UMBRIEN, ROM und SIZILIEN
Aus dem TB 2000
(16.4. Dfahrt 2000) Verweser. Das Geschriebene, Erfundene, ist schon reif durchwachsen in mir. Also wie erlebte flashs. Als wäre es
wirklich passiert. Z.B. Bagni di Lucca Szenen. Vielleicht ist so der Verweser
mehr als nur Literatur.
Durch den Chock des Krebsverdachtes: spirituell:
Ich weiß Er wird
kommen
Wenn ich warte offen
Bin
Denkt dann das Herz/ und der Tod
Ist vorbei
Und nur eine Reise
Mußte an die letzten Gedichte Sorescus denken!
1.Mai 2000
Sloterdijk: Ödipus
Reisen nach Sizilien zu Pythagoras. Und dann zu Platon
nach Athen? Das Sichtbare, das Banale der Leute zu überwinden, die jetzt leben
wie die Idioten?
THEOPHANIE, VERGESSEN
Was suchst du da draußen, such dich
in deinem Skelett, es ist nur bekleidet mit Schein
deinem weichen fließenden und schmerzenden Fleisch/ Geistesgeschichte? Lach
ist Nie vergangen ist jetzt: Verschiebung und Wandlung
des alten theophanen Raumes mit dir in dir du Nichts als der Christus/ Opferung
des Leibes unter Foltern und Angst dies ach so bequeme
Theater der Idioten -
Sichtbarkeit aufzugeben
zu himmeln mit Hilfe der Engel
Ach, ich lob mir das Bildverbot der Juden und Gott
Nichts der tief sitzt in dir und
schweigt
Orakel Trancekulte einst Dionys und Eleusis dann der
Gottmensch und weiter tief im Einzelnen Kunststätte Seele immer neue Räume des
Absoluten
das gleich blieb und erschien im Blitz und Chock
Seines Lichts wenn das Ich hochstand und bereit
sich auszulöschen in ihm ohne das gewohnte Theater
des Mobs Mensch
in der Illusion Alltag erstickt
LÜGENTHEATER
Meine Mutter sagte es und fast denk ich
an Klythemnästra: sie sage nichts sie
schone ihren Mann den sie verrate und spielt Theater
ihr Ego ist
allein die Wunde dieser Welt nichts ist
als Lüge sie zu schonen/ niemanden verletzen
Harmonie
verlogen Sein im Kleinsein und gebückt
in kauf genommen das Verbrechen
daß der Schein trügt/ und mit ihm zu leben
als wäre er der einzige Gemahl
Theater auf der Bühne wo alles Nichts
nur sichtbar ist
der Gott ein Fleisack und ein böser
in dem wir kurz gefangen in ihm
am Leben so ins Licht geblitzt und da sind
Sonst nichts als anderhalb Meter tief
der Gott ist eine Grube
wer hat sie uns gegraben in die
wir fallen gnadenlos nichts als ein Fleischsack
am längsten noch sichtbare Dauer
unser Skelett
Auch zum Dracularoman dies Tagebuch.
31.12.99 Zum
Werk gehört auch die - Psychiatrie, Erfahrungen mit Klosterneuburg, Arezzo. Die
Sendungen, Hörspiel. Tagebuch. Adalgisa Conti.
- Die Reisen. Mexiko vor allem.
Und was bedeutet diese hier jetzt in Katalonien?
Barcelona: Picassos Vs, der Mann-Voyeur! seine Kopien,
seine Umwandlungen ins Eigne. Und so meine Werke auch gestalten, wie er die Las
Meninas. Degas und die Huren! Illustrationen meiner Poesia erotica.
Der unmögliche Gala-freund, sein „Schloß“ in Figueres.
Dann aber Walter Benjamin in Portbou und der Kontrast
zu diesem Dollarmaler mit seinem Cadillac. Ein Scharlatan. Dali.
Dann aber VIC, die Totenkirche mit em
Michelangelonachahmungen des katalanischen Muralisten, dann Juan Rulfo mit dem
Totenroman Pedro Páramo, Transsylvanisches als Vater-Totengespräch.
Vater fragte mich, wieso ich denn überhaupt zu dieser
Geschichte gekommen sei, und ich sagte zu ihm, Ja, Tata, bevor ich ganz naiv
werde, was ich am liebsten möchte, als wäre ich wieder ein Kind in unserer
Stadt, sag ichs so, weil ich jetzt so
bin:
Nachdem ich in den letzten Tagen des vergangegenen
Jahrtausends das Picasso-Museum in Barcelona mit den zu Picasso-Malereien
gewordenen Las Meninas von Velasquez und
den umgewandelten erotischen Huren-Zeichnungen von Degas zu picassoiden Hymnen an die V gesehen, und
Freunde, bei denen L. und ich wohnten, mir Pedro Páramo des Mexikaners Juan
Rulfo mir mit den Worten: Hier, sieh, das ist genau dein Thema, in die Hand gedrückt hatte, ich noch dazu am
letzten Tag des Jahrtausends Vic, das ehemalige Ausonia mit der Toten-Kirche
besucht und dort in der Düsternis plötzlich wie vor zwanzig Jahren in Mexiko an
der Wand dein unbewegtes Gesicht wie ein Film über das, was unsere Augen uns
als real vorspiegeln, ziehen sah, war ich dazu entschlossen, das, was es nicht
mehr gab, in den Höhlen der Erinnerung aber noch da war, etwa das Stadthaus an
der Kokel in unserer transsylvanischen Stadt, wo damals bei eurer Heirat das
blumenbekränzte Auto gestanden hatte, mit Hilfe des Mexikaners
wiederauferstehen zu lassen.
Wie ist das
denn bei ihm? Und hörte das Sächsische durch: Wä wor et denn bä äm?
(Viellleicht hoffte Vater, daß ich so wieder sein Sohn, gar Kind werde, das ich
an mir verloren hatte! Den Freunden hatte ich erzählt, daß ich nachts oft zu
solchen Kindzuständen käme, wenn ich über Geister schreibe oder in meinem
Arbeitszimmer Totenstimmen höre, dann wird’s mir unheimlich und ich muß aus
dem Zimmer flüchten, weil sich die Präsenzen im Raum sammeln, mich berühren
wollen!)
Ich dachte
an die vielen Beispiele, an Rulfos Comala, das ich als GedächtnisStütze verwenden wollte.
Denn auch
mußte es immer wieder tun, immer wieder, wie unter Zwang, als hätte ich dort
wirklich etwas Unersetzliches, Kostbares verloren, das nirgends anders zu
bekommen war als in Siebenbürgen. Ich fuhr also nach Hause, S. (sprich ES) heißt der Ort, und hier sollte
mein Vater immer noch leben. Niemand würde es mir glauben, nicht mal meine
Mutter, mein Bruder oder meine Schwester schon gar nicht – wenn, ja, wenn es
die vielen Erinnerungen nicht gäbe, von denen unsere alte Stadt Schäßburg, die
so leer wirkt, dicht besiedelt ist; also dann kannst du es mir ruhig glauben,
würde ich ihnen sagen: er lebt immer noch hier, wie Großvater oder die Ami hier
leben, und natürlich alle die andern, dazu mußt du gar nicht auf den
Bergfriedhof gehen, die findrest du doch in dir selbst, samt ihrer vertrauten
Stimme! Doch nein, alle tun so, als gäbe es sie nirgends mehr, vielleicht noch
auf Fotos!
