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Freitag, 17. Dezember 2010

Die "Aktionsgruppe Banat" in den Akten der Securitate. Sinn und Form November/Dezember 2010

Dieter Schlesak
17.Dezember 2010


Sehr geehrte, liebe Frau Dr. Kienlechner,

eben habe ich Ihren ausführlichen und sehr genau recherchierten Artikel über die „Aktionsgruppe“ gelesen und einiges Neues und Wichtiges erfahren, das mir auch in meiner Arbeit und in der nun notwendig gewordenen Aufarbeitung des eigenen Werkes, ja , des eigenen Lebens auf dem dieses Werk beruht, neue Denkanstöße gibt, ein Werk, das ja mit den beiden Diktaturen, braun und rot, sowie mit den Folgen, dem Exil umgeht. (Vgl.– www.dieterschlesak.de). Wobei ich eben an einem Securitate-Buch („Die rote Hölle“) arbeite, und nicht wenig, mir vor allem jetzt durch den Fall Pastior, der mich bespitzelt hatte, sehr viel an aufzuarbeitendem „Akten-Material“ über die Gulag-Securitate-Epoche vorliegt. Die darauffolgende Securitate-Epoche war dagegen „sanfter“, wenn auch in der Spitzeltätigkeit intensiver.

In William Totoks Buch „Die Zwänge der Erinnerung“ ist auch einiges an Information enthalten, wie ich damals (in den siebziger und achtziger Jahren) vom Westen aus versucht hatte, der „Aktionsgruppe“ mit meinen Mitteln beizustehen!

Mir liegt viel daran, dass Sie dieses wissen, da Sie sich ja nun ausführlich mit der „Aktionsgruppe“ in jener schwierigen und gefährlichen Phase befasst haben, und sich einige kleine Fehler in Ihren Aufsatz eingeschlichen haben.

So etwa: Dieter Schlesak, einem „in der BRD lebenden rumäniendeutschen Schriftsteller“ gelangte Totok-Brief und Material zum Artikel in der FR vom 10.Juli 1976 nicht irgendwie „in die Hände“, sondern wurde mir von der Familie und Freunden damals zugeschickt, um etwas zu unternehmen, damit Willi und die andern der Aktionsgruppe geschützt werden; ich habe dann einen Artikel „Kulturpolitik mit Polizeieinsatz“ verfasst und veröffentlicht. In diesem Artikel hatte ich, wie Sie richtig schreiben, auf Verlangen der Aktionsgruppe, „dekonspiriert“, nämlich, dass Totok und Ortinau als „Doppelagenten“ wirkten.

Weiter: Es handelt sich bei der Veröffentlichung in der FR zu den zwei wichtigsten Momenten der Unterdrückung , eben jenen der „Dekonspiration“ und jenen der Befreiung William Totoks, nicht um zwei verschiedene Artikel. Bei jenem, der angeblich auf einem Totok-Brief beruhte, den Wichner „der Presse zugespielt“ haben soll, handelt es sich um den gleichen Artikel, nämlich um meinen Artikel vom 10. Juli in der FR. Es stimmt auch nicht, dass durch Ernest Wichner oder wen auch immer „in den anderen westlichen Ländern“, die „Öffentlichkeit darüber informiert“ wurde, sondern es handelte sich um eine Veröffentlichung in „Le Monde“, die ich über meinen Freund, den Romancier Dumitru Tepeneag, der in Paris lebte, in „Le Monde“ untergebracht hatte, der dann parallel, als „Aktion“ also, mit dem FR-Artikel erschien und ( wenn auch nur als Notiz) einen ähnlichen Inhalt hatte!

William Totok wurde dann auch nicht irgendwann „im Sommer“ entlassen, sondern gleich nach Erscheinen des Artikels in der FR und der Notiz in „Le Monde“. Von einer „Verwarnung“ weiß ich nichts. Willi Totok wurde vor eine Kommission geladen, wo sogar ein General den Vorsitz führte, und sollte nun den FR-Artikel dementieren, einen Text verfassen und der Zeitung zuschicken, aber auch mit anderen bekannten Rumäniendeutschen im In- und Ausland Kontakt aufnehmen, und sie bitten, gegen diesen Artikel anzuschreiben, was William Totok tapfer verweigerte. Es gibt dazu einen ausführlichen „Maßnahmeplan“ der Securitate, den mir Totok zugeschickt hat. Ich kann Ihnen diese ganze ausführliche Akte per mail zukommen lassen. Oder auch Willi Totok könnte dieses tun.

In meiner eigenen Akte, die ich jetzt eingesehen habe, ist ebenfalls eine maßlose Verfolgung gegen mich nachzulesen; ich befand mich 1976 Gottseidank schon im Westen, diese Verfolgungsakte, die freilich auch wegen anderer „Delikte“, vor allem wegen meines „illegalen Grenzübertritts“ (transfugul),Zeitungsartikel, Radiosendungen etc. gegen das Gulag-Rumänien und dann auch das Ceauṣescu-Regime angelegt wurde, führte letztlich dazu, dass ich als „persoana nondeziderabila“ und „Staatsfeind“ „erfasst“ wurde, und ein Militärgericht mich (in Abwesenheit) zu sieben Jahren Haft verurteilte.

Es gibt viel zu zitieren. Und das alles gehört ganz sicher zu Ihrem Thema „Die Aktionsgruppe Banat in den Akten der Securitate.“

Ich habe vor, im März für mein Buch „Die rote Hölle“ einen Essay mit viel Aktenmaterial zu diesem Thema zu schreiben, da sich in meinem Nachlass auch viele Briefe und Tonbandbriefe von Nikolaus Berwanger, mit dem ich befreundet war, befinden, die die späte Phase der „Aktionsgruppe“ neu beleuchten könnten. Ihren wichtigen Aufsatz werde ich dabei gern und oft zitieren.

Ihnen alles Gute und schöne Grüße nach Berlin

Von Dieter Schlesak

Dr.h.c. Dieter Schlesak,
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