Dieter Schlesak
ALL
TAG
Erstaunte
Augenblicke
Tagebuchgedichte
VOR WORT
Es geht um All Tags Gedichte, wie der Titel sagt, um den Versuch, Alltag,
das wirklich Erlebte, Profane zu
sublimieren (All), in Immanenz und nicht im Überhöhen oder nur Erfinden, den
versteckten Sinn mit den Mitteln des Gedichtes zu entdecken, zu enthüllen
(Untertitel "Erstaunte Augenblicke").
Wobei durch Refrain und wederkehrende Spur das
Lebensmuster aufgespürt werden soll, das es, so heißt es, in jedem Leben gibt.
Und das sich erst im größeren Zusammenhang über die Jahre durch Aufmerksamkeit,
aufmerksames Beobachten verstärkt. Und im Schreiben, im Tagebuchschreiben, mehr
noch im Tagebuchgedicht, das viel strenger und tiefer ist, verstärkt sich der
Tag mit Hilfe der Sprachweisheit.
Dieses
Tages- ja, Jahresbeobachtungsfenster wird mit wachsendem enger Umkreisen eines
Kern-Verstehens immer durchsichtiger mit immer mehr Kontur und Eigenart, dann
auch in der nur hier zu findenden Gedichtform, das vielleicht die deusche Lyriksprache aus dem Persönlichsten
bereichern kann.
Nach außen ergibt ja dieses Leben eines auch
historischen Augenzeugen, der den roten Osten, den Westen, das Exil und als
Kind die Nazizeit erlebt hat. Der aber auch heute zwischen drei Ländern und
Kulturen, Italien, Deutschland und Rumänien lebt.
Dieter Schlesak ist in Transsylvanien geboren, er ist
ein deutscher Lyriker, Essayist,
Romancier, Forscher, Publizist und Übersetzer. Er lebt seit 1973 in der Toskana und in Stuttgart. Er ist
Mitglied des deutschen P.E.N.-Zentrums und des PEN-Zentrums deutschsprachiger
Autoren im Ausland (London).
Preise/Stipendien. Er hat viele Ehrungen und Preise
erhalten. Zuletzt für das Gesamtwerk die Ehrengabe der
Schillerstiftung/Weimar 2001. 2005: wurde er Dr. Phil. h.c.; 2007 erhielt er
den Premio Umberto Saba, “Trieste Scritture di Frontiera”.und den
Maria-Ensle-Preis der Baden-württembergischen Kulturstiftung.
Einige
Kritikerstimmen:
Dieter Schlesak ist ein sinnierender, ein brütender
Geist, der fortwährend über das Geheimnis unserer Existenz, über den, wie er
sagt, "Abgrund dieser Gegenwart" sich beugt. In dieser Hinsicht ist
er dem 1979 verstorbenen Ernst Meister verwandt. Das Erstaunliche dabei ist,
die Kritik hat schon darauf hingewiesen, wie weit Dieter Schlesak thematisch
und formal zurückgeht: Bis zur Barockzeit mit ihren metaphysischen
Spekulationen. Diese Tradition kam dem Lyriker unserer Tage entgegen.Rudolf
Hartung, Sender Freies Berlin
Indien ist nicht weit; Ihr geistiger Weg mußte zu
einer Form der Mystik führen. Dennoch ist die äußere Welt auch da - von
Siebenbürgen bis nach Mexiko; wobei immer im Hintergrund die Suche nach einer
andern Wahrheit steht, einer tiefen Wahrheit, die der Geschichte entkommt oder
sie überschreitet. E.M. Cioran, in einem Brief an den Autor
Vertiefung der Sprache zu An-Deutungen; Bilder als
Spiegel innerer Vorgänge von Schau und Abwehr, von Versenkungen, ja, geistigen
Andachten und Grenzahnungen, wo sich das Wort versagt. Die deutsche Sprache ist
Schlesak Notbehelf im Geistigen. Seine Mystik, gespeist aus einem unmittelbaren
Bezug zu uralt trächtigem Kulturboden -der Autor lebt zumeist in Italien -
wendet sich in Auffächerungen unserer Identität zu. Inge Meidinger-Geise,
Die Warte
Seit Goethes und Jean Pauls Zeiten gehört Schlesak zu
den beeindruckendsten Traumerzählern.
Holger Jergius, Nürnberger Zeitung
Holger Jergius, Nürnberger Zeitung
Das "Aus-Land" ist freilich mehr als nur
Chiffre für ein individuelles Außenseiterdasein. Letztlich meint sie eine
existentielle Sackgasse: die Fremdheit des Menschen im ,,Gefängnis" seines
Körpers und der Zeit, die angesichts des Massenvernichtungspotentials auf ihr
Ende zutreibt. Was bleibt, sind tastende Ausgriffe in den Bezirk der Mystik. Hans-Rüdiger
Schwab, Frankfurter Allgemeine Zeitung
Die Ausführungen von Dieter Schlesak haben den Vorzug
der Klarheit. Was bei Heiner Müller bisher dunkel "deutsches
Verhängnis", "Kolonisation" oder "Überfremdung, bei Volker
Braun locker "das nicht Nennenswerte" hieß und von Christa Wolf als
"dunkle wilde Jagd" bedichtet wird ... was also zwischen Kreuzestod
und altfränkischer Schicksalsrhetorik kaum hinreichend verständlich wurde (...)
ist hier plötzlich deutlich." Iris Radisch, DIE ZEIT
Sein Ich ist sich des Zeitsprungs gewiss, sein Ich
warnt den Leser vor allzu großen Erwartungen: Was wirklich wahr ist, gibt es
noch nicht./ Und alles andere ist vergangen./ Die schnelle Geschwindigkeit
dieses Tages/ setzt du auch morgen nicht zusammen. Die enge Verbindung von
gegenwärtigem Geschehen, das das Bewusstsein noch nicht aufnehmen kann, und
einer eben abgelaufenen Vergangenheit, die als Traumsequenz in eine Zukunft
reicht, in welcher alles erst entwickelt wird, was im Präsens zu schnell
vorüberjagt - ist der Übergang, in dem das Schlesaksche Ich stehengeblieben
ist, um in der Fülle des Augenblicks seine vielschichtigen Beobachtungen machen
zu können. Es wählt den quälenden Weg der Offenlegung von Wunden im Zeitbewusstsein
am Ende des 20. Jahrhunderts.
Wolfgang Schlott, Kommune 2
Wolfgang Schlott, Kommune 2
In der
italienischen und rumänischen Literaturkritik gilt Schlesak als einer der
wichtigen Vertreter moderner deutscher Lyrik; ein Band von siebzig Gedichten
mit Übersetzungen ist kürzlich in Pisa erschienen. Jenseits der Alpen hat
Schlesak ein Echo gefunden, das man ihm auch in Deutschland wünscht.
Mit seinem Band "Herbst Zeit Lose. Liebesgedichte" schließt sich Schlesak an die Tradition einer Liebeslyrik an (…) - einer Lyrik, mit der wir Namen wie Catull und Horaz verbinden, die Liebesgenuss und -erfüllung preist. Sie begegnet uns auch in Goethes "Römischen Elegien", deren Titel in einer Handschrift noch "Erotica Romana" lautet… Ein an barocke Vergänglichkeitsklagen erinnernder Ton ist Signal: das Begehren nach dem Augenblicksbegehren verstummt; wahre Liebe will Ewigkeit. "Doch die Liebe ist Leben für immer", heißt der Sammeltitel für eine der Gedichtreihen.… die poetischen Bilder leiten uns unaufdringlich, aber unausweichlich zur Frage nach unserer Endlichkeit, kurz, dies ist ein großes Gedicht. Walter Hink, Frankfurter Allgemeine Zeitung
(Ein
Gedicht wurde in die „Frankfurter Anthologie“ von Marcel-Reich Ranicki Band 31 aufgenommen)
ALL Tag. Erstaunte
Augenblicke. Tagebuchgedichte
ALL TAG ALS LEBENSFORM
Nichts mehr soll sinnlos
sein/ alles fürs Buch/ mitnehmen das Augen Licht: so auch Prana/ den Berg der
Seele/ er beherrscht uns immer/ auch zu Hause./ Wo? Im Augen Blick Empfinden:
Rund Blick./Wie das Meer/ die Träne Gottes.
Jetzt sehn wir von oben
unsern Ort: Camaiore. Und gehen auf Partisanenwegen./ Bald dann Sant´Anna/ ein
von Deutschen ausgelöschtes Bergdorf./
Das im Gedächtnis/ blieb.
Waldweg. Steine. Tiere
keine/ nur Kunsttiere aus Stein/ Adler/
Pferde/ Vögel/ Hunde und Engel.
Aber ein uralter Baumstamm.
Knorrig./ Er hat ein Bärengesicht. Alt wie die Toten./ Die hier die Steine zu
den Terrassen/ geschichtet haben./ Dazu ein Wegkreuz. Und INRI 1925. Oder eine
Madonna aus Lourdes./ Ein Gefühl als Heiligtum. Überall also kathartische
Zeichen. Das ist da/ um in der Natur zu glauben: Wo blickt Er uns an? Aus der
Inselferne dort/ Gorgona, die Insel.
Mehr nicht, als diesen
Augenblick
aufbauen, als ginge es ums
Leben. Das geht.
Mehr nicht. Als diese
Morgenwiese
lachhaft naiv die Augen
sehen lassen
mit Freudentränen. Mehr
nicht
als leben, jetzt.
So warte ich, die Sonne
scheint noch immer, und
bricht
die Strahlen, nicht das
Herz, den Satz.
Ich möchte leben,
nicht nur schreiben müssen,
als wär es
ein Ersatz für diese Fahrt.
Sie steht noch in den
Sternen. Steht
und wartet.
Und doch, zu ihr gehört auch
die Erinnerung, das Glück der Sinne: der Morgen ist/ taufrisch und jung, und
wie als Kind die Lust zum Barfußgehen im Morgengras;/ Duft und Klang, es riecht
nach Pinien und nach frischer Frühlingsluft,/ nach Berg und nach Kaminrauch.
Langsam, alles ganz langsam tun,/ mit vielen
Pausen
und ruhigen Atemzügen.
Bisher berauscht/ von dem was
hier verging
Kam mir
das Leben viel zu lange vor.
Wie diese Zeile, die
verborgen zwar, jedoch
Nie stirbt
Kommt aus dem Nichts /der
alte
Trank und bleibt:
So ungetrunken
Unverbraucht.
Vergilbt dies Blatt?
Jetzt blendet es mich/ müde
Und macht blind.
Was handfest ist
Und immer näher kommt.
Sieh die Leute wie sie leben
Als lebten sie ewig.
Mensch! Welch ein
ungedachtes Wort.
Uns erwartet der Tod.
Sagt ein Chinese der
ich nicht Bein genug hab
die Distanz von neuem
zu wahren
Kruder schreibt ihr was ist
Auf/ Bruder im Geiste schon
himmelnd
"Memento
Saecuritate" einer
der den Leu hat/ nicht
Niembsch
ein Nein jetzt nachher:
Banal Banat
wie du ausharrst
geschlagener
Bruder und lebst ganz
verändert
aber noch DA
Und was vor dreissig Jahren
schon
Einmal … Es war so
ein roher Beginn der Märchen
den Kopf aller kosten
kann.
Wenn dann Entfernungen
zusammenbrechen
Summen der Bienen
wie Menschenstimmen
die Worte endlich sich
entkleiden
berührt die Nähe fern
Entfernter war es noch nie
das Maß setzt
nach dem Herzschlag
dein Wächter.
Du warst es schon immer steh
auf
und geh - in der letzten
Entfernung/ dort wo
geheim dein Herz schlägt.
Und das Gesetz das du kennst
lass hier getrost zurück.
So bleibt die Zeile
scharf die du heimlich
gedacht
verwandelt in eine Blume
innen gewachsen
hinaus über den Schein
der das Leben ist.
Und kehrst getrost noch
heim und zurück.
Wär nur das Letzte, wäre das
letzte
Endstück vom Brot die gute
Molle
und ist längst aufgegessen,
fort
der Geruch ist wie der
Backofen kalt
und die Hexen gut nur für
Aids.
Oder der eigene Tag für Tag
hässlicher das Erbe des
Stammes
und die Früchte verbrannt.
Das Endstück heißt Scherzl
Du aber sagst Knust und
gnadenlos Knust
Und nicht Kunst./ Das was es
ist und Abfall
ist essbar/ geworden.
Wär nur mein Ende so da
Endspiel ein Scherzl
zu Hause im Korn wie ein Ja
in Johannes Fünfzehn
umkehrbar Ja.
Schmerzstelle
Ackererde
und vergangen ein Loch
ist geblieben
das zerstörte Haus und das
Dorf
am Ende ist
herzschwer ein Grund
der wir waren
Keine Großstadt es sei denn
das Graue der Arme
Wintermantel
und lauter Staatsgeschäfte
Doch ich liebe dich Erde
lieb dich auch hier der Berg
gefeiert von gegenüber
sonnige Heimkehr drüben
du meine Alte Erde
Liebe ist Dauer
Gewohnheit ist sie
die sich erinnert
Schon an einer Fliege an
einem Fliegentag
erkenn ich dich wieder
du meine Erde
Verschwender sein/ groß
Zügig nicht achtend/ was sie
In dich gesetzt/ schon früh
Millionen Samenfäden/ dem
Zufall zu-
Geschickt/ ihn aufzuhalten
Mit einem Kind.
Sacrificium als/ Erzeugung
Heiliger Dinge/ sich
aufgeben. Sich verschwendend
Heroische Nutzlosigkeiten/
der Mut.
So habe ich mich verausgabt/
für Nichts
Das nie da sein wird/
weiter:
Nichts/ als ein Mund
Der vor Wut oder Schmerz/ im
Vergeblichen
Aus der Lehm-Grube nur noch
schreit.
*
Doch immer noch bin ich
nicht/ darüber hinaus
Und ginge wieder nach Kreta/
nähme ich
Die beste Doppelaxt/ und
erschlüge jenen/ der
Nicht sterben will/ sich
auflehnt vor Wut
Vielleicht sogar in jener
Höhle des Ida/ wo
Wir vor Jahren einmal
hinabstiegen/ in
Den alten Lehm (läge er da)
Und ich schlüge zu/
aufgenommen sein
Gesicht/ aus dem Gras/ sähe
ich in
Mein eigenes/ und wäre
vielleicht endlich
Von diesem Mann/ dieser
alten Krankheit
Frei.
Ein Traum hier aufgezeichnet die
Luftkunst
Art. Worte/ in den Wind gehängt
Verse,
Sprüche und Gedichte/ auf Leinen gezeichnet
Wort
Taten von unten/ zu lesen: fliegende Sprache.
An
4: an 6: an 8 Ecken ist sie auf gespannt
Freude
mit Freunden/ geteilt im Flug.
Meißen/
ein Literatur Festival/ schön
Wie
weißes Porzellan.
2
Und
Meike Baier fragt und leitet
Mich
weiter zum Durchpulsen aller Bilder
Zur
Baiergasse 49/ ins Gassenhaus/ die junge Mutter
Glücklich
als ich den ersten Lichtstrahl sah.
Schrill
das Sägegeräusch vom Hof/ gleich
Unter
dem Fenster die Kleinbahn.
Ein
Morgen erwacht/ der Hahn krähte damals noch
Nach
mir.
28.April 2011
Mein Geburtshaus, das „Baruchhaus“ (18.Jhdt.)
in der Baiergasse 49
Und ich überlege, dass das
eben erschienene „L´ Uomo senza radici“ (Der Mann ohne Wurzeln. Auf abgeschnittenen
Wurzeln gehen) mein Mutter Buch ist/ von Geburt. Erzählerin war sie,
Weltgeberin war sie. Ihr Tod, dann war der Lebenschock.
IN ALLER HERRGOTTSFRÜH
Traumgedicht
L. sah von Anfang meinen Satz. Sie fand ihn
Gut. Hoch kam darin Vergehen vor
Im Zwischenraum
Mit allen Lebensgesten
Ein Ich wird weggeträumt.
Celan und Pastior wie zwischenheidnisch
Alles geschrieben/ zugleich
Gestrichen. Sic et non…
Ein hoch gestrichenes C.
Gesetzt und Aus gelöscht.
Leben und Tod.
Der Satz
Ist die Gefühlstat: Fuge?
Refrain?
Wiederholt jede Nacht
den Tod.
Bessere Orts Poesie, wo ich lebe
Finde ich Camaiore klingend
Mein Tal mit Buonarotti, Shelley, Rilke,
Montale und Carducci
Das Krebslein, das ich eben gegessen habe
Im Restaurant „Dogana“… aus seiner Schale geholt
Sieht mich mit winzigen Punkt Augen an/
und ich seh
Den langen Hohlgang/ eine Ausstellung:
Gequälte Tiere/ die wir gedankenlos
essen.
Als wär es Nichts.
Was schrieb ich ab/ zum Ort: wie andere
Ihn fühlten?
Montale etwa in Monterosso/ nein glücklich war er/
Nie: Osservare tra frondi il palpitare
lontano di
scaglie di mare,
mentre si levano
tremoli scricchi
di cicale dai calvi
picchi.
E andando nel
sole che abbaglia
sentire con
triste meraviglia
com'è tutta la
vita e il suo travaglio
in questo seguitare una
muraglia
che ha in cima
cocci aguzzi di bottiglia.
Die
armen elenden Kreaturen/ von der Sonne gebrannt.
Oder D´Annunzio/
auf weißem Schimmel in Viareggio
In den Wellen am
Strand galoppierend.
Und Shelley
ersoffen und dann verbrannt!
D´ Annunzio, der Faschist auch in Fiume.
DANN BRIEF- UND ALLTAGS-GEDICHTE
Und Liebe ist kein Versehen
26.4. 11.
Fünf Uhr Früh
1
Poesie ist wissend
gewusster Sinn, unsichtbar,
besser ungeschrieben.
Ist anders als dich
im Satz zu sehen:
Punkt für Punkt
geblendete Dauer.
Und ab gesehen vom Tag
Ein schönes Plagiat,
Ist Streichen wichtiger als
der Tag.
Ein hoch gestrichenes C.
Reicht Es gestrichen?
Sieh, wie Träume dich
richten.
Nur Musik muss sein.
Und Ich zwischen Internets Menschheits Geschichte
Und Leben im Apennin.
Abends in den Schluchten des
Gran Canyons
Im Film.
Behauen morgens um fünf dann
Strukturen.
So schaut dich das Wort
Gefüge an
Wie ein Bildhauer
Von einem Block Marmor
Gerichtet.
2
Nichts, Nichts
als die Schnecke
Jahrmilliarden im Stein.
Streichend gesehen
auf dem flimmernden
Bildschirm
Schwarz auf Weiß im Kommen
Dein Ich gerichtet.
Und heute ein
Anders beginnender Morgen.
Sechs Uhr dreizehn
Auch das schon vergangen/
vernichtet.
Wie geht es Dir und den
Siebenbürgen-Erinnerungen:/ dort mit Blick
auf Braunau/ nur über den Bach. Da hast du den Ort, der uns erklärt/ warum wir
weit im Aus-Land leben… nur über den Bach, so nah können die Orte sein.
Die Toten wollen uns jetzt grüßen
sie haben den Tunnel
durchschwommen
sie haben Kurs auf einen Kreis genommen
aus Licht ein Gesicht
das ihnen
entgegengekommen
Sie kannten sich
und wussten sich schon
da war ein Gedanke
wie Vater und Sohn
es war eine Flamme
die schlanke
Es war eine Flamme
die hob
sie dann hoch
sie sahn nicht zurück
zurück blieb ein Loch
ein Loch in der Erde.
Du musst dich wundern/ die
Lebenskürze zwingt mich/ auch hier mit Meeresblick/ und ins abgrundtiefe
Weiß meiner Schreibtafel/ die auch Boden Los/ keine Grenzen kennt, Schreiben in
Sinn zu verwandeln. Nicht nur banale Briefe zu schreiben./ Und das Schreiben an
Dich/ hat den Abgrund der Zeit: in sich.
So will ich wie
du/ Schreiben mit allem verbinden: jetzt auch in Gedichtbriefen/ heute an dich.
Sinnzusammenhänge:
wie du sie bietest
Mein
Lebensbericht ist magerer/ älter. Unumkehrbarer. Im Garten lauter Gras.
Es ist alles DA.
Sogar Zürich im Beutel/ Gold aus Büchern: wie SCHÖN.
Drei Länder/
vier Häuser. Und ein schönes/ Segelboot: die Dame Frasquita aus dem
Ärmelkanal.
Alles alt. Und
mein Leben ist so gar nicht mein GUT.
Die Geliebte in
Indien/ und nicht nebenan. Und sehn werde ich sie wohl/
niemals wieder.
Es gibt nichts
zu trauern/ weil ich
nichts mehr/
verlieren kann. Vor
lauter Zeitnot/
die Kraft die die Jahre geben: verfloss
im Gottesstrom/
der sie mir gab/ verloren.
Die Zeit drängt
zum einzigen
Boden vor dem Tod.
Nein nicht die
kleine Dea/ die Göttin der Hunde
suchen/ wo die
begraben werden kann
und sie täglich streicheln
mit Händen und Sinnen
weil sie schön
ist: wie alles im Hier: Azaleen und Magnolien
Zitronen und
Orangen/ die Vögel um vier
gekrönt der
Wiedehopf/ und der Nachtschmetterling
mitternachts auf
dem Papier/ Schusterpupu und Eidechse
auf dem alten Klostertisch/
ein Ja meinem Schreibtisch
für immer. Ach,
ich vergaß/ Romeo den Kater/ der mit mir
jeden Morgen um
acht meditiert/ und dann beim Schreiben mit hilft
Am besten kann
er das Z. Ganze Z-ZEILEN verbunden
mit dem A. / Du
ahnst: er schreibt den Anfang zum Ende.
Nein. Es ist nicht alles
Was wäre es
sonst
wenn nicht meine
eigne Halluzination.
Hier auf der
Zeile nochmal verdichtet/ also gerettet
Dem Herrgott des
Alphabets sei Dank
der dies hier
zurückließ/ als er verschwand!
Kleines
Gnadengeschenk/ für uns Sinnhungrige noch
am Leben./ Mehr
noch/ wenn der einfällt/ heute passierte
es mir
morgens um vier.
Plötzlich wieder die leichte Hand:
wie die
wissenden Hebräer/ die in ihrem Alphabet
eine Hand im
Kopf als Zeichen erfanden!
Und ich
schreibe es Dir auf/ was da heute Nacht HIER ankam:
Traum/ mit
Habermas in einem dunklen Gedankenhaus
dass die
Gedanken frei sind und fließen müssen.
Sein Können
unaufhörlich seinem
Anfang zu.
Nichts
will er/ sich zumuten/ außer
sich selbst will
er gelenkt sein/ zu erzählen
kommt er auf den
Hund/ wo der
begraben ist. /
Nur wenn du schwimmst
erreichst du/
ein fernes Ufer.
Was aber ist
alles begraben/ in uns.
Bevor ich gehe/
soll es ein Schlüssel sein
vom Träumen/ dass wir leben.
Denken an K.
Am 6. und 7., und 10. und
11,12. Juli 2010
Leichte Hand/ Laut Land im Verborgenen. Aber die Phan
Ta Sie/ täglich zu dir und mit dir. Und jede Nacht auch/ bin ich bei dir/ und
auf dem Markt Platz Transsylwahnia/ mit
der schlagenden Stundturm Uhr/ zu Hause…/ Ja, weißt du noch/ dort: wollten wir
doch durch den Glocken Klang laufen/ aushebeln die Uhr mit KD/ durch die
Gassen/ umarmt und heulend. Nein, das war genau vor meinem Geburtshaus: Baiergasse
neunundvierzig: das heulende Paar!/ Oh,
Wiederfinden zu Hause?/ das Kind in mir erwacht und lacht/ mich Aus/ dein Mutzendorf … Hast du nicht
Drei. Ich bin doch pflege leicht. Gibs zu.
So auch dies Leichte Hand
Brief Gedicht für dich./ Sogar ohne Adresse. Und nur in den Äther, ins Blaue
gejagt: Du, meine Zwischenschaftlerin nun/
Mutter-Gelehrte/ Spiel Künstlerin/ mit deinen selbst geschaffenen/ vier in der
Welt/ erwachenden Augen: Haus Frau der Liebe. Und zwischen allen Kontinenten/
wie ich nun: im Kein Ort Nirgends zu Hause.
Wie gut sich das trifft /
Zweimal Null ist unendlich viel/ da fällst du wie im Traum/ in eine Heilige
Acht.
So kommt aus der Ferne einer
in deine Ferne/ einer, der bietet dir an/ unkündbar
Einen Platz. In seinem
stürmisch bewegten Herzen/ das schlägt und schlägt und schlägt den Tod tot/ Nun
etwas ruhiger geworden/ doch niemals auch/ als Herztier ganz still/ des Teufels
Küche./ Geständnisse und Bekehrungen kamen/ war das in einem Kloster?
Wir ruderten die Moldau
hinauf/ den Rhein und vor allem die Mosel
Mit unseren Gesprächen.
Was soll ich von mir noch erzählen./
Dass es hier heiß ist. Dass ich an einem Gedichtband schreibe./ Und einer
erscheint, der heißt wie du weißt: Der Tod ist nicht bei Trost./ Und das ist
wahr./ Und dass wir mit L. und mit der kleinen Dea/ stammt aus Oahaca/Mexico/ am 18. mit dem Boot/ ins Blaue: nach Elba
segeln/ Fest an einer Boje/ für
Meertage/ die du doch kennst./ Lang her: Als ich dich anrief/ nachts aus
dem Beiboot/ und einmal sogar in voller Fahrt am Bug/ unter einer Plane./ Das
war Richtung Capraia vor acht Jahren.
Ach, aber vorher kommt mein
Freund Tom hierher in mein Schreibzimmer/ der übersetzt mit viel Spaß den
Roman/ über unsre Heulstadt S. und heißt: Transsylwahnia. Sogar für den großen
Garzanti. Milano. Im September geht’s zum Großfest Literatur nach Mantua mit
diesem Buch/ und dem Mörder Capesius. Der ja als Buch diesen Anklang fand:
Seine Apotheke „Zur Krone“
Du siehst: so ists: du mit
den Kindern. Ich ganz zum Buch geworden. Viele inzwischen. Die ich wie meine
Kinder sehe. Und muss für sie sorgen! Und bevor ich’s vergess: Am 8. November
geht’s nach Bukarest. Grausliges Forschen: Securitateakten/ für ein
Securitate-Buch./ Ich als Erzähler meines Lebens.
