle der
Sixtinischen Kapelle, über die ich viele
Bildgedichte geschrieben habe, (drei Bände sind erschienen: "Das Neue
Licht Michelangelos" 89-91), so
lasse ich diese Erregungen zu emotionalen Assoziationen werden, die ein
neues Gedicht bestimmen.
Ihr schönes enigmatisches Gedicht
und auch jenes von Sereni, das ich mit Ihrem "zusammen-sehe" gibt
trotzdem einige Fragen auf:
- Gehört "Le figlie"
und "Vittorio Serni" zusammen?
So scheint es mir, und ih müßte auch jenes übesretzen. Dabei dachte ich an
"Erlkönigs Töchter", wie ich auch bei VS an Erlkönig, aber auch an
Christus und das Rote Meer dachte, jenenfalls an einen Todes-flash, eine
Todesstunde. Ist das so?
Weiter an ein In-Eins-Setzen von
Todesreiter und Landschaft im Prozeß, bios endlich alles Eins (in der
Transzendenz) ist in der letzten Zeile.
Ist das so?
- Ist Arminio ein Berg oder ein Mensch? Und
inweiweit hat es mit Sereni zu tun? Überhaupt der ganze flash? Ist es seine
Todesstunde? Oder ist es ein Epiaph?
- Hat Le
figlie ebenfalls ein Todesgedicht?
- Kann man mit
dem Nußbaum/ Nuß das hebräische Pardem assozieren
oder Dantes vierfache Art einen Text zu deuten? Die 4 Textschichten der mittelalterlichen Schrift. (Vgl.
Curtius).
- Kann seme und lacrima im Sinne Celans etwa
mit Hierogamos zusammengebracht werden? Also mit dem geistigen Samen, der aber
auf "Sperma" beruht?
- Und kann der
"fertige" Nußbaum als Zukunfstbld des im Samen enthaltnden
Zeitgeheimnisses gedeutet werden?
Ich lege Ihnen auch die anderen
Übersetzungen bei, samt Diskette.
Ebenso einen Kurzessay zu meiner
Übersetzertheorie, freilich auf Deutsch.
Und auch ein "Autorirtatto del
Traduttore" in einem "einfachen" Italienisch..
Wenn es mit der Veröffentlichung
wirklich klappt, dann könnte der theoretische Text übrsetzt werden, der auch
zum "Autorittrato" gehört.
.
Ich habe nicht ganz verstanden, soll
diese Aufstellung in "Testo a Fronte" erscheinen, oder in Ihrer
"Collana", wo auch Raimund
(Nr. 17) erschienen ist?
Mit den vielen
guten Gedanken und schönen Grüßen
Ihr
AUTORITRATTO DI TRADUTTORE
Da
ich mit meiner Muttesprache Deutsch immer zwischen
Fremdsprachen gelebt gelebt habe, zuerst
in Transsylvanien, wo ich in der alten siebenbürgisch-sächsischen Stadt
Sighisoara-Schäßburg geboren wurde, das
bis 1919 zur "kaiser-königlichen" Donaumonarchie, dem kafkaesken
Kakanien gehört hatte: Ungarisch, Rumänisch, Jiddisch waren die Sprachen des
Alltags; dann in Bukarest, wo ich
(Germanistik) studiert habe, 10
Jahre Redakteur einer deutschen Zeitschrift gewesen war und in einer rumänischen Familie gelebt
hatte. Hier unterhielten sich bis in meine Träume hinein die Sprachen (und auch
die Literaturen) miteinander, und es
wäre erstaunlich gewesen, wenn ich in disem hochsensiblen Zustand, dazu noch in
einer Diktatur, mich nicht in die Sprache und in die Übersetzung gerettet
hätte; früh schon aus starker innerer Bindung an meine rumänischen Kollegen und
ihren Stil (sehr oft des Widerstandes!).
So entstanden vor allem
Lyrikübersetzungen der
Generationskollegen: Nichita Stánescu, Cezar Baltag, D. Tsepeneag, Nina
Cassian, Ion Caraion, Mazilescu, G.
Pitut, Marin Sorescu, Petre Stoica, Magdalena Constantinescu, Ana
Blandiana u.v.a.
Dann die Klassiker der Moderne:
Tzara, Eugène Ionesco, Urmuz, Lucian
Blaga, Tudor Arghezi (viele
"Paraphrasen"), Ion Barbu, Ion
Vinea, Virgil Teodorescu u.a. Vor allem auch B. Fundoianu ( den rumänisch-französischen
Essayisten und Lyriker, der in Auschwitz umgekommen ist.) In Deutschland habe
ich seit meiner Übrsiedlung 1969 viel vermittelt und an Anthologien mitgewirkt, bzw. selbst
Antholigien zusammengestellt.
Prosa habe ich von
Eminescu, Francisc Munteanu und in letzter Zeit von Norman Manea
übrtragen. Zur Zeit arbeite ich an den Briefen E.M. Ciorans, einer Edition für
Suhrkamp in deutscher Sprache. Und dann an
Texten Constantin Noicas.