Auch Mutter,
die ihnen eigentlich am nächsten stehen müßte, verschließt sich ganz, lebt ganz
hier, die Fotowand mit den vielen Familienbildern, den Gesichtern und
vertrauten Köpfen, alle tun so, als gäbe es sie dort an der Wand noch wirklich,
scheinen ihr zu genügen; nur manchmal wird die Erinnerung übermächtig, dann ist
auch Mama nicht mehr da, und dann erst ist sie wieder die alte, als hätte sie
sich bisher auch ganz vergessen.
So gab es eines Tages eine ernste Stunde, die wir fürchten, sie mußte in die Klinik, und alle
dachten wir, das Schlimmste könnte eintreten. Da hatte Mama mich ganz
überraschend gebeten, meinen Vater aufzusuchen. Und ich drückte ihre Hände,
versprachs, und sie schien schon etwas verwirrt, denn sie sagte, er heißt
Victor. und wird sich sicher freuen, dich „so“ kennenzulernen! Was heißt so,
und wieso Victor, Vater hieß doch Erwin K. und er kennt mich doch, dachte ich,
nahm aber Rücksicht auf Mamas Zustand, sagte nichts mehr versprachs nur immer
wieder. Sie murmelte noch: Meine alte
Liebe! Und laß es ihn teuer zu stehen kommen, mein Sohn, daß er es getan hat!
Ja, ich will
fahren, Mutter! Und fragte nicht mehr.
Es war seltsam;
ich glaubte nicht daran, und doch begann es in mir u arbeiten, und s
etwas wie Hoffnung entstand, die meine Träume nährte, die immer häufiger
Kindheitsträume waren. Und zugleich einen bösen Zwiespalt in sich trugen
zwischen diesem Victor und meinem Vater; und schließlich kam eine makabre
Neugierde dazu, und auch Angst, was für ein Geheimnis wohl dahintersteckte, in
jeder Familie gibt es ja so grauenhafte Heimlichkeiten, ja, sogar verschwiegene
Verbrechen. Und diese Unsicherheit kam dazu: Wer war dann eigentlich mein
Vater, was würde geschehen, wenn es nicht jener meiner Erinnerungen war? (Padre
incero est?) Und die geliebte Stadt, wohin ich mich vielleicht noch zu
allerletzt zurückziehen konnte, wenn im Leben alles schief gehen würde, und
eine Menge war schon schief gelaufen, zurückziehen könnte, wenn dieser letzte
Ort auf dieser Welt, dann endgültig
verschwinden würde?
Immer noch bin ich da, und das war am Friedhof mit dem
Grab der Dichterin in Romanyá de la Selva, das ich durch Gitter hindurch
filmte, und der kalte Wind sauste und wird dann auch zu Hause im Fernsehen zu
hören sein, und es stimmte genau,
was ich sie jetzt hier oben flüstern hörte: Das Geheimnis dieser Last, die ich
in mir trage und die mich nicht atmen läßt. Auch die Welt war nicht da und war
mehr da denn je! Und wie bei ihr ist es egal, wo ich jetzt anfange, zu meinem
Leben kann ich nichts mehr hinzufügen, nichts mehr wegnehmen, es ist
unausweichlich abgeschlossen ...
Wichtig sind noch Reisen. Heute war das Tossa de Mar,
erinnerte auch Vik nördlich von Barcelona,
als wärs eine Fahrt nach Rostock und Warnemünde und dann Stralsund, wo
Onkel A. im Krieg gewesen war, den der Spieß doch damals so busereirt hatte;
genau in Stralsund vor Jahren mit Thorsten erinnerte ich es, denn in Vik gibt’s
ähnliche Häuser „modernista“-Häuser, und die Totenkirche in Vik, ach, hieß der
andere, den ich in Mamas Auftrag zu Hause suchen sollte, nicht auch Vik, der,
den ich suchen sollte, ja, Vater, es ist eine Totenerinnerung, ich bin
gestorben und weiß es nicht, suche aber weiter, du hockst in der Erinnerung,
wachst manchmal auf und fühlst mich? Hörst du mich? Lassen wir die andern, die
da durcheinanderreden!
Hab ich mich
verirrt? Komm doch jetzt nach Hause? Erstaunlich, alles steht noch da; und muß
kaum suchen, Vater steht ja da im Stadthaus, im Speisezimmer, an den schwarzen
Kachelofen gelehnt, denn es doch gar nicht mehr gibt, das Hochwasser der Kokel
hatte es weggerissen! und sagt, Du bist schon da, bist schon zu uns gekommen?
Es geht ein wenig durcheinander bei uns, das macht aber nichts, es ist ja wie
ein Traum: so lebt man eben als Toter (Senkwos. Sendung dazu). Und wenn ich das
Papier rascheln höre, sind es alte Schulhefte ...
Durcheinander Schlaf/Todesebene/ Transsylvanien/
VT-MSK.
Vater ist jetzt immer hier neben mir, aber er spricht
kaum, er kommt mir so vor, wie auch L. oft von ihrer Mutter erzählt, einwenig
hilflos, wie im Halbschlaf, und so als müßte ich für ihn sorgen, winzig wie
eine Schmetterlingspuppe.
Das Buch, das ich jetzt schreibe, reinigt wieder, sage
ich zu ihm, es stellt den verlorenen Zusammenhang her, - er aber schweigt
beharrlich, als könnte er mich nicht verstehen: es entwickelt die im Unbewußten
liegenden Fotonegative, und stellt die ihnen zugehörigen Zusammenhänge in der
Assoziation zu bringen, um ihrer tieferen Natur gerecht zu werden, die der Gang
der äußeren Tage, die nur die erste Ebene, ja, der Rohstoff für dieses bessere
Gefäß und Gespinst ist, denn wenn es geschieht, wissen wir noch nicht, was uns
geschehen ist. Es ist eine Rettungsaktion, in der wir ihm mithelfen, wenn auch
mit geringen Mitteln und das Einzelne die Welt zu waschen, zu beseitigen, was
der Verstand, die Gewohnheit, unsere Ichsucht und Eigenliebe, der praktische
Verstand, unsere Vorsicht und Rücksicht mit soviel Mühe an Gefängnissen oder
angeblichen Sicherheiten um uns aufgehäuft haben. Man dürfte vielleicht wieder
vom instinktiven Leben (auch des Publikums) reden, und dem Talent, als Autor sein
eigenes Unbewußtes auszudrücken, sprechen, um so zum Leser zu kommen, ihm
nichts anderes zu bieten als Lupen, um sich selbst zu erkennen. Die größten
Feinde aber sind die sogenannten "praktischen" und "sachlichen
Leute, die das wichtigste, etwa den Tonfall einer Stimme, einen Geruch, die
Nuance des Morgenlichts als Kinderei bezeichnen. Ich erinnere mich meist an
solche Beobachtungen von Lebensaugenblicken, die nachher hier in diesem Buch
zum Gewebe wurden, wie die Beschreibung einer badenden Blinden auf der Insel Capraia:
Oder jenes Badegefühl in Cinque terre, aber auch das
Erlebnis von Eisengefühl an der Hand oder an der Zunge festgeklebte Türklinken
bei 20 Grad unter Null, die zu den unvergesslichsten und intensivsten Momenten
meines Lebens gehören! Auch dieses, nicht nur der Traum überzeugt mich vom rein
unbewußtem und Traum-Charakter der sogenannten Wirklichkeit. Bacovia und
Arghezi waren darauf bedacht, den
"Kitt", also jede rein "gedachte" Verbindung zwischen den
Worten zu eliminieren, um so zur Natur der Dinge zu kommen, die nichts mit dem
Intellekt zu tun haben kann.