Und hier unsere
Synagoge
Ja, Bach in S-Dur am
träumenden Zielort
Augenlos, heißt es sprich:
Fülle
schnall dein Ich ab,
auch die Füße und knapp
diese Silbe
am Wasser, idyllisch, der
Blick
ohne Augen und die Lippen
los
aus der Sprache gefallen,
dort, fremd
kommen die Leute und sehen
dich an,
und sehen durch dich
hindurch
wie durch Glas - du bist wie
tot
und unter die Geister
gegangen.
Fängt jetzt unter dem
blühenden Apfelbaum
reif/ es vergeht schon:
zitternd ein neues Jetzt an.
Denn der Punkt - schau in
das
schwindelerregende Loch
eines ... Ziels
und es rivalisiert/ eine
ganz kleine Wunde
mit der Sonne.
(18.3.92/ 18.7.95)
1996.DAS IST Bewusstsein
macht doch Feige aus uns allen
Nichts was sonst halten könnte:
nur die Angst
wenn ich hinab in diese Grube sehe
hat dieses Loch zwei Seiten
eine in die Himmelszeit?
Was soll ich mit der Ewigkeit
sie dauert mit mir
nur dass ich werde
doch wär ich nicht
wär sie viel reiner schon
sie hängt an einem Faden
mit einem Groschenmesser
abzuschneiden
hängt alles nur an mir.
Doch schon das Messer
und mein Wille
gehören
bevor Bewusstsein zugerechnet wird
nicht mir und wird in tiefster Dunkelheit
nur meinem Auge angetan
MEINE MEERE
Wie
die Schwelle trennt die Reise uns vom Alltag, vom Selbstverständlichen, ja ist ein
Zustand im „Tapetenwechsel“, der Abenteuer, der aber auch Schock sein kann.
... und wohin man jetzt jettet
mit der Vermehrung der Nullen
auf
den Schweizer Konten
stimmen sie ein ins vertrauliche
Gemauschel
über Kitzbühl, St. Moritz und
Lagerfeld
denn das ist ihre Welt
und sonst gar nichts
DAS BOOT. Überfahrt. Die
etruskische Küste hinab, nachts bis
Populonia. Hier sah ich sie, die ersten
Münzen der Gegend/ im Golf von Baratti in der etruskischen Nekropole: Drachmen.
Und im Bergnest
Populonia/ das Museum mit dem Tränenkrüglein und dem phallischen
Grabstein/, das Ei dazu der Frau: Tod und Leben. Und der Totenkopf eines
Zwölfjährigen/. Langher. Langher? Beim Hinabsteigen langsam zum Golf, Rundblick
bis nach Elba: da sehe ich Kinder, die mit Wildschweinen spielen!
.
Das Reale ist
hart/ fordernd, das Schiff unter dir, jede Sekunde Zeiteneinheit/ spürbar die
Mühe, über deinen Kopf hinweg; das Meer schäumt, dazu etwas Fades/, Langeweile
, Enge des Körpers, den du gegen die Elemente verteidigst.
Die Gedanken wie
festgebunden an Ankerketten, Tauwerk und manchmal ans Ruder /. Hart war die
Arbeit früher. Es bleibt das Meer. Die
starke Welle der Zukunft. Die kreist / stark ist die See in uns. Und grausam.
Der Geruch von Teer. Das Schlagen des Falls/ verdeutlicht die Sekunde/ der
Angst. Keine Zeit bleibt zum Atem holen am 22 bis 29.Juli 1981.
Und auch andere Abenteuer/ die muss ich mit Versen ver sehen/les ich an
Bord:/ Fratrasien etwa aus Arras/ 13. Jhdt. Zum 11.11.11 Uhr 11./ Die hätte
Ossi/ der das Tod Sein nicht mag/ oder für verrückt hält: gefallen/ dieser
Unsinn/ der alles aus ein ander nimmt/ der schöne doch wahre Blödsinn/
Oxymorons: als: scharfsinnig – dumm verschränkt und verschraubt: den Eier
Kuchen der Welt/ also kosmisch/ dichtend mit jener Stimme: im Schlaf. Ralph
Dutli machts nun bei Ahrendt./ Der mich leider verschmäht. (Vielleicht sollte
ich ihm aber meine Briefgedichte/ schicken? Er könnte ja eine Auswahl bringen).
So kenne ich also inzwischen
(fast) alle/ sie waren auch in meinem Haus/ wie der vergrimmte Treichel/ der
mit schlechten Gedichten ankam/ las/ ich aber „wegschmeißen, wegschmeißen“
rief./ Reich-Ranicki nahm sie aber/ auf und so kam der ins An Sehen./ Egget nun
großartig über Mascha Kaléko in der Zeitung FAZ. Und ich würde es auch gern
veräppeln/ ums zu bedenken: was er Liebesernst nahm:
Und schönes Reim-Dich-oder ich
fress-dich/ und ich denk an meine Großmutter/ auch wenn Mascha nur so alt ist
wie mein Vater: „Als ich zum ersten Male starb/ - ich weiss noch, wie es war./
Ich starb so ganz für mich und still,/ das war zu Hamburg im April,/ und ich
war achtzehn Jahr.“ Verliebt also/ Madamchen lieb,/ das ist ja wunderschön./ Du
starbst so ganz für dich und still/ und
führst uns „wunderschön“ in deinen April./ Warst achtzehn/ Herz am Grill./ Das
Reimen ist so schön und blöd/ diktiert uns/ was es will./ Gedanken sind dann/
nicht mehr frei/ verdummen uns im Klang./ Ein bisschen noch ganz ungereimt/ im
Zwischenraum geatmet/ Es kann so weitergehn im Slang/ Die Ewigkeit ist lang/ so
lang/ und fertig ist ihr Stil/ verkannt,/ banal wird fertig sie/ gereimt, / und
alles ist bekannt.
Sonntag, 18. Juli 2010.
Viareggio noch immer / dies Nacht im Hafen. Was lohnt sich zu behalten: diesen
Tag/ und jetzt/ wo ich dies schreibe: 18.7. elf Uhr zehn. / Unwichtig, dass ich
eben L. vorlas aus diesem Heft/ und auch Platens Kitschgedicht über Palmaria./
Nichts ist zu zitieren daraus, so platt ist es, sogar die Sehnsucht kindisch.
„Ergießungen“, sogar als eine Art Tagebuchlyrik, einer unkritischen und auch
unbewussten deutschen Kulturseele./ Mein Zustand ist Ungenügen. Auch nachts/
mehrfach erwacht. Erschrocken: wie wenig bewusst und gelebt, aus-gelebt den
Moment, der nie mehr wiederkehrt! Ungenutzt vergeht. Allein sein Leben wird
durch den Verstärker/ Satz ins Ewige, zumindest Poetische gebracht./ Mehrfach
gleich auch mit Schnitten und Montagen/
erleichtern das Schuldgefühl/ ja, machen augenblicksweise: glücklich.
Kühler Wind in der Nacht aus Nordost, kühl von
den Bergen./ Schließe die Luken./ Morgens mit Dea. Dann Unsägliches, Banales:
Die rote Boje von Algen und Muscheln gereinigt.
Das Boot gewaschen. Gasflaschen gewechselt, dabei ein Schnitt in das
rechte Fingergelenk – Mittelfinger. Fleischwunde. Starke Blutung. Es ist der Schreibfinger. Pflaster. Er wird ja
wegen der dauernden Finger- und Schreibbewegung nie heilen. Welch ein
Symbol! Hätte ich diese Zusammen-Fügung
nicht geschrieben, wäre es eine banale,
aber schmerzhafte Wunde geblieben. Und nur ärgerlich.
Seefunk beim Frühstück gehört. Mail „Chiave“
kontrolliert/ immer noch nicht: aktiviert. Ärger. Tutto e sofferto bei dir,
sagt L. Dann geht L. mit Dea Fisch kaufen von den eben zurückgekehrten
Fischern. Einsamkeitsantrieb des Sommers.
Ich suche auf dem Laptop die Traumfrau auf der Schwelle nackt in Berlin, und
sie erscheint pikant auf den Display.
Nein, sie hat mich gesucht. Seltsamer sinnvoller Zufall. Und mit ihr
nun in der Kabine der Selbstsex. Er gehört zum Sommerflimmern. Fruchtig.
Ein Aufgehn des Samens im Hirn. L. ist genau nach dem Orgasmus wieder da./ Sie
ist müde, liest Repubblica neben meinem Schreiben hier. Alte Männer in
Seglerhosen gehen vorbei. Grüßen./ Ich zeige ihr die Montale-Monografie. Wir
fahren ja in seine Gegend: Cinque Terre Monterosso. Auch er hat sich mit
Shelley und seinem Seetod beschäftigt. Ich sehe seine Bucht bei Lerici mit der
Villa Magnagni und Byrons Schiff „Don Juan“ vor Anker auf einem Stich in
Trewelins Buch. Viele Fotos. Welch ein anderes eben: zwanziger und dreißiger
Jahre der Ruhe im Faschismus und mit Hitler – bis….
Entscheide mich, die
Komposition dieses Buches von TBlyrik lieber auf dem Papier zusammenzusetzen
als Collage.
x
Bei Paul Austers neuem Roman
nachsehen. Auch für Securitate, wenn ich überhaupt noch die Kraft hab, mein Ich
distanzieren: auch hier Ich, Du er einsetzen.
Die Distanz ist wichtig.
STRAND
Welcher Strand an dem
Denken wäre
aufgelöst zu Tränen.
Im erinnerten Hof. Such dir
deinen Hof aus, reit hier im Worthof, nein: Kein Pferd, ein Hologramm, das
blieb.
Die Bleibe also für die
Nacht?
Herz, so gereimt ein wenig
und
zurückgedacht.
Na endlich aus dem Gedanken geschüttelt. Oh,
wie arm ist mir am Abend.
Hämmer auf dem Polster,
Steigbügel im Ohr.
Papiere, mit denen wir
verschwanden.
Was hier am Strand ist,
nicht mehr hier.
Treibholz nature und tote
kleine Tiere, Rauschen dazu,
fast ewig; grau. Und auch
vier Hunde mit der roten
Zunge flammenähnlich;
Pfingsten.
Kein Kreuz mehr, nur
die Welle,
das Meer touristisch fein
gemacht. Geist sprüht
im Whiskyglas. Das Weiße
Rauschen und dazwischen wir.
Im Sand die nackte Puppe Gestern,
verwest. Ohne Hand und Fuß,
und ohne Hirn,
sie weiß doch nichts, und
ihr Gedächtnis
ist schön stumm.
6. August 2010. Die Fülle des Tages, ja/ der
Sekunden/ zu groß/ um hier einzugehen. Dazu das Lesen/ dann Mails/ ein großes
Tor. Heute Senkowskis Vortrag über den Zufall. Schon 2002/4, im letzten Heft
der Transkommunikation./ Dort zitierte er mich/ als Motto./ Viele Kommentare.
Auch im Hamburger Abendblatt: Physiker Ernst Senkowski glaubt an ein Überleben
des Todes./ Freundschaft mit ihm.
„Brüderchen“ nannten wir uns/ überzeugt, dass wir uns schon aus einem anderen
Leben kannten. Als ich ihn zum ersten Mal sah/ ein irritierendes
Déjà-vu in Mailand.
Aber das „Leben“/ vor einer Stunde ging eine Traumfrau./ Dieses Zimmer/
dieser Schreibtisch. Sie saß auf dem Schreibtisch/ ihre V vor mir/ meine Zunge
sprach tiefer und tiefer mit ihr/ und ich schmeckte ihren Lebenssaft./ Sie
kniete am Boden dann/ ich auf dem Sessel. Nackt. Und sie sprach mit dem Mund/
zwischen ihren Lippen/ mein Pflanzer./ Das war noch nie/ - nur in der
Vorstellung. Warum diese enorme Erregung./ Warum diese Abenteuer?/ Es geht ja
um die nächste Generation/ in uns. Auch wenn nur Geister Kinder möglich sind.
Die Ekstase beleibt. Der Schwere Atem.
7.August 10. Ein Geburtstag ist
Erinnerung/ auch der Gegenwart/ verstärkt durch Liebe/ Nachts um zwei
Aufschrecken/ etwas Mond/ und den Blick auf den klaren Himmel/ über dem Pedone
die Kassiopeia/ und am Gabberi hing oder
fuhr/ der Große Wagen/ das Meer glänzte nach/ und licht die Zahl 76. Was
bedeutet sie: meine Geburtstagszahl/ oder bleibend meine Yogazahl: 1976.
Schlafmittel/ dann Tiefschlaf./ Und um sieben sprang ich aus dem Bett/
der Tag sollte beginnen/ mit der Traumfrau/ geträumt/ um halbacht.
Ja, Waschen, Duschen.
Zähneputzen/ zum erstenmal in diesem Neuen Jahr?/ aber ists nicht jeden Tag so:
und noch nie gewesen/ auch der Blick in die Bäume und die Reben/ die Anteil
nehmen. Ganz gewiss. Im Wort hier
jedenfalls. Ob sie es wissen? Oder nicht.
Sie, so geträumt: im Wagen/ unten auf dem Parkplatz mit aufgeblendetem
Licht zur Begrüßung. Und ich ging voraus/ und sie kam/ mit dem Geburtstags
Tisch/ zwei Bajariesen/ ein Kerzchen/ und ein runder Kuchen/ wie ein Kuss.
Meine Glockenblume dazu/ blau läutete sie uns ein.
Mit einem Kuss der Abschied/ und die winkende Hand/ so fuhr sie davon.
Wer weiß/ ob je wieder.
Nur im Mich-Verlieren-Können bin ich da/ und Mut dahinter/ wenn sich
nichts mehr zeigt/ das was durch mich geht/ im Auge zu Hause/ und hier im Hafen
die Schiffe/ Namen "Va" oder "Morjen" II/ Akroasis und
Shelley zu lesen/ die Turm-Uhr in Calvi schlägt. / Nichts gilt als jeder
Verlust/ der Trübung/ durch mich/ Name/ Adresse/ Beruf. (Glockenläuten)/ als
wäre es zu Hause sieben Uhr!) Und ein Warten auf den noch größeren Namen. /
Bekanntheitsgrad. / Die verfluchte Seuche/ kein Wiedererkennen ist gut./ Es
schließt den Kreis/ der Haut zur Zelle.
*
Ernährst du hier/ zeilenweise "Weltzeit"?/ Sprache opfert
dich/ und du machst es nicht/ wieder gut/ da der Baum in deinem Ohr/ das Auge
streift/ ihn/ leicht im Menschen: die Eins./ Der Rahmen dieser Logik/ der sich
Formeln antut/ ist zerbrochen.
*
Zur Probe/ dass du es wagen kannst/ warfst du den Kunststoffbecher mit
Marinezeichen (blau) ins Meer/ ein
später Taucher zog in seiner roten Maske/ unter Wasser wie ein großer Fisch
vorbei.
25.August 2010 auf dem Boot, sotto Palmaria. Und JETZT (immer dieses
Jetzt!)/ und nur Schreiben hält mich und Lesen am Leben./ Wie schnell vergessen
ist auch das Abendessen bei Lorena/ jetzt nur der Blick hinüber/ neben uns das
„Wasserschiff“/ ein Militärschiff A5359.
Grau. Und heute der 25.August, seit gestern sind wir erst hier: die Überseglung
mit Frasquita hierher. Und gestern ein Glücksabend der Schönheit. Und lese
„jetzt“ wieder im Tb 85. Und finde schon dort/ dieses Erstaunen und Zitate aus
dem Tagebuch 72/ Süditalienreise damals und Dezember 85 (4.-7.) auf der Flucht
vor dem „Dritten.“/ Dem Rivalen. Und müsste nur schreiben und schreiben/ aber
nicht mit der Hand. Sondern/ in den PC. Alles ins Netz stellen? Dass andere
gleich mitlesen?/ So viel. Zu viel./
Die Träume: Streit mit den Eltern in der BAYERGASSKÜCHE: Hatten 500 l
Wein meiner Schwester Inge geschenkt./ Und ich bekam keinen Tropfen. Hatte
Durst./ Und alles gab es schon 1985 als Tagebuch-Lyrik. Las ein Gedicht von
Hartung/ mein Gott, keine Namen mehr/ als Einfall. Nur Kopfleere.
Hartung: Erinnerung an Inger Christensen. Sommervögel sah man die
gaukelten/ über einem heißen Tal/ Sommervögel oder Totenvögel/ Ihr Alphabet
ging bis N/ Dann würden die Worte weiterwuchern/ als Zellen oder Zeilen/ ins
Weiß/ das die ewige Fülle ist.
Der Tag: Heute. Auch der schon vergangen.
An was vergeh auch ich mich. Am Sein durch Nichtsein? Lass die Gedanken
fließen. Halt sie an. Wie die Sekunde. Die Stunde. Den Tag. Frühmorgens
zwischen vier und sieben/ plan ich den Tag./ Mein Leser, nimm sie dir, wie ich:
die Freiheit des Nichtlesens! Ein Aphorismus. Ein sprachgemeisselter Satz.
Steht. Allein. Für sich. So meißle ich und meißle. Auch hier. Banales. Das
rausfällt. Weg zu hauen. Nur Punkte. Punkte. Reichen nie. Aus. Nicht mal ins
Nie.
Ist dieses nun endlich das Heute? 20.April 2011. Beginn des Tagebuchvorhabens,
Im Tb-Notes. Und hatte vor, alles auch im Blog zu veröffentlichen, dann fiele
aber vieles weg durch Selbstzensur. Doch möchte ich mit dem Tb leben,
schreibleben, nur noch so, mich am Leben erhalten können. Um die Identität zu
wahren, muss ich immer den Dr. Titel nennen, wie vor mir her tragen wider
meinen alten Minderwertigkeitskomplex, der ich jetzt ganz beherrscht - bis hin
zum Verschwinden.
Todesmomente, wenn es so
weit ist, diktieren; auch Liebesekstasen aufschreiben, alles was menschlich
ist, beobachten, um beizutragen zum Bild von der Gattung Mensch, Das von mir
Gehasste, das Banale ebenso; und dadurch
einen Zusammenhangssinn geben können. Mein eigener Lebensarchivar.
Ob das möglich ist,
andauernd den Pc mitzuschleppen? Ich habe es sogar im Bett heute versucht. Und
sehe, dass er keine Buchstaben frisst, also besser läuft als der große
Tisch-PC!
Und müsste versuchen, das
Banalste Fest zu halten! Und nicht nur zu archivieren wie bisher! Und doch wäre
es ideal, zugleich auch die spontanen Erinnerungen einzubringen. Jetzt blitzte
mir die Höhle in Portovenere auf, die ich beschrieben hatte, was aber verloren
ging.
21.April 11. Donnerstag.
Traum wieder. Diesmal von einem Lager, ich sollte Wasserflaschen bringen, die den Armen gegeben werden
sollten, bevor sie starben. Und ich wurde von jungen starken Häftlingen deshalb
umzingelt und bedroht.
Was war heute, jetzt um 18h
im Rückblick? Anrufe von Gabriela, der Rumänin aus Grosseto, an die ich
„unkeusch“ gedacht hatte. Und dann Lindes Freundin Brigitte K., mit der ich
eine Stunde über unsere Sorgen gesprochen hatte. Sonst nur die Gäste, ein
junges Paar vom Chiemsee. Sie Therapeutin. Und dann eigentlich nur noch Mails
und das neue Buch „Meine Toskana“ korrigiert. Die schöne Sonne, den Meerblick,
das junge Grün genossen. Auch jetzt schreib ich draußen am Steintisch. Und bald
kommt Manuele, der Techniker, um mir das Speichern unserer alten Filme und
Fotos zu ermöglichen. Auch das gehört zu meiner Archivarbeit, die ja unser
ganzes Leben „dokumentieren“ soll. „Meine Toskana“ gehört dazu. Memoirenarbeit
der Alten.
22. April. Keine erinnerten
Träume. Jetzt in C.
L. Lässt Geld raus und wir
stehen falsch vor Rollern, die nicht raus können, was mich ärgert.
Und mein Alter mit schwachem
Pflanzer. In V. war es mal/ schief gegangen/ Lucia aus der Garfagnana/ die sich
bei Fapani/ geil an die V fasste/ kam mit ihrer schönen großen Frucht/ zu
kurz./ Und in Köln/ eine andere/ die extra das Bett schön bezogen hatte/ bekam dann nur Fingerarbeit./ Und jetzt im
Boot/ arbeitet Herr Testosteron in mir/ wie bei Meister Puccini.
Ostern, 24.4.11. Um vier
wache ich täglich auf. Dachte daran, alles
bei „Amazon direkt“ zu veröffentlichen, Dracula, Transsylwahnien.
Träume. Mein Bruder Gerd sollte
verurteilt und eingesperrt werden. Ich musste als Zeuge auftreten und wollte
nicht. Vater aber mit seiner Autoritätshörigkeit wollte mich dazu verdonnern.
Meine Schwester sollte
heiraten. Es ging um die Gäste und Einladungen. Ich konnte die Wege in S. nicht mehr finden, es
war alles ganz anders. Nur das Gefühl
ist geblieben, das Bild nicht.
Habe dieses Gedicht heute
gefunden:
Was war so fahl/ als ich
Novize im Okzident
Ankam/ Brot schmeckte nach
Pappe
Die Leute saßen hinter Glas/
Auto- und Telefonkabinen/ die
Dörfer zu neu/ und in keiner
Mauer Deutschlands
Gab es die Dichte/ gab es
mehr als vierzig Jahre ZEIT
Sogar der Rhein war
plötzlich neu (zum Verschwinden)
Unser heutiger Fluss nur/
sein Wasser kaum noch zu
Erkennen/ die Wälder
durchkreuzt von sauberen
Lehrwegen und
Sonntagsspaziergängern/ die Berge
Bebaut mit/
Einfamilienhäusern/ kein Stein
Strahlt/ alles ohne Aura und
Überraschung/ das Fremde nur
Neu/ Nichts zu entdecken!/
die Jahrhunderte verschwunden
Wie die Ewigkeit/ Schutt in
den Städten
Von Bomben/ was Deutschland
war/ unauffindbar/ zerstört.
Wo finden wir es noch/ in
alten Büchern und Fotos
In den Herzen der Alten und
Toten./ Niemand mehr weiß
Was Deutschland / ein
anderes Deutsch/ zu sagen wusste.
Mein Geheimnis und Rätsel
Deutschland gab es/ als ich
es noch nicht kannte.
ca 1974
*
Ebenfalls 1974.
In Pisa schlugen sich
aufständische Studenten
mit der Polizei. Über den
Arno flogen
Rauchbomben, Tränengas und
Molotowcocktails.
Ein deutscher Tourist trank
landgerecht eine Grappa
und sagte: Vergasen müsste
man die, vergasen. Sag
ich. Als ich erklärte, dass
die Gegengewalt
gekommen sei, weil die
Polizei
eine faschistische
Versammlung beschützt habe,
sagte der deutsche Tourist:
Die sind
wenigstens für Recht und
Ordnung!
Und trank seine Grappa aus.
Über dem Arno
Rauchbomben und Tränengas
In dieser Nacht wurde in
Pisa
der einundzwanzigjährige
Piero
auf der Polizeistation Nr.
dreizehn erschlagen..
San Fruttuoso
1
Die Stimmung am 1.
September,
wenn der Himmel bewölkt ist
und
das Meer schwarzblau bewegt ist
fast die gleiche wie vor hundert Jahren.
Ich schließe die Augen
höre die vielen Phantome der
ars alphabetica kaum
ein Motorbootverkehr wie
mittags oder Berufsverkehr in Rom
Ich höre das ganz konkrete Wasser schlagen und
rauschen.
Der Schatten der die Felsen
zudeckt der täglich gefürchtete der uns
mordende Tod der einfach
und so dass ich der Sonne
nicht mehr verkuppelt bin die Haut abkühlt und der Kopf lässt mich wieder erkennen was kühler die Sonne verdeckt.
2
Sicher, es lässt sich heute
nicht schreiben
mit Daktylen und Wahlkämpfen
doch das Meer bleibt außer dem Wort/ -
Spiel und all den
Genauigkeiten
aus Metaphern Alltagsmittel.
Es bleibt das Zahnfleisch
rot
nicht nur weil der
Skorbut auch hier bei den Ex-Fischern
von San Fruttuoso
abgeschafft wurde ,
die Stimmung am 1.
September,
wenn der Himmel bewölkt ist
und
das Meer schwarzblau bewegt ist/ fast das gleiche
wie vor hundert Jahren. Ich
Schließe die Augen
höre die vielen Phantome der
Ars Lettera kaum
ein Motorbootverkehr wie
mittags oder Berufsverkehr in Rom ich
höre nur das ganz konkrete Wasser schlagen und rauschen.
Der Schatten der die Felsen
zudeckt, der täglich gefürchtete, der
uns mordende Tod, der einfach
und so dass ich der Sonne nicht mehr verkuppelt
bin, die Haut abkühlt und der Kopf lässt
mich wieder erkennen/ was kühler die Sonne verdeckt.
Neben mir drei
Sonntagstaucher wie Urtiere aus Kunststoff kriechen sie ins verseuchte Meer
Taucher zum Unterwasserjesus und die Taucher zurück in
die Gründe mit hochgereckten Armen
Für die Seetoten stehen sie/
bitten, dass die Stricke nicht reißen mögen, dass die Netze nicht nachgeben.
Hannahs Geburtstag. Ich fuhr an diesem Morgen mit ihr nach Cinque
Terre, Riomaggiore-Manarola, zur Via
dell´ amore, es war ein Spaziergang über der Steilküste, unendliches
glitzriges Silbermeer der Sonne zu. Boote, Tanker und Kriegsschiffe im Hafen
von La Spezia. In den Buchten
Fischerboote. Wir redeten wieder
über jenen Spaziergang hier vor ein paar Jahren, als wir auf der Terrasse ein
Liebespaar gesehen hatten. Und ich
erinnerte mich, dass auch damals schon ein Trennungsgespräch mit Hannah stattgefunden hatte, die wie
hypnotisiert auf die beiden starrte; eine schreckliche Nacht, und auch jetzt
dieser Schmerz, als wäre alles schon vergangen:
Und oben auf der Terrasse
lieben sich zwei unter dem Pelz
wir: als wir jung waren
Pelz auf Pelz und pelzig der
heisse Gedanke in ihr.