Extreme Lagen bringen im Schock
Erkenntnisgewinn, und wir, einmal davon geprägt, können uns lebenslang nicht
mehr entziehen; es ist nicht nur ein Schatzhaus der Sprache und der Erfahrung,
es ist ein Mehr an Unentrinnbarkeit: Unter Druck wird erkennbar, was in der Gegenwart verdeckt,
Geschichte macht, die neue Bodenlosigkeit, die
mit einem, wenn auch Verlorenen umgehen muß, einmal doch
"Boden" war, der noch so gehaßt, dann im Exil nicht aufgibt,
beispielhaft zu sich auflösenden Menschengestalten Dörfern und Städten, Häusern
und Gassen zu werden, glänzend klein beigibt im Gedächtnis, als
nichtendenwollender Abschied erkennbar wird: wie Sterbende meist, vom
Verschwinden erhöht werden und gereinigt.
Schon durch die Diktatur war das "Wohnen kein Ort" mehr: Christa
Wolf nannte es für die DDR: "Kein Ort.
Nirgends". Verhindertes, vergeudetes Leben. Securitate, Stasi erzeugten einen permanenten
Ausnahmezustand; etwas Irres; wo öffentliche Formen zerstört waren, entstand
wider staatliche Unterwelten die Solidarität der Angst. Die Revolution 89 hat sie noch radikaler
aufgelöst. "Stehende Zeit", Täuschungen des Raumes. Als wäre Realität - das Stück eines irren
Poeten, Plagiat, Fälschung gewesen. Doch der Sprachsinn wurde außerordentlich
geschärft:
Nur
im Negativ, als Paradox war zu sagen, was ist.
Sie zeigten und zeigen nun aufs
Neue wieder, daß es sich um eine gestundete, künstlich aufgehaltene Zeit
gehandelt hat. Wahr sind dagegen Hypostasen des Fremden, wo auch die Sprache
sich von Satz zu Satz wundert, daß sie noch da ist, und es sagt. Das sind
Röntgenblicke in die Gegenwart aus einer noch
sinnlich erlebbaren Abschiedssituation, Modell auch für die übrige
Welt, wo dieses freilich so scharf nicht mehr wahrnehmbar ist, es sei denn in
der Naturkatastrophe oder der Pychiatrie.
Noch in Bukarest habe ich eine
Anthologie österreichischer Prosa auf Rumänisch in zwei Bänden (1300 Seiten)
herausgebracht, die aber auch dm gleichen Prinzip der Sprachspannung und der
Interlinearversion diente.
Bruch-Erfahrungen
verdichten sich in dieser Literatur; epochale
Wahrheiten: Illusionen des Raumes, der Zeit, Illusionen der Sprachlogik
werden entlarvt. Dieser Bewußtseinszustand ist für westliche Leser schwer
nachvollziehbar, doch er betrifft den Endzustand Westen genau so; und bedingt eine neue Ästhetik paradoxer Logik. Diese Erfahrung ist seit
1989 nicht mehr exotisch, abschiebbar, aber unsere Erfahrung ist radikaler als die ostdeutsche, doch mit
ihr verwandt. Heute, wo der sichtbare Gegner verschwunden ist, wird alles
unübersichtlich tödlich: Wenn jeder ein
Schattenriß seiner selbst ist, muß die Form des Abschieds, die Elegie, aber
auch alle andern Formen verändert
werden, da seit 1945 Geschichte die
Erfahrung überholt.
Aus dem Italienischen habe ich
recht spät zu übersetzen begonnen, erst ab 1975 ( ich lebe in abwechselnd in Stuttgart und in Camaiore/ Lucca seit Mai 1973). 1975 habe ich ein Buch
"Sozialisation der Ausgeschlossenen"
über die geöffneten Heilanstalten in Italien bei Rowohlt eine Originalausgabe aus dem Italienischen
herausgebracht. Um wieder zu versuchen etwas zu vermitteln: ein Modell zu
übertragen. Und laufend dann haben ich vor
Lyrik für deutsche
Zeitschriften und den Funk übersetzt:
Michelangelo, Dino Campana, Giuseppe
Ungeretti, Carlo Michelstaedter.
Dann Amelia Rosseli, in letzter Zeit: Sinsigalli, Rebora, Sereni. Fortini, Buffoni
Doch
auch jüngere oder unbekannte Kollegen, wenn der "Funke" sprang:
Luciano Fintoni, Robert , Maura del Serra, Giuliana Lucchini u.a.
Und ich habe weiter vor, vor allem
"Paraphrasen" zu schreiben, auf den Namen nicht zu achten, sondern
auf das Gedicht, das mich berührt: wobei mich vor allem Gedichte über die
Grenze, an der Grenze, dort, wo das Undenkbare, vor allem die Todeserfahrung in
der Metapher gerade noch faßbar, im inneren Takt noch hörbar wird, aufhorchen
lassen.