Stimmt es, daß der Geist,
wenn er
wirklich wach
und gegenwärtig ist, keine auswegslosen
Situationen kennt? Glauben und Gewissheit
als Glücksspender gehören dazu:
Farbtöne und Fernsicht, Fernblick nach innen möglich,
und möglich für uns, die Späten, wahnsinnsfrei; hörst du die Kultur dort am
Abhang wimmern? Der Kastanienwald am Hang ist nicht mehr blatt-los, die Oliven tragen schon in
der Odyssee jahraus, jahrein ihr Grün. Öl.
Im Tal liegt die kleine Stadt C. Nebel. Hier verlief früher die
Frankenstraße. Friedrich II. läßt grüßen, die Kirche der Abtei war ein
Hospital für Pilger. Auf der Höhe Höfe. Kaiser und Päpste, mal nah, Dante.
Genuesische Wachtürme. Sarazenen. In Luni landete der schwarze Christus von
Lucca. Und jetzt: der Augenblick irre. Und stellt mich doch immer noch her.
Alles ist ruhig. Und wie längst vergangen. Genau. Und als ich oben vor meinem
Haus im Garten stand, empfand ich den Riß: - Diese unerhörten Stimmen, ein
feines Glasklingen im Ohr, und diese Stimmen
sagen, sie sähen uns: der Körper löse
sich langsam auf. Die Krankheit liege
tief, diese Krankheit, wie die meisten heutigen Krankheiten, ihre Erreger
könnten wir nicht sehen, hören oder fühlen. Eine neue Pest, die alles zersetze.
Kein gewöhnliches Unglück, nein: Eine Art Dimensionsgrenze sei erreicht, daher
auch der Übergang und Hinübergang. Es gehe bis in die Atome, Atom,
das Unteilbare teilbar, zerfällt, unser Schicksal: Atom. Und die
Zellen, ja, die Liebe sei auch angegriffen, aus mit dem Hohelied Sex. Die
Widerstandskraft unseres Blutes sei gebrochen. Immunschwäche gehe um, wir können
den Körper nicht mehr schützen, er ist längst im Aus. Der Arme... du sagtest,
und eine junge Geliebte sagte, ihre Atome fielen auseinander, ihr fehle der
Kitt.
Vom verwitterten Turm aus Pieve schlägt eine Uhr, sein
Herz schlägt schneller, das Uhrwerk rasselt, wieder eine volle Stunde, es
klingt durch die graue, Gottseidank noch saubere Mauer an sein Ohr. Er sitzt in
seinem Zimmer, täglich, so versitzt er
sein Leben, und ist doch fast nie in diesem Raum, wie er selten im
Körper ist, der Blick geht ganz nach innen, hinein in ein Lichtfenster mit
schwarzen Buchstaben-Leitern oder Flugschmetterlingen, dem Bildschirmfenster,
es sind Buchstabenreihen, mit denen er abhebt, und hebt nach innen ab, oder der
Blick geht von Zeit zu Zeit nach außen,
dann ist vor ihm das Meer, der Horizont, da schlägt sich das Auge an: Himmel-
und Wasser-Berührung, die Kontur scharf, vor allem am Abend bei untergehender
Sonne, südwestlich Korsika, nordwestlich Ventimiglia, der Golf von Genua, nah
aber Pedona mit einem Fernsehrelais, ein Bergrücken, wie ein liegendes Tier,
kein Fenster gegenüber, keine Häuserzeile,
die den Blick hemmt, nur ferne Dorfkonturen wie eine Fata Morgana, die am Berg
hängt, als wäre alles aus der Zeit geschnitten, als schreibe man nicht 1998, sondern 1581.
Wolkentiere kommen von Westen wie Himmelsinseln durch die Olivenzweige. Alles
ist unendlich klar und offen. Kein Straßenlärm, wie früher in der Frankfurter
Leerbachstraße: ein rotes Auto, ein einzelner Junge, eine Frau mit Hund, ein
Lieferwagen, doch Leichenwagen gab es
keine, schwarz ausgeschlagene, wie in seiner Kindheit in Transsylvanien mit Popen, die Weihrauchfässer schwenkten, in Frankfurt
distinguierte Herren, die, plötzlich an die Vergänglichkeit ihres Körpers
erinnert, stumm den Hut lüfteten und stehen blieben. Hier geht meist Sie durch
das Haus, die Treppe hinab, die er wie in Gedanken hinabgeht, Pause; als
strömte da alles wieder ein, füllt Sie alle Vasen verschwenderisch mit Rosen,
Tulpen, Kamelien, im Winter auch Rosmarin, sogar Orangen oder Zitronen; und
sie raucht, so spürt sie am besten die Pause, ein Genuß: sie steht sinnend an der Tür, stellt Gläser bereit
für den Abendtrunk.
Schon viele Jahre leben wir hier in unserem
Haus. Es ist ein altes Haus, und
es sieht aus, als hebe es sich wie ein Buchstabe aus dem umgebenden Land, ein
einfacher geometrischer Körper, und wirkt fast antik; „cultura uterina“, sagt
sie, „umgebendes Sicherheitsgefühl“.
Und das
hatte er wirklich nötig, der alte Emigrant. Doch ist dieses Sicherheitsgefühl
hier nicht einfach nur Betrug? „Der Riß
geht mitten durch uns,“ sagt er, „nicht erst seit heute, nicht erst seit gestern.“
Und über seinem Kopf spürt er plötzlich diese Leere, Luft?
Der Himmel
ist blau. In der Ferne das Meer, ein Strich. In allen Dingen diese Unmöglichkeit,
es stimmt nicht, daß Dinge hier auf der Erde ganz sein können, wenn wir es
nicht sind, das ist eine Lüge. Sie sind
nicht mehr heil. In jedem Baum inzwischen, jedem Grashalm diese Unglaubwürdigkeit,
an der wir mittragen, weil wir in jeder Sekunde beitragen, daß etwas nicht
stimmt - wir zu ohnmächtig sind, etwas
daran zu ändern, und doch meinen, es ändern zu können. Unnötige Schuld. Alles
nur im Unsichtbaren, in seinem Kopf. Er sagte es nicht, behielt es für sich, schwieg, als wäre jedes
Wort zu viel. Und hätte er es laut gesagt, wäre Sie wieder ungehalten gewesen.
War sie noch „ganz“? Orte dürfen keinen Namen haben, Namen rufen, decken zu. Er
hatte zu viele Namen im Sinn, Worte, Begriffe. Und der Mund starr, er schwieg,
doch in ihm wurde es ganz laut, rumorte.
Er horchte, übte sich darin, zu vergessen, in der Höhle, spürte sein Herz, die
Brust und den Bauch, ging in Gedanken tiefer, sah sein Geschlecht vor sich,
wenn er es dachte, und die Beine taten weh. Er sagte so manches zu sich, am liebsten
wäre er allein, und das war alles so laut innen, wie die Stirne, die Schläfe,
die er spürte, tief in sich, als gäbe es
da noch einen, den man nicht sehen kann, er kann ja auch seine Pupille nicht sehen.
Vielleicht beginnt in dieser Abwesenheit seine Verrücktheit, daß er jene Stimme
gar nicht abschalten kann, er kann so wenig von ihr weghören, wie er von sich
einfach weggehen kann, dieser älter werdende Schmerz, nicht lieben zu können!