Horizontweit der Blick
erinnert den Sommer im Boot
und Vernazzas Turm die Sehnsucht
im Hafen/ du hebst die Erinnerung vom Grund
das alte Herz ist der Anker.
Dann Geburtstagsessen in der Piccola Marina, genau wie damals auch. Und plötzlich war auch Luca da, um Hannah zu
gratulieren.
Ich machte dann im
Auto einige Notizen, um Diana, in die ich verliebt war, zu vertreiben...
Capraia. 5./6. Juli 1985
MEGALITH; MEER. Wo das
Sausen Null zum Tönen bringt.
Langer Atem, woher er kam,
was mich betrifft, Stil ist der Mensch, woher gelenkt, Sphärenklänge auch in
mir, da denkst du an „Akroasis“. Oasen der Töne, Dichte in uns, woher meine
Leere, Armut, kein Integral.
Gottes Kreatur mit
erschöpften Kräften. Rund um meine Stunde, die abnimmt
*
Die Funken, die mich
vergessen haben/ das Meer macht müde, hat einen Stein im Maul, gegenüber die
Steilwand.
Die Notiz hält mich nicht
mehr wie früher, Zeit Note. Unsinnig
geschrieben zu sein, ohne DIE SCHRIFT.
Im Ort das alte Gefängnis,
Colonia agricola. Gefängniszone und wir mit unsern Ferien/ auf Segelbooten/ mit
Staub überdeckt das Gemäuer. Capraia.
Wunder sind/ die uns
umgeben/ durchziehen auch das Wort/ meines, deines/ trägt uns zurück bis zu uns
selbst/ Stonehenge oder zu den Menhiren/ die uns ihr Gesicht zeigen,
tonnenschwer hochgehoben/ mit Gedanken/ sie aufhob: die Schwerkraft.
Felsen. Pinien. Sommerhauch.
Rauschen des Meeres/ das sind Worte/ doch ein Zustand/ in mir schwingt mit/ ist
ein JA unbeschreiblich.
Es muss/ aufgenommen werden.
Dann wäre ich wieder da/ über den Tod hinaus.
Aufmerken. Fehlendes/ das
schlägt mit Missmut zu. Wenn Abwarten beginnt/ gestern im Dorf: Alimentari/ ein Hund/ mein Hund/ Brotkauf/
ein Mädchen an der Kasse/ alles hing zusammen/ und ihre Frische/ da war noch
Hoffnung/ Zeit, die sie noch vor sich hatte./ Ich stand nur dabei/ schon abwesend/ müde einmal zum Narren/
geliebt vor viel zu viel blinder Kraft.
Saint
Florent, Montag 8.7.1985
Was sich zusammenfassen
lässt/ hier am Strand eines Besitzers/ Campo di Fiore/ und du denkst an
Rom/ Giordano Bruno/ ein Morgen/
blitzendes Feuer/ wie die Sonne. Ich aber gehe zurück/ alte Zeilen/ als ich Rom
noch nicht kannte/ nicht Giordano Bruno/ nicht die Etrusker/ nun bin ich ein
Einwohner Etruriens./
Ein Traum in Lucca/ Ritt in
der Via dei Fossi / an der Madonna vorbei/ und an der Steilwand der Insel
gestern/ steinerne Gespenster/ Gesichter/ auch meines/ und das meines Vaters/
Köpfe , Stein-Kultur/ Hirne winden/ Spiralen bis hinab zur Naht/ die reißt/
Eukalyptus am Ufer/ greifen/ die Hände sind Pinien, rot und weiß, wie die
Schechina/ der Oleander ins Auge getönt./ Fern Windstärke drei von Nord/ alles
hier ein Topos/ versammelt/ Bücher greifen in mich ein wie Zahnräder/
unendliche Mehrzahl keiner Grammatik/ Technik zur dichten exakten Gegenwart
fehlt/ nur das Radio VHF bringt lebensnotwendige Wetternachrichten./ Unendlich
aber soll es strömen durch mein Hirn/ wie der Golf/ nicht die Sackgasse/
stehend/ schon sumpfig das Ende./ In die
Steine hinein will ich hoffen/ dass mich die Atome noch mögen/ das Licht/
kreisend in meinen Neuronen.
*
Hier bin ich im Paradies/
zart gezeichnet die korsischen Berge aus Dunst/
weiß die Kontur/ und darunter Masten/ kleine schwankende Finger/ die
sich selbst, den Himmel anzeigen/
gestohlene Lust/ Zikaden und Krähen zum Plätschern des Golfes/ Sommerglut blinkt/ und der Stift schreibt ab/
was ich zu sehen meine/ mich.
Dies die Musik. Ich höre sie
mit den Wolken/ noch zwei Schiffe vom Mistral in Streifen geschnitten/ über dem
rötlichen Berg. Hier aber anstatt der Musik/ eine Null/ die an mich grenzt/ Nur
manchmal Erschrecken/ dass ich das bin.
*
Der Augenblick hat mich
wieder/ im Ohr trinkt er die Sonne aus/ gieriges Insekt von jenseits/ kommt
hier an/ man weiß: alles ist eine/ unberechenbare Welle/ von weither/ ich in
ihren Spiralen gefangen/ ohne Organe/ wie die Leute hier/ die ihre schweren
Menhire hoben/ kraft des Vertrauens.
*
Mut sorgt nie aus/ der Schädel
aber/ eine hohle Schale/ gefüllt auf Zeit/ die sinkt und abnimmt/ die Last/ Mut
zu haben/ hier/ begreifen zu wollen/ was ist.
*
Feen sorgen federweiss für
die Schönheit hier/ Berge schweben/ und
es ist wie Sonntag. Ja/ Frieden/ Kinder stehen in mir auf und singen/ ernste
Lieder/ fröhlich, als wär’s sogar Ostern/ und ein Licht blendet/ aus ihren
Augen/ als gäbe es wieder die alte Sonne/ obenauf.
*
Erregt sehe ich um mich/ ein
einziger Atem/ zieht durch den Satz/ über die Augen verlängert/ zu mir/ wo die
alte Acedia/ saß und Essig austrank zur Neige/ die Öffnung hinüber ersoffen in
Gift und Galle/ die Kinder betäubt und hinausgeworfen/ bizarr/ kein Märchen.
Spleen von Paris/ als alles anfing/ sich so aufzuschreiben. Dankbar zu wissen/
nicht allein zu sein.
*
Stöße. Ein ganzes Biest aus
Stößen. Auch Kreta erfand den Stier. Hebräisch die Zeugung der Welt. Atem.
Pneuma und Moll. Trotz dagegen/ das Labyrinth des Daedalus.
*
Sprung ins Lesen/ und
weiter: wie ein körperloses Schweben. Das Alter hat mich längst. Aber der
Blitz, wenn sich die zwei Ideen berühren, bringt die Kontur, das Schreiben. Wer
diktiert? Singt wie Musik/ ich selbst ganz ohne Widerstand/ unendliches Gebet/
und tönt/ reißt alle mit/ die dachten/ solang ich da bin/ hat der Fuß gefasst/
der sich enthüllt/ als einer im Diktat/ die Sprache springt/ die Meile der
Geschichte ab: so kam sie weit/ und geht die Stufen hinab/ unten tönt’s/ als wär Er wirklich hier: Palenque einmal so
aufgefahren/ in die Idee/ als Flug gemeint/ der erste Mensch: Kam aus dem
Alphabet zum Labyrinth zurück/ Spirale einst/ tief in die Zelle schießt das Wissen in die Formen ein./ So sahst du
rot/ von Anfang an/ der Stier hat mir den Kopf gezeugt/ was war/ das ist ein
Riesen/ Genital/ ein Ei der Welt/ das sie gewogen hat/ im Keim als Er zur Welt
sich brachte/ da wusste Er auch dich.
*
Was flach erzählt/ als wäre
es all-gemein/ gut dar-gestellt/ nimmt
als Erschöpfung/ des Anfangs zu/ als
wäre es nie geschehen/ wir nur selbstverständlich DA/ als wär’s nur
Augenschein/ kein Wider und nie Wieder/kehr nur flach, was wir uns nachgezählt/
erzählt. So angepasst/ dies „wirklich“ scheint/ als hätten wir Ihn
ausgetrickst. Erzähl uns Nichts/ als Bitte um Genesung.
Als wär ich abgeschafft, so
strömt es wieder, tönt/ auch ziemlich stark durch mich/ was meine Uhr/ am
Armband gar nicht meint/ und tickt/ mein Pass am Herzen.
*
Je weiter entfernt vom/
Inhalt, sag es: so genannt/ sieh mich dann an: nun so feiner diese Nähe/ frei
benannt zu jenem, was sich zeigen kann, sogar an dir/ und mir „zerstreute
Gewissheit/ als eure Begründung/ isoliertes Geschick“ sagt einer (er heißt
Char)/ wo ich noch stehen kann/ mit Mut/
wär ich gerettet: ich, abgelegt: meine unbekannte Hoffnung.
*
Saint Florent, 9.7.1985
Atrophie
Doch durch mich geht es wie
Nebel/ wie Wasser und beiße hinein/ voller Trotz/ weiß/ wie es mich nicht gibt/
dagegen mich auflehnen/ die Dummheit.
Starr/ von Jahr zu
Jahr/weniger Bildpunkte und Verbindungen im Geflecht der Beziehungen (Welt)/
und alles: wie groß das Vergessen
Wer soll was/ von mir hier/
später erinnern.
*
Im Noch-Nicht-Geschehenen,
ein weises Kind/ des Wachseins wird/ auch ohne mich/ wirft seine Schatten
voraus/ bestimmt/ was ich bin/ alles andere ist längst/ oder augen-blicklich
gewesen.
In der Physik rechnen sie
nur noch damit/ wir im Grab/ liegen da: etwas was war.
*
Die Freiheit/ zu denken,
dass noch nichts war/ leise dies Tönen des Ungewordenen/ das mich haben könnte/
anstatt der Zange/ die beißt hart zu: jeden Tag.
Die Freiheit/ größer zu
sein/ als schreiben/ als wäre dieser Moment völlig „rein“,
unbeschwert von der Angst/
nicht zu überleben/ und dem Plunder, der am Bein sich sammelt/ es stellt/
Schwein gehabt/ hieße weder zu stehen noch mit zu wachsen/ also Sein.
Namenlos unabhängig vom
Begriff Sein.
*
Dazu die sich nicht Ernst
nehmende Nation/ die freier ist/ heiligt fast, gereinigt von der mutigen
Verzweiflung: In Ciorans „Lacrimi şi sfinţi“/ S.22/ 23/ 24 /25/ 34: Fragmente
und Aphorismen./ Das Kreisen um Glaubensfähigkeit/ Etrusker kannten den Ton
schon.
*
Einer der ersten römischen
Könige/ ein Grieche/ unter Etruskern aufgewachsen/ Samaquil/ also der
nicht-anerkannte Kolonist/ war aber versucht/ den Druck nicht als Geschenk
anzugeben/ sondern als Alibi/
verfehlt…
*
Die Bücher suchen uns/ wir
kommen selten dazu/ verfehlen alles, was der Augenblick zu bieten hätte/ lesend nicht da sein/ lesend nur da/
unaufgefordert/ lesend verlieren wir immer/ die Zeit/ sie läuft uns nicht nach/
geht nach /wie wir/ ihre zerbrochene Uhr.
Lesend/ im Zwischenraum
fremder Gedanken, die mich eintönen/ singen in mir/ wer – weiß ich wieder/ ein
Gefäß/ gestern aber die Wut/ nicht mehr mit ihnen zu sein/ von allen guten/ von
allen bösen Geistern verlassen/ in mir
nur ein Fleischberg im Boot/ ich ihm sinnlos zu Diensten.
Ernst bleibt/ Morgenfrühe
wie früher fischende Indianerväter aus einem Kinderbuch/ am Fluss, den es mal
gab/ und jetzt die Frühe hier/ Nebel über den Wassern/ Krähen./ Ich in der Kabine/ drüben eine Seemeile
entfernt/ der grauweiße Turm/ Saint Florents/ Korsika/ der Leuchtturm Richtung
Nordwest schließt eben sein grünes Auge/ und ich lese dazu Rilkes Zehnte
Elegie./ Auch war Duino im Turm vor sechzig Jahren: „Dass von den klar
geschlagenen Hämmern des Herzens/ keiner
versage an weichen zweifelnden oder/ reißenden Saiten. Dass mich mein
strömendes Antlitz glänzender mache…“ Vergehen der Schmerzen?
*
Kommt eine Hälfte deiner
Gedanken aus Schlaflosigkeiten
Und ist doch SIE/ Anima
vielleicht/ diese Nacht
Und du deckst sie auf/ deine
Hälfte ihres Gesichts
Eure rote Blütenform/ essen
ihre Wasserscheide aus Fleisch
Denn gestern schliefen wir
in einer Megalith-Höhle
Von Figari/ dort, wo die
Schwerkraft/ letztes Geheimnis
Der Wissenschaft/ anders
hebt als in den Jetztzeit
Topografien: Und sie führte
mich ein/ ihr Herz die
Schönste Zeitmaschine der
Wünsche nach einem größeren Jahr
Wie ein Scheunentor des
Himmels/ alles was war
Und noch da ist: als wäre
SIE ein Delta
Der Traum in ihr, wo ich
lag/ war viel größer
Und die Miniaturzahl dieser
Zeile wie
Zu grob./
Ich habe alles
vergessen/ nur die Sekunde
Tickt langsam wie eine
Krankheit
In neues Vergessen/ nachher
und jetzt/ nur ein
Kleiner Blitz/ alter Draht
zur Wetterstation
Schlägt abgerissen/ im Mast/
es schaukelt die
Dünung vom offenen Meer/
unser Haus im Seegras
Verankert: ein winziges
Boot. Der Anker aber/ ähnlich
Einer Pflugschar/ die im Zug
des Windes
Zur Seite/ klappt: wie einer/ der schon in dieser
Sekunde/ an den Tod grenzt/
schon hinüber gegangen
Noch da. Wie SIE. Hat mich
nicht
Ins Leblose der Tage
vergessen/ wie Mineral das
In mir schon wartet/ die
Entropien der
Arbeit/ gewissen Los und
genau.
Sie aber führte mich weiter/
mit/ komm jetzt darüber
Hinweg/ schreibend und voll
im Betrug/ das
Summen des kranken
Augenblicks überhol ich
Mit Ihr in Fahrt. Sagt sie:
an den Ort des
Königs hier/ Fantasie als
ich bei dir wahr/ du
Gespaltener/ der Schwäche eingeheimst/
Sonst nur ein Trottel/
gehörst doch mir.
Dies Schwanken ist kein
myein/ leerer
Dein Kopf/ die Spirale
anfüllst mit
Schmutzigen Strömen/
Gegenmusik/
Was nicht schwingt/ ist
schon fast nicht mehr da.
Auch Mineral ist Kristall/
erste Botschaft
Des Wissens/ wo das Gesetz
erst herein treten kann/ wenn
Zueinander die Liebe sich
Anzahl schafft und
Verhältnis der Eigenart/
Form wie sie lachend dem
Chaotischen widersteht/ der
Vernichtung in allem/
Null, die hinübergeht/ und
die Spannung/ die
Deine Qual nicht erkennt/
nur in Trotz und Störung
Verliert/ sich dann aufhebt.
Denn Gesetze sind
Endlos im Licht/ du aber
willst nur noch schlafen
Im Endlosen.
*
Sie aber zog mich auf wie
Beatrice/ die Stimme
Wie eine Leiter/ gleichmäßig
zerstäubt Milliarden
Bit Auf Schluss/ in Kammern/
Pyramiden
Gespeichert/ ein Teil/ Magna
Mater vielleicht
Schechinah/ die Hülle in der
wir schlafen
Der Größe zu: Träumen und
eingeschlossen/ Seine
Einwohnung/ Blütenblatt/ Same + Frucht
In der Lichtwelt/ schneidet
durch den Raum/
Sonde der Ewigkeit/ Heil-
Anstalt Gottes nah.
9.7. 85. San Florent weiter.
Dann das Zuviel/ übersatt
will es gewähren lassen/ was da ist. Die Zikaden im Eukalyptus. Oberfläche des Gehörs. Licht,
das ich sehe, die Corona. Unsinn: als Freiheit, sogar Willkür
Jetzt aufzustehen, den Regen
zu betrachten: Ein Tropfen rinnt mir
nass über die Stirn: Draußen hat es zu regnen begonnen/ wie in der Kindheit./
Und dazu starker Wind.
*
Wieder die Photonen als
Tropfen/ besser zu sehen/ Iris/ das Auge hat sich in mir ein/ gestanden/ der
Mann nach 40/ abwärts/ aber/ dass er da ist/ mitten im Lichtkeil aus IHM/
sichtbar aus ihm/ Er/ unsichtbar/ weil Er sieht. Groß und überall identisch das
Medium ist: Und/ Nichts anderes da sein kann. /Wir aber suchen ihn irgendwo in
den Zwischen /räumen/ die er mit anderem nur/ zeigt
Und wir sehen nur/ dieses/ selbst nur ein
Zwischending/ und durch uns selbst so gestört.
*
Nur im Gedanken Sprung wie
Photonen/ wie spine/ wie Spinner/ oder Quanten zur Musik des Innern einer Atem-Schale/
aus der wir Früchte essen/ die daraus gemacht – komme ich endlich dazu:
Nobody can translate/ wer
will auch Charon sein/ der Physiker/ übersetze ich im Augenblick, um überhaupt
alles hier auf der Zeile zu haben: z.B. Megalithe/ diese Felshöhle/ wo/ schon ihre Toten lagen: Ist da ein Gesumme
von Stimmen/ ein Nadelöhr zwischen uns nur/ so dünn die Wand bis hinüber/ und
gar nicht aus Luft/ sonst könnten sie sprechen.
*
Schmelze alles ein/ Jetzt/
auch Sartorius/ zu recht geschneidert/
wie Brinkmann und Ashbery in diesem Sommer/ Denken/ highway: dort
rastete Handke auch in seinem Roman/ Rote Erde in Monument Valey/ wo ich ein
Gedicht schrieb/ das mein Sohn vertonte/ ein Ritt + Galopp – Blende Weiß. Heiß+
bilderlos/ nur noch Phantom/ Photon/ also Engel als Zwischenträger. Diese:
Über-Setzer.
*
Hinüber setzen/ Wellen/
leicht gekräuselt an einem Steg/ ein fremdes Anwesen/ ich sitze auf
vertrocknetem Seegras: Seine Apokalypse war die Frühe/ an meinem Fuß im Sand/
eine Welle.
Durch ein Fenster/ Weiße sickernd/ Licht vom WIPFEL Ruhe gibt das Zeichen. Kein
Blatt.
Wenn durch einen plötzlichen
Schrei/ zerrissen wird/ die Allerherrgottsfrühe/ wieder erscheint unser
gewohnter Spiegel/ dann ist es/ auch heute so, weil vom Leben vergangen ist/ eine Menschennacht/
Bitte sie vergessen zu dürfen/ während
Erschrecken mich packt/ dieses erkennend.
Unaufhörlich dich treibender Gedanke, denn/ Herzklopfen ists/ das sie
bewegt/ alles verzehrend.
Wahrheit/ durchwachsendes Dunkel/ näher zu fliegen/ erhielt sich der
Mensch/ und vergrößerte den Bruch.
La verità per crescita di buio/ più a volare vicino
s´alza l´uomo,
*
Überlebende Kindheit/ und
heute ist Juli/ vor mir Wasser/ dort am Ufer/ Böschungen/ Geschmack/ fader
Geruch/ und du neben mir/ das Polare: die Gestalt/ lesend das Buch im Seegras/ wälzt sich mein
kleiner Schwarzer/ der Hund, tief im
Seegras vergraben/ eingegraben/ mit Ball- reine Freude/ wie sie eingeht/ in meine
Augen/ die kleine Kreatur?
Verlassenheit/ die Kehle/ ein Schlucken/ von der Kindheit her/ kein
Zeichen mehr.
Zeichen des Unheils (so
scheint es/ hier sitzend!) zu glätten/ wie diese Abend-Wellen.
Verlaufende Spuren im Sand.
Geduldiges Rufen/ umfasst
mich/ doch abgewürgt wird es vom verbissenen Leiden, das
Dem Exilartisten droht.
Noch bleibt mir/ der
wirkliche Schuh meiner Kindheit/ neben den Büchern zu Hause
Im Schrank./ Mich ihr zu
überlassen/ ist ja/ meine Art.
Das Außen nur sei es/ vor
uns laufend/ greift zur Kehle
Der Atem beengt.
Und die Zikade ganz nah/
erinnert mich wieder./ Damals Nie gehört.
11.7. Korsika. Auf dem
Segelboot. Eine Woche unterwegs/ und es
scheint länger. Heute Geburtstag des Sohnes (15)/ und es scheint alles
unwirklich. (Dazu tickt die Borduhr). Traum: Mein Geburtstag wird gefeiert/ mit
hoch erhobenen Gläsern/ Tuzzi die liebverrückte Cousine kommt zu spät/ die Gute/
als wäre sie eine Schlacke des Stils./ Doch nirgends kommt L. vor./ Was zählt
ist alles/ oder Nichts/ eine runde Zahl/ da geht der Kopf durch/ wie bei der
Geburt/ Lippe/ wundes Blütenblatt/ geschlossen vor Schmerz/ offen vor Staunen./
Denn in der Jahreszeit der Gottes/ Schrift/ spürst du ihn/ er zählt den Gewinn
aus/ Ernten…/ und hörst zurückgekehrt die Halluzinationen/ das Muhen der Herden
aus dem Prudner Weinberg/ und nackte Frauen sind das Grün im Feld/ die Haut
ganz Erde/ und kannst die Erde nehmen in dieser Frauenhaut! Der Mütter?
Aber was lenke ich, lenke
ich meinen Kairos? Oder er mich. Und was mir einfällt: Ist richtig?
Lebenszugehörig? Und im Tagebuch 1985 steht: wiederholend: 9.7.85. Und: Ab hier
wieder 1999. Aber heute ist der 2. Juni 2010./ Spiel mit der Zeit/ die immer da
ist und im Immer vergeht. Rechnen in Jahrzehnten, als hätten wir nicht nur neun zu leben. Alle Neune. Und dann Aus. Sieben
ein halb sind schon vorbei. Steht da nur noch einer. Und der Halbe liegt schon
mit den andern: ein Haufen der Jahre. Und die Kugel rollt?
Und ich stelle mir vor/ ein
Zwiegespräch mit Benjamin Fondane. Daher kann er für immer: Sprechen. Denn: In
jenem grauenhaften Augenblick,/ über den er nicht mehr Zeugnis ablegen kann,/
war alles, was er gedacht und geschrieben hatte,/ bestätigt worden./ Angesichts
der Gaskammer gilt kein Glaubens- oder Trostspruch mehr, geschweige denn
Literatur. Es war etwas offenbar geworden, was nicht seinesgleichen hatte./
Fondane hat das, worüber wir nur nachdenken können, erfahren, und dann ganz
konsequent mit dem Leben bezahlt.
Aber müssen wir im Bauch der Korridore/ oder
in ungemachten Betten/ wo etwas Asche ist -
am Rand verschmiert, den/ Geruch nach Fisch behalten
haben/ - um Wiederholung zu meiden/ auch bescheidener werden?
Ein Pfaffe – vielleicht
Naiba/ der Teiwel/ völlig geprickt von Maisbrei/ aber über dem Sarg
segnend mit ausgestreckten
Händen. Und in dieser Kurve/ Parabel vielleicht/ hat sich auch die Erde
ausgedehnt/ bläst sich auf/ wächst/ ruft sie zu sich./ Und die Menschheit legt
sich in den Dreck/ ihrer Seele/ bespuckt ihn/ küsst ihn/ den Teiwel, verflucht
ihn./ Verzeiht ihm./ Das Schneeballverfahren der Nacht – stürzt auf die Tote.
Vom alten Exodus spricht
hier Fondane/ und ist so neu./ „Menschen der Antipoden/ zu euch
Spreche ich.“/ Mit dem
Wenigen an Stimme/ die ihm im Halse blieb/ spricht er sich/ uns aus:
„Von Mensch zu Mensch“/ und
mit jenen Worten/ die uns noch gemeint haben./ Sehr „ wenig an Sinn“ ist in
ihnen geblieben. Und bricht hinüber ins Jenseits/ der Hutschnur/ von
Augenzeugen.
„Und kommen wird ja ein Tag/
sicher ists/ mit gestilltem Durst/ werden wir auf der anderen Seite des Gedächtnisses stehn/ der Tod wird sein /
ganz und gar ein Hasswerk/ und ich ein Verstreuter./ Ich habe nur ein paar
Brennesseln/ von euch/ mit Füßen getreten.
Wisst ihr, ich hab auch wie
ihr/ ein Gesicht (wenn auch verloren, sagt er)/ inmitten ein Mund/ der im Gebet
offen stand./ Wie euch. Und ein Körnchen Staub durchdrang/ gar ein Traum das
Auge/ weinte dies etwa im Satz?/ Oder wenn ein bösartiger Dorn/ Haut verletzte/
rann langsam daraus mein Blut/ ebenso rot wie eures. Und zählt auf, was er
war/ als wäre er schon gestorben.
Darin lös ich mich frei/ zu
ihm?/ sagt er mir/ „wie ihr war ich grausam/ bedürftig der Zärtlichkeit/ aber
auch nach Gold/ Lust und Würde/ …/ Und
besoffen von Erfolgen/ schreckte ich hoch in der Stunde des totalen
Misslingens.“
Sagt dann/ er habe gelebt/
wie wir, abends gerodete Kartoffeln gezogen, im Fluss gebadet/ und vergebens gesucht/ auf Frauenbäuchen/ das
in Eden, jenem Garten Verlorene/ wiederzufinden./ Steckt noch im Hals/kein
Frieden/ wo der Apfel ins Rot/ über den Mund gefahren/ aber in der Mitte jener
Baum des Lebens sich noch stark machte/
wie die unsichtbare Weltachse:/ Unser Rücken.
Er habe wie wir/ alle
Journale gelesen, sagt einer der Opfer, Bücher/ und gar nicht verstanden/ was
die Welt ist/ oder herausgelesen den Menschen/ wie einmal von mir angemaßt und
behauptet. „Und wenn der Tod/ der Tod kam – gab ich vor, ihn zu wissen, doch
heute, heute ist die Wahrheit/ in meine Augen/ eingedrungen/ und ich bin nur
erstaunte/ wie wenig ich begreife. Ihr,
habt ihr denn mehr begriffen als ich?