Oktober 1996
Dieter
Schlesak
Mimesis
Meine
Gedanken zum Übersetzen gehen von Walter Benjamin[1]
aus und von Rudolf Pannwitz: "Jene
reine Sprache, die in fremde gebannt ist, in der eigenen zu erlösen, die
im Werk gefangene in der Umdichtung zu befreien, ist die Aufgabe des
Übersetzers." So daß "die Grenzen des Deutschen erweitert" etwa um das Fremde, hier des Italienischen erweitert wird. Wie in der Tangente, berührt
die Über-Setzung das Original nur flüchtig,
und im heißen Berührungspunkt, der ein flash sein muß, um dann "nach dem
Gestz der Treue (aber im Innersten der angestoßenen Sprachphantasie) in der
Freiheit der Sprachbewegung ihre eigenste Bahn zu verfolgen, um sie als "Bruchstück einer größeren Sprache
erkennbar zu machen". So erst wird der sehr unterschiedliche
"Gefühlston" der Sprachen, der etwa "Brot",
"pane" bestimmt, erst in jener Ursprache der Phantasie im Geistigen aufgehoben und
in-eins-gesetzt.
Denn so wie ich es auch bei meinen eigenen Gedichten
Fragenden immer wieder sage, daß der Text nur der Anstoß sei, ein eigenes
Gedicht im Leser in Bewegung zu setzen, so sehe ich (mit Walter Benjamin) auch die Übersetzung,
vor allem die "Paraphrase", und lasse mich im flash vom fremden
Gedicht "berühren", genau wie auch bei Erregungen in Ausstellungen, oder im Falle der
Sixtinischen Kapelle, über die ich viele
Bildgedichte geschrieben habe, (drei Bände sind erschienen: "Das Neue
Licht Michelangelos" 89-91), so
lasse ich diese Erregungen zu emotionalen Assoziationen werden, die ein
neues Gedicht entstehen lassen, das dem Original so nahe geht, ja zu Liebe
rückt, bis es sich selbst verändert. Das schaft eine wörtliche Übersetzung nie,
die von Konserven ausgeht und solche auch herstellt.
Die wortlose Ursprache ist
vielleicht am besten vorstellbar in jener Sphäre, wo alles-eins wird, einer
undenkbaren, aber emotional im Sprach-Zwischenraum und dem meta-pherein
Mitvibrieren am Rande des Ganz Anderen, der Perspektive etwa der Toten, der wir
uns nur intuiitiv, wie Rilke etwa in seinen "Duineser Elegien"
annähern können.
Bei den vergangenen, also körperlich
unerreichbaren Poeten etwa, wie Baudelaire, stehen die Toten noch in den
Synästhesien als "Literatur" unbeweint, aber fühlbar da im
Zwischenraum der Zeilen, ja, der große Franzose maß an diesem kultischen
Element, das ihm das Zeitvergehen erträglicher machte, den Grad des
Zeit-Zusammenbruches und seinen eignen, so daß er fast Lust daraus schöpfen
konnte, damals. Man kann dieses Zusammenbrechen als Prinzip sogar ins
Übersetzen einführen, nämlich alles
zuerst auszulöschen und einen neuen kreativen, ja existentiellen Akt zu
"be-gehen", was heißt, daß der Gedichtübersetzer nur solche Texte
übertragen darf, die ihn zutiefst, also in einer Sprachschicht des Unbewußten berühren, wo alle Sprachen eine sind.
Dazu aber gehört eine
besondere Art von Kraft: Liebe, oder besser, ein Schuldgefühl, wenn diese heute
im Alltag nicht so da ist, wie es sien müßte, wenn wir uns an jenem Zustand
messen, der jeden Augenblick als intensio, als intensivstes Leben, das vergeht,
anpeilt. Im Rumänischen gibt es ein besonderes schönes Wort für Schwäche.
"Slab de îngeri."
Engelsschwäche. Kein Engel, keine Substanz, kein Gefühl, kein durchwachsenes
starkes Leben. An der Wand meines Bukarester Schreibtisches hatte ich eine
Abschrift von Korinther 13 angebracht: "Wenn ich mit Menschen- und mit
Engelszungen redete, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz
oder eine klingende Schelle." Und wie oft klingt diese Schelle, wenn ich
leer bin und ich nur intellektuell oder
assoziativ rede. Und lebe.
Ich fand genau diese Stelle auf der
Wartburg als Beispiel aus Luthers Bibelübersetzung. Und noch ein wichtiges
Wort, das meine Poetik genau wiedergibt: "Wir sehen jetzt durch einen
Spiegel in einem dunklen Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt
erkenne ichs stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt
bin.".