Er schreibt,
die Zeilen wie hereingeholt aus dem Land, den Furchen, die der Bauer auf dem
Kartoffelacker gezogen hat: Das wäre gut, doch maßlos untoskanisch, denkt er:
es ist leider nicht zu ändern, die Schrift ist mein Beruf; ich gehe damit weit
zurück, und kann diesem Land entsprechen:
„Es ist ein
uraltes Land. Je höher du die Hügel hochsteigst“, sagte Sie, die ihm den Tee
brachte und auf dem Bildschirm die Zeilen gesehen hatte: „Je höher du hinaufsteigst,
umso verwischter sind die alten Furchen und Steinmauern, unbebaut fallen sie
wieder ins Nichts zurück, - hast du es
nicht bei unserem letzten Bergausflug gesehen? Aber auch als Nichts sind sie
noch wirklich.“
„Danke“,
sagte er, „ich schreibe trotzdem weiter. Und warte, und du wirst dich noch
wundern. Nun gut: Wir haben es nicht gesehen, doch früher war das Land hier
bebaut“. Und Sie sah zum Fenster hinaus:
Die Zeilen dort draußen sagten ihr mehr. Bis hoch hinauf, der Bauer hat es beschrieben:
bis auf achthundert Meter Höhe war das Land außerordentlich feinschichtig gewoben,
wie ein Gedankennetz, bei Fiesole sieht man es noch heute: Linien, Flächen,
Trapeze, dann die Reihen der Weinstöcke, die längst, als wären sie unerlaubt,
gewesen und vergangen sind; dazwischen Diagonalen, Horizontalen, Grammatik
des alten Landes, verdichtet als Rast,
als Punkt der Milde, wo alles noch einmal geträumt wird, die Casa, umgeben von
Oliven, Zypressen, Feigen, Obstbäumen, und
wirkt aus der Vogelschau merkwürdig, abstrakt und doch organisch, als
wäre es das geformte Unbewußte, Muster des Schreibens; Zeilen, Formen, dem
Land abgerungen, und doch etwas zur Sprache gebracht. Es ist uns noch geblieben, in engster Umgebung
.
„Tempi
passati“, sagte Sie, „du meinst es doch auch: Alles ist noch da und doch wie
längst vergangen; ich mag deine
Nostalgie, mißversteh mich nicht, sie ist ja auch meine: bei all den neuen
häßlichen Villette der Neureichen Alles
wird jetzt >neu< gemacht, pompös
und reich, glitzernd und protzig. Schau dir nur an, was für Häuser die jungen
Leute unserer Umgebung in die Landschaft gestellt haben, die Kinder unserer
früheren Bauern. Alles so gelackt, daß sich die Kastanien schämen, einer hat
sogar eine elektronische Anlage an der Garage - mit Fernbedienung. Oder die
schöne alte Apotheke an der Ecke, die
ist nun ein kleiner kitschiger Marmorsalon, und nicht wiederzuerkennen. Das
geht rapide. Die Tante-Emma-Läden sind nun kleine Minimärkte, und alles ähnelt
immer mehr Bigmac und den Ketten der scheußlichen bunten
Pop-und-Plastik-Kultur des McDonald (in Griechenland, in Spanien, in Portugal
ist es nicht anders!). Aus ist es mit der SCHRIFT des Landes; und schau dir die neuen Moden an, dieses
Gestylte, diese Hahnenkämme und das Computerfreakhafte mit Juppyeinschlag.“
„Alles
kleine Bankkaufleute und Nichts im Hirn!“ Wirft Er ein und freut sich, daß Sie
endlich einmal wie er denkt: „Ein Reichtum im Teuren und Künstlichen!“ sagte
er: „Mir ist es schleierhaft, woher die soviel Geld haben. Die letzten alten
Dinge sind jetzt endgültig
>erneuert< und ersticken in ihrer Verpackung.“
„Die
Landkirchen hier haben einen offenen Dachstuhl, er paßt zum alten Land, das wie
eine Ruine daliegt, die Landkirchen mit offenem Dachstuhl schauen fast schon
wie Vergessene ins Land“, sagt Sie:
„Ich empfinde es so: sie schmerzt, diese
strenge geometrische Klarheit, die kein Abbild des Organischen, kein Spiegel
des himmlischen Jerusalem ist wie bei den Deutschen und Franzosen in ihrer
Gotik, nein, einmal war es hier der
Gleichgewichtszustand zwischen Himmel
und Erde, es ist ein besonderes Lebensgefühl, hast du es nicht bemerkt?“
„Es sagt mir
besonders zu, ich habe es gern: bei den alten Bauern ist es noch spürbar, von
denen jetzt die letzten aussterben: diese herzliche Distanz; diese
maledetti toscani hatten früher, als es sie wirklich noch gab,
erkannt, wie kraftzehrend und unökonomisch die Extreme sind, Schönheit aber drückt in
aller Einfachheit letztlich das
Praktische aus...“
Und sogar Machiavellis praktische Staatskunst,
diese Taktik zwischen Zufall, der fortuna, und dem freilich schillernden und
vieldeutigen inneren Ordnungsbegriff virtù gehört dazu. Es war einmal, ja,
einmal wie ein Märchen, und vielleicht
gehört ihre Sehnsucht immer noch in jene alte Landschaft, deren Ruinen jedoch
Löcher haben, als könnten sie durchsehen, jetzt nach vorn; jenes unangemaßte,
ja, unbewußte Wissen vom Rätsel des Wachseins, die Klugheit jener Geistesgegenwart,
die Skepsis nicht ausschließt.
Man könnte denken Börne habe recht, Heine stellt das
als Motto an den Anfang seiner „Harzreise“:
„Nichts ist dauernd, als der Wechsel; nichts ist
beständiger als der Tod. Jeder Schlag des Herzens schlägt uns eine Wunde, und
das Leben wäre ein ewiges Verbluten, wenn nicht die Dichtkunst wäre. Sie
gewährt uns, was uns die Natur versagt. eine goldene Zeit, die nicht rostet...“
aber dann?
Fahrt nach Rom. Ich lese im Zug S. Cramers Aufsatz
über Johnson, Kunert, Haufs. Und überdenke eine Shelley-Sendung: eine Art „Seestück“, den Schiffbruch und Tod Shelleys vor unserer
Küste hier bei Viareggio. Plane einen Text über Thukydides. Denn genau über
dieses denkt die Sibylle Cramer (im „Literaturmagazin
25) nach „Das Sehen schreibend zu einer Beschäftigung machen“.
Wie entziehen wir uns dem offnen Geschichtsverlauf,
also der Zukunft, - durch Stoppen der
realen Zeit? Durch irgendeinen festen Wohnsitz in der Zeit? Durch Geschichten
(erzählen)? Doch so lange wir leben ist dies unmöglich, Zeit, unsere, vergeht
trotzdem! Das Dilemma kann nur als Dilemma gezeigt werden. Die Geschichte wird
mit dem Augenblick, der war, abgeschlossen, das Erzählte, ist ein Mauer vor der
Zukunft, eine erstarrte Sequenz, LebensGeschichte also durch Geschichten
aufgehoben. Sie tritt in die beruhigende
Form der Vergangenheit erst nach dem Tode dessen, der sie erlebt: Schreiben simuliert diesen Zustand des Todes, es kann aber nie ganz gelingen, denn „außen“
geht die Zeit trotzdem gelassen weiter, so lange wir hier sind, gleich-zeitig
auch leben!