Ich war ein anderer als ihr/
ich weiß. (Es steht am Horizont, die Erde versteift sich/ zu sein:/ Geboren worden … nicht seid ihr
irgendwo/ draußen/ auf allen Wegen/ niemand/ die Kinder hinaus geworfen/ durch
dunkle Kanäle/ Kätzchen an Ruten/ offene Augen noch verklebt/ von Stadt zu
Stadt/ blind geirrt/ in der Adresse/
Polizei-Wild./ Desaster frühmorgens/ Viehwaggons/ erniedrigt/ das Schlucken,
steckt noch im Hals./ Ihr seid nicht angeklagt worden/ eines nie begangenen
Verbrechens/ zu existieren/ so wechselnd die Namen wie die Gesichter/ um den
Verflüchteten abzulegen/ wie eine gestohlene Brieftasche/ umkreist von wem?/Ein
Gesicht/ Spucknapf für jeden.
(Was nie einträgt/ Ruhe
irgendeiner Parabel/ und er sagt/ die Zeit werde „kommen“/ wo wir dieses lesen/
unübersetzt/ weder ins Französische/ noch gar ins Sprachlose. Also deutsch./
Seine Zeile fordere nichts. „Vergessen. Vergessen“. Nicht da zu sein./ Nur als
einer der schrie./ Kein Subjekt eines Stils bin ich./ der ein Mensch ist/
Gedicht ja (wo und wie). Ob ich Zeit haben werde, dieses zu beenden?
Doch wenn ihr mit Füßen
werdet treten wollen/ diese Handvoll Brenn-Esel/ die ich war, wohl in einem
anderen Jahrhundert/ in einem Geschichtsbuch/ das, in dem ihr herum grabt/ mit
Schaufel und Hacke/ doch völlig überholt für euch/ lest ihr zum Spaß und zur
Beruhigung/ erinnert euch doch/ ich war sicher unschuldig/ der Tote/ und hatte
genau wie ihr/ Sterbliche jener
unvordenklich/ und nie gewesenen Tage/ ein gefurchtes Gesicht./ Empörung,
Mitleid/ Freude/ ganz einfach: Ja/ ein Menschengesicht.
Calvi, 15.Juli 1985
Wieder Montale. Schon Vernazza ist unberechenbar/ wehe du
meinst/ zeilenweise: es hier herausbrechen zu können, so abzulegen das Hier: Es
geht weiter, sogar am 12.9. 1984, am 15.7. 85 oder heute am 23. 9. 2009, jetzt,
wo ich schreibe./ Und ich lade dich ein/ lass alle Pläne fallen/ die rechnen
mit dem Kalender. / Der aber ist immer
wieder/ ungültig. Ins Nichts gefallen/ der 12.9.84, der 15.7.85/ wäre diese
Schrift mit verfallen/ mit der ich jetzt lebe: sie IST. Und ich erwecke mich
von den Toten./ Tauch hier zur Weite/ blau schäumts. Und im Montale (auch er
längst tot/ und doch wieder hier:) heißt es
doch in der Ekloge S. 3a: bis zu Vergil/ von der „missglückten Stunde“
(ora fallita) ist die Rede/ weil sie unterbrochen wird/ durch das Rollen eines
Zuges. Und ein Vogelschuss zerschellt im Kopf des glasigen Äthers. Ein
Vogelschwarm rauscht auf wie ein Wolkengruss/ ja, wie ein Wolkenbruch. So
steigt nun doch auf das Idyll/ und kann sich erneuern.
16. 7./ 17.7. (S. 60).
Fahrt nach Girolata/ rote Riffe. Grobe
See. Doch wieder das Paradies/ Bucht
umgeben von Bergen/ lauter Klischees tragen mich herum/ und Augen glänzen wie
bei einem Kind/ Tatsächlich der Bucegi! Spiegelt sich/ kein Fisch darüber
hinweg. Eine Berührung findet nie statt. Unsere Formen gleiten wie andere
Grenzen an uns vorbei. Am Strand aber/ wie in Matalla/ ein Nest verkommener Wandervögel/ nackt die Frauen/
viele Dreiecke sahen herüber./ Nachts dies Weiche/ eine Frauenhaut um mich/
ihre Arme um mich.
Als ich erwachte/ wusste
ich: die Außenwelt will mich nicht mehr annehmen. Die Schöne gab es nicht mehr.
Mach jetzt ein Jahr/
ungeschehen. Vernazza, lass alte Pläne aus/ rudere mich hinüber zu den nackten
Frauen am Strand/ weiß das Blatt, das Haar./ Denn die Ausgangslage ist anders
fürs Schreiben: schmerzlich die Entbehrung von Wirklichkeit/ die Wirklichkeit
des Mangels an Lebensgefühl, spür hier/ wie blass es geworden ist./ Nur
weiterer Mangel sinnlose Askese steigert es/ sinnvoll soll es sein: / als gäbe
es Gebete/ Rauch aus den Zeilen springen/ bis weit hinab zum Beginn der
Hieroglyphen:/ Zeitphasen produktiver Trauer/ so verschwindest du/ wirst wie
das rötliche Gestein/ das das nackte Mondgewächs brennt./ Schamhaar verglimmt in diesen Satz meiner
Zunge/ begehrlich ins Verb:/ Spur der Vor-Schrift wird wirklich: logoi
spermaticoi des Enthüllten/ das nur im Dreieck gleich ist/ nun das Geheimnis
erkennen zu können ¥ : als wäre es ein X oder die Sanduhr/ wie sie mir die
Sekunden zählt/ die gelebten. Vertrauen über dem Grund/ schaukelnd. Auch dieses
ein „Juliabschied“. Ich kenne das Datum: Jedes Jahr:
Heute ist der 24. Juli 2010./
und ich muss keine Zukunft erfinden: Sie ist da.
Nur wenn ich es so sehe/
durch die Zeitung hindurch/ tönt es; zerreisst das Papier und mich/ was darauf
stand/ wird wieder wahr/ die Schmerzen stehen still./ Was noch sein wird: ist
längst geschehen. Und sucht seine Schuld./ Wir werden es nie mehr sehen können.
Die Tat war unaufhaltsam/ verborgen und etwas fließt schon lange durch mich
hindurch/ als wäre ich es nicht, und träume, was ich sehe. Notwendig bleibt
nur/ was weit entfernt ist/ aber nicht aufhört/ sich einzuschreiben. Wir wissen
nicht/ wem wir gehören/ so taumelnd/ uns gehören wir nicht.
Doch verblasst / der sich
nähernde Tod/ weitet die Ringe/ das Wachträumen wir stärker/ das Ich fast ein
Urvieh der Großväter. Daraus endstanden wie im Schlafwandeln/ schuldlos die
Morde./ Ich meine, ich bin dem Steine nah/ und das Erstaunen der Distanz nimmt
zwanglos ab. Ich träume/ was ich sehe. Bin manchmal nur verwundert. Doch es ist
nun Zeit/ bald heim zu gehen ins Nie der traumlosen Nacht./ Kein Schlaf/ kein
Wort/ kein Niemalsmehrwieder/ ruhst ausgelöscht im Nichts.
Sieben Uhr Läuten. Der Vater
zur Nacht. Und einer schließt die Zeitung./ Das alles ist/ solang man wacht.
Dann ist es unbeschreiblich. Und auch
das Unbeschreibliche nichts als Nichts/ das nicht mehr ist./ Und keine Leere/
keine Engel gar/ der Herrgott bleibt sich unerkannt/ du bist dann nicht bei
ihm/ weil es dich dann gar nicht mehr gibt!
*
Aber jetzt noch ein Ja.
Einfach hinüberschwimmen / an den Strand zu den Frauen, eine auffordern: zu
kommen./ Spontanf… “Komm mit“./ Und sie wird kommen. Ganz bestimmt wird sie
kommen. Weil ich es will. Und sie lieben/ im Wasser. Im Sand. Und sie will es
auch./ Und macht ganz herrlich mit:/
Dies will ich: lieben/ mein Herausgestelltes Sein aus der Natur/ vergessen/ einen Augenblick
eine Nacht/ eine Nacht aus einem Augenblick lang/ sich ganz zu vergessen.
Abends wenn die Bucht das Kastell sieht/ die
Einsamkeit alles zu/ das vertane Leben/ zu zweit/ kein übriges. Was bleibt wird
aufgezogen/ ein kleiner Hund. Scharf die Kontur großer/ Verlassenheit. Die
Nacht auf glänzendem Wasser des Y/ greift ein./ So geht es weiter/ und die
Müdigkeit wächst sich aus/ ins Sinnlose./ Schönheit tut weh/ einsam.
Girolata 18.7. 19.7. 85
Kaum Mut. Alles schlägt
nieder./ Natur/ die nur in mir einsam ist./ Im „Spiegel“ gleichalt Gorbatschow.
Nachts die vergessenen Träume viel bunter als der Tag. / Am Tiefpunkt des
Willens/ lege ich an.
Dänische Frauen/ nackt am
Strand/ ein Wanken. Aber der Tod setzt in mir seine Zeichen . Geblieben ist
nichts als diese Zeile, die sich manchmal noch erinnern kann. Der Moment:
rötlich schroff/ korsisch karge – ein Greisengesicht/ eine einsame Frau mit
einem Hund in einer Blechhütte wartet auf ihre
Liebe, als wär er Natur/ kein Echo der Auflehnung oder der Gleichnisse
mehr von weit her in mir/ sehe ich zu/ glasklare Kinderwelle an den Strand zu
den Dänen. Unter Wasser ein verschwimmendes Mädchengesicht Helsingörs/ Idiome
schwirren in der Luft/ Babyfriedlichkeit aller Fahnen./ Im Radio wird die
Beerdigung Bölls angekündigt. (Katholisch).
Es muss uns geben/ auch im
schwankenden Endpunkt. Erst der Tod wirft uns aus/ als müsste wir durch unser Nichtseins
wieder ein Recht erhalten, das wir längst hatten/ manchmal hoch halten/ die
Auflehnung von diesen Gedanken / der verschüttet war. /Immer länger die Leine,
bis man sie nicht mehr sieht.
*
Was mir bliebe/ eine
Biografie meiner Heimatstadt/ Punkt des Vergessens in mir/ dieser Anfang, der
alles versprach./ Ganz wie bei allen/ ein Beispiel also/ diese Peripherie., die
sich wundert in mir dies Zentrum zu
sein./ Und so weit Gefühle steigen/ ists als ginge es wirklich auf Fahrt „nach
Hause“.
*
Das „Numinose“ ist das, was
von „damals“ blieb.(van der Leuuw). Auch Yeats hic visione.
Ich aber bin taub geworden.
Der Unglaube erschlägt.
„ Glaubt nicht Schicksal sei
mehr als das Dichte der Kindheit.“ (Rilke,7.Elegie). Doch getrennt seither.
Doch allein von mir/ ist die
Schuld abgesegnet/ nein, sie ist um mich geästet/ als wärs die Meeresküste schon/ der Ekel schlägt dich/
fern/ wird der Menschen Kindheit/ abgeschlagen/ wie das Wasser .- Ists Diktat
der Stimme durch die Sprache./ Und plötzlich höre ich vom Strand die vielen
Kinder/ ein Wunder / wie aus Sand.. Was noch durch mich geht/ sei ein Leben./
Das Gedicht aber/ hat noch immer ein Gefühl/ allein für sich./ Wie wärs/
erstickt in dir/ das Atemlose/ blaut nicht/ denn / es sei die Tote/ um dich/
die du nicht lieben konntest./ Wie hat diese Enge anders zugeschlagen/ gedreht/
kein Wind/ die Spindel/ die die 3 Nornen/ in ihrer Hand zerschnitten/ das ist
der Faden/ doch du trennst.
Gedacht/ kommt es/ von wem
gedacht/ von dir?/ Als du am Strand warst/ wie in Kinder Hand/ dies Schriftbild
weit von dir/ ein anderes sprach/ und jetzt geht’s langsam oben auf der Zeile,
der Marktzeile?/ Alles, was du gelebt, kommt jetzt hier wieder an./ Und draußen
geht der Wind/ du sprichst vielleicht im Traum von Ihm/ morgen auf der Zeile.
Obs „Geister“ gibt?/ die
Toten leben?/ Wer ist umgeben hier von wem?/ Und das Bewusstsein kann nicht
langen/ kann nicht reichen./
Doch stößt mir viel zu wenig
zu/ von dieser Art./ Dass ich gefangen sei/ in dem, was sich mir sagen lässt/
ich Unheil/ Unglück/ weil die Zeit sich so und / reinen Wein verengt/ nichts
traut / sich in mir vor, was schon der Duft der Macchia ist/ und die blaue
Welle im Ohr. Zikaden schlagen/ ganz sicher/ aus ja, dieser kleinen Art./ Und
im Verlassen von „elemental things that
go/ About my table to and fro.“ ( Wie bei Yeats Frau/ der automatischen
Schrift / von Anderswo.)
Aber die Wiederkehr/ solls
Sein?/ Gulliver/ ganz klein/ oder zu groß/ als wär ich eine Ameise/ dann wieder
ihr Gott/ zu Fuß bin ich/ da stechen alle spitzen Steine/ die Haut zu dünn/
schon wieder einmal Oedipus/ der
Unordnung/ und Trauer der acedia/ zurück bis Le Fleurs du Mal./ Todkrank seit
hundert Jahren./ Die Leere hat nichts
Heiliges/ doch zieht sie nach/ ein schwarzer Wirbel ists./
In Delphi waren wir vor Jahren/ Omphalos, das Loch der
Erde/ Wo ist die Mitte/ wenn nicht hier/ wo das Wort steht/ mitten in mir am
27. Juli 1985. Und heute am 25. Juli 2010. Loco hieß es früher. Die Leute der
Megalithkultur aber/ die sah ich gestern/ die Geister versteinert/ in der
Klippe/ nähe Punta della Volpe/ Fuchsgesicht/ innen/ semantisch/ wie erlebt
zwischen den Satzzeichen/ und nur auf die Sprünge helfen/ lesend/ die Frage/ wo
willst du / begraben sein/ wenn ich ihre vergangenen Gesichter sehe. Kaum
wissen ohne etwas zu glauben/ was wird nachher sein/ oder Nichts/ schon der
Prinz/ schon der „Prediger“ HioHiob/ oder ägyptische Hymnen/ kamen der
Müdigkeit viel zu nah/ auch ich bin todmüde wie jener Mann/ diese Angst ist
groß vor dem Wissen/ ein Choc: dass es jenes Land keiner Wiederkehr gibt/ das
nirgends sein kann/ außer im Hinterbliebenen./ Befestige/ doch dein Herz/ im
Vergessen dieser traurigen Dinge/ die
kommen werden/ der Schlag./
V-erkannten Eilanden: sagst
du,/ dass du am Leben sein darfst/ was es gibt/ solange es geben kann/ für
dich/ bevor es hinterrücks ins Dunkle verschwindet/ was weißt du denn/ im
letzten Schlaf endet/ wo
Die Engel für dich denken/
schreien/ oder ein Gramm Mineral/ Atome leben weiter/ die Schalen sie kreisen/
Sprünge wird’s geben / Spuren von deinen
Gedanken im winzigen Krümel/ was IST. Und du schreibst jetzt daneben/ Rührung
geht ja nicht auf/ wenn Gleichungen gleichen/ dann wem?/
Saug ein diesen Tag/ der
sich schreibt/ über dich/ hinaus/ die Rezepte/ sie auskocht Humor gar/ sollst
mir dabei sein/ wach innen/ nie im
Moorgrau der Logik. Dort bei den Kühen vielleicht/ wirf dich auf die frische , rissige Erde solang der Duft dich erreicht/ hier oben in
der Bläue/ im weichen Licht/ immer nur weich/ wenn du frei bist.
„Wäre ich nie geboren
worden/ so als hätte es mich nie gegeben/ sagt Hiob/ gäbe es den Tod nicht/ und
auch so kehre ich dahin zurück, wo es mich vorher nie gab.
Diesen Schlaf tun, lang/ der
keiner sein kann/ im Wort nicht/ nur das Wissen der Steine/ weise sind meine Neutronen
nachher/ im alten Klang seit der Erschaffung der Welt/ und von Licht/ das nicht
die Sonne allein ist/ das Ende nur so/ als wäre es ein Kinderlied.
28. Juli, 29 Juli Rondinara
Schon starke Winde.
Abschiedsgänge. Doch kaum noch Erinnerung an solch einen Tag.
Abendspaziergang. Kleine
Begegnungen. Ordinärere Art. Nur auf die Schwarze Muschel aus./ Einschnitt im
Frauenkörper: Besessenheit und Neugier. Da lagen sie gruppenweise und sandten
Signale. Sonntags vor allem.
Schwesterscharen, Mutter,
gierige Geliebte. Und auch Jann, deren zweites Gesicht zwischen den Beinen, die
Frucht nur/ dieses haarige Geheimnis. Und doch Sehnsucht nach einer fremden,
ja, fremdesten, nach einer Inkognito-Berührung. Spontanfick/ sagt sie. Und
sucht ihn auch. (Erica Jong: Am nächsten Tag).
30. Juli. Noch stärker dann
in St. Giulia beim Club Meditteranee.
Flucht vor den starken
SW-Winden aus Rondinara Richtung Porto Vecchio. Streit mit Jann vor lauter
Nervosität schon beim Ankern. Fuhr fast auf einen Motorsegler (Zweimaster) auf.
Was gab es an menschlichen
Begegnungen? Zwei italienische Ehepaare. Nachbarn. Ein paar Rufe von Bord zu
Bord (die vor allem dem Hund galten!) Humorblicke, Satiren: Die Frau lag nackt
an der Reling und reckte ihren weißen Hintern in die Luft.
In St. Giulia ankern, am
Strand entlang, wieder meine verstohlenen Blick nach der „Frucht“. Weshalb
eigentlich „verstohlen“ Ist doch ein
Zeichen von Nichtgealtertsein: Auch vor Jann diese Scham./ Ich müsste freier
sein. Oder/ kommt diese „Verklemmtheit“ aus der Erziehung? Erregend hinter den
Klippen dann die offenen Vs,/ die sich hingelegt und sich bewusst zur
Schau stellen. Wohlgeformt./ Hier wäre
ich gerne lang liegengeblieben, Voyeur-Sein/ genießen. Und nicht nur. Ich wäre
bereit/ mit braungebrannten Wesen/ zu
Vögeln.
Mittagessen auf einer
Terrasse. Dann der Gang zurück. Und – oh Schreck, das Boot weit draußen
abgetrieben. Wir rannten zum Gummiboot und fuhren ihm nach. Der Wind inzwischen
stark, etwa 6 SW. Wir waren auf die Nachbarn zugetrieben, die hatten
verantwortungslos alle Leinen gelöst. So trieb das Boot 70 m draußen bei den
Klippen. Verrückt. Der Horror, es hätte zerschellen können./ Der Ostwind nahm
zu, brachte das Meer, in Aufruhr.
Brandung. Kein Bleiben möglich. Abfahrt nach Porto. Es war 18h. Um 20h kamen
wir an.
*
Kann Dionysos nur Grieche
sein/ hat er Humor/ oder trennteer uns
vom relativen Denken/ an der langsam sich bildenden Zeit der Tragödien?
Er spielt sich in Musik auf/
sagt Nietzsche zu uns/ heilt nicht/ lässt sich dann von spitzen
Frauenschreien zerreißen und weißen
Armen / wie Herr Orpheus/ der den Tod
mochte/ vielleicht als Klang eines Haars in der riesigen Spalte der Nacht/
Scham und Ufer, wo der Eingang immer offen lag. / Und das Und du lässt es links
liegen/ du Idiot.
*
„Leben“ hängt sich daran an/ ist noch in der
Restbegierde/ das Alter schreitet voran/ es würgt irgendwo schon der Eis-Hauch/ kein Atem wieder/ Versiegen
mit offenen Augen Zusehn/ wie du vergehst.
Ja, und schon gewesen./ Was
hält da/ die Danaiden/ die Bindung passè/ dafür gabs dann Zeit/ die Reue/
löchrige Fässer/ Anstatt der Hoch-Zeit.
Porto Vecchio. Rückblick, 1.
August. Notierte schon im September 84 zum VT:
„Jann als permanente
Alters-Nähe, nicht das Neue kommt mir zu// nur das Gewesene./ Ullyss aber ist
das prickelnde Abenteuer/ das Überraschende fehlt/ und du bist
vergangenheistsüchtig/ dazu noch/ die Sperre nach vorn/ Rätsel des Offenen, die
Utopie/ die rasche Wandlung. / Nur das Schwarze Dreieck/ anstatt des Delta t?
Gestern Gang an die Nordseite
des Golfes/ Überraschungen/ im Blick/ die Korkeiche im Sonnennetz des Wassers/
milde Spiegel/ Kristall/ schaukelnd. Ich im Geäst/ dann nackt liegen im flachen
Meer/ grober Sand auf das Gekräusel bringt keine Zeit heran/ der Sand staunt/
wie der kleine Hund neben mir/ Jann/ der Schatten ist löslich geworden/
Augenblicke gehen offen in laufenden Wellen/ wie das Wasser klingt/ dahinter
der Park eines Landhauses/ Stimmen in der Luft.
Langsam der Weg durchs
Wasser/ watend/ spitzer Fels und runde Steine
mit Brücken für Badende. Im Golf Trinité / Staginolo (Porto Vecchio)
spielende Hunde/ hingerekelt die nackten Leiber/ draußen scharf schlagend/
Wellen Wasser-Berge/ der Mistral/ pfeift
in den Masten am Fischerhafen/ dann die Camper/ Schrebergärten/ Kunststoff/ und
wieder stehendes Gewässer/ watend zur Landzunge und dann durch den Pinienwald/ nackt durchs dunkle
Wasser/ Rückkehr in den Hafen mit dem Beiboot.
Überall/ nur verstreut: das
Dabeisein/ ein Augenblick Rast im Augenblick
der andern/ PUNKTUELL ETWAS Aura/ rustikale Pizzabäckerei/ eine Oma
füllt am Wasserhahn eine Plastikflasche/ Nirgends kehren wir ein/ diese Hast
treibt/ die Angst vor der Nacht. Mittel die uns helfen/ hier zu sein/
vertreiben uns schon/ das Beiboot könnte uns gestohlen werden./ Oder
abgetrieben vom Westwind/ draußen treiben.
Brav trappelt der kleine
Hund mit/ ganz im Geruch/ immer dabei./ an der Nase geführt und doch froh./
Keine „Zukunft“ stört/ bricht ein/ wir den reinen Raum wie vor uns/ nur halb
sind wir dabei/ das „Unterbewusste“ ist fern/
alles nimmt schon Angstgestalt an/ Bedenken/ der große Schatten zeigt
sich jetzt/ und dieses Jetzt ist immer/ ein schwacher Abglanz wie das dunkle
Wasser/ das anzeigt/ dass wir noch den
Heimweg vor uns haben// verstellt/ was uns der Hund schon vorzeigt/ zitternd.
Die Zeiteinteilung schon
zerhackt/ ein wenig wie im Seitenblick ist diese Nacht unheimlich/ sie aber hat
der Tod geschickt/ wie eine Abwehr/ lässt es kaum mehr Wissen zu/ und
abgelenkt/ die schwarze Bindung ist bequem/ und mit dem Motor/ der uns übers
schwarze Wasser treibt/ beschäftigt/ gibt es dieses Wasser nur als Spur/
Fahrwasser, weißer Schaum/ die Schraube dreht hier die Spirale/ der man drinnen
zu entgehen weiß/ ganz um/ jedem Zustand rascher zu entgehen/ die Hilfe hat uns
aus dieser reinen Welt das Rätsel schon hinausgetan/ in unseres, das uns krank
und eng umgibt/ ein Leben im Detail/ und hier die Zeile die/ wenn es mehr noch
nachträgt/ den Zusammenhang, das Einzelne zusammenführt/ was längst gewesen
reiner macht, dies einmal und Niewieder/
das mich ach, zu schwach noch schreien lässt. / Das Tier in mir/ ein
kleines Echo noch/ als wärs ein Negativ/
nur halb zu sehen/ die Augen nie mehr zugewandt und offen./ Und auch der
Schwanz , der wieder aufsteht/ wahrgenommen/ kein Zustand darf mich haben./ Nur
Zuschauer zu sein und doch dabei/ ist arg. Und immer absichtsvoll/ im Abschied/
und alles fließt vorbei/ als hätte der Gedanke recht/ es wären doch nur
Schattenwelten im Atom/ das Licht, ein Spin/ - Und sterben solls/ so schnell
als möglich// Wir sind die Toten.
*
Baudelaire lesen (Benjamin
94)./ Flaneur und Dandy/ Nichtstuer von Beruf/ Nachfolger eines frühen Heroi?/
Wo fährt man hinaus ins Abenteuer??
Größe und Gelassenheit/ So
sahn sich die Segelschiffe/ sich Wiegen
vor der Rede/ Warten auf das große Hinausfahrt ins Glück/ offene Luke ja/
erleuchtete Fenster im Meer/ wie ich sie einst in Kreta sah/ Samariaschlucht
bei einem Alten mit Vraka/ schwarz. Dort ankerte damals ein Schiff./ Jetzt
schreibe ich aber auf einem Kartentisch/ doch die Realität ist anders/ die
Hinausfahrt wird Alltag/ und Angst:/ der Heros brüllt vor Wut/ und im Hafen ziehen sie ihn für die vielen
Reparaturen das Geld aus der Tasche.
*
Ha, diese starken Schiffe,
die so sehnsüchtig und so müßig ausschauen – fragen sie uns nicht in ihrer
stummen Sprache: wann fahren wir aus im Glück
Getragen werden von großer
Geborgenheit: ein reisendes Haus?
*
Im Ort Porto Vecchio./
Genrebild. Ein schneller Kuss gegenüber/ ein graziles Rucksackmädchen/
verabschiedet sich eben/ für immer. Daneben über die Tische/ geht eine stark
geschminkte Mulattin/ die Hauptstraße hinab.
Wir haben Gemüse eingekauft
(und Wein und sitzen ruhig/ als könnte
die Glocke der Kirche vom Platz/ uns nichts anhaben./ Denn/ was zeigt sie an/
wenn eben im Kaffee, wo wir sitzen/ das Telefon schrillt wie auf der Bühne/ und
die Leute vor uns vom Nacktstrand von
Chiappa reden/ wo ich in Gedanken bin/. Warum immer wieder/ diese Obsession?/
Ist es die versteckte/ die unbewusste Zukunft/ die in uns rumort: Zeugung/ die
uns das Leben verlängert: so harmlos die Kinder aus der dämonischen Anlage in
uns?