Und beim Schreiben ist es so: Da wir
sonst jeden normal gelebten Augenblick im Selbstvergessen verlieren, ist es wie
beim Gedichtschreiben selbst auch beim Übersetzen, ein ver-rückter, ein
beglückend ekstatischer Zustand: Im
Augenblick des Sturzes (und des Ich-Verlustes, ja, des Sprachverlustets zuerst
in der fremden Sprache!) leuchtete es hell auf, wo ein Schrei sein sollte, ist
seltsames Glück, ja, Triumph, daß das Sichtbare als Schönheit auch im fremden
Wort eingekehrt, besiegt worden war, als "ein Appell," wie Walter
Benjamin diese Auferstehung im Selbstauslöschen wunderbar
definiert, "Appell zu denen sich zu versammeln, die es früher bewundert
haben. Das Ergriffenwerden vom Schönen ist ein ad plures ire, wie die Römer
Sterben nannten." Dies Eingedenken, diese correspondences, wie Baudelaire
dieses nannte, hat bei jemandem, der zwischen allen (verlorenen) Sprachen und
(verlorenen) Ländern lebt, noch den Nebeneffekt, das unwiederbringlich
Verlorenes nur als ein Nichts vergangen zu sein scheint, das jenseits des
Denkbaren wieder rettbar ist (also
sowohl Länder, als auch Sprachen!) Nun
rettbar in der fremden Sprache, die es "aufhebt". Das Gewesene, auch
vor unserem Leben gewesene, hebt auch im
Übersetzen, wie im Gedichtschreiben, die Todesangst auf, da es "gesättigt
mit allen Reminiszenzen, die während des Verweilens im Unbewußten in
seine Poren gedrungen waren", uns
neu berühren, Gegenwart werden kann, wie Benjamin treffend sagt.
Genau dieses heißt es auch jedes
Gedicht nun in die eigene, hier in meinem Fall in die deutsche Sprache (und ihr
großes geistiges Erinnerungsgewebe) zu bringen:
heißt einen völlig neuen kreativen Akt begehen und nicht ein fast
gedanklenloses Abschreiben, wie viele Übersetzungen, eine Mimesis, wie sie
Platon wirklich meinte, nicht wie sie etwa B.Auerbach in seinem berühmten Buch
vor-schrieb: Daß ich die marxistische
Ästhetik mit ihrem primitiven Realismus, ihre Wiederspiegelungstheorie in
meiner ehemaligen östlichen Heimat abgelehnt hatte, und in allen heute
grassierenden Realismuskonzepten weiter ablehne, geht ja auch in diese
Richtung: Es war die falsche Verwendung des alten Begriffes
"Mimesis", was keineswegs Realitätsspiegelung heißt, sondern
Sichineinssetzen mit der "Ebenbildlichkeit", die "Apriorität des
Individuellen" zu entdecken (Omoisis to theo, bei Platon: Angleichung an das Göttliche im
Menschen. Dazu gehört, den Schein, das sogenannte "Wirkliche", die
Hülle zu zerbrechen, zu entlarven; in der Moderne mit sprachlichen Mitteln;
meta-phérein -Metapher- heißt ja
hinüber-tragen, anderswohin tragen.) Und
genau so im fremden Gedicht diesen Kern zu entdecken, ihn zu enthüllen, die Bilder in die Tiefe führen, wo sie mich
berühren, dann erst wieder auftauchen lassen als neues Sprachbild im Deutschen.
Also etwa als Beispiel hier:
Mich haben z.B. die Rilke-Übertragungen
von Michelangelos Sonetten sehr angerührt, während mich alle anderen
textgenauen "Übersetzungen" völlig kalt ließen! Ebenso Ungaretti von
Celan, alle anderen waren "textgenau" und hatten doch mit Ungaretti
wenig (oder gar nichts) zu tun!
Paraphrase also, sie erlaubt den
Berührungsfreiraum, der so ist wie in der Existenz die Zeit: nach Plotin
"Zeit ist das Leben der Sele", dieser Freiraum ist also mehr als nur
eine "Übertragung", sondern ein Hinübertragen, und so nenne ich meine
Übertragungen lieber "Paraphrase". "Paraphrase": wobei das
griechische "Daneben-reden", nicht als "Danebensein" der
Übersetzung heißen soll, sondern wirklich "Hinzufügung zu einer
Rede", erweiternde Umschreibung,
d.h. abwandelnde Wiedergabe einer Textvorlage. (Vgl, Otto F. Best, Handbuch literarischer fachbegriffe", 9.
Auflage Frankfurt/Main 1980.)
Über die Notwendigkeit der
ekstatischen Paraphrase also wäre viel zu sagen, vor allem aber die
Unübersetzbarkeit des Unsichtbaren, das in jedem "guten" Gedicht, auch in der "fremden"
Sprache umkreist wird, sich aber in dem trifft, was wir das "Eine"
nennen können, eben nicht das sichtbare "Ding"
oder "Wesen".