Ich hatte Hella eines Tages, es war kurz
nach unserer Begegnung, und unserer ersten Liebesnacht, auf mein Boot eingeladen,
und den geheimen Wunsch gehabt, mit ihr nackt zu segeln, mit diesem wunderbaren
Gefühl der Körperfreiheit im offenen Meer beizulegen, und dann mit ihr auf Deck
zu vögeln. Wir segelten genau an der Stelle, wo Shelleys Boot untergegangen
war, und sie wollte etwas darüber wissen; ich erzählte ihr, was ich über diese
letzte Segelfahrt wußte; dann wollte sie in Shelleys Gedichten lesen.
Schließlich wollte sie selbst segeln. Sie legte das Buch, in dem sie gelesen
hatte, ins Cockpit, nahm die Pinne. Ich aber schlug das Buch auf, und war
plötzlich darin verschwunden. Fühlte nun die Zweigleisigkeit und jetzt
Dreigleisigkeit der ZEITEN. Ich jetzt, der sich nun hier
erinnert, jener der schreibend und
lesend in sich versank, ich war also und bin auch jetzt wie nicht da. Das gerahmte
Seestück dort sehe ich schon, weiß aber, so, wie ich jetzt sehe, ist es nur in
meiner eigenen Wahrnehmung, und vergangen. Doch segelnd, denke ich es, daß wir
damals segelten und ein Bild schiebt sich über das andere. Und stillgelegt,
ein BILD in mir. Schon dort auf dem Boot versuchte ich, sie hielt das Steuer,
das Sehen schreibend zu einer Beschäftigung zu machen, wie Shelley, der genau
hier in dieser Bucht oft gesegelt war, damals 1821, der auch auf seinem Segelboot schrieb, es ebenfalls
getan, was ich im Vergangenen getan hatte. Und las ihr eine Strophe Shelleys
vor:
Wie Wolken fliehen Hoffnung, Würde, Liebe,
Sie bleiben nur
auf ungewisse Zeit. -
Der Mensch wär stark, besäße die
Unsterblichkeit,
wenn der erhabene Geist nur in ihm bliebe...
DAS BOOT. Überfahrt. Die etruskische Küste hinab bis Populonia. Hier sah ich die ersten Münzen der Gegend im Golf von
Baratti in der etruskischen Nekropole: Drachmen. Und im Bergnes Populonia das
Museum mit dem Tränenkrüglein und dem phallischen Grabstein, das Ei dazu der
Frau: Tod und Leben. Und der Totenkopf eines Zwölfjährigen. Langher. Langher?
Beim Herabsteigen in den Golf, Rundblick bis nach Elba: da sehe ich Kinder, die
mit Wildschweinen spielen! Und dann die Abfahrt.
Das Reale ist
hart/ fordernd, das Schiff unter dir, jede Sekunde Zeiteneinheit spürbar der
Mühe, über deinen Kopf hinweg; das Meer schäumt, dazu etwas Fades, Langeweile ,
Enge des Körpers, den du gegen die Elemente verteidigst. Die Gedanken wie festgebunden
an Ankerketten, Tauwerk und manchmal ans Ruder. Hart war die Arbeit frühe. Es bleibt das Meer. Die starke Welle der
Zukunft. Die kreist stark ist die See in uns. Und grausam. Der Geruch von Teer.
Das Schlagen des Falls/ verdeutlicht die Sekunde Der Angst. Keine Zeit bleibt
zum Atem holen. Tagebuch 22./29.7. 81
UMBRIEN/
ASSISI
In der Eremitei Dei Carceri und auf dem Berg Alverna
da merkte ich, daß es tatsächlich einen genius loci gibt, der unvergänglich zu
sein scheint. Eichen und ein härenes Gewand. Tagebuch, 1977
Sei gelobt, mein Herr
Durch unsere Schwester, die leibliche Frau Tod.
Selig die, welche sie findet einverstanden
Mit deinem heiligsten Willen.
Ihnen kann der zweite Tod nicht schaden.
Aus dem
„Sonnengesang“ des Franziskus
Aber die Panne 20 km vor Rom. Einfach das Benzin ausgegangen.
Banal und dumm. Die Pannenhilfe behandelt mit wie ein Gespenst, das eigentlich
nicht existiert. Viel Polizei, Angst vor den Brigatte rosse. Der einzige
Freiraum der Raum der früheren Massaker: Colosseum, Forum Romanum. In einer
Kneipe dahinter bei Frascati Gespräche mit L. über meine erste Ankunft in
Deutschland. Die Abfahrten aber nehmen nicht ab. Leben: Zwischen Abfahrt und Ankunft?
Überall in den Olenaderbüschen die Liebespaare. Abends aber der Philoktet von
Sophokles, Glauco Mauro in der Hauptrolle im Teatro Argentina Leute in
Alltagskleidung im Prachtheater. Denke
an Heiners Stück. Schreibe noch nachts in den Thermen des Caracalla bei
Vollmond:
Der
Bogen ist die Wunde des Philoktet
Das
Tor, nicht mehr
das
Grab im Kopf. Es blinkt in ihm der Punkt
hat
Recht so fern zu sehn: ein Stern der längst erlosch.
Nicht
Zenon ists, Nein,
Zen. Der Bogen/ ist
gespannt.
Nach Hause kommen.
Die
Mythen sind die Basen, halt sie hoch
durch
die Gedankengänge hallt der Schuß im Flug.
Das
Nihil laß am Boden liegen, eklige Haut, den Tod.
Da ist
doch einer in mir, wartet, spricht mich aus,
wenn ich bereit bin, selten, leider. Und sagt jetzt
deutlich
hör
ichs: D., es ist genug.
Kein
Pfirsichbaum in kein Gitter geflochten/ unter der Mauer
ausgesetzt:
ist er das Eiland/ um ihn der Mann mit dem Bogendie Heimat die ihn ausgesetzt.
Er hasst, was ihn
auf die Erde gebracht. Die Eltern die Leute das Land?
Was
gebraucht wird ist der Bogen.
Sie kommen ihn holen. Sie sagen, er diene
dem
Boden, nicht sich.
Der
Schuß muß töten. Nie nur in Gedanken.
Das
Nihil kam an. Und wollte entkommen
und kam
auf dies Eiland. Die Zeit verging mir so:
Alt und
vergeblich. Doch sie, sie blieben :
Etzels
Saal ein Zitat/ im Kessel
von
Stalingrad. Alles ist und
nie nur
einmal (als wärs eine Hoffnung?)
Abgefroren,
die Zehen. Der Bauchschuß. Blind,
die
Augen/ brennendes Flimmern Schnee.
Heut
ist der Bogen
Nichts
und dauernd gespannt. Zerreißt im Hirn
der wartende Schuß eine Leiter.
Wer
jetzt den Feind getötet hat, stirbt selbst.
Nach
jedem Krieg blieb ein Haus, ein Übriges
von Bäumen Tieren. Doch jetzt radiert sie
schon
der Frieden aus.
Philoktet
stand mit der Wunde auf
dem
Feind aus jeder Heimat entgegen -
mit
ausgestreckter Hand versöhnt, den Bogen fort
gespannt
zur Null sie dröhnt! Versöhnung überholt
bleibt
unversöhnt und nur ein dummes Hier im Leben.
(Tagebuch,
5.Mai 1975)
An
einem Montag also waren wir in Rom angekommen, notierte ich später im
Tagebuch: Wir hatten den Abend gemeinsam
im Biotheater verbracht. Dann waren wir
in einem Lokal gewesen: redend, redend,
redend. Am nächsten Tag mit dem Bus zum Bahnhof, von dort mit der Linie 106 zum
Vatikan. Wir waren kurz vorher ausgestiegen, am Tiber entlang gegangen, den
Blick in gelbem Brackwasser, die hohe Mauereinfassung gesehen, Grasflecken
schwammen oben, Platanenzweige, die nach
unten hingen, stachlige Früchte an dünnen steifen Zweigen. Wir spannten den
Schirm auf, Nieseln und etwas Gemütlichkeit, weil die Lichter angingen, späte
Platanenblätter, ein raschelndes nasses Gehen, halb vegetal und gedämpft.