Irgendwo durch das Rauschen des Verkehrs/ hört man
eine Flöte.
Freitag, 2. August 1985.
Nachts: Traum. Erfuhr, dass
Jugendfreunde in S. Literarische Abende veranstalten. Ich natürlich nicht
eingeladen wurde. Jetzt plötzlich bei Löw. Dann bei Kibi Leonhardt. Sie lehnten
mich ab.
Traum einer endgültigen
Trennung von M. (Dabei ist es schon 10 Jahre her.) Eine gemeinsame Schublade
mit alten Briefen wurde getrennt, aussortiert.
Samstag 3. August
Abfahrt nach Campoloro. Die
Korsische Hochzeit dann in Campoloro. Besuch im Club Corsicana. Nacktstrand.
Soviel Fleisch. Die nackte Wahrheit ist nicht das Wahre. Trotzdem beruhigt sie.
Sonntag 4. August.
Sturmansage Windstärke 8.
Flucht nach Bastia.
Montag 5. August.
Bastia- Macinaggio. Die
Fischersfrau auf einem deutschen Elbkahn. (Cuxhafen). Die Sanftheit und Milde
Hoffte sie wiederzutreffen.. Sie. Steht für alle in diesem Augenblick.
Der Sturm gestern/ die
blaugrünschwarzweissen Schaumkronen weit draußen. Der Brand oberhalb der Stadt.
Die Schiffe, die sich im Hafen auf die Seite legen.
Ankunft und Sturmvoraussagen
Windstärke 10 am Cap Corse. Das deutsche Schiff folgt uns.
Dienstag 6. August.
Nachts Sturm SW. Morgens
gewittrig/ stürmisch.: In der Camargue Springfluten, Verheerungen. Heute
Hiroshimatag. Sturm den ganzen Tag. Jeder überhöhte Text wirkt jetzt. Ich kann
weder lesen noch schreiben.
Mittwoch 7. August 1985.
Vor vier Jahren in Marina di
Campo den 47. begangen/ voller Trauer schon und Resignation. Es bleibt nun nur
noch Kaysers Orphikon. Haha.
Katharer_Sein, Gut/schön/
und wahr wie bei Shakespeare-Sonett/ Celan. Das Eine/ das gesammelt ist/
bleibt/ das Geheimnis/ Moll und Dur gemeinsam erklingen Jetzt.
Mit zusammengebissenen
Zähnen den selbstgewählten Pseudo-„Asketen“-Weg zu gehen. Weiter nicht zu
„leben“, zurückgezogen nur in solchen Zeilen/ die ein Spiegel sein wollen.
(Vielleicht sind?)
1985 TB-Schichtung: 8. 12.85.
Rückkehr…. Da steht „abgeschrieben 99.“ Eben brachte Vetta die Post/ eine
illustrierte Karte vom „Dritten aus Hamburg.“ Eis und Schnee/ viele Gänse und
ein Baum… … 1972: „Vesuv. Überall liegt
Lava herum/ und es kommt mir vor/ als brenne mir der Boden/ wirklich unter den
Füßen.“ Damals wars. 13 Jahre/ und was ist unser Leben/ Trauer. Dante wollte
ich lesen oder Pound/ um es in den Historien aufzubewahren/ sogar im Krieg/ der
besser sei/ sagt Amèry/ als der Untrost des Alters/ die graue Wand/ an einem
Haar.
„Die Bucht von Neapel zu Füßen. Schönheit ja. Und Capri durch ein
Wolkenloch/ wie heilig sonnenbeschienen.“
Nebel damals. Und. Und ich
nahms voll auf/ auch wenn ich meinte/ es sei nicht mein Leben/ so lebte ich
doch/ und ging mit dir so sicher, so sicher über den Grund. Ausgeflossene Lava.
Erdmagma. Ich – für alle Ewigkeit? Jeden Augenblick kann etwas passieren. Wie
in Pompei.“
Am 5. Dezember 1985, also
vor drei Tagen, sahen wir auch Herculaneum. Der Horror war still. Wie Jann so
still. Jetzt 8.12. 17h, 47. Wenn ich „jetzt“ schreibe. Damals gegen Mittag.
Ende November 75 (?) ein Führer/ zeigte uns den qualmenden Boden, den Abgrund
des Kraters./ Wr aßen in einer alten Trattoria/ Dazu pompeianischen Rotwein:
Und gleich nach Salerno im dichten Nebel. Kein Wort zur Küstenstraße/ Positano:
Sorrent.
Das Unbetretene beliebt.
Unbetretbare. Gehört uns. Ich sehe mit deinen Augen ein Prospekt, das du
weglegst. Es landet/ im Papierkorb.
Aber auch diese
Aufzeichnungen/ dieses Heft/ lange nach dem Krieg geschrieben/ „hätte gut,
niemandes Heft sein können: so tief unterhalb menschlicher Wege und Reisen
liegt der Sinn eines Menschenlebens verborgen.“ (R. Char.)
In Sorrent fragte ich damals
nach dem Preis des Hotels „Syrene“. Damals war es/ hoch über dem Steilufer/
Palmengarten/ schöne Räume/ „Villa Pompeiana“/ zu teuer/ vor drei Tagen war es
geschlossen.“ Zimtgeruch. Wie/ Sinn der/ die alten Lampen über uns leuchten
lässt.( Wie in S.) Sägen und ein Geräusch/ aus der Kindheit (Herr Nagel und
mein Kopf.) Und der wahnsinnige Tasso kam mir entgegen.
Auch damals Dezember.
“Orangen reif und leuchten übers Meer.“ Kein Tourist. Es war auf der Rückfahrt
von Amalfi und Positano. „Bei Nacht noch wunderbarer der Golf. Drüben liegt
Neapel und der Vesuv.“
Begegnete Andres in
Positano/ und las dazu Tassos Gerusalemme, samt den irren Briefen Tassos an
seine Schwester. / Und Parsifal aus dem Radio/ eine Kassette im verzauberten
Garten (des Klingsors). Kam aus Siebenbürgen)/ war er nun da und erschöpft/
kein nervum rerum?/ Sah Herbst und Reif/ es kam die Sonne/ als ich vor der Mole
in Amalfi stand.
Und in Elea 1972.
Die Liebe überwinden/ und
die Sinne hinüber kommen/ lassen/ so dachte ich an jenem Morgen im Mantra/
drinnen Ruhe/ es war Hotel Magna Graecia und ich stand um 6h früh auf/ sah
Eleas Unbewegtheit…“
Sorrent 2: In Sorrent aber
Tasso/ von Stimmen umgeben: So fühlte er Angst vor der Inquisition: Einer war
das/ das sagte ich Jann im Orangenhain/ weisst du unser Spaziergang zur Marina
Piccola durch tiefe Tuffschichten (damals72) Einer war da in Tasso/ der
Glaubte…
Steile in Positano/
Und gleich nach Salerno. Weiter das Jahr 1985:
7.August. Macinaggio.
Traurigkeit ist nur in der Leere/ „Leben an sich“ in den primitivsten
Reaktionen des Alltags./ Und keine Reife darin/ Das Unmögliche nämlich: In dieser Sphäre schöpferisch zu sein/ das
kann nur Gott./
Wie die Männer gestern bei Sturm/ Boote festmachen/ die in Not waren.
Für mich das Stürmen/ in der
Kabine jetzt/ nur ein Nebengeräusch.
Rückfahrt am 9. August.
Pieve.
Arbeit am
„Ostalbkreis“-Text. Ebenso am 10. August.
11. August.
Wie gestern auch ganz
niedergeschlagen. Das Praktische. Die Quittungen – der Junge zum 2.Mal
durchgefallen. L. ist völlig am Ende. Es bleibt mir nur die notierende Arbeit.
Kein Lebenswille mehr. Und auch der Glaube an die Literatur ist nicht mehr da.
An mich selbst: - kaum.
Im Merkur 7/84 von Bahrdt über Altwerden ein
Essay, gute und wichtige Gedanken. In der FAZ vom 6. August über Hiroshima.
Seither gäbe es einen „Zeitstillstand“.
Altersweisheit ist die
Einsicht in die eignen Grenzen Und in das Unvermeidliche. Die
Abschiedsfähigkeit?
19. 8.
Eine Woche VT. Heute erst
wieder Lyrik-Lust. Pessoa Almanacco 9. Pessoa ist Mystiker und Rosenkreuzer.
ALLE DICHTER BIST DU
Dies Übersetzte das ich
meine
Ist zu Haus in mir/ wo
Scheine laufen/
laufe über/ wie die Milch zu
Hause/ in der Küche
Eine Jause. Reime/ weine
sie/ die Tränen die
Dich lähmen./ Hat aber
Nichts mit meinem
Leben/ und seinen Scheinen
zu tun.
Pessoa war Rosenkreuzer und
Kind.
Gestern der Stein/ sagt man
Müsse die Dinge küssen/
wunder/ Bar zum
Trinken/ jede Zeit gab Zeit-
Gute Zeit.
Denk doch an Schin/ tanze
wie meine Judenfreunde.
Sei Chassidim.
Eich sagte auf der
Leopoldstraße/ weiß ist mein Wort/ und ist nicht mehr/ eine Briefstelle vor
meinen Augen/ gelesen/ und in die Mappe gelegt/ Worte halten den Verfall nicht
auf/ wenn wir aufheben wie ein leichtes Blättergespinst/ ungültige Liebe/ die
wir zufällig sind.
Dahinter ist Stille/ ich
habe… lebe den Zwischenraum/ hier im Blick/ was sich noch regt/ die Zeilen
mäht/ wie die Jahre/ sogar lange/ sehr lange mir noch bleibt/ wem gehör er/ da
alles den Bach runter geht/ horch, es war ein Kind/ dann den Schrei des Esels/
du verstehst/ sein Ohr hier/ das Eselsohr/ auf einer anderen Seite.
Lies meine Antwort/ auf die
letzte Nacht/ in der täglich mein Leben scheitert.
20.8. (Vgl. dazu 17.10.
4.11.)
Ich arbeite ja mit der
wirklichen Zeit, nicht nur mit Phantasien. Die wirkliche Zeit ist eine Art
Phantasie Gottes.
Eine Poetik ausarbeiten. C.
Simeon. Pound. Zitat aus Domin. Und Almanacco 6. Bodo Kirchhoff?
Schreiben als Übersetzung.
Realität (an sich) existiert ja nicht. D.h. das Original unserer „Übersetzung“
kennen wir nicht. Die andern (wer sind
sie?) meinen ja, das Original zu kennen, gar zu haben!? Wenn wir aber ehrlich
sind, gibt es nur Metaphern. Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis.
Hubert Riedels Buch
(Spiegel, August 85). „Vernunft“ funktioniert nach Großaffen-Art. Anpassung und
immer die einfachste Lösung. (Das ist aber Verstand, nicht Vernunft!) Bessere
Ratio hat die weitreichendere Unschärferelation Heisenbergs. Teilt nach
Wahrnehmungsart auch Zeit und Raum. Die andere Ratio glaubt an Ursache und
Wirkung und, dass das Simpelste die Wahrheit sei. Also Common sense; ähnlich
wie das Huhn, das seinen Fütterer anbetet, der es schlachten wird.
Poesie allein hat gefühlte
Ganzheitsüberlegungen der größten Wechselwirkung. „Ich bin der Baum, das Gras,
dieses was ich sage, ist auf einer anderen Ebene schon gemessen, die ich noch
nicht weiß.“
1.Juli 1986
Sterbenselend. Obwohl alles
offen. Und morgen ist Abfahrt mit dem Boot.
So steh ich/ und darf sein. Diktiert nur mir/ die Spanne Zeit, die ich
hier bin./ Trägt mir so manches auf/ der Druck hier unter Lindenbäumen/ in
Lido. Alles noch tun zu müssen/ das erfüllt deine Aufgabe- und Nichts tun zu
können. Denn das wäre schwer.
3.Juli. Abfahrt.
Frasquita-Reise mit JP. Abfahrt Livorno-Bastia. Dann Bus bis Porto Vecchio. Muffig. Will gar nicht da
sein. Wut auf J. Und das Boot gar nicht
haben und bezahlen wollen. Schon gar
nicht zu zahlen.
4.Juli. Campoloro- Solenzara
segelnd 31 Meilen bis 18h.
6.-8. Rondinara. Zwei Tage
stürmisches Wetter.
8.7. Sanftheit des Strandes.
Sanftheit des Strandes
/rückläufig die Lagune aus Kuhfraßspuren/ Duft / Ein Kalb das vor Schreck da
durchwatet/ und Geister schauen zu. /
Ein Jahr ist vergangen / und wir sind
schwächer geworden.
Und komme nicht rein. Kein
Funke mehr. So verpufft die Tagesenergie, verpufft der in mir angesammelte
sanfte Morgen. Nichts in mir.
Plötzlich gepackt von
Benn-Lektüre. Als habe er diese Stimmen ganz ordinär lyrisch verarbeitet:
Ein Ort / kein
durchlöchertes Auge. anticipation
mystique / aber zu nahe nicht animistisches Gewisper / sonst bst du
unbestimmt / verpasst den Anschluss im Reinen Blatt / mehr Liebe / und das
Smaragd des Wassers/ nur fad /wie
geist-los. / Und die Hitze: brennender Sand / an der Fußsohle / im Sand /
suchst du vergeblich seinen Sinn./ In dir die Ferne Hand/ könnte beschädigt
sein. / Doch das Boot enthält ihn, jenen / hier gebliebenen niederen Herren/
der allein Zeit umrundet, dein Leben / musst sie ihm geben / dann kommst du
hinein!/ Saugst aus der Spröde des
Unglaubwürdigen ein / das Lachhafte sogar: in dieser Vagina, es tröstet /
und Gott blitzt.
Gelbe Blume am Strand / sehe es nicht mehr.
(Nicht abgeschrieben.
Nachkontrollieren, ob schon da 6-8.7. 11.-14.7.)
2008. Atlantik. 19.Dezember Kreuz
Fahrt. Das Individuum wird zum "Hyper-Zentrum", einer Art
selbstreferenzieller Weltegomanie.
Ach du, sind wir zu weit und zu spät
hinausgeschwommen
Hand in Hand hinaus ins
Offene
Als stände ein neues Ende
Der Welt bevor.
Schwimmen wir, um
dem zu entkommen?
Dort: du weißt: Gibraltar,
die alten Säulen
Wo das Offene unendlich
beginnt
Jetzt, wir beide zusammen
unter einem neuen Stern?
Liebe, dass wir
Entkommen?!
Geliebte, solch ein Aufbruch ist
Gegen die Zeit und das
Schicksal
Auch gegen den Tod?
Alles was uns trennt?
In einem Meer von Tränen
Deinen, meinen, in Später
Zeit?
Oh du Geliebte meiner Trauer
Wehmut wächst mit dir
Und dem Vertrauen Glück
Des Vertrautseins geborgen
in uns
Dass uns der Flug
In ein tief Verschwiegenes
gelingt.
Je weiter wir fliegen weit
und nah
Gestern Nacht wie der Hauch
und
die Haut die das Tiefste
Berührt feucht und gleitend
und glühend
Und sanft brennt wie das
ewige Feuer
Liebesfrau du für IMMER
Freundin Unsterblich
Geliebte
Mein fliegendes DU
WIR ausgetauscht zur guten
Hälfte
Ich geb dir mein Wort
2
Nur im täglichen Leben
Dieses heftige Laufen
Es zu erreichen
Da es uns übersteigt,
Ewiges Feuer
Brennendes Geheimnis
Doch gestern gemeinsam
Zärtlich und jauchzend
berührt
Denn Liebe ist Leben für
immer.
Ja, wir fahren den Hesperiden
zu, den goldenen Äpfeln in der Sage; wer die isst, bleibt jung, wird nimmer
alt?
Reisen ja, es ist wahr,
erhält jung, öffnet eine Art geographisches Wunder der Menschheitsphantasie,
wenn man sich darauf vorbereitet, denn
nach Weizsäcker sieht man immer nur das, was man weiß.
Die Kanaren könnten die
alten Hesperiden sein. Also:
Hesperiden
Ein Jahr später:
2009. Sotto Palmaria ( und ich denke an Platen)
Die Sonne flimmert nach
mittägliches Wasser glitzert
silbern vor Frasquita unserem Boot
zwischen Mast und Segel
das Seeräubernest Portovenere
im alten Blick: und meine Finger
auf dem winzigen Laptop
klopfen die armen liegengelassenen
Verse / fünfundreissig
Jahre im Dunkeln, jetzt erst
wie eine Schrift Archäologie
meines Lebens/ entdeckt,
sieht mein Blick euch wieder
weckt diese schlafenden Wesen
von den Buchstaben-Toten auf.
Die Sonne flimmert nach
mittägliches Wasser glitzert
silbern vor Frasquita unserem Boot
zwischen Mast und Segel
das Seeräubernest Portovenere
im alten Blick: und meine Finger
auf dem winzigen Laptop
klopfen die armen liegengelassenen
Verse / fünfundreissig
Jahre im Dunkeln, jetzt erst
wie eine Schrift Archäologie
meines Lebens/ entdeckt,
sieht mein Blick euch wieder
weckt diese schlafenden Wesen
von den Buchstaben-Toten auf.
Palmaria, die Insel Platens
8.09.09 auf dem Boot in
Palmaria. Nach einer schönen Fahrt.
9.9. Und dann genießt man
auch / den Morgen. Die Wellen, den Wind, den Möwenschrei. Das Ufer/ Vertrauen,
die Erde / auch wenn sie einmal hart dunkel und tief mit lauter Wurzeln und
Würmern / sein wird. / Alles Illusion, was ich sehe? Das Schöne?/ Oder ist es
Gottes Rücklicht, / bevor er sich wieder aus dem Staub und zu Staub / gemacht
hat?
Scham
Worte sind nicht da / für
diesen Wind, mit Blick auf ein
Militärbad/ diese kleinen Wellen, gekräuselt/ kommen sie auf das Boot zu/ sanft./
Nichts ist es/ ein Nichts/ geht sie das Wort "Welle"
"klein" oder " sanft" an/ außer dass sie durch mich
gegangen/ mein Auge sie sah/ ein Wesen/ bald Erde/ doch jetzt noch dieses
Bild:/ Portovenere kommt ins Auge/wie ein Seeräubernest/ der Berg über ihm wie
ein großes liegendes Tier /die Boote/ eines blau neben mir/ und nah das Land.
Doch sinnlos sind diese
Sätze/ nur was ich jetzt an Sehglück empfinde/ zählt.
Und Flug um Flug entthront die Wand / und Grenze ruft/ die
Zeilen fest geschlossen./ Regress ist Freitod/ stürz in die Erinnerung / das
Heu bin ich/ Sein Duft ist meine Nase.
Was aber ist die blöde
Kunst/ die nicht berührt/ Herr Benn.
La vita
non mi è più/ Arrestata in fondo alla golla/ Che mia roccia di gridi:/
Ungaretti, der Luccheser.
Wir warten im
Assozieren/ auf eine lebensverändernde/ Vision. / Tyrrhenisches Meer. Ein
frevelhaftes Blau./ Was ist das Horizontale/ Gewerbe/ und Gewebe im
Pinienschlingenwald / Torre die Lago / ungotisch, ja. Latein (+ wie Amerika) und gar nicht in
der Schule. / Festa und KPI im Tanz und
Dröhnen / dort am neuen Hafen / doch Ohr- Pfeifen / weil ich ein
Deutscher bin
Und Wasser hebräisch hieße:
MEM, wie würzig.
Meer / Meer noch mehr / und
Immer-Meer / Vision am Wasser / waschen
/ weiß wie Linnen / Waschblau am Trog / das wars / noch klein / und nach
gezogen der Hof / Erinnerung ans
Regenfass / nass der Kindersommer. Als käme er wieder./ Und immer sei er
beglückend DA./ Als wäre alles gut/ so wie es ist/ kann/ und gar nicht anders
Sein.
Le
Grazie. Die schönsten Schiffe: Lulworth, Astra, Deva, Umiak, Bianco; London. Sogar der kleine Mopi.
Seefahrt 21.-24. Juli 2009.
Portovenere. Maria Irod/ hat den schönen Aufsatz über Melancholie und
Sprachheimat geschrieben.“
26. 7. 2009, Palmaria.
Platen nachlesen. Julia Schröder „ Mit der Geschwindigkeit des Sommers“ – die
Idee: Eine komplizierte Story oder zwei/ übereinander legen. / Und dazu Texte
aus meinem Archiv „stehlen“. Erbgeschichten und klassische Erbgeschichten.
Motive. Themen. Realisierte Freiheit. ( Die mehr eine Illusion war.) Verlust
der Träume.
Warum TB-„Gedichte“? Um es
dichter und so lesbarer, näher dem Zentrum –
anzusiedeln.
Aufmerksamkeit ist/ das
Gebet der Seele. Und seh um mich wie Himmelslicht/ aufscheint/ auf die Dinge
fällt.
10./11. August Sotto
Palmaria wieder.12. August. Lerici. Mit L. vorbei. Zänkisches Weib? Erinnerung
an 2000. Nach der OP, wo dies: Le Grazie die Notlösung war. Shelley, Tellaro.
20. August. Die
Müller-Affaire beginnt: Radisch gegen Atemschaukel. Naumanns Hochlob, fade. Schreibe
einen langen Text dazu. Schreibe ihn jetzt hier nicht ab.
22.8. Ausflug.
Castelnuovo. L. hält nicht. Nur an der
Villa Mediceea. In Castelnuovo wegen Ariost. Sie: Kein Parkplatz.
Dann: Eremo. Antica
Trattoria. Essen. Forellen. 900m hoch. Blick auf/ erfrischende grüne Berge und
Täler. Am Nachbartisch ein Paar. Ich sage meinen Namen. Der Nachbar such, sein
Handy weiss alles: Und so weiss er auch gleich „alles“ über mich. 193.000
Stellen für Ihren Namen auf Google.
Lädt sich meine Bibliografie
runter.
Val di
Serchio. Nach Gallicano auch die Villa
Lucrezias. Dann Bagni. Catureglo.
2.
September meinen Aufsatz an Maria Deichmann-Rosenstock.
Viareggio7.9./8.9. 09
Der Sonnen Aufgang ist hier
wie der erste Morgen /der ohne mich war / wiederholt nun zum unendlichen Mal
den Anfang./ Und es wird mir gesagt, dass ich bewusst diese Strahlen des
Anfangs aufnehmen soll / zulassen das was IST./ Nur so kommt zu dir / das
Lebenkönnen. Als Krücke das Schreiben. Zwei Fischer wie Monster und
Marsmenschen / gehen nach Hause / und reden die Menschensprache. Die Kutter und
Boote kehren heim vom Nachtfang. Motorengeräusche und das milde Wasser um mich.
Ich sitze am Bug der Frasquita und lasse es reden, mir sagen / während kleine Fische am Ankerseil
knabbern, / ihren weissen Bauch blitzend zeigen / ich an
eine Kollegin, die großen Erfolg hat, denken muss / und vor mir der schöne
Scherenschnitt der Alpi Apuane in ganzer
Pracht Länge sich hinzieht / auch unser Pedona Berg / darunter Agliano / unsichtbar hier / so fern
wie mein Leben - / es wird mir also gesagt
/ in Fünfjahrestakten vergeht / mein Leben /
immer schneller / und jetzt vielleicht noch zwei Mal: der Fünfjahrestakt. / Ich zog nämlich die gelbe Wetterjacke an / ein
Geschenk zum Siebzigsten / eben war: / Fünfundiebzig / und bald geht die Sonne
nicht mehr auf / diese Schreibhand ist dann nichts / als Asche.
2009. Kindernachmittag ( nach Benn)
Kindermittag das Summen /
Bach Libellen / und der Hahn. / Der Hang schräg / seine Blume in das Licht, mein Mittag. Der mit
Heuduft kitzelt / Und keine Zeit vergeht / in den Gedichen von Albert / in die
Kokel getaucht / draussen im Flimmern vom Mühlnham./ Was noch ist / heisser Stein / beim
Barfussgehn / als wärs dem Jud schon längst geschehn / und ich in ihm / nur noch den Tod geortet.
Und höre / dass an jenem
Tag / in
Alisch wir den roten / Ikarus mit Roth in einen Kinderhimmel fliegenh
liessen. / Lauro de Boris liess zu gleicher Zeit /vom Himmmel seine Blätter
regnen auf Rom. / Und suchte mit seiner Maschine den Tod / einfach durch Schrift. Ewige Stadt / so gegen zwölf Uhr
Mittags.
Und Flug um Flug entthront die Wand / und Grenze ruft / die
Zeilen fest geschlossen. / Regress ist Freitod / stürz in die Erinnerung / das
Heu bin ich / Sein Duft it meine Nase.
Was abe ist die blöde Kunst
/ die nicht berührt / Herr Benn.
La vita
non mi è più / Arrestata in fondo alla golla / Che mia roccia di gridi. /
Ungaretti der Luccheser.
Aber die Wiederholung. Aber die Angst. Gestern. Heute. Dass wir zum Tode
verurteilte sind. Aber noch da. Und auf Zeit. Auch das Warten: Schreiben ist
möglich: erst wenn der Tag vergangen. Das Leben vergangen? Also nach dem Tod?
Das Absurde als Wahrheit. Und der gesammelte Schatz an Jahren. Gefühlen dazu in
Sprache. Sie fallen ein: die siebziger Jahre…
Seltsam nicht die Toskana. Nein, Köln. Bensberg. Königsforst- Nostalgie. Mein West-Deutschland
damals. Das ich verließ:
HIER, DIESER AUGENBLICK DER ABFAHRT
Zwei Jahre haben wir hier gewohnt,
lassen jetzt Leben zurück wie eine Leiche,
du aber, die ich geliebt habe, wirst
bleiben
hier im Königsforst
im Jungwald mit Perspektive.
Beim Albinopferd mit den wässrigen Augen
können sich die vergangenen Augenblicke
festhalten.
Ich glaube, es ist unmöglich,
dass meine Gedanken hier
zwischen den Haltestellen nach Köln
sich nicht in winzigen Fahrplänen
oder sonst irgendwo festgesetzt haben
(vielleicht bis zum nächsten Herbst!)
Es ist allerdings nicht zumutbar,
dass dieser Umzug den Postboten tötet,
der täglich mit Briefkastengeklapper
Nachrichten und Briefe bei uns einwarf.