Moderne Literatur ist undenkbar ohne
radikale Sprachskepsis; heute weiß sie
mehr denn je davon, daß sich der Baum wundern
würde, wüßte er, daß wir ihn "Baum" nennen; und doch glauben wir
immer noch daran, wir hätten in diesen
vier Buchstaben etwas WIRKLICHES, und wir bilden uns etwas darauf ein, wenn wir
"Bewußtsein" oder gar "Gott" sagen. Wittgenstein empfiehlt als Alternative
Schweigen, Benjamin die unsichtbare, aber spürbare "Aura"
und den "Schock", Joyce die "Epiphania";
und George Steiner meint - weit zurückgreifend - all dies kulminiere
in Arnold Schönbergs Oper "Moses und Aaron", dem Aufschrei
des Erweckerpatriarchen Moses: "Oh Wort, du Wort, das mir fehlt." Das
Fehlende also erst sage aus, was ist.
Ausgerechnet der Stotterer ( der Sprachverhinderte) Moses
erhielt am Sinai von dem "Einen Gott"
die Tafeln, Mutationen des Namens
(JHWH); ein Sinngeflecht, das wie ein "Baum" angeordnet gewesen sein
soll, die sogenannte schriftliche Thora - oder die fünf Bücher Mose SCHRIFT -
aber das Sinai-Ereignis ist unbeschreiblich,
wie auch die deutsche Bibelübersetzung, viel mehr als jede andere
normale Übersetzung, nur eine
Annäherung, eine sehr approximative Deutung sein kann, da die hebräischen
Worte zugleich auch Zahlen sind, also Ausdruck von Proportionen, das riesige
Sinngeflecht eines Gesamtzusammenhanges, das eine Struktur ausdrückt, keine
willkürliche, vom Geschehen abgetrennte Wort-Semantik ist.nen, also auch nicht
zur "Ursprache" gehören.
September
1996
Dieter Schlesak
ÜBERTRAGUNGEN UND PARAPHRASEN/ TRADUZIONI E PARAFRASI
Dino Campana
O
poesia tu più non tornerai
O poesia tu più non tornerai
Eleganza eleganza
Arco teso della bellezza.
La carne è stanca, s'annebbia il cervello, si stanca
Palme grigie senza odore si allungano
Davanti al deserto del mare
Non campane, fischi che lacerano l'azzurro
Non canti, grida
E su questa aridità furente
La forma leggera dai sacri occhi bruni
Ondulante portando il tabernacolo del seno:
I cubi degli alti palazzi torreggiano
Minacciando enormi sull'erta ripida
Nell'ardore catastrofico
Dino Campana
O GEDICHT DU
WIRST NICHT WIEDERKEHREN
(O
poesia tu più non tornerai)
O Gedicht du
wirst nicht wiederkehren
Du elegante
Eleganz
Gespannter
Bogen der Schönheit
Das Fleisch
ist müde
vernebelt das
müde Hirn
Palmen grau
gefächert
Geruchlos
gereiht
Vor der Öde
des Meeres
Es sind nicht
die Glocken, nein Pfiffe
Zerrissen das
Blau
Keine Lieder,
Schreie.
Und oben die
Ödnis wild
Gewichtslos
eine Silhouette
Mit dem Braun
zweier Augen geheiligt
Tragen sie
fort wie die Wellen Tabernakel der Brust
Kubische
Hochhäuser getürmt
An der steilen
Kurve
Katastrophaler Erregung.
Dino Campana
Bastimento
iin viaggio (Già: frammento)
L'albero oscilla a tocchi nel silenzio.
Una tenue luce bianca e verde cade dall'albero.
Il cielo limpido all'orizzonte, carico verde e
dorato dopo la burrasca.
Il quadro bianco della lanterna in alto
Illumina il segreto notturo: dalla finestra
Le corde dall'alto a triangolo d'oro
E un globo bianco di fumo
Che non esiste come musica
Sopra del cerchio coi tocchi dell'acqua in
sordina.
Dino Campana
(Bastimento
in viaggio. Già: frammento)
Der Mast
vibriert im Tastsinn des Schweigens.
Ein schwaches
weißes Licht fällt vom Mast in ein grünes.
Klar Himmel am
Horizont lädt Grün und Gold nach dem Sturm.
Weißer Rahmen
der Laterne über dem Deck
Beleuchtet
Geheimnisse der Nacht: durch ein Fenster -
Taue von oben
das goldene Dreieck
Eine
rauchweiße Kugel
Die nicht
klingt
Über dem Kreis dumpf pochenden Wassers.
Giuseppe Ungaretti
Tutto
ho perduto
Tutto ho perduto dell'infanzia
E non potrò mai piú
Smemorarmi in un grido.
L'infanzia ho sotterrato
Nel fondo delle notti
E ora, spada
invisibile.
Mi separa da tutto.
Di me rammento che esultavo amandoti,
Ed eccomi perduto
In infinito delle notti.
Disperazione che incessante aumenta
La vita non mi è piú,
Arrestata in fondo alla gola,
Che una roccia di gridi.
Giuseppe Ungaretti
(Tutto ho
perduto)
Ich habe alles
verloren von der Kindheit
nie mehr werd ich
mich vergessen können
im Schrei.
Begraben die
Kindheit
im Abgrund der
Nächte
ein Jetzt,
unsichtbares Schwert
es trennt mich
von allem.