- Vom Corso dann auf den Ponte Vittorio
Emanuele, geflügelte Wesen auf dem Geländer, die mühsam ihre Kreuze
schleppten, den Rücken uns zugewandt, als stürzten sie sich in den Tiber,
schräg links aber das Ospedale Santo Spirito, und rechts die Piazza. Rut, da
stehst du davor: Mole Adriana, Castel Sant‘ Angelo ... Museum ABENDLAND,
JETZT. Die ENGELSBURG, o wie alt:
Hadrians Mausoleum, ach, nein, das Mausoleum des Abendlandes, da liegst du
begraben, du Schöne, Europa. Und dazu Sirenengeheul des Unfallwagens oder der
Polizei, Blaulicht, Sirene. Rom: Castel Sant‘ Angelo, das Todeskastell: Pest
mit dem Papst Gregor, hör ihn, den monotonen Gesang in Katakomben, und Beten,
der Engel aber oben auf der Zinne
steckte verlogen sein Schwert in die Scheide. Frauen kommen und gehen und
schwätzen so/ Daher von Michelangelo, mit Stöpseln im Ohr, akustische
Führung. Wie reimen wir weiter, Sonette in Kasematten, unten Verliese: Als ich mit Sie dann am Campo di Fiore stand,
an Brunos Todesplatz, begann ich zu zittern, hier in den Verliesen hatte
Bruno vor der Verbrennung, man stelle
sich vor: Zelle um Zelle im Feuer, - in der Folter gelegen, und oben über ihm
der Prunk der Päpste. Es ist noch Zeit, ja, für Zeugung, Mord, Zeit für Werk
und Hand. Säle Clemens‘ VII., und dann die östliche Hälfte der Terrasse, Ölhof
mit der Zisterne Alexanders, des Borgia, Öl - und Getreidespeicher sind zu
besichtigen und die Hinrichtungsstelle. Hier wurde enthauptet, gehängt, erwürgt, ersäuft, erdrosselt,
verbrannt, lebendig begraben, sagte Rut, die auch den Horror fotografiert, fast fröhlich sagte sie
es, denn sie weiß vom Tode viel, und arbeitete gerade an der Fotomontage eines
riesigen zerfressenen Totengesichtes. Ich aber meinte schon einmal hier
gewesen zu sein und redete sehr schnell,
als müßte ich darüber hinwegkommen, als täte es weh und dachte doch an Nicco,
als wäre er dabei: Häretiker, Philosophen, Dichter, und Giordano Bruno wurden
gefoltert, ließen sich nicht brechen.Und überlegte, warum wohl die Herrn
Bischöfe und Päpste solche Angst vor den freien Energien des Geistes
hatten. Wehe es wäre wahr, was wahr ist:
und es wird wirklich, was tatsächlich wirklich ist: das Jüngste Gericht,
gemalt schon an der Altarwand der Sixtina.In Sälen, Kammern, Treppen, Gängen
des alten Mausoleums ein perfektes Labyrinth, und unsichtbar ein Ungeheuer,
brüllend, verirrt, wohl der Stier der schönen Europa. Und ein Faun überreicht
der Unersättlichen auf ausgestreckter
Hand seinen großen Penis, den er sich, heftig tropfend, amputiert hat; Entsetzen in den Augen, Lächeln auf den
Lippen, hier im Grab. Träumender Geist, aufgelöst das Grauen? Wie die vegetalen
beinlosen Mädchen, aufgereiht und aus Blumen sprießend. Rückerinnert, der
Chock: aber er hat sich gemildert, es
wird Traum, was Tod war, die Grenze überschreitend, die Höhle, um aufzusteigen,
Das
Jenseits der Zeit jeden Textes und
Fragmentes aus der anderen Zone von Möglichkeiten jenseits des Todes ist
fruchtbar: Spiegel des Un-Wirklichen, das
wir heute ertragen müssen. Und solch eine Fiction ist wirklicher als der
Schein, der sich Leben nennt. (Mai,
1988)
Von Rom kamen wir her, Bocca della Verita. Und du küßtest
mich wirklich auf den Mund.. Ich hatte mich rasiert und mir die Haare gewaschen,
das tue ich morgens sonst nie ...
... dieses Heft, lange nach dem Krieg geschrieben,
„hätte gut niemandes Heft sein können: so tief unterhalb menschlicher Wege und
Reisen liegt der Sinn eines Menschenlebens verborgen ...“ (René Char).
In Sorrent fragte ich damals nach dem Preis des Hotels
„Syrene“. „Damals“ wars/ hoch über dem Steilufer/ Palmengarten/ schöne Räume
der „Villa Pompejana“/ zu teuer/ vor drei Tagen war sie geschlossen. Zimtgeruch
und wie ein Wunder/ die alten Lampen über uns. Sägen und ein Geräusch wie aus
der Kindheit in Transsylvanien (Herr Nagel und mein Kopf!) /Und der wahnsinnige
Tasso kam mir entgegen. Langher.
Auch unser Leben ist langher gewesen: 1972, damals Dezember:
„Orangen reif und leuchtend über dem Meer. Kein Tourist.“ Es war auf der
Rückfahrt von Amalfi und Positano: „Bei Nacht noch schöner der Golf. Drüben
liegt Neapel und der Vesuv.“ Lang her, gewesen
Begegnete dem Dichter Andres in Positano/ und las dazu
Tassos Gerusalemme, samt irren Briefen an seine Schwester. Langher./
Und Parsifal aus dem Radio (eine Kassette im
verzauberten Garten des Klingsors. der kam aus Siebenbürgen/ War er müde und
erschöpft/ kein nervum rerum?/sah Herbst und Reif/ kam die Sonne wie auf der
Mole von Amalfi/ die Liebe überwinden und mit den Sinnen wie im Tod ganz hinübersein/
das Mantra am Morgen: diese Ruhe im Hotel „Magna Graecia“ und um 6 aufgestanden/ sah Eleas Unbewegtheit vor
mir.
In Sorrent aber Tasso/ von Stimmen umgeben: So fühlte
er die Angst vor der Inquisition: Einer war da, sagte ich zu L. auf dem
Spaziergang zur Marina Piccola durch tiefe Tuffschichten: Einer war da in
Tasso/ der glaubte- / der andere aber/ die Skepsis/ spaltete ihm das Hirn./ Es
zeigte ihn an jener der glaubte...
Die Steilwand in Positano/ als rutschte man von ganz oben
ab von der riesigen Höhe/ wie im Traum/ und dort hat Er vielleicht zu Tassos
Zeit/ noch einen Blick herab geworfen/ jetzt sind wir geteilt/ bald völlig
getrennt/ Wolken seh ich/ und wir gingen zu Fuß die lange Treppe hinab/ das
Auto stand auf dem Hauptplatz/ wo die Genies der Muße saßen und redeten/ der
Wirt unseren kleinen Hund vertrieb.Terrassen auch auf Capri/ mein Gott vor
1957/ wann war das: 1943!/ Leben am Rande der Ereignisse/ hier versteckte sich
damals Anders. Auch er schon längst tot!/ Erzählte es deutschen Kriegsgefangenen:
„Fatamorganen in der Wüste der Echolosigkeit“./ Das kleine Buch „Positano“ aber
blieb, wie dieses Echo hier!