Und diese Zeilen aus all den Monaten gemacht,
werde ich heute noch
an die Nachbarn verteilen
und sie bitten,
uns allen
die Abwesenheit
zu vergeben / ab heute.
Die Mauern waren jede Nacht
zwei Jahre lang angerührt
von unserem Atem,
und gleichmäßig zum Vibrieren gebracht.
Der Schwarze Junge auf seinem Fahrrad
ist heute schon Zwölf,
der Kleine vom zweiten Stock
geht mit sich selbst spazieren.
Über allem aber wachte er:
Euer Wirklichkeitssinn, er
vertrieb mir nicht nur die Zeit,
er nahm mich mit.
Erst bei der Abfahrt für immer
erkannte ich alles viel besser
in meinem verregneten Rückspiegel
im Fahren vergehendes Leben
meine Absenz.
(18. Mai 1973)
Tarahumara von Michaux / von Artaud,. / Und Hin
fahren / wie hin richten / “Wir aber wehn / Agartisch ist die Flut.”
Und Auferstehung hier /
morgen ist wieder Ostern : Und gestern Gesu morto / C. hat das Öl im Wasser
gezündet / Badia. Und heute ist Nebel.
Wir warten im
Assozieren / auf eine lebensverändernde / Visison. / Festa und KPI im Tanz
und Dröhnen / dort am neuen Hafen / doch
Ohr- Pfeifen / weil ich ein Deutscher bin
Und Wasser hebräisch hieße:
MEM, wie würzig.
Meer / Meer noch mehr / und
Immer-Meer/ Vision am Wasser / waschen /
weiß wie Linnen / Waschblau am Trog / das wars / noch klein / und nach gezogen
der Hof / Erinnerung ans Regenfass / nass der Kindersommen. Als käme er wieder
./ Und immer sei es neu.
25. September 2009.Thales
von Milet/ fiel in eine Grube/ als er nach den Sternen sah. Und seine Magd/
lachte ihn aus/ als er nach den Sternen
sah. / AUS mit der Welt ist alles. Doch nur draußen. Innen, wie hier/ allein
die Verse verbinden alles so/ jetzt beim Heimfahren von Monte Carlo/ um Wein zu
holen. Doch was IT das/ doch nur Worte, Worte/ mein Auge sieht anders/ das Ohr hört/
die Finger fühlen Stift und Heft/ und
liegen auf dem sechsfarbenen/ Fell von Dea/ der kleinen Hündin. Was die wohl
jetzt fühlt. Alles vergeblich/ so zu erfassen, was IST./ Oder meinen Zustand
heute?/ Wäre Filmen besser?/ Ja. Aber auch nur ein Abklatsch des Außen.
Langweilig, weil zu winzig der Ausschnitt/ was Jetzt und auch auf der Erde ist.
So gefilmt/ die unvernetzte Einzelheit. Wörter aber beobachten Felder/ sind
besser in ihrer vernetzten Tiefe: Kreuzung von Immer mit hic et nunc.
Lese in Simmel. Enttäuscht
von Simmel. Dachte er habe Sequenzen des
Realen/ wie im Gedicht mit Gegenständen untersucht, verdichtet, durchdrungen. So einen Tisch
phantastisch auf seine Bedeutung und Gebrauch zurückgeführt.
Dann Lucca. Lucca ist die
schönste Stad der Toskana. Und sehe es jedesmal. Durch meinen „Verweser“ bin
ich Luccheser geworden. Also auch hier lebe ich durch Granucci ein Leben. Nur –
niemand liest es, wie diese Sätze auch.
In der historischen Gasse:
Piazza die Mercanti essen. Polpo und
entrecot gegessen. Pulks von lauten Holländern. Und Deutschen am Nebentisch.
Dann Fillungo. Und Amfiteatro. Bei Armani eingekauft.
DEZEMBERFRAGMENT 85 FLORENZ
16.7.
Wieder Traum mit Jann. Gemeinsam in einem Jenseits
Was vor uns liegt und was hinter
uns liegt,
sind Kleinigkeiten im Vergleich
zu dem,
was in uns liegt.
Und wenn wir das, was in uns
liegt,
nach außen in die Welt tragen,
geschehen Wunder.
Henry David Thureau
Florenz, 18./19. 12. 1985
Und Giulianas Ehrentag im „Saal der Elemente“
Vor mir das Vasari Wasser/
Venus/ Muschelgerippe Dreieck/ Mauer
Darunter Musatti/ über
Panajotis und Giuliana/ ich seh Gesichter/ Bild und Saal/ die Wand durchdringen
Gesichter/ der Druckerin/ sphinxhaft schön/ aus den Augen/ oder die Therapeutin
Margherita/ das Kindergesicht./ Frauen in Pelzen/ Blicke. L. neben mir im
schwarzen Jäckchen.
Auf der Straße/ der lange
Rücken.
Der berühmte Psychologe
spricht über Kelten und Zwangsjacken
Über die Kranke, die schöne:
in der zwei Frauen wohnten/ Exorzismus/
Falle/ und vor mir
Riecht es nach Parfüm.
Fiorino d´Oro der
Bürgermeister/ über/ reicht ihn/ und geht./ hier die Nackten
Von Vasari, da wusste ich,
was mich erwartet: corpi nudi/ und geht./ Voller Ironie/
Im dunklen Anzug/
geplaudert.
Schläfrigkeit/ dann kommt/
die Blonde/ langes Haar und eine andere mit Engelsgesicht
Flüstert ihr etwas zu/
berührt das Haar mit der Nase/ stützt jetzt mit aufgeblühten Fingern
Das Kinn auf/ sie lösen/
langsam Erregung wie eine Droge/ Schwingungen
Als würde ich angefüllt mit
dem Saal./ Das Marmorinnen zieht mich an wie mein Freund Egidio.
LIONARDOS MENSCHENMODELL mit
vier Händen und vier Füßen im Kreis
Aufgeklebte Karte mit seiner
genauartistischverschlungenen Schrift. Un/Nachahmbar kalligraphisch schön.
Il meglio fabbro/ im Garten
1 Meter tiefer Graben für Reben./ Joh. 15./ Mein Leben morgens: diese Lust. Sie
stößt durch Buch-Staben./ Doch am Florentiner Dom/ keine Erregung mehr./ Autobus in das Baptisterium/ grauer Alltag/
Jungen und Mädchen und Tauben und ein alter Mann./ Zwei Deutsche gehen mit
Fototasche ins Innere./ Und wir: Heute immer wieder zu Giuliana/ Argia und M.
Panayoti, den Griechen./ Sie sind wirklich „der Tod“./ Blicke/ Durchblicke zum
Dom./ Blickhalt. Haltestelle Memoire./ Florenz noch älter geworden./ Bei Santa
Croce wohnt Carlo/ Borgo, alter Innenhof./ Das Auge viel zu nahe dran./ Er hat
Existenz Sorgen. Der Grieche ist sein Chef/ Institut für autistische
Kinder, von P. erfunden./ Argia/Giuliana
ist Carlos Analytikerin:/
Lebt alles so wie im
Irrenhaus/ 31 ist er/ und geht gebückt
wie ein Greis./ Ängste. Obwohl der Vater sehr reich ist (Quelle: wohl
Parmegiano!)./ Carlos Frau ist Spross serbischer Partisanen../ Belgraderin. Und
stark /
Der Grieche erfand auch/ das
„göttliche Syndrom“/ Gott al Krankheit./ Er hat einen einzigen/ infantilen/
Patienten. Und der ist auch schon 21.
Ich denke an die ersten
Besuche in Florenz./ Lauter Legenden.. San Miniato. „Deine Zärtlichkeit wird
wieder auferstehn.“ L. hatte mich untergefasst auf dem Ponte Vecchio/ wimmelte
es von Andenkenverkäufern und Gold. Und dort am Rundbogen/ lehmig der Arno/
floss vorbei/ und wir suchten einen Ring/ gegen die Zeit/ ihn beide zu tragen/
dazwischen eine Bindung hier/ auf dem Papier/ nur die drohende Trennung/ dort
das Gesicht meines Vaters/ die Mutter Hände/ daneben/ stehen. Sie beide einmal/
auf dieser Brücke/ Blick in die Fließende Zeit./ Ein totes Hochzeitspaar./ Nur
der eine Teil lebt noch/ der andere (…) wer weiß (…)/ Und ich küsste sie
wieder/ das Brücken Geländer/ der Halt in die Tiefe./ Ja, die Vitrinen: Gold
Ringe/ viel zu teuer dieser Halt/ für uns./ Was hatte ich hier/ jedes Mal/ aus
der Tradition / heraus gedacht./ Auch, dass wir arm seien./ Und das Zurück ins
Jahr 1932. Das mir jetzt nah ist. Fast gleich gültig, als wär e Jetzt/
vergangen. / Gleich gültig wird alles./ Nur Transsylvanien ist weit/ vielleicht
gar nicht vorhanden.
Was gestern geschah,
geschieht erst nachträglich/ in mir/ blind strömt viel zu viel/ wie der
Verkehr/ Richtung Autobahn abends./ Geschieht erst jetzt: hier. So dass Zeit
„das Leben der Seele“ sei.
Wieder zu Hause.
Abschleppen/ haarigmosig/ Heizung blubbert und plätschernder die anderen Zeit/
vor. Kommt He, das Fenster, das Hebräische ist nah. Fünf. Sonne. Ich. Radio
Kainsmal durch die Wand. Und höre Marianne Fritz mit ihrem Wälzer aus Austria.
Fritz nannte man Deutsche. Auch: Aufwiederschaffen (in Triest).
•
Bei Esselunga Fondane Liebes-Gedichte (Obsedat de
lumină). Alle Poren durch. Kleine frische Säckchen./ Und damit dann Gaskammern
abgebraucht Zyklon/ Fenstern gittern fern/ kein Eis
•
Lösung urmaṣ und Genealogie/ Schwarzerde/ Ciernosom. De
Ird. Af deser/ Er-zählerisch be-gabt (Gowen. Bald äs Chrästdach hä) Vgl. SBG.
Sächsisches Wörterbuch, Buch Stabe G.
… Femeie, pămánt negru, te
vreau ṣi te iubesc…
In care mă aṣteaptă ca
íntr´o oglindă chipul.
Das Umständliche/ Ver-stand/
Stand und Nicht-Handliche.
Kind/ Känjd/ copil/ Djermäk/
bambino/ hast du/ host tea/ ai/ singura ṣansă de continuitate?
Frau/ Frucht fructus ventris
tui/ Ave Maria grazia plena?
Keine Lust/ ab Dreieck/ mehr
als gewesen!
•
De Stadt säcken/ Ekbatana oder/ Schess brich/ in C. schau
Fenster stehen offen
Auf der Bank Millionen
früherer Frühlinge in mir. Aber Aus Brechen…?
Aus dem Ort Zwei-Wert/ die
Nase der Syllogismen verstopft/ ist
Rotztropfengrün/ hier ist aber: Drehen und Wenden Kubus.
Ideogrammatisch vergehn/ wie der Film. Eine Hand/ liebt Dolch/ Dolch dringt ein.
Geweitetes Auge. Klammer
Tischkante. Spritzt. Schrei. Etwas tropft/ Schuhwärts.
Entdeckend. Schnitt.
*
22.12.
Alles hinein zitieren/
Celan/ Wörterbuchverfolgung. Und die Vor-Schrift in mir.
Jeder begegnet seinem
„Drachen“ / Wer aber ist hier der Hausdrache/ rettet oder vernichtet/ ganz
Unvorhergesehen. Phallus
klebt dann nicht mehr/ allus.
Bisher/ einfach: z.B. 1558
Moment Anna Chendae in Hunnyad. Török war ihr Mann/ ein General.
Er ließ sie köpfen./ Weil
sie ihn hinter ging. Sie sein Besitz. Er ließ sich stehlen, stahl ihm selbst
die Frau.
Ratlos/ den Drachen umarmen?
23. 12. L.s Geburtstag.
Kommt im TB aber nicht vor.
24./25. 12.
Was sich als Licht begreifen
lässt/ solange wir da sind/ du meine Mutter/
die Zeit Erinnerung/ der Bruch.
Wir wissen es nicht mehr/
was war./ Sicher ist nur – dass es einmal
Gewesen und nicht mehr sein
wird. Vorbei.
Und das Licht verschwindet.
Stille. Nacht.
Die alten Weihnachtslieder,
sie sangen den Duft
Und du warst zu Hause/
einmal in deinem Leib./ Was ist Dankbarkeit – ein Wort.
Wie die Abwesenheit beim
Telefonieren/ sich in keinem Augenblick sammeln kann
Was für uns spricht/ und was
schön war.
26. 12. 1985
Denken an Mutters Geburtstag
(75).
Wenn man die Zeit aufhalten
könnte…
Du bist verpflanzt worden,
vielleicht versetzt worden. Schmerzen auch
Weil du „unten“ geblieben
bist mit deiner Seele.
Mutter, du mein großes
Gedächtnis bis weit vor meiner Erinnerung da.
Es lässt sich kaum sagen.
Fest-Ablehnung,
Fest-Aufhebung wider die Zeit, die sich oben schließt
Nach unserem Verschwinden!?
Der Kreis, der sich hier
zeigt, und nicht nur wir.
Celans Mutter – als
Gegenteil. Nicht ausdenkbar. Wo warst du
Als seine Mutter starb./ Wo
waren wir?
Es dehnt sich/ und sprachlos
fand ich mich/ ohne deine ersten Worte/ aus dem kleinen Kreis des
Nussbaumschatten, schön
kühl/ und ein Roten Hauses/ bis die Zeile/ wo der Nusskern wieder zu sich fand/
Den wir ahnungslos aßen/ war ich ein
Kind und zu Haus….
(Kopiert: 5.Juli 2010)
Es ist die Schwere, die mich
zu dir zieht. Du warst der Anfang meiner Erde/ die sich dann bald
Nicht weiterdrehte / in allen deutschen
Worten. Es war August. Es hieß: Zusammen Bruch.
Kein Auge blieb trocken.
Und wenn ich es vergleiche:
mein Gefühl/ es kommt von dir/ im Abdruck meines Lebens
Mit jenem/ der seine Mutter
durch uns/ verlor/ - dann bin ich klein geworden/ und es trägt sich nichts mehr
zu/ wenn ich vergleiche/ ist es erstarrt/ und fremd hier wie du.
*
Weißt du wie viel Sternlein
stehen/ auf dem blauen Himmels Zelt. Einmal blau/ und hat dein Kleid an/ Lieder, die du sangst.
Die mich noch heute sehen. Erstaunt, dass die Mutter/ so spät noch wie die
besten Freunde/ im Gedicht die Worte/
bei mir stehen. Als wäre nichts vergangen/ und noch alles DA. Und wie
Margueriten/ groß ein Blüten Feld, auf dem wir nicht mehr zählen.
Ein Märchen, wenn alles
wieder zurückkäme zu uns, als wäre nichts geschehen: Und das Vergangene so nah
wie das Unerwartete, das später eintreffen wird, wenn du nicht mehr bist. So
naiv drängt es zu etwas. (…) Ach, das Einfache ist zerfallen, „weil es ein
Anderer ist, immer ein Anderer, der da redet. Und weil der, von dem da die Rede
ist, schweigt.“
Was weht tut, ist vielleicht
die Nähnadel im Finger, ein Blutstropfen höchstens. Das andere geschieht im
Fernsehen.
Und lang schreiben, ohne
Unterlass sich davon machen, Wörter als „verfehlte Wirklichkeit“- die andere,
die ich nicht erreiche, ist die Große Ohnmacht in allem, was geschieht. Und ich
wie ein Fremder daneben. Gast im eigenen Leben. Doch nicht mehr das alte Lied;
nur die Schwere wächst. Prägt den abwesenden Mund, die Hände/ in der Luft. Sie
greifen nichts mehr, nur noch daneben. Und suchen vor sich her. Das Feld mit
dem Geruch dort ist/ leer. Verschwunden. Und das Herz. Schwer.
Was im Bach stand/ wir
denken ihn/ kaum noch/ steht er mit uns/ die Brücke?
27.12. Die Schwere. Und dann
die Sterbensfahlheit, wenn ich allein bin. L. ist innerlich fort.
28.12. Die Nacht Tingtang Herz. Höllengefühl. Zukunfts- Los. Altern. Und allein. Immer
wieder dieses Gesicht des „Dritten“, der sie mir aus gespannt. Dass Jann
zwischen ihre Papiere holt, zum Aufschlagen bereit. Diese Schwerkraft des müden
Herzens. Bei mir nicht aufzunehmen ist oder beschreibbar. Kein Foto. Kein Buch.
Eine Grille, die singt über
uns. Ganz schön. Zynisch. Sogar ein Lob/ Boykot der Schlächter Geschichte. Und
unserem Eigensinn. Und wüsste nicht, wie es weiter gehen soll. Eng und enger
die schwarzen Wände. So komm, liebster Wahnsinn. Flach mich ab. Und nur ein
Liebes-Wort von Jann… Und ich wäre „erlöst“.
Diffuse Dimension der
Träume, die sich als eben Geschehenes ausgaben, als trüge es sich und mir eben
zu. Da war ein groß gewachsener Mann, wir sprachen über Meditations-Technik.
Und ich sagte, Si zehn Jahren übe ich
täglich Tantra. Er sagte: Das ist gefährlich. Doch wusste ich, dass ein
Hochschrecken aus dem Traum schon die Commedia schuf. Und die Umkehr zwischen
wirklich Zugestoßenem und Gedächtnis, wie in der Analyse/ Schmerz des
Nachgetragenen so deutlich macht/ wie hier im Tage-Buch: Erst dem eben verflossenen
Tag eine kopernikanische Wende geben kann, manchmal wie ein Erkenntnis-Schlag,
ein Axthieb. Der Tag erst in der Schrift eingebracht. Als wäre nun im
Zusammen-Hang/ die Vor-Schrift gelesen und
findet so ein Erwachen/ hier auf der Zeile mich Selbst. Das die wieder
lesbar macht. Als wäre ich nicht wirklich gewesen; wirklich nur jetzt.
Abschiedsfähigkeit. Zur
Lesung 85/86. Ist Herrenalb gemeint? Am 17. Januar. Ein entscheidender Anstoß,
sich des Vergangenen zu erinnern. Ist jetzt
eine Art kollektive Inkubationszeit vergangen?
Aber das Erwachen (aus der
Nazizeit der Siebenbürger Sachsen) wurde
verzögert. So muss schreibend getan werden, sage ich mir in meiner Arbeit, dass das Traumbild „Heimat“ des Gewesenen
nicht weiter mystisch nur verklärt wird!, das ihm wenigstens im Satz die rückgerufenen
Bilder und Zitate zur besseren, härteren Lesbarkeit verhelfen. CITARE heißt ja:
nicht nur zitieren, sondern auch vor Gericht laden.
(Vgl. Auch „Dass schnelle Altern der neuesten
Literatur. S. 52. N. Boltz).
Weiss: in einer Stunde.
Hintergründe des Weissen Blattes. Gedicht dazu. Celans „Sprachgitter“. Au
Mallarme: Blanc. Vgl. Janz S.36. Mein Gedicht dazu: Casa Bianca. Und
Hirnsyntax.
31.12.85.
Noch dieses Jahr/ Und
Meister Manole stürzt von Haus zu Haus/ weil sie zerfallen werden/ die Mauern
stürzen ein. Risse sind überall zu sehen. Und gräbt noch schnell / die Frauen
ein.
14.2.86. Wieder in C.
Zu „Erlebte Essenz“,
Gedichte
Oder: „Antidinge“ , Gedichte
Hommage für OP.
Rückblicke/ ein
ferngesteuerter Sprach-Strom/ und Para-Phrasen NUR./ Sechsundachtzig sehe ich/
jetzt erst Worte auf mich einstürmen/ aus Berlin (BärLinnen weiss und
Baumgespenster/ Höller, die Literatur-Nase),
der Raum vergisst den Klecks/ von dem er sprach/ nicht/ Frau Fotografin/
mein Gesicht nur Subjektiv-Objekt/ sagst im Haus Collagen etwas/ und so fort im
Lichtblitz/ für Alle Ewigkeit (dein D. heißt D., Fleisch aufgehoben/ die Lust
von früher.) Der Wannsee mit toten Dichtern unter dem Eis./ Das wuchs weiter
ins Aus. Dein Gedächtnis zum Meridian. Neu geht er durch Ber Linnen/ bei
klarstem Himmel unter den Linden. Zum Tor hinaus: Parademarsch.
In statu nascendi sagte
Ossi/ überrascht die Assoziations-Wege bei Kollegen (Jaja, Dada (Raum-Lesung zu
wenig Flecken/ Foto und Farbklekse, die sich aus breiten wie aus dem Nichts/
eingegossenes farbiges Öl auf (wessen) / Wunden/ und Wundern/ als Anhalter
Bahnhof/ oder eine Konferenz/ Beinleiber/ lebendiger Leute. HIER/ klirrt der Frost/ wie früher die Fahnen/
Krahn auf dem Turm/ Zimmerdach/ Ächz.
Sprach Weg/ Downlaufs fast
mikroskopisch/ Müßiggang in mir/ eine Geschichte/ steht vom Platz aus/ wo wir
sind/ Tischläufer wie Mondsüchtige/ Onkel Wilhelm etwa/ der im Ersten Weltkrieg
fiel.
Wasserfarben zu bunt über
der Tischplatte/ och tiefer als Chromosomen/ ist der ein Nichts/ Partikeln
stöbern nicht Auf/ Gänge/ Ab-gestaubt kein Gedicht/ das Heym wieder lebendig
macht oder Rosa/ im Rauch von Ossis Zigarette. Er lebte ja damals noch.
Selbstgemacht die Erregung/ als Hier von Dort/ zwischen Raum im Gesicht/ was
sieht ein autistisches Kind Anders/ auch in der Hildegartstraße/ als kein
Lächeln unten bei den Müttern war/ vor sich Entelechien/ kommen nur noch als
Artikel/ auf diese Welt/Punkt Punkt Komma Strich/ hier gelber Birnwachs und
fertiggemachte Eins/ kalt/ das Mondsgesicht/ vor weg den Augen geflimmert.
Was kam. Was Fest. Kaum
Kirchenburgen. Zu fest/ Brastbürger/Mitschinalz Lälkäm/ Oberfranz Baiergass/
das franzt sich besser Aus./ Ossi frei? Räume Sternbeißfang/ Herr Roth im Bad/
der Ev. Herr als Salmiak/ Geist/ und wie Frost beißt/ bete Kinder dir Nasen/
Höllers empfänglich/ Empfang by Wahn ha/ der Welt Flughafen außer für Tote/
Gras dazwischen/ wächst/ wir drüber/ by Ab Heben/ Baum bin Boden/ Er brechen/
Kotz Tüte/ Krotze Türken.
…
In Rom ging es ihm fort/
schlecht. Kein Bissel. NUR. Bissen vom Hundertsten. Verlass. Wer stirbt weg.
Haustier/ und Glaub Nicht./ Tage Buch Tag. Bube. Als verstörtes /A-a-s. Tot-all und D-Moll die Wieder Lage sein
Wieder Und. Wahn und keine Entropie/ Null. Auf. Jeden. Fall Anstatt der
Herrgottsideologie…
Reines Gedächtnis. Wie
Engel. Ich aber (ein) Fern-Rohr, Inhalt längst ab/ gemurkst.
25.2., zum 17.2. Rolf
Bossert stürzt sich aus dem Fenster im Frankfurter Aussiedlerheim. Spiegelnotiz. GESTORBEN. Rolf Bossert, 33.
Im Literarischen Colloquium.
Die Nacht vom 9./10. Februar. Bis halbsechs Uhr früh redeten wir in der Küche:
Bossert, Guntram Vesper und ich. Mit
viel Bier. Rolf trank fast einen ganzen Kasten leer. Erzählte von Totok. Der
sei verrückt, größenwahnsinnig. Kniete dann nieder, um ihn zu umarmen. Wir
sagten ihm, er dürfe bei der heutigen Pressekonferenz nicht schlecht von den
Dortgebliebenen reden. Er wird ausfällig.
Am Wannsee erzählte er vom
ermordeten Ursu, Ursu mit dem Loch im Kopf. Den die Secu, um alle andern zu
erschrecken, in diesem Zustand der Familie zurückgegeben hatte.
Er las, machte dabei
Scherze. Er wirkt berserkerhaft, ein Rübezahl mit rotem Bart. Werner sagte, er
habe bei seinem Selbstmord für uns alle gehandelt. Eingelöst habe er unser
aller eigenen Tod. Den Leichenzustand.
Mein Gedicht an ihn,
handschriftlich mit Korrekturen.
EINEM, DER NIE ANKAM
Für Rolf Bossert
1
Wo du liegst ohne Worte zu
blass,
und atmest das Hallen ohne
Gedanken, fort
eine Ewigkeit und länger.
Fühlbar nie Gras auf den
Steinen, und das Hirn
gerissen, ein Summen von
Augenblicken.
Welch ein Sprung, der nie
ankam.
Letztes Gefühl, am heutigen
Morgen gesehen
im Auge des Wannsees. Und
die alten Toten
unter dem Eis.
Was als Beton noch lebt, kam
als Enttäuschung an,
Grenze. Wir dachten, es gäbe
ein Land unter den Füßen,
doch es hielt den heißen
Sohlen nicht stand.
Früh brannte der Boden. Doch
wohin
zur Zeit der Vorläufigkeit.
Aus-
siedeln?
Ganz dicht, exzentrische
Bahn: nur
der Tote käme noch an, käme einer,
du denkst
nicht ans Rote, du denkst an
den Lichtbart.
2
Du aber kommst von unten.
Und du hast einen Körper,
verfügt der Beamte, schließt
die Akte Deutschland
im Himmel. Du aber kamst
blutend ins Nichts,
trugst schon den Boden im
Kopf, und das Unten
an den Sohlen. Und die Wunde
wuchs an den Rändern
durch, da fielst du hinein.
Das letzte Fenster nahm in
deinen Blick
den Boden mit.
Ich ging mit dir am Eis
entlang, der Wannsee,
das alte Auge, sagtest du:
zu Hause
ein Dichter erschlagen vom
Staat, wir sahn ihn
er lag im Sarg, nur von
unsern Gedanken getragen,
mit einem Loch in der Stirn.
Was hast du erwartet, Hans
im Glück,
dass noch Leben beginnt?
„Nicht ist verkehrt,
ich atme Glas. Ein Apfel aus
Beton im Gras.“
Der Teufel die Zunge holen.
Dazu fast noch besser 17.2.-25.2.