Noch erinnere
ich mich meiner da ich dich liebte
jubelnd und
sieh mich nun: verloren
in nächtlichen Unendlichkeiten.
Es steigt
Verzweiflung unaufhörlich hoch
am Leben das
Nie ist
in die Kehle
gedrückt
ein
steinerner Schrei.
Giuseppe Ungaretti
Ultimi
cori per la terra promessa, 1
Agglutinati all'oggi
I giorni del passato
E gli altri che verranno.
Per anni e lungi secoli
Ogni attimo sorpresa
Nel sapere che ancora siamo in vita,
Che scorre sempre come sempre il vivere,
Dono e pena inattesi
Nel turbinîo continuo
Dai vani mutamenti.
Tale per nostra sorte
Il viaggio che proseguo,
In un battibaleno
Esumando, inventando
Da capo a fondo il tempo,
Profugo come gli altri
Che furono, che sono, che saranno.
Paraphrasen
und Gedichte nach Motiven von Giuseppe
Ungaretti
(Ultimi cori
per la terra promessa, 1)
Vom Heute unablösbar
Vergangenheit
Tage und
die
kommenden alle.
Lang der
Augenblick
Überraschung:
da zu sein.
Daß immer
dieses Leben
nachläuft/ das
Geschenk
meist eine
Qual
und Wirbel
Wandel des Umsonst.
Die Tiefe ein
Geschick
hat uns die
Folge (diese Pein)
hinab in die
Reise grab ich
Zeit aus
erfinde sie neu
Flüchtling wie
alle die waren
die sind und
die kommen werden.
Clemente Rebora
Se
Dio cresce
Se Dio cresce
il diavolo aumenta,
vetta che al cielo più riesce
scavando una voragine tremenda.
E merito non è, non è peccato,
se in noi le ascese cadon paurose,
come chi sogni, agitato
al senso delle cose.
Ma chi si sveglia nel gran giorno ha fede:
scorge cader la luce al nostro fondo
per rivelarci il sol che attende
sul culmine del mondo.
Clemente Rebora
Wenn Gott
wächst
(Se dio cresce)
Wenn Gott
wächst,
nimmt der
Teufel zu,
gelingt der Gipfel
dem Himmel zunächst,
gräbt er dann
furchtbar den Abgrund der Ruh.
Kein Verdienst
und keine Schuld ist´s,
wenn der
Aufstieg in uns fällt,
erregt die
Angst, die du bist,
vom Sinn der
Ding träumt und hält.
Die am
Jüngsten Tage erwachen, die glauben!
Licht, das zu
uns in die Tiefe fällt,
zu
entschleiern den Scheitel der Welt,
wo die Sonne
wartet, aufsteigt und hält.
(Le Poesie
1913-1957, Milano 1961.
Italienische
Lyrik, p. 86)
Leonardo Sinisgalli
Vidi
le muse
Sulla collina
Io certo vidi le Muse
Appollaiate tra le foglie.
Io vidi allora le Muse
Tra le foglie larghe delle querce
Mangiare ghiande e coccole.
Vidi le Muse su una quercia
Secolare che gracchiavano.
Meravigliato il mio cuore
Chiesi al mio cuore meravigliato
Io dissi al mio cuore la meraviglia.
Leonardo
Sinisgalli
Ich sah die Musen
(Vidi le muse)
Auf dem Hügel sah ich
Ja ganz sicher
Musen
Zwischen den
Blättern kauernd,
uns die Stange
haltend.
Ich sah also
damals die Musen
Zwischen der
Breite von Eichen Blättern,
Eicheln
verspeisend und Beeren.
Und sah
freilich die Musen auf einer Eiche,
hundertjährig
rabenkrächzend.
fragte ich
mein verwundertes Herz,
und erzählte
meinem Herzen
das Wunder.
(Aus: Poesia
71, p. 24 )
Alfonso Gatto
Pensieri
inediti sulla poesia e altro
Nulla è più solo di un nome, di una storia morta.
Ma che serena tristezza camminare per i viali deserti del cimitero di Boulevard
Quinet: tra la mamma e il patrigno c'è anche Baudelaire, in una tomba piccola
come quelle d'un bambino.
Alfonso Gatto
(Paraphrase und Variation
nach: Pensieri inediti sulla poesia e altro)
Nichts ist
einsamer als der Name
Niemand einer
toten Geschichte.
Lebend noch
und schon eines der Opfer
glücklich die
vergangene Zukunft
ja die alte
Grenze zu schauen
himmelnd
Klein bleibt
auch Baudelaires Grab in Paris
eine Grube wie
ein Tor türgroß nur wie ein
neues Kind und
kinderleicht mit dem letzten Atemzug
entkommen wer
nur das Loch sieht von
der Seite des
Blickes vergißt jeden Ausgang
den die Opfer
doch alle genommen
Einer zitierte
Charles in der Kammer noch
wie ein
letztes Gebet auf den Lippen schon Rauch.