Welcher Krieg tobt in meinem Innern/ 50 Jahre danach/
und gestern waren wir in Montecassino/ Ursprung aller Klöster/ und drei Tage
vorher in Positano und Amalfi/ die kleine Stadt mit Klingsors verwildertem
Garten/ Blicke von der in den Felsen
gehauenen Straße/ von Sorrent am Kap/ aus der „Villa Maria“ neben einem
Ospedale/ blau der Himmel, nein, azur wie bei Gino Campana:/ „göttliche Küste
also/ frei der Tag/ nur das Herz wund/ allen Ernstes. Und könnten die Zeit so
brauchen - zurückgestellt und zerflossen die Uhr!
Mai
1983
Sog der schwarzen Löcher. Welle und Körper, wie gesagt. Und deine
Logoreia, dafür kommst du in die Hölle. f a e b d c -
Kepler hat es als „fame, miseria, fame“ ausgelegt, Hadyn, Die „Schöpfung“! Und Ich hörte es wie
Sphärenmusik in der Ferne... die ersten
Geigen durch f (fame) un-vollständiger Dominantseptakkord, der sich nach
C-Dur löst, denn es ist ja noch Nichts
fertig, sondern die Melodie in den Violinen geht über fis, als Leitton
verkappt, leer nach g. Ist aber nur scheinbar ruhend aufgelöst.
Jeden Augenblick kann etwas Ungewöhnliches geschehen,
Und der Leitton quält. Alles immer unvollständig und drängt in der Schwebe
weiter. Unfertige Auflösung, denn das Orchester verläßt die ersten Geigen, die
spielen oben weiter, schwächliches Thema als Kadenz nach Es-Dur. (Fame, miseria,
fame, e aber als Es. Mein Gott: ES). Diesen Akkord hatte schon Johannes Kepler
in der Sphärenmusik des Alls als
Schwingungsakkord der Erde ausgemacht.
Kepler lebte, als sein Elend begann, in Linz; er war,
weil er geforscht und geschrieben hatte, einsam und heimatlos. Bis zum Tode
Kaiser Rudolf II. hatte er als Hofastronom in Prag gewirkt, mit Tycho Brahe die Epheremiden
erforscht und Sterntafeln
aufgestellt.
„Es gibt nichts, was ich lieber erforschen und wissen
möchte als dieses,“ schrieb er aus Linz an einen Freund nach Straßburg: Kann
ich Gott, den ich bei der Betrachtung des Weltalls geradezu mit Händen greife,
auch in mir selber finden? Ich habe mich lange und schwer mit diesen Sorgen
herumgeschlagen, das Jahr ... war jammervoll und auf allen Seiten verderblich.
Vor allem erhielt ich vom Hof keinerlei Zahlung. Meine Frau... wurde von
Melancholie ergriffen, erkrankte zu Ende 1610 am ungarischen Fieber, Krämpfen
und Irresein. Kaum besserte sie sich, als im Jänner 1611 drei meiner Kinder von
den Pocken befallen wurden. Inzwischen besetzte Erzherzog Leopold mit einem
Heeresteil die (Prager) Kleinseite jenseits des Flusses.“
Hör, das Mißlingen dazu: 3 Mal versucht es das
Orchester, die Flötentöne gehen klagend
hoch. Ins Unmögliche, sagen wir. Wie läßt sich Unten und Oben zusammenbringen,
ihr fühlt es in euch solange ihr lebt und im Körper seid, es ist noch da, dies
Furchtbare, die Spaltung, das Unerlöste: Schwebendes Zögern, Holz, Celli,
Fagott gehn erfolglos hoch, das Chaos wabert in der Tiefe, gurgelt, dreimaliges
ergreifendes c-moll, Warten, Schreien nach Erlösung von unten. Schmerz des
Ungeformten, des sinnlosen Banalen, des Vielen da. Ein UNISONO wieder, Pianissimo.
Zur selben Zeit starb mein Lieblingssohn... Er glich
ganz der Mutter... Man konnte ihn eine morgendliche Hyazinthe in den ersten
Frühlingstagen nennen, deren zarter Duft das Zimmer...füllt. Der Junge hing so
sehr an seiner Mutter, daß man nicht sagen konnte, beide seien „krank vor
Liebe“; beide waren rasend vor Liebe. Ich mußte mit ansehen wie meine Frau in
der Blüte ihres Alters ganze drei Jahre lang von den wütenden Säften in ihrem
Körper heimgesucht, erschüttert und schließlich zerrüttet wurde, so daß sie
nicht selten geistig verwirrt und von Sinnen war... (Sie war) bis in die Tiefe
ihres Herzens durch den Tod des kleinen Jungen getroffen...Von den wüsten
Ausschreitungen der Soldaten und von dem Anblick des Kampfes in der Stadt
betäubt... Schließlich kamen österreichische Haufen hinzu, die ansteckende
Krankheiten mitbrachten. In melancholischer Mutlosigkeit, der traurigsten
Geistesverfassung unter der Sonne, gab meine Frau schließlich ihre Seele
dahin.“ So mußte er arbeiten; von den meisten für irr gehalten, Spinner mit dem
„Schwindelhirnlein“. Er aber hielt die andern um sich, die Alltagsmenschen und
nur am Faßbaren Interessierten für wahnsinnig. So wünschte auch Kaiser Rudolf
II von seinem Hofmathematikus eine Berechnung der Nativität Mohameds und Kaiser
Augustus, das nach Horoskopen zu erwartende Schicksal des türkischen Reiches
usw. Alle waren an seiner Arbeit höchstens noch
aus rein egoistischen Gründen interessiert, vor allem Horoskope mußte er
stellen; alle wollten sie hören, ob sie reich werden oder krank werden, Glück
oder Unglück haben, wie sie ihre Feinde besiegen, ihre Nachbarn übervorteilen
können: „Item hat es unter dem gemeinen Mann, ja wohl auch unter den Schreibern
und unter den Hofleuten so viel grobe
unverständige Knebel (im Hirn), daß sie
immerzu einem Sternseher in den Ohren liegen, und meinen sie sollen ihnen viel
von künftigen Dingen sagen... Gleich als wenn die Werke Gottes anders nicht
würdig wären, das man sie anschauen und ihnen nachrechnen sollte...Er komme
sich oft wie ein Irrenarzt vor, der einem Kranken eine Medizin verordnet,
schrieb er in einem Brief: daß seine Umgebung...In Worten und in Gebärden dem
wirren Gerede geistig Gestörter gleicht.“ Und dem unpassenden Spott entgehe er,
indem er den Leuten „den blinden Hinterkopf“ zeige. Wer aber nun wirklich
wahnsinnig war, er oder die andern, das
ist ja wohl nun undiskutabel!
Er war an keinem Nutzen interessiert, wie ein Kind:
Musik der Sphären, musikalische Gesetze und Formen als Mathematik: Gesetz der
Welt - daran glaubte er, und daß es sie gibt, das war ihm Rettung. Auch vor dem
furchtbaren Leben. Im Kleinen gelang ihm nichts. Konnte er den Alltag nicht mathematisch
angehn, scheiterte er, wurde umständlich, wie Dostojewskijs Idiot. Wo es aber
gelang, da meisterte er für immer ein Problem, auch für uns.
Das kindliche Staunen selbst, da zu sein, und dann ein
Hervorbrechen: Licht, das nun schon Form
ist, Jubel, Strahlen C-Dur-Fortissimo.