Der Tod kam an
Er brach den Wirbel
Ist hart
wie Pflasterstein
Gläserner Blick
In unser Sein.
Welch ein Sprung, der nie
mehr ankam, zeigt
Wer wir dazwischen waren/
vergessen, was ist.
Langsam in dieser örtlichen
Betäubung
Du zeigst uns
Den Leichenstand
Und bist was wir wären
Fortgegangen
Wir sind…
Welcher Geruch/ liegt
Hier auf der Straße/ keiner
Und wollte ein Hirn/ das
Pflaster
Haben/ schlägt sich ein Loch
Das von innen käme
Und läse die Welt so
Ununterbrochen/ als
Mein Früher
Morgen begraben und
Weinen/ gläserne Pupillen
Wie ein Monstrum/ das dich
würgte
Suchst du zu einem
fortzugehen
Und da zu bleiben.
Fühlbar wie Gras auf den
Steinen
Blutet die Hand in Keinen
er-
Brochen und hirngrau
gerissen
Ein Summen der Augenblicke
Einfühlbar verwandt.
Dass du liegst/ hier im Wort
nicht mehr
Robust/ im Roten/ sag jedes
Außen wieder ab
Und spannst den Wagen an/
den Unverstand
Wo du liegst/ ohne Worte/ zu
blass…
Und atmest das Hallen der
Fernen
Ohne Gedanken/ im Ritt der
Engel-Rapporte
Ewig sei alles viel länger
dabei…
Viel zu geschrieben/ fällt
dein Gesicht
Hier/ hat sich noch einmal
umgewandt
Durch mich/ in deine eigenen
Silben gespannt
Zukunft, die schon gewesen
sei.
„Letztes Gefühl… die harte
Verwünschung/ trifft
Niemand: wer
Mit der Schere/ im Kopf
lebt, stirbt
Gern.“ Alles ab Montag den 17.2.
Lässt du für immer allein –
das Jetzt
Es ließe sich ewig
schreiben, denn alles
Was je war und sein wird/
ist im Tode in.
Das alles ist vor sich
gegangen/ abgeschrieben für dich
„Stürze aufs Pflaster und
Fall auf die Welt. Die Kälte
Schneidet den Kiefer
Entzwei – Jetzt wohnt
Nur im Mund
Ein singender Brei. Das
Auge.“
„Man setzt aus der Welt
Mich zu schaffen, der
Deutschesten Dogge
mich vor. Nehme kein Geld.“
Fraß die andere Hälfte des Lebens
Was war/ und kam nun nicht
mehr
Nach vorn/ „Ihr kennt mich
von gestern?
Ich bin Hans im Glück./ Was
macht noch
Der Rote? Mensch, gut ist es
hier.
Keine Angst, die Zukunft
Liegt etwas zurück.“
Das Totsein hast du erprobt
Das wir lebten/ schreien
möchte ich von
Nun an/ wann kehrst du
zurück?
Es war nur ein Spiel/ nicht
wahr
Hans im Glück.
x
Sonst nichts/ als im
Spiegel/ und in uns
Ein Nachruf/ aus einem
Fenster
Das splittert/ Detonationen
von früher
Mit dir/ kam ich von neuem
hier an
Kürzlich vor siebzehn/ vor
vierzig
Oder vor hundert Jahren. Du
bist
Ein Toter/ der wir waren.
Ein Licht/ tief die Nacht
Als berührtest du mich
Im Erschrecken.
Komm an.
Ein Brausen war es und
Ein Zittern/ ich fror
Und dachte die Brust
Jetzt aus der Ferne
In mir
Körperlos an.
4. März. Dieser Mensch,
Maler, der uns das Boot Frasquita “vererbt” hat (JPF) hat unsere gemeinsame
Sehnsucht gestört, sich eingemischt.
Mit L. ist jetzt nichts mehr möglich?
12. März.
Die Sprache spricht wieder
Tage nichts gelesen / wem
Gott will
Rechte Gunst / Kunst?
Erweisen?
27. März. Umkehr der
Elegien.
URSULA BEDNRS IN DER NL.
Regt mich zu einem sehr langen Gedicht an.
Seit 4 Jahren (2005, 11.
November) ist sie tot. Und ich weiß, ich war dort, und bin nicht zum Begräbnis
gegangen. Sie war nur 85 Jahre alt.
Ursula Bedners führt mich
mit Texten zu Schässburger Blumen.
Und dass da alles so sein
soll wie früher / gar weiter gewachsen der Nussbaum/ Nähe und ich sag aus / was
wichtig zu sein schien / den Stiefel, der alles zertrat / so dass die
Himmelsschlüsselblumen auf leeren Plätzen zu wachsen scheinen / kaum mehr zu
bedenken in fehlendem Licht. Anstrengend ist es / sich vorzustellen / wie auch
dort das Leben weiter geht / ohne uns / nach der Katastrophe leere Orte / ein
Leerklang im Speisezimmer. Und viel zu kurz mein Leben / alle meine gefühlten
Bilder / ausdenken zu können. / Und lese vom Maifest in S. / Bis hierher / und
auch den 4.3. / hältst einen Kiesel in der Hand in de Fingern / als könnte man
hervorzaubern, was längst vergangen ist / einer hieß Brandsch und liegt
in Russland begraben, seine Streifenwagen aber, auch sie längst verdorben / die
Pferde tot. / Welch ein Henker ist das,
die Zeit / nur der Duft von Heu oder
Wiesenglockenblumen, weckt die Bilder auf / und dazu Ungarettis “Tutto ho
perduto dell infanzia / O / Null wie Bedners / Mutters Schülerin / auch am
Maifest / und als wären wir nicht da /mein Bruder / liegt auch auf dem
Schulberg nicht mehr./ Jandl hat Recht /mehr nicht als Brecht / verfremdet
Gedichte nach dem Tod (Klebt hier aber der Phallus noch allus?) - auch trocken?
ALL UND KUNST
Mattiolis Kopf, ein
Selbstporträt, trat aus einem schwarzen Hintergrund hervor, und er hielt die
kleine Enkelin, damals noch ein Kind, eng umschlungen, als klammere er sich an
diese kleine weiße Gestalt. Im Katalog war dazu auch ein Gedicht von mir
abgedruckt:
Auf einem Blick
Jenseits der Tür, davor
das Kreuz, das nach dem Tode
steht. Im Rahmen
stehst du schon
der Tür/ aus
ewiger Nacht
mit einem Fuß
Das Enkel
Kind, das dich umarmt
in Weiß steht
noch im Licht und
hält dich hier.
Nun gut. Anna zeigte mir
auch das zweite Gedicht, ein Gedicht auf eines seiner wunderbaren Kruzifixe
gewidmet, das im Kloster von San Miniato in Florenz aufbewahrt wird.
Francesco aber hatte mir
Zeichnungen von Muzic gezeigt, eines hatte ich ihm abgekauft und es hängt nun
in unserem Esszimmer.
GESICHTER DER GESICHTER
Z. Musics Selbstporträt bei F.D.
Gesichter der Gesichter
sind ein Fenster aus dem Nichts
die vielen Toten haben sich verwandelt
sie sind hinein gehauen hier ins Fleisch
als wäre es Christus der schon
schwarz
in einem Rahmen steht
Was habt ihr mir gesungen Herz
die Totenopfer die nicht sterben können
sie haben wieder Mut:
sie stehen hier auf in neuem Grau
die Asche leuchtet rot im Licht
die innere Glut sie schlägt
darunter Kohle
das Gesicht- Kontur.
6./23. Januar 95
21. August 93 bei Gottfries
Berman Fischer.
Hier ein Gedicht zu einem
Bild von ihm
CHARON
Unter grünem Rasen
Liegen manche
Manche nur verscharrt
Unterm Todesbaum
Da keine Wurzeln mehr ihn
grünen
Wo kalter roter Fels
Das Herz erstarrt
Nur dunkle Schatten
Zeugen unter falschen Blüten
27.August 94 bei GBF – ich bereit eine Sendung über ihn
vor und einen Essay. Ich stelle Fragen auch zu Stefan Zweig und zu Monika Mann.
Reminiszenzen als Bleibart?
Doch warten / dass die Kluft
sich auftut / mit Sinnen / und wir so tot und vorbereitet / schon Jetzt / die
Brücke bauen / ohne Vor-Geschichten / und keine Geschichten machen / sie IST.
Ja. Immer unmittelbarer zu Gott - dieser tote
Wer.
Woran ich schreibe? / Nun:
an diesem HIER (Jandl, wie niedlich!) Im Inkognito kommt / Er wieder / zu
Haus an - Bricht die Stimme / Nähe
aus. Wie Fahnen! Was uns irrte. (Wiesenschaumkraut
/ Nessel / reine Poesie.)
Progressive / alles Eins.
Jetzt / Skelette / wir fallen vom Fleisch / Eingetaucht / bis zu den Kashinas
der Hopi / Kommt wieder / also der Messias / Oder der jüdische Kalender / mit
Freitag beginnen / Blaue Königin / Schalom.
Sehnst dich, sehnst dich in
Einem fort/ bis du Tod bist. / Ab Regressive nehmen, wer?
Abnehmer beim KirschenLauf!
Oder Kirschen essen / mit Wem!
Ungeduld nur noch Zeilen/
Weise (Waise) zu bannen! (Erinnert Nie. Bannführer / Ja war Ruhe auch im Krieg.
Jetzt ist nicht mal der / die möglich!!
Und Eisbrocken auch beim
Hände Geben.
Aber Literaten über
Literaten / Kalte Hände - heißes Herz. / Und sangen fort / alles. / 5000 Jahre
und mehr drängen vor / Tiere erlöst / und
bisher auch Steine / oder der Krokus hat
hier das Wort.
Erwachst / und siehst die
Augen in den dunklen Höhlen sich drehen wie ein Atomkern / Lichtpuder und wirst
in die Höhle reingezogen / Traumfetzen wie irr.
Stehst unten am Stall vor
1000 Jahren / ein Junge ist dabei / und es ward gestern...
Traum wühlt / Ich und die
Meere / oder thalassische Regression.
ERREGUNG: Ritt in Lucca /
via delle Fosse / man darf es nur eingehüllter sagen!
Reinkarniertes Bild.
Doch meine Verhüllung / die
Fleisch bedeckte Zeit stiehlt / so Unlust zu leben. Jeden Morgen Distanz als Stein spüren ?/ doch dort im Aura-Land / so weit. / L. aber hört
im Radio: jeden Tag neu. / Und das Einfach: So in der schmutzigen Wäsche / eben
reinigen. / Tolle Tassen im Schrank / Mahlzeiten / Schlaf mythische Gewohnheit
zu Alltag machen/ das alte Banal.
Immer wieder Entscheidung /
von hier an aus - nur noch Zeile!
Alles-Eins leben / Traum und regressive Toleranz, wo alles hoch kommende /
Worte sprudeln den Jungbrunnen / alt.
28.3.
Morgens / da war ich mir
So ernst und rund / von
innen schwingend
Der Yogakopf / und bindet /
die Sonne blendet
Ganz neue Wünsche / nichts
zu tun
Dies Blenden ruhig trinken /
für Einen-Andern
Tun. Neu aufgetischt mein
unfertiges Fühlen.
Das Insichruhn ist heilend /
nach dieser Hölle der Nacht.
Alt- Anwesen / und Umsich
zeigt sich heut
Das Bildlose / alles als
Bild.
Die Auralosigkeit bin ich /
daran ersticken
Dies Ich ist meine große
Krankheit.
Und keine Liebe / nie/ so
dass sich Zeit
Nicht sammeln kann/ im Und.
Nichts bleibt
Ein Hetzen ists / du alter
Danaid..
28.3. Leipzig Messe. Lesung.
Ingrids (Bacher) PEN lud mich ein. Prüss. Peter Geist. Thorsten Ahrendt. Kühle Begrüßung. Auch KL
Müller.
2.April. Jürgen Egyptien.
4.4. Bei Gerd.
6./7.4. Michi und ich bei
Mutter. Roland Zebli.
29.09. 1986.
Kindernachmittag ( nach
Benn)
Kindermittag das Summen /
Bach Libellen / und der Hahn. / Der Hang schräg / seine Blume in das Licht, mein Mittag. Der mit
Heuduft kitzelt / Und keine Zeit vergeht / in den Gedichten von Albert / in die
Kokel getaucht / draußen im Flimmern vom Mühlenhamm./ Was noch ist / heißer Stein / beim
Barfußgehen / als wärs dem Jud schon längst geschehen / und ich in ihm / nur noch den Tod geortet.
Und höre / dass wir an jenem
Tag / in Alisch den roten / Ikarus mit dem Professor Roth in
einen Kinderhimmel fliegen ließen. / Lauro de Boris ließ zu gleicher Zeit/ vom
Himmel seine Blätter regnen auf Rom. / Und suchte mit seiner Maschine den Tod /
einfach durch Schrift in der Ewigen
Stadt/ so gegen zwölf Uhr Mittags.
Und Flug um Flug entthront die Wand / und Grenze ruft / die
Zeilen fest geschlossen. / Regress ist Freitod / stürz in die Erinnerung / das
Heu bin ich / Sein Duft ist meine Nase.
Was aber ist die blöde Kunst
/ die nicht berührt / Herr Benn.
La vita
non mi è più / Arrestata in fondo alla gola / Che mia roccia di gridi. /
Ungaretti der Luccheser.
Tarahumara von Michaux / von
Artaud,. / Und Hin fahren / wie hin richten / “Wir aber wehen/ Agartisch ist
die Flut.”
Und Auferstehung hier/
morgen ist wieder Ostern : Und gestern Gesu morto / C. hat das Öl im Wasser
gezündet / Badia. Und heute ist Nebel.
31.0.3. 86.
Dichternebel. In Sassi
zu Rudolf Borchhardts Hütte.
Parks und Häuser mit
Balkonen, eine lange gewundene Straße. Und die zwei Verrückten in einer Bar/
Trattoria. Und die Kapelle Ariosts. Doch
heute anstatt Dichter / Dichter Nebel. (Titel: Dichternebel) Und du suchst mir
die Praxisfrau / die dir alles
abschneidet. Eine sogenannte Blöde Kuh./
Die dich lächerlich macht und reizt
bis aufs Blut./ Auch wenn du mehr weißt, warum wir da sind!
Ariost / der sich verstecken
wollte / Im Buch / mit der Fiktion / idyllischer Sohn / ti me piace abitar la mia
contrada. Questa mi basta. / War in
Ferrara in die Garfagnana zu Fuß gekommen / vom Hofe der D´Este. Und Kardinal
Hyppolyt. Schrieb am Orlando Furioso zehn
Jahre lang von 1431-41
Und korrigierte daran / ein
ganzes Leben lang. Ging in Hausschuhen fast bis nach Modena / in Gedanken
versunken /eben. Und merkte dieses erst
auf halbem Weg./ Mit ihm endet die Renaissance / er wird Sancho Pansa. Er ist
nicht mehr der Edle Ritter. /Er ist nichts mehr. /Er ist die Indifferenz. / Er
ist die innere Zerrissenheit / dann die Wirklichkeit / War zu nichts mehr gut /
wie ich auch / und damals schon. / Nur noch die Zeile galt.
Seit Schmitts und Nataschas
Besuch (März) Immer wieder das neue Projekt: Keine Tausendundeine Nacht.
Gesprächsrunde wie im Boccaccio.
9.4. Tod von Helmuth
Hoffmann. (27.28.3.)
Er hat sein Lebenswerk /über
Nostradamus beendet/ sollte am 14.2. nach Deutschland fahren, es verlegen. Dann
wurde er krank. Das Lebenswerk / blieb liegen / denn am 28. März starb er.
Tuschka / seine Bremer
Freundin aber starb schon 1978.
Was ich da erinnern kann /
auch den Kriegsblinden Freund. In ihrem Garten. Ihre medialen Stimmen /
aufgenommen. Viele Kassetten.
Nun sind sie alle schon ein
halbes Jahrhundert tot.
St. Gildas de Rhuys. Abaelard und Heloise
Ich erinnere wieder an den 4. September nach
einer traumreichen Nacht. In St. Gildas
de Rhuys. Besuch in Abelards Klosterabtei. Da war er zwischen 1128-1136. Da
ist er zur Strafe (Beziehung mit Heloise) entmannt worden. An Heloise schrieb
er im 5. Brief: "Die Glut meiner Gier hatte mich mit dir
zusammengeschmiedet; ich dachte nicht mehr an Gott, ich dachte nicht mehr an
mein besseres Selbst, so tief untergetaucht war ich in den armseligen Genüssen,
die zu schmutzig sind, als dass ich sie ohne Erröten auch nur nennen
kann." Da habe Gott in seiner Barmherzigkeit, das Messer, das seinen Leib
traf, habe ihn von dem Schmutz befreit. So habe er nur an einem kleinen Teil
des Leibes seine Sünde büßen müssen. Ein "Pfahl im Fleisch" . Selbst
aber habe er es nicht tun dürfen, ein anderer musste es tun. Origines sei
schuldig geworden, weil er es selbst getan habe.
Und doch wurden sie zusammen
bestattet, waren sogar Eheleute gewesen, hatten einen Sohn. Auf dem Pièrre
Lachaise schrieb ich:
Weißt du noch: HELOISE UND
ABELARD
Etwas Regen auf dem Père
Lachaise.
Versteint. Wir unter
Regenschirmen.
Was weint da. Sogar über
Steinen. Wir
suchten. Und unter Linden
hören wir
ein Flüstern. Laute, wie
Tandaradei.
Klang Worte in Höfen. Tage.
Und dies Paris
so spät. Kaum Große
Herbstzeitlose, die
zur Liebe jetzt auf Gräbern
rät. Ein
Liebespaar, wir waren jung,
berührt den
Stein. Von unten her. Ein
Kind, das weint.
Woher ein Sic et Non, der
Erdgeruch mit
deiner Haut im Regenduft
vereint, im Schritt
der Kuss unter dem Kleid,
ein Blitzen wie
durch Tränen, ein Blick der
Tote überholt.
Jetzt stehen sie auf und
lachen. Sie sehn
dir unters Kleid, die
schwarze Herbst-
Zeitlose die Sonnen
runterholt.
Heloise, Abelard: "Was
ich begangen, es lebt
so stark in freudiger
Süße", riss mir das Herz
entzwei.
Saß sie auf einem Steine,
Heloise, Abelard.
Fließt in die Iris heute
dies Liebespaar.
Und steigt ganz aus dem Wort
und nur ins Auge ein.
Der Name sucht durch
Todesnacht lichtschnell verborgen dort
im Stein, den nur der Finger
anstößt, Kälte fühlt,
als wäre dieses wahr ("drei Tage sind es drei/ von keinem
Schmerz
verschont".)
Heloise, Abelard...
Tod ist ein Liebespaar.
Liegt vor uns, geschwärzt
Figur, der Stein.
Schmerzlich der Durchgang
mit Bildern und Dornen,
durchkreuzen das Auge und
sieh, die Paare, sie wärmen.
Vom Tode denke nichts, und
nur auf ein Wort. Steht
Sic et Non - gerade für wen?
Daran miss und trau
dem Auge nicht mehr,
trau denen, die nicht
mehr sehn.
Nichts erinnert in der
kleinen Abtei, die nur noch seinetwegen besucht wird, an ihn, er selbst floh
von hier, der Rauheit und Ungebildetheit, Gesetzeslosigkeit der Mönche. Und
doch werden andauernd Abte und Heilige, meist in Form von Grabsteinen, einer
sogar im Glassarg mit den heiligen Gebeinen, vorgezeigt. Die Kirche mochte den
freien Abelard. nicht. Immer wieder wurde er "bestraft" Auch in einem Kloster bei Soissons, das zugleich
Irrenhaus und Kerker war. Und hier nun die heiligen Knochen. Überall in den
Kirchen wird also die Materie verehrt.
1995. "UNFÄHIG das
einfache zu tun bleibt
das Schwierige" und
schreckt nicht ab
nichts zu tun es war mehr
und weist darüber hinaus
weist dahin wo wir immer
wirklich waren
Das Einfache aber versäumt
zu haben wollen wir
nicht mehr erkennen
HÄLTST ausschau siehst um
dich
die Insel der berg da herab
im Dunst wie von ferne
verschwunden
mein Auge schau gut ich such
mir dazu
ein Geheimnis den Rand aus
Nehmt ihr mich an wie ich
das Auge
und wusste nichts von mir
gibts noch ein Wort das zu
euch will
wie der Christ zu uns kam
wie wir und doch Sprache
von wem
Wenn ich schlafe heut Nacht
kommst du wieder die Qual
aufgelöster Gedanke
Labyrinth wie die wand
die uns trennt und fühlt
sich
wie nah diese Prüfung und
ich weiß nichts
von ihr und vom
geheimnisvollen Stoff dabei
Nichts wie mater materia und
endet mit A.
Was wirklich wahr ist, gibts noch nicht.
Und alles andere ist
vergangen.
Die schnelle Geschwindigkeit
dieses Tages
setzt du auch morgen nicht
zusammen.
Am alten Turm zeigt die Uhr
unaufhörlich zwölf.
Unerlaubt scheint das
wirkliche Weinlaub.
Sprünge und Risse im
Blickfeld Und alles
eilt/ Du hältst es notdürftig
zusammen
treibst wie eine Mauerblume
Synthese zum Vor-
Schein.
Und wir saßen an diesem Tag
in winzigen plätschernden Wellen, es schien in ihrer Sanftheit so, als wollten
sie aufhören. Vor dem Sturm ist es meist ungeheuer sanft das Wasser
ÜBER STÜRZT
Am Abend dann wieder:
Kaum aufgeschrieben, der Tag
ein böser Witz, der sich
dehnt, was geschieht.
Es könnte Sonntag sein,
Taufe, es hatte eben
geregnet in die Predigt
und die Gebete, es fällt auf
wie ein Ring ums Bewusstsein
entsteht. Die Sperre,
und die Trinität am Altar?
Sie hat sich zur Null
gewandelt, denn: Was Er ist,
ist Alles-Eins?
Die Muttergottes
auch sehr alt geworden,
steht abgeblasst im Blauen da:
ein Und dazwischen. Kaum
Wirbel im
Auge. Am Kopf blau eine
ohnmächtige Blume,
die nickt und Nichts sagt.
Und dann Diktate nach ihm:
nach Hören und Sehn,
als du im Leben noch dabei
warst
und doch schon längst
vergangen:
Rast es und ist, das
Herzgewächs zerstört
tut weh ist nicht mehr
dein erinnert sich
und sollte mich und sich vergessen
- der schwarze Kopf
ist schwer das Kopfgewächs
die Fontanelle quillt
dort ist der Spalt dort
tritt sie ein und rast der Stral.
Doch sonst er löst / die
Tafel Schwarz du siehst hinein
ins Nichts/ bist frei du
weißt, der Sinai
zerbrochen ist wie Glas das
Herz
das einmal Wüste war, jetzt
brennt es Lichter
Lohn der Angst, dass es
Vergessen gibt,
das dich befreit.
Dein Bild gelöscht/ wie
dich/ ist der gelebte Tod
Erinnerungs Los.
Die Bücher-Kinder betreut
auch durch Punkt vier: Lesungen und
Vorträge. Dazu meinen Adlatus und
Secretarius Antonio mobilisieren. Und Beth dazu bitten, als wäre es ein Fest:
Sie umfasst fast alle SchwerPunkte, das Eine also als Zwei?
DIE ROTE HÖLLE
1
Was nicht sagbar ist unter der
Sonne/was Macht bringt auch unter dem Mond/ und gegen alle Sterne/ die
zerschellen würden/ aus ihrer Bahn geworfen/ wider die Natur von ihrem Sein
abgewichen: der Begriff durfte die Lüge/ nicht fassen.
Das Gedicht aber braucht den
Beweis nicht/ es ist wie ein Kind
selbst Beweis.
Ihr aber ihr früheren Freunde (hab ihr es in der Hölle gelernt?)
ihr „arbeitet“ mit ihr
nun groß geworden im Fernseh
Licht/ Mit aufgerissenen Mäulern (Schweigen wäre besser
gewesen … menschennah und
geerdet), schreit ihr Erfindungen in
eine/ nach glaubbarer Lüge
gierende/ Welt.
Sie aber klatschen euch zu/
völlig verblendet. Beklatschen in
stinkenden Sälen das Kunst Licht.
In den Himmel gehoben, der
leer ist ohne Gott : für euch ist er längst gestorben/ zeigt ihr euch schamlos
als Gottersatz vor/ dem Publikum, das euch braucht/ die
selbstgemachten Helden Puppen.
Ein X für ein U/ wenn
Gefühle Zähne hätten/ wärt ihr längst tot / ihr aber/ glaubt daran / Oh wenn
ihr nur daran glauben müsstet, das laute Wort/ im Halse/ stecken geblieben
/im tieferen Sein wärt ihr gerettet.
Und sogar die Engel habt ihr
zur Lüge bekehrt. Nicht wissend, was wirklich geschehen war
In der Hölle / singen sie
halbmündig ahnend / was sie da tun verführt und betrogen/ flüstern sie manchem Zuhörer zu: Vorsicht, die Hölle färbt
ab! Worüber ihr spracht.
In einer höllischen Zeit
habt ihr die größten Chancen /Chancen
wie noch Nie/ das wisst ihr, das nützt ihr Aus/ steigend auf immer höheren
Trampolinen, die man euch baut und baut und baut/ bis ihr den falschen Himmel
erreicht. Sag, Herr der Welt, wann fallen sie herab und zurück
in die Hölle? Nie? Sie arbeiten doch damit/ glaubst du sie
sind blöde/ Dialektiker von Beruf.
Sie haben es dort
gelernt/arbeiten sie doch genau mit
ihrem Fall: der vorgespielten Hölle.
Wie sollen sie dann fallen,
mein Freund?
2
Irre ich mich/ habt ihr
Nichts getan/ nur euer Machtwissen eingesetzt/ intelligent wie der Teufel/
sprühend, genial, sag ich/ aber. Aber sage ich/ wir alle
die durch die Hölle gingen
sind/ haben ein vollklingendes Instrument/ gereift
in schmerzender
Enttäuschung/ mächtig klingend einsetzbar/ für Wahrheit oder für Lüge.
Die Zuhörer sind/ naiv und
offen. Sie wollen das Lied vom Schmerz und vom Standhalten hören.
Wie leicht ist es doch Leichtgläubige zu betrügen/ und größer als
groß zu werden durch sie.
Größer als groß über Leichen
zu gehen/ auf ihnen steigt man doch gut, höher und höher hinauf.