Uns aber
bleibt nur verspätet zu widerstehen:
die Armut sie
gräbt sich nach innen
nur sie
erreicht noch den Ausgang
im letzten
Verzicht fest zu schließen
die gierigen
Lippen
Erinnert den
Sinn Tod von damals
atmend
erstickt im Müll.
(Poesia, 94,
p. 15)
Franco Fortini
L'esame
Mi presento all'esame. Non ricordo più nulla.
Le cose che avevo credute non le credo più.
Come posso difendere, maestri, le mie tesi?
Esaminatore, di chi sono le parole che dico?
Franco Fortini
Prüfung
(L´ esame)
Ich stelle
mich der Prüfung. Und weiß nichts mehr.
Was ich bisher
glaubte, glaube ich nicht mehr.
Wie, meine
Lehrer, kann ich noch meine Thesen verteidigen?
Ihr Prüfer,
vom wem sind die Worte, die ich sage?
Vittorio Sereni
Ahimè come ritorna
Ahimè come ritorna
sulla frondosa a mezzo luglio
collina d'Algeria
di te nell'alta erba riversa
non ingenua la voce
e nemmeno perversa
che l'afa lamenta
e la bocca feroce
ma rauca un poco e tenera soltanto...
(Saint-Cloud, luglio 1944)
PARAPHRASEN
Für
Vittorio Sereni
[ Totenstimme.
Nach dem Motiv von: Ahimè come ritorna]
Ach, wie
er hier wiederkehrt
auf den
gewendeten Blätten sein Reichtum
mitten im Juli
algerische Hügel erinnert
auch deiner im
hohen Gras verkehrt
geschrieben,
gesagt die Stimme Nie
und nicht
unschuldig oder pervers
wie sie flimmernde Hitzeschleier beklagt er
wild gräbt
sich durch der Mund
nur etwas
heiser doch zärtlich
am Ende
Saint-Cloude, Juli 1944
(Poeti italiani,
Mondadori, 1978 p. 755)
Franco Buffoni
Vittorio Sereni
Il sentiero scendeva sulla fronte d Armio,
Lago d'inverno stropicciato solo.
Se ne andava con profondi squarci
Nel ritratto d'acqua dell'acqua che indossava
E il suo cavallo sollevava onde di polvere
Nello sguardo semplice del cielo.
I pini salivano nel buio
- ripeteva a nascondersi
tra stelle decenti
coi soli sorrisi -
E adesso erano proprio tutti uguali.
Franco Buffoni
Vittorio Sereni
Ein Pfad im Abstieg auf der Stirn des Armio
Wintersee allein zerstäubt getäuscht
Verschwand und
hinterließ die tiefen Schneisen
Im Bild des
Wassers: er im Wasserkleid
Und im Naturblick
eines Himmel-Spiegels
In Wellen
Wasserstaub stieg auf: Galopp des
Pferdes
Die Pinien
stiegen noch ins Dunkel hoch
- Immer wieder
ein Versteck
zwischen den Sternen leidlich
still ists allein ein reines Lächeln -
Jetzt waren sie wirklich alle gleich.
(ADIDAS, 1993, p. 44)
Franco Buffoni
O
da un Sant'Antonio paralizzato
O da un Sant'Antonio paralizzato
Picchiato dai diavoli del Sassetta
Lo stantio fetore di bontà
A contrastare l'allegria dei diavoli
La loro vanità. Poi il viso a terra
Volge piano il santo e gli occhi
Rassegnati ma non vinti
Sono quelli in preghiera di una foto
Di Lager. Sono quelli che avevo da bambino.
Le
morti
Le morti sono capricciose non arrivano
Quando le desideri o le aspetti,
Imprevedibili balzano sui tram
E sono già arrivate
Oppure ai capolinea se li lasciano
Partire tutti, irascibili
Fingono di leggere.
Franco Buffoni
( Le
morti)
Die Tode sperren sich sie kommen nicht an,
Wenn du sie
ersehnst oder erwartest
Unberechenbar
springen sie auf die Trambahnen
Und sind schon
angekommen oder
An der
Endstation wenn sie alle aussteigen lassen,
Täuschen sie
zornig vor zu lesen.
( O Sant´Antonio)
Oder ein gelähmter Heiliger Antonius
Verprügelt von
den Teufeln des Sassetta
Der ranzige
Leichengeruch der Güte
als Kontrast
zur Fröhlichkeit der Teufel
Schnellerer
Nichtigkeit Kontur. So schlägt
Der Heilige
langsam seine Augen nieder
Resignierte
aber nicht besiegte Augen sind
Augen im Gebet
auf einem Lagerfoto.
Es sind die
Blicke meiner Kinderaugen.
(Poesia 96. p. 44, 45)
Elisabetta Robert
NOSTRA SIGNORA DI LOURDES
Während sich
die Augen senken
und die Lippen
das Wort fürchten
hebst Du
Mutter der
Mütter
die Gesichter
Das dauernde
Wunder wird erneuert
(Vivere
significa, p. 42)
IM ANFANG WAR
DAS WORT
(In principio era il Verbo)
Im Anfang
das Wort.