„Die wilde Welt der Todten“ ists. Bevor die Zeit einfiel, und wir in
sie. Und war das Ungebundene,
begriffslos. Da ist auch heute kein Ab-Leben, du weißt.
ÜBERFAHRT
Dann standen wir oben auf dem Berg
Kalabriens und sahen hinüber
Richtung Catania. Wie ein altes Märchen
ließ uns Sizilien das neurotische Herz
wieder höher schlagen.
Auf der Autostrada del Sole
kurz nach der Überfahrt (Ulyss hatte auf dem
Wasserso komisch gelacht) kam es bei Messina zum Autounfall (ohne jede Schrecksekunde)
Scylla und Carybdis
Porticello/ bei Palermo
Gänsehaut. Fieber vom Scirocco. Gerüche in der Nacht
dazu: Jasmin, Orangen. Endlich das Hotel. Im Fernsehraum ist es wieder
furchtbar laut. Überhaupt dröhnt es hier stärker in den Ohren als in Frankfurt
oder Köln. Autos, Motorräder, Lautsprecher, Fernseher. Das Geschrei, die lauten
Stimmen der Leute. Alles auch viel brutaler, greller: der kleine Liftboy,
Hotelsklave ist erst zehn, und arbeitet
zwölf Stunden am Tag; niemanden stört das. Er klopft schon 6h20 , fragt , ob
wir Kaffe wollen.Und es ist doch heimaltlich, Balkanerinnerungen, die
Walachei.Marcello erzählt, wie er in der Schweiz gezwungen wurde, anders zu
reagieren als hier, z.B. leiser zu sprechen, seine Freude weniger stürmisch und
herzlich zu äußern!
Heute und gestern waren wir vom Scirocco so
dumpf, daß wir fast nichts von der Landschaft wahrnahmen. Außer in Messina und
Umgebung, wo die üppige Vegetation ins Auge stach. Ja, und wir waren ja unserer
Sehsucht nachgefahren, anders zu sehen als gewohnt. Lernen Ptolemaeus zu
vergessen, zu sehn, was wir wissen, daß nicht die Sonne, sondern die Erde
täglich untergeht. Doch die Kleider kleben uns fiebrig am Leib. Fieberträume
Realität. In der Ferne sind die Liparischen Inseln zu sehen, wie eine
Verheißung, en Horizont erreichst du nie... (17. Mai)
SPÄTER GELA/ Sizilien
Aeschylos starb hier wie eine Halluzination
Sein Leben/ Occident, ein verschrobenes Irren Land,
Gott es ist wahr,
Aeschylos starb hier, weil sein Kahlkopf einen Adler blendete,
der flog, welch
ein tragischer Zufall gerade Jetzt
über ihn, den Erfinder des Trauerspiels kopfwärts
hinweg/ das Herz war von oben ja nie zu sehen
nur der blendende Kopf;: ach, der geblendete Adler
oben
warf die Schildkröte (auf der ja bekanntlich die Welt
ruht)wie einen ein goßen Stein vom Himmel also brachteden Kahlkopf um, er uns
immer noch blendet:
Und du sagst,
es gäbe kein Leben nach dem Tod?
Und dann Palermo, Siculina Marina, Agrigen und
Empedokles, Palma und die Riviera des Ghattopardo mit der Donna Fugata,
Caltanisetta, Piazza Armerina, Ragusa mit dem gewaltigen Canon. Noto. Syrakus
mit der Grasblüte des Papyrus. Archimedes in Erinnerung. Und am 1. Juni „Medea“
im Griechischen Theater. Exil und Schrecken der Liebe: (Das furchtbarste in der
Welt ist das Vaterland zu verlieren!) – Dann Catania. Aci Trezza (La terra
trema!) Der Ätna und die Todesgefühle in der brennenden Steinwüste. Taormina.
Tropea. Ach, Sizilien, in Eraclea Minoa, seltsamster Hafen des Mittelmeeres,
entstand Sizilien: eine Handvoll Kreter
kamen da an Land, zerrten die Insel so ins grelle Licht der Geschichte.
Und passend zur Logik des Occidents oder ists schon
die Levante: Ein Kreter sagt, alle Kreter lügen, also lügt er auch, also sagen
alle Kreter die Wahrheit: wo begann unsere Paranoia, hier? Oder langher im
Minoischen Labyrinth?
Und dann wieder der Stiefel: Tarent. Brindisi: Der Tod
des Vergil (Broch). Die Überfahrt. (8. Juni)
Patras. Korinth. Fahrt durch den engen Isthmus. Die
harzige Luft. Das Meer blauer, die Luft
flimmernder. Die Landschft karger. Wie ein Traum, kann kaum erwachen. An
Eleusis vorbei. Ist das mögliche, da vorbeizufahren? Piräus. Einschiffung nach
Kreta mit der „Minos“. Ach. Von der Souda Bucht nach Agios Nikolaos. Sitia. Dann zurück nach Kritsa. Und
zur Dike-Höhle. Malia. Und Knossos.
Es begann in der Kindheit: als Kind war ich
ein Einzelgänger, immer allein, und alle Zimmer des Hause waren von den Eltern,
von den Großeltern, von den Geschwistern besetzt, in der Diele aß man, im
Vorzimmer war immer große Bewegung, so richtete ich mich meist zwischen den Zimmern,
auf der Schwelle ein. Also immer auf
Übergängen kam es mir vor, daß ich nach
„ Hause“ kam, mich wohl fühlte, an Orten, den die anderen kaum
beachteten, der für sie gar nicht
existierte, leer war, übersehen wurde; da ging man schnell darüber hinweg, um
in einem Zimmer und damit wirklich in einem Raum zu sein. So ein Zwischenraum
des Übergangs, eine Art Fluchtort und Vorläufigkeit ist aber auch ein Flug, ist
jede Reise.
GENAU DIES WEISS ICH NUN
NACH VIELEN JAHREN:
Zuhause kann ich sein
Nur hier - im Flug. Als wär
ich damals in der Luft,
Und schwebend zwischen
meinen Vaterländern,
Trotz all der Schüsse auf
der Grenze stehengeblieben.
Ein Vogel aber bin ich
nicht.
Der Grüne Wagen blüht mir.
Doch ich wollt ein Haus.
Gern wär ich nur ein Bürger,
- bin sein Waisenkind.
Ich lieb die Länder, Orte,
Frauen nur,
Wenn ich die Freiheit auch
zum Abschied hab;
Nur in der bitteren Flucht
und ungeschützt -
Im Freien kann ich Zeit
erfahren :
Die Zeit der Zeit, -
Vorläufigkeit.
In all den Leuten ist sie
heute auf der Flucht -
Den Himmeln schrecklich nah.
Und nicht mehr auf der Erde.
Wie die Schwelle trennt die Reise uns vom Alltag, vom
Selbstverständlichen, ja ist ein Zustand im „Tapetenwechsel“, der Abenteuer,
der aber auch Schock sein kann.
... und
wohin man jetzt jettet
mit dr
vermehrung der nullen
auf den schweizer konten
stimmen
sie ein ins vertrauliche
gemauschel
über
kitzbühl, st. Moritz und
lagerfeld
denn
das ist ihre welt
und
sonst gar nichts
Elfriede
Gerstl, vor der ankunft
die
fahrpläne wissen bescheid
voll
einverständnis
tuschelt die sftware
rollbahnen
sind ausgelegt
die
krähen sind mit dem tower
im bunde
unauffällig
schleppe ich mein köfferchen
während
in meinen synapsen die
hölle los ist
elfriede
gerstl, vor der ankunft
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