Geht das gut und ewig/ wenn
man mal oben ist/ kann man nicht fallen? Wer merkt es
heute schon, dass Lügen doch
sonst kurze Beine haben? Aber keiner will es wissen wenn alle jubeln.
Wer stört/ der ist doch der
Betrüger/ er bringt die Leute um ihr Buchglück/ das sichtbar geworden war.
Wieder Helden zu haben.
Echte, die wirklich gelitten und im Kampf
nicht gefallen.
Aufgestanden immer wieder
mit lauter leicht erzählten Geschichten.
Helden gibt’s doch heute so
selten/ lass sie uns doch/ wir möchten sie nah, ganz nahe haben.
So nah fassbar und lesbarer
noch mit wirklichen Märchen. Lass sie uns doch: verschwinde!
Vom Neid/ nicht von des
Gedankens Blässe/ angekränkelt: grün und gelb bist du auch im Vers?
Grünzahn, du, sagt einer/ er
muss es ja wissen/ er kennt doch die
Leiter zum Aufstieg zu gut!
Sie wollen nun auch mich als
Leiche haben, höher zu steigen, aber wohin noch? Ach, Heilig
Gesprochen zu werden/
heilig, heilig/ die nächste Lesereise geht zum Papst.
Sich anpassen nun/ wie früher an den Zauber
der Ideen: damals
im guten Grund der
Securitate.
Aber was wärt ihr, Freunde/
heute: ohne SIE?
Ihr wärt wie vor ihr ein
Nichts und ein Niemand vom Rande.
3
Ich sage jetzt alles/ was
sonst/ doch aus Takt/ aus geklammert werden muss.
Was unsagbar ist. Unsäglich
bleibt. Und Wirklichkeit wurde.
Habe ich alles falsch
gemacht? So ohne kurze Beine und Connection.
Mit der Wahrheit auf dem Papier/ geduldig. Die kurzen Beine
gekappt und so auf dem
Bauch/ gelandet: auf einem einsamen
Papier Berg in dieser Zeit
der Macht als Betrug/ und dem Betrug als Macht?
Oh, Freunde ich bewundere
euch: die Poetik des Marktes/ Mal war es
die/ der Securitate. Der Trommler geht um/ die Ware lacht und glitzert schwarz
begehrlicher Blick in die
Hölle. Freunde, das zahlt sich/ ehrlich nun/
AUS.
EXIL, 1973/74
8.7. 1974.
ELEGIE BEI MAGDALENAS
AUSREISE
Der Postbote bringt dich
nicht wieder. Es werden
Andere Marken auf den
Briefen sein. Kein Zeuge
Mehr erkennt dort unsere
Zeiten
Die nur nach innen offen/
dort geblieben sind.
Uns gibt es nie mehr
Es ist/ als ob nichts
fassbar wäre.
Und wie ein Übermaß in einem
Rückzug
Ist deine letzte Reise eine/
mit einem
Der nie anhält.
Wir sind weit weg
Von uns gezogen.
Ein Stein Wurf weit
Von unseren Möglichkeiten.
FÜR MAGDALENAS BUCH
Ich möchte unsere Sprache
Wieder sprechen. Sie lebt/
sehr nah
Und sie ist gut.
Denn sie trennt.
Wie könnt´ ich dir
In diesen fremden Zeichen
In ungesprochenen Lauten/
etwas sagen
Was hier in dieser Sprache
gar
Nicht sein darf.
Vielleicht ist es zu einfach
„Feste“ sagen, die ich dir
Tief im Grunde bringen will.
Notiz
Und nie darf genau gesagt
sein,
was war.
Zur Hand genommen/ verwelken
Die Bilder der Dinge.
Ausnahmen: Dein
Kleines Schamhaar bittend.
Ich nehme Notiz vom Bild,
das sich noch immer in dir
bewegt
und mich bittet.
Für PC (Piteṣti)
Von niemandem war die Rede
Von dir
Und die Rede, sie ging
bergauf
Bis zur Talsohle/ ging sie
Schnitt sich ins eigene
Fleisch.
Dissonanzen wie Messer – und
du
Wo finde ich dich/ so
sprachlos gemacht
Wieder am Grund ohne ihn
Gott Los gemacht im Versagen
der Zeit
Ich laufe ihr nach ohne
Gründe
Dort drüben stehst du
Ein Antigedicht
In der Helle
Die Worte sie spielen sich
auf ohne Grund
Und stoppen verzweifelt und
heilig verpufft
Gottvater im Raketenboot/ zu
Gast
Auf die menschliche Schnelle
Messer, rostfrei
Es lässt sich nicht
ausmachen,
was in uns eingeht
denn die silbernen Stränge
beginnen zu rosten
Du hast dich abgesagt und
Ich trag es zu dir und
Trage uns auf
Trage den Kopf nicht mehr
Hoch da sich die Zeit
Verflüchtigt/ in mir in dir in uns
Ging sie nicht mehr in
Farben.
Die Klänge sind mutlos
geworden
Am Weg entlang
Jauchzt nur die Leere/
Trompete
Zur Eile und Weile am
Akkordeon
Und Webwut der Ab Fall wie
Fall hobst
Faul und nach außen die
Messer
Und Großen Wagen
Glänzen/ rostfrei.
Köln, auf die Spitze getrieben
Sag wo treffen wir uns
Ohne Punkt ohne Fest
Weit hergeholt.
Manche Wörter sind
unbrauchbar
Geworden (heißt es!)
Alles was uns aussagen
könnte
Sagt nichts (sagt man!)
Wohin mit dem Blinken
Dem dunkeln/ jener
Gewissheit der Tiere und
Sphären
Wenn die Flugzeuge tot sind
Wohin ohne Worte für uns
Nur für sie
Die gewissen Worte/ die
Fremdworte/ reich
Metallisch und müllreich
Verschmiert in Paperbacks
nur
Umweg und Einsturz
Mühsam im Gleichgewicht
Auf der Spitze des Kölner Doms
Balance ohne Seiltänzer
Und ohne die weißen Tauben
im Hirn
Ohne Metaphern/ nur Sinn
Nur die furchtbare Weite
Der Revolution und
die unfähigen Revolutionäre.
Notiz
Die Sprache wandert in mir
gen Westen
Und springt dann zurück in
die unmögliche Heimkehr zu dir
Alles Gedachte ist hier
Und wenn der Weindunst
Die Ordnung zerstört/ mit
der Zeit
In Einklang gebracht/ durch den sinnlosen
Säufer/ bringt sie mich wieder
Ins Morgenland/ früh
Wenn sich die Sonne
Am Laut definiert, den ich
schreibe.
+
Sie gehen wieder ein
Die Splitter/ in Sprache
verwahrt
Denn die Schärfe verwundet
nicht mehr
Sie sind in die Ferne
gestellt
Zum ganzen Leben gebracht
Als ließen sie plötzlich
Begreifen, was fehlt.
Südlich irre Nacht
Heute Nacht war ein Rasen
(auf Sächsisch nicht nur)
Die Vase, die Türe, die ich
zerschlug
Sie bleiben weiter, die
Splitter
Gehen ein/ sie lassen sich
nicht mehr sammeln.
Das Fenster blieb den Bergen
zu offen heut Nacht
Die Lieder südlich (mit zwei
Gitarren) gesungen
Ole!
Die anders berührten als
heute
Sie sangen dem Meer zu als
hätten wir noch Zeit
Griechisch spanisch
chilenisch
Dann tobte die Nacht
Südlich in mir
Ich zog die rumänische
Pelzjacke an
Denn ich fror.
x
Weshalb und wozu
Auf den Weg gebracht
So mühevoll ausgesetzt
Ein vom Krieg bestelltes
Langsam geteiltes
Leben hier
Und nicht dort
Das aus Verschweigen
Sechzig geworden
Das Fest hatte seinen Teil
Am Punkte setzen
Und setzt ein Hoch dir
Am Tisch deiner Zeit
Gedichte
x
Setz mich ab hier lass dich
nicht treten
Vom stotternden Gegenstand
(unter der Hand dir
entgangen)
Dem inneren Absatz
Eingetreten und ausgemacht
Alle Lichter sprach los
Dass du in Blindheit
schreist.
x
Über dir bleibt die Ruhe des Windes
Die Blätter ziehen sich ein
Ins Gedächtnis und rauschen
Vor der Hand: du
Es ist ein Gehupe in dir
Wenn du aufstehst
Kurz vor dem langen Tag
Im Bus wäscht du deine
Gedanken
Nicht mehr
Am kalten Metall
Und die Handgriffe tragen
den Wind nicht mehr auf.
Der Fahrtwind am Morgen
Ist unter dir trüb
Ein Hund rennt mit
klapperndem Blech
Und Sirenen am Schwanz
Durch die Straßen.
x
Wo hast du dich hinaus
gestreut
ohne Kampf und Freund
über alle deine Sinne hinaus
in die Luft
und ziemlich an deiner
Schwere vorbei.
Wo lässt du dich liegen
mit Kind und Kegel
zu Fuß über alle Berge gegangen
und doch immer wieder zurück
wie das Rätsel das mir die
Binde hält
vor Augen und Tag
bei meiner Erschießung?
Die Frage hält sich fest an
dein Wort
Kind ohne Laube
Wann denn ist Herkommen
fertig gemacht
Und wann hast du den Boden
Sicher/ fußfrei noch vor
dir.
ABGRUND DER HERKUNFT ABSENZ. DIE LEERE
März 1978
Die Verzweiflung des Verschwindens
Sense am Bodensee/ sah das
viele Wasser
Mit Durst in den Augen
Heut kam wohl die
Verschmutzung hinzu:
Wir sahen sie vom Fährschiff
aus.
Seltsam/ belohnt wurde er
von einer Vision
Fühlt die Qual/ Taufen und
reinwaschen wollt er sich so
Vom Teufel,
wird heute gefragt!
Herabstieg die frauliche
Halluzination
Der Mutter, Milch des
Friedens, bläulich
Wie feinste Brustader
schimmerts:
Er trank, der sich ansprach
als Reiter
Erbrochen, andauernder Kuss,
saugte
Am eigenen Wahnsinn: Maria.
Herzbefreiende Tränen,
notiert er
Und „Durchbrechen seines
ungebrochenen
d.h. äußeren Menschen durch
sich.“
23.Juni
Spieglein, Spieglein an der Wand
Was nun, wem soll ich
glauben?
Ver- Zweiflng Ungewissheit.
Das Nichts
In zweierlei Form 1.)
Methode: Augustin.
Descartes, Skeptizismus,
Kritische Theorie
2.) Als Krankheit
(Sünden-Fall). Schon
Wittgenstein:“ Der Philosoph
behandelt
die Frage wie eine
Krankheit“.
Beides aber bei Aussetzung
der Fähigkeit
innere Bedeutungen wahr zu
nehmen.
Von Ungewissheit, Schwanken
(Willensschwäche)
Bis hin zur
Geisteskrankheit.
Unentschiedene Schwäche, was
für wahr
Gehalten werden soll
(theoretisch mörderisch
Religion. Spieglein, Spieglein an der Wand,
Was nun, wem soll ich glauben?
Leichtgläubigkeit ist
Schwäche.
Unentschiedenheit lähmt.
Macht krank. Hamlet.
(Verworfenheit. Schwachheit.
Ziellosigkeit!
Wenn die innere Stimme
aussetzt.
Es ist die Krankheit der
Zeit.
Sinnliche und
verstandesmäßige Erkenntnis
Ist nur Stückwerk und
zerschneidet:
Die unangetastete Bedeutung
hat Zugang
Nur durch uns!
„Natur hat weder Kern noch
Schale,
alles ist sie mit
einemmale!“
Der Kern der Natur ist
Menschen im Herzen.
Oder jene Qual mit Durst und
Hitze
Die vierzig Tage auf dem
Sinai.
Er deklarierte sich zum
nachgefahrenen Gott
Der mit den Utensilien der
Menschheit spielte.
Als wärs nicht sie, die aus
dem Strahl
An ihr gesammelt, dass sich
unendlich erkennt!?
1978. Der Regisseur sah den blonden Haarkranz
Der Britin am Nebentisch/
als Schlange
In ein Lächeln gelegt.
Der Lyriker aus Nürnberg
besucht
Neugierig in Lissabon das
Revolutionskabarett
Und lässt sich von der schönen Sängerin
Immer neu fasziniere. In
Pequeno sieht er das Blut des Stiers
Über das
schwarzglänzende Fell fließen.
Die Nonne kommt in mein Haus
Und frägt nach einem, der
hier anwesend ist
Drückt dir eine Ähre samt
Rosenkopf in die Hand.
Da bin ich mit dabei gewesen
Und habe immer nur entweder ins Glas
Oder auf meinen eigenen
Gedanken geschaut.
Lass mich ein, hier kommst
du nicht mehr raus, du trägst den Absatz mitten auf der Stirn.
Die Frage lässt sich sehr
genau abzählen, wie jenen Reim, den ich
auf dein Gedächtnis mache.
1974
VLAD ALS SYMBOL
Das erfundene Vlad-Haus in
meiner Stadt. Man wollte sie Dracula-Stadt nennen.
Vlad Dracul, der Vampir, wird nämlich am besten durch sein leeres Grab
und seine verschwundene Leiche symbolisiert. …Mich berührt die Vampirseele des
modernen Intellektuellen wie ein Selbstporträt. Solch ein Un-Toter könnte etwa
so sprechen: Wie immer wenn ich nach dem Leben griff, blieb nichts in meiner
Hand.
Anderswo ein
unvorgestellter Himmel
anders
als nur ein Mahnmal
mit Geisterhänden nachts,
dieses große
"Zu Spät"
darauf
ist zu malen:
Die Leichen sind abgelegte Kleider
Tarnkappen riesige/ Schleier unserer Augen,
sie sehen nicht, Nein,
sie dämmern,
der Stahlhelm löst sich im Kopf auf, Gifte
der alten Blindheit
zivil, doch wachend
in jedem sind wir
wie immer lang her
die Toten
Stillegung der Geschichte durch ihren eigenen Grund und
Ab-Grund im Namen der Toten, durch ein "Gegenwort", das "den
Draht" zum Normalen "zerreißt".
DER TOD
Der Vollmond glotzt nicht
mehr herein
vibrierte ruhig und war
nicht sie
wo die Berührung töten kann
und heilsam ist
So werd´ ich weiter hier in
diesem Zoo
belassen und werd nicht
abberufen.
Und einer sagt:
"Wohin ist unklar nur
die Angst zeigt uns
dass du dich hier noch nicht
bewährst
nur deine dir gewährte Form
die jetzt den Zustand
überschreitet."
Wenn mich die Angst packt
sie im Augenwinkel
schräg mich sehen
dann wird mein Schatten
konsistent und
aufgerissen eine Naht
die Narbe unverborgen:
Nahtod-Erfahrung
wenn durch einen Riss
so fremdes Licht
in diese Welt stößt
wie ein Akt -
nur ohne mich.
Es ist Inkubation
wie eine Krankheit
weil wir es nicht ertragen
können
mehr zu sein als
dieses uns gegebene Ich
*
Die Sorgen sind ein Tor
in dem die Spannung einfällt
und uns zerstört
Und nachts erst merke ich
dass ich verändert bin
und durch die Wände sehn
und schreiben kann
Neu wirst du werden
und daran gesunden -
genau an dem
was du dir angetan
Bist du erst hier
an diesem Punkt
dann geht es immer weiter
IM BAD bist du
ihm näher. Blut und Haut bist du/ Wasser Gottseidank/ rein also auch.
Und siehst zum Fenster
hinaus, schön, schön die Garten Blumen,
Kastanien,/ grüngrün, und ein Hund bellt.
Es wird hier anders sein/ wenn
du nicht mehr bist. / Bist schon jetzt nicht mehr,/ dein Haus wird schon
abgetragen, sie werden alles ausräumen, Wegwerfen und was hier jetzt zu lesen
ist/ steht am Friedhof. Hinein in die Müllcontainer
Wie dein Körper weggeworfen
wird: sie sagen:
Begräbnis mit tamtam.
Vielleicht eine Rede, der
Wind nimmt sie mit/ sie gehört kaum dazu/ Er
hat dich im Griff/ bist kaum frei/ lebst wo? in der Todeszelle/ genau so / als
wär das Bett auf das sie dich schnallen/ schon/ für die Giftspritze bereit.
Und welche Gefühle hast du
beim Fensterhinausschauen?/ Angst, was ist das? Du wartest auf den Befund, das
wird sich dann hinziehen,/ und L. sagte heute brutal: Ich werde ins
Pflegeheim kommen:/ Allein/ deine Lebenserwartung ist nun sehr
eingeengt.../ jaja… Eingeengt, eingesargt schon jetzt ... zu tief in den
Abgrund.
Wo sich die Worte verlieren
geht nachts die Angst nicht hinab ins Zittern/ nicht und erstaunlich wie der
Lebensinstinkt reagiert.
Du banalisierst/ etwas in
dir hält dich von dem, was du sonst tatest ab: Mit dem Gedanken ans Ende
schwindelnde Abgründe ein-sehn!!!
Nein, nein, du willst deine
Erfahrung jetzt
gar nicht beschreiben,/ sie
sind zu nah, das, was zu schreiben wäre: -
IST. / Denn der Körper denkt / er denkt es für dich.
Unausdenkbar/ was kommen
wird, weißt du es, weißt du es nicht?/ Gibt es dazu Quellen sollst du dich um diese Reise/ ja sie
ist groß / vorbereitend bemühen?/ Alles was ist: du versäumst, was erlebbar ist
fern / eine Liebe eine Stadt einen Erdteil / Alaska Ägypten Indien Afrika oder
eine Helena Beatrice Nadine Marie Natalie – und du sitzt versitzt die letzten
Stunden / mit dicken Einlagen verpackt dein Geschlecht
Und der Arme rührt sich
kaum, ja, doch nur sehr schlecht / der Baum:/ Was noch zu pflanzen wäre/ zu
hoffen.
ORDNEND DEIN WERK?
Ach nein, dein Körper
denkt nicht, lebt es für dich!
So viele Freunde und Alte
sind schon drüben
Im Licht./ Nichts ist zu
tun? Zu warten? Du kamst ja, woher? Und du Gehst, wohin?
Sie, wer? Tun es für dich?
Am Schluss ein Blitz
vielleicht / und dann
Tiefe Nacht, die dich/ ein
Immer besitzt?
CHARON
Unter grünem Rasen
Liegen manche
Manche nur verscharrt
Unterm Todesbaum
Da keine Wurzeln mehr ihn
grünen
Wo kalter roter Fels
Das Herz erstarrt
Nur dunkle Schatten
Zeugen unter falschen
Blüten.
INHALT
•
All Tag als Lebensform ………………………………………………….
•
Brief- und Alltagsgedichte ………………………………………………..
•
Meine Meere………………………………………………………………
•
All und Kunst ……………………………………………………………
•
Exil……………………………………………………………………….
•
Herkunft ……………………………………………………
•
Der Tod ……………………………………………………………………
•
Vita
Dr.h.c. Dieter Schlesak ist in
Transsylvanien geboren, er ist ein deutscher
Lyriker, Essayist, Romancier, Forscher, Publizist und Übersetzer. Er
lebt seit 1973 in der Toskana und in Stuttgart.
Er ist Mitglied des deutschen P.E.N.-Zentrums und des PEN-Zentrums
deutschsprachiger Autoren im Ausland (London). ER lebt in der Toskana und hat dieses Buch
einer geheimnisvollen Liebes- und Mordgeschichte aus der Renaissancezeit der toskanischen Stadt Lucca gewidmet.
Preise/Stipendien. Er hat viele
Ehrungen und Preise erhalten. Zuletzt für das Gesamtwerk die
Ehrengabe der Schillerstiftung/Weimar 2001. 2005: wurde er Dr. Phil. h.c.; 2007
erhielt er den Premio Umberto Saba, “Trieste Scritture di Frontiera”.und den
Maria-Ensle-Preis der Baden-württembergischen Kulturstiftung.
Dieter Schlesak hat sich sein Leben lang
mit Grenzthemen beschäftigt, auch mit
Psychiatrie, Kunstpsychiatrie und Religion, mit
Buddhismus, Tantraphilosophie und Parapsychologie. In allen seinen
Büchern (es sind über dreissig) hat
dieses erlebte Wissen, hat Spiritualität als Reifeprozess seinen Niederschlag
gefunden.
Hier nun auch das rätselhafte Thema der
Wiedergeburt.
Einige
Kritikerstimmen:
Dieter Schlesak ist ein sinnierender, ein brütender
Geist, der fortwährend über das Geheimnis unserer Existenz, über den, wie er
sagt, "Abgrund dieser Gegenwart" sich beugt. In dieser Hinsicht ist
er dem 1979 verstorbenen Ernst Meister verwandt. Das Erstaunliche dabei ist,
die Kritik hat schon darauf hingewiesen, wie weit Dieter Schlesak thematisch
und formal zurückgeht: Bis zur Barockzeit mit ihren metaphysischen
Spekulationen. Diese Tradition kam dem Lyriker unserer Tage entgegen.Rudolf
Hartung, Sender Freies Berlin
Indien ist nicht weit; Ihr geistiger Weg mußte zu
einer Form der Mystik führen. Dennoch ist die äußere Welt auch da - von
Siebenbürgen bis nach Mexiko; wobei immer im Hintergrund die Suche nach einer
andern Wahrheit steht, einer tiefen Wahrheit, die der Geschichte entkommt oder
sie überschreitet. E.M. Cioran, in einem Brief an den Autor
Vertiefung der Sprache zu An-Deutungen; Bilder als
Spiegel innerer Vorgänge von Schau und Abwehr, von Versenkungen, ja, geistigen
Andachten und Grenzahnungen, wo sich das Wort versagt. Die deutsche Sprache ist
Schlesak Notbehelf im Geistigen. Seine Mystik, gespeist aus einem unmittelbaren
Bezug zu uralt trächtigem Kulturboden -der Autor lebt zumeist in Italien -
wendet sich in Auffächerungen unserer Identität zu. Inge Meidinger-Geise,
Die Warte
Seit Goethes und Jean Pauls Zeiten gehört Schlesak zu
den beeindruckendsten Traumerzählern.
Holger Jergius, Nürnberger Zeitung
Holger Jergius, Nürnberger Zeitung
Das "Aus-Land" ist freilich mehr als nur
Chiffre für ein individuelles Außenseiterdasein. Letztlich meint sie eine
existentielle Sackgasse: die Fremdheit des Menschen im ,,Gefängnis" seines
Körpers und der Zeit, die angesichts des Massenvernichtungspotentials auf ihr
Ende zutreibt. Was bleibt, sind tastende Ausgriffe in den Bezirk der Mystik. Hans-Rüdiger
Schwab, Frankfurter Allgemeine Zeitung
Die Ausführungen von Dieter Schlesak haben den Vorzug
der Klarheit. Was bei Heiner Müller bisher dunkel "deutsches
Verhängnis", "Kolonisation" oder "Überfremdung, bei Volker
Braun locker "das nicht Nennenswerte" hieß und von Christa Wolf als
"dunkle wilde Jagd" bedichtet wird ... was also zwischen Kreuzestod
und altfränkischer Schicksalsrhetorik kaum hinreichend verständlich wurde (...)
ist hier plötzlich deutlich." Iris Radisch, DIE ZEIT
Sein Ich ist sich des Zeitsprungs gewiss, sein Ich
warnt den Leser vor allzu großen Erwartungen: Was wirklich wahr ist, gibt es
noch nicht./ Und alles andere ist vergangen./ Die schnelle Geschwindigkeit dieses
Tages/ setzt du auch morgen nicht zusammen. Die enge Verbindung von
gegenwärtigem Geschehen, das das Bewusstsein noch nicht aufnehmen kann, und
einer eben abgelaufenen Vergangenheit, die als Traumsequenz in eine Zukunft
reicht, in welcher alles erst entwickelt wird, was im Präsens zu schnell
vorüberjagt - ist der Übergang, in dem das Schlesaksche Ich stehengeblieben
ist, um in der Fülle des Augenblicks seine vielschichtigen Beobachtungen machen
zu können. Es wählt den quälenden Weg der Offenlegung von Wunden im Zeitbewusstsein
am Ende des 20. Jahrhunderts.
Wolfgang Schlott, Kommune 2
Wolfgang Schlott, Kommune 2
In der
italienischen und rumänischen Literaturkritik gilt Schlesak als einer der
wichtigen Vertreter moderner deutscher Lyrik; ein Band von siebzig Gedichten
mit Übersetzungen ist kürzlich in Pisa erschienen. Jenseits der Alpen hat
Schlesak ein Echo gefunden, das man ihm auch in Deutschland wünscht.
Mit seinem Band "Herbst Zeit Lose. Liebesgedichte" schließt sich Schlesak an die Tradition einer Liebeslyrik an (…) - einer Lyrik, mit der wir Namen wie Catull und Horaz verbinden, die Liebesgenuss und -erfüllung preist. Sie begegnet uns auch in Goethes "Römischen Elegien", deren Titel in einer Handschrift noch "Erotica Romana" lautet… Ein an barocke Vergänglichkeitsklagen erinnernder Ton ist Signal: das Begehren nach dem Augenblicksbegehren verstummt; wahre Liebe will Ewigkeit. "Doch die Liebe ist Leben für immer", heißt der Sammeltitel für eine der Gedichtreihen.… die poetischen Bilder leiten uns unaufdringlich, aber unausweichlich zur Frage nach unserer Endlichkeit, kurz, dies ist ein großes Gedicht. Walter Hink, Frankfurter Allgemeine Zeitung
(Ein
Gedicht wurde in die „Frankfurter Anthologie“ von Marcel-Reich Ranicki Band 31 aufgenommen)
Noch ein Wort zu Dieter Schlesak: Er hat Einmaliges
geleistet, jenseits der Klischeevorstellungen und Stereotypien unserer
Landsleute im Umgang mit der eigenen Vergangenheit im Spannungsfeld von Schuld
und Schicksal, Handeln und Verstrickung:
Als Autor sächsischer, aus Siebenbürgen kommend, ist es
ihm gelungen, durch Talent, Fleiß und REDLICHKEIT, nicht nur in der
binnendeutschen Literatur sich einen Namen zu machen, vielmehr über die
Kontinente hinaus, bis USA, gehört und gelesen zu werden. Hut ab!
(Eginald Schlattner, in einem Brief an St. Mucha, Regisseur/
Arte)
Alle seine Bücher sind bestellbar
bei www.amazon.de oder in jeder Buchhandlung.
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