Am Ende war
das Schweigen.
(Vivere
significa, p. 43)
Elisabetta Robert
Nostra
Signora di Lourdes
Mentre gli occhi s'abassano
e le labbra temonno le parole,
Tu,
Madre delle Madri
sollevi i volti...
Si rinnova il miracolo perpetuo.
In
principio era il Verbo
In principio
era il Verbo.
Alla fine
fu il Silenzio.
Dieter Schlesak
Grenzen
Los. Notturno
("Autoritratto
al chiaro di luna")
Der Übergang
als wärs
der Tod
erlebt, die Form, die Aus
dem Sterben
kommt: Notturno jedes Leben.
Der Mond, der
Mund Endymions,
zerschweigt
die Welt, verzittert
wie unter
Wasser Jetzt ist alles, was
du sahst
veschwunden, Hier und dunkelt schon
der Übergang
in blauer Schattenfarbe.
Hörst du
Musik, im Hirn das Delta T,
in dir das
Kind, das Weinen, denn über alle
Dächer geht die Mondsucht Ruh, du wachtest
schliefst seit
vielen Jahen deinen Tod,
du weißt, bald
ruhst du hinter jeder Form,
zerfällst sie,
wie Terralba. OPUS Reife
Trancechemie,
wo Nichts mehr ist nur NULL
das
unsichtbare Gold im Mond verzittert
jeden Mann und
Schatten löst uns auf, der Schein
verliert aus
sich den Traum, den jedes Ding
Musik in sich
verschwingt und selber ist
gedankenhell
sich weiß, berührt in mir
den Innenraum,
der fließt, Essenz, der Mondschein
klopft die
Scheibe auf, das Draußen hat so
ausgedient im
Duft der Transzendenz
Oltrelimite
("Autoritratto
al chiaro di luna")
Trasmutare, come
fosse la morte vissuta, la forma che dal
morire viene: Notturno d'ogni vita.
La luna, la bocca di Endimione,
scioglie il mondo in silenzio, ora
come dissolta in un tremito d'acqua è ogni cosa,
che
vedesti svanita, qui è già s'oscura
la trasmutazione nel turchino colore dell'ombra.
Odi la musica, nel cervello il Delta T,
in te il bambino, il pianto, poiché so ogni
tetto va la sonnambula quiete, tu da ottant'anni
la morte vegliasti e dormisti,
tu sai, presto dormirai dietro ogni forma,
come Terralba la decomporrai. OPUS maturità
chimica d'arte, dove il nulla altro diviene, e il
cerchio dello zero
in un tremito scioglie l'invisibile oro
nel silenzio lunare,
in ogni uomo, e l'apparente bagliore
da sé dilaga il sogno, musica pulsante
di ogni cosa, che in limpido pensiero si conosce,
ed in me sfiora
l'intimo, fluente, spazio, essenza, il lunare
bagliore
apre e dilarga l'disco, l'esteriore si compie
nel trascendente aroma.
(Traduzione italiana: Mario Pezzella)
WAS NICHT IST. Rascheln und Umblättern
meiner Bilder im
Hirn
nur
noch sich auf
hält
an nichts fest, als an der verrotteten
Sehnsucht.
Unverlierbar ist die Frau, nur
gedacht. Liebe, die nie war
und mich um-
garnt
Pnelope, in Immer, Geschriebene -
kein
Brief
als mein Abschied.
Dieter Schlesak
CIÒ CHE NON È
Solo il fruscio
e lo sfogliarsi
delle immagini
nel cervello
ancoa solo
è fedele
al desiderio disfatto, a nient'altro.
Mai si perde la donna
che è solo pensiero.
Amore mai stato
che pur mi seduce
Penelope. Sempre Scritta -
nessuna lettera
oltre al mio
addio.
(Traduzione
italiana: Mario Pezzella)
GIORGIO CAPRONI
Pronomina der Person versprochen
SO wünsch ich mir die
Ich-Variante
zu jeder angeblich sichern
Nachricht
die der Beweis des Todes ist
Wie Er auch Ich
sollten wir nie wiederkehren
könnt ihr mit Sicherheit wissen
daß Er hier überlebt:
Er war nie fort
Und dieses lange Reisen
von meinem Anfang an sagt er:
"war nur ein Bleiben dort
wo ich nie war"
Dieter Schlesak
GIORGIO CAPRONI
Pronomi, promesso alla persona
Invoco le varianti dell'Io
ad ogni notizia che si dice certa
ed è prova di morte
più di
sempre
per noi pericolosa
anche se ormai traspare
che non si può provare
nè l'ES nè il mai stato.
Come Lui anch'io
se mai non dovessimo tornare
sappiate con certezza:
qui Lui sopavvive:
nè mai fu lontano.
E lui dice il lungo viaggio
dal mio inizio:
" sono tornato là
dove non ero mai stato."
(Traduzione italiana. Mario Pezzella)
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