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Donnerstag, 21. Juli 2011

Dieter Schlesak ENGELSZUNGEN. Ein Ufokrimi

OBERTZUNGEN.EINUFOKRIMI



Dieter Schlesak

OBERTH UND DIE ENGELSZUNGEN
Ein Ufokrimi. Dokumente und Plagiate





ENGELSZUNGEN
Ein Ufokrimi
(Exposé)

„Engelszungen“ beruht auf entwendeten Dokumenten aus CIA-Archiven, wird aber, um die Glaubwürdigkeit des Materials nicht zu gefährden, von einem, der Bescheid weiß, weil er diese Dinge selbst erlebt hat, aufgeschrieben. Von einem, der durch diese Erfahrung wahnsinnig geworden ist, oder vorgibt es zu sein, um mit dem Leben davon zu kommen. In einer Heilanstalt, wo er sich simulierend versteckt; von ihm und von seiner Geliebten Lyss, wird berichtet, wie vor allem die USA, doch auch alle anderen Staaten, versuchen, die Wahrheit über diese Dinge nicht zuzulassen! Eine ganze Behörde ist mit dem Verschwinden von Akten und Augenzeugenberichten beschäftigt, die auch vor Mord und Todschlag nicht zurückschreckt, um die Wahrheit zu verhindern.
"Engelszungen" ist so ein auf Tatsachen beruhender literarischer Trans-Krimi und Agentenroman: Die CIA bespitzelt eine Gruppe von Forschern, die unter der Leitung eines deutschen Physikers die Unbekannten Flugobjekte untersucht, wobei ihnen durch besondere mediale Techniken auch eine Kontaktaufnahme mit deren Besatzungen gelingt. Durch Transkontakte versucht diese Forschergruppe, die Wahrheit an den Tag zu bringen. Doch alles bleibt ein schwebendes Verfahren, weil sich die Unbekannten wie Träume immer wieder entziehen, niemals festlegen lassen, so dass schließlich diese rätselhaften Flugobjekte, sowie ihre "Landungen" und "Entführungen" von Menschen, wie eine gigantische irreale Projektion erscheinen, was sie nach Loverings Theorie auch tatsächlich sind. Doch auch die Realität erscheint schließlich nach neueren Untersuchungs¬methoden der Physik als nichts anders denn als kollektiver Wahn! Welcher Wahn also gilt dann und ist glaubwürdiger?
Die Öffnung, die Grenzüberschreitung, die Bewusstseinserweiterung ist bei Lov Folge eines Schocks; der Physiker und Psychonaut, der sich noch während des Zweiten Weltkrieges unter dem Pseudonym "Lovering" nach Lareggstone, einer walisischen Stadt, und dann nach Transsylvanien geflüchtet hat, ist seelisch belastet und traumatisiert durch ein Schockerlebnis aus dem Jahre 1945, als er wegen Befehlsver¬weigerung und Desertion von einem Nazirichter zum Tode verurteilt, in letzter Minute (schon vor dem Erschießungs¬kommando), während eines Luftangriffes doch noch entkommen konnte.
Die brisanten Entdeckungen Lovs und seiner Gruppe, zu denen Morris, ein junger Quantenphysiker und der medial begabte Transsylvanier Terplan gehören, drohen, das amerikanische System und seinen way of live in Frage zu stellen. Am Schluss müssen alle aus dem Kreis dran glauben, sie kommen durch "Unfälle", "Krankheiten" um, oder sie verschwinden spurlos auf Nimmerwiedersehen.
Im Zentrum der Handlung steht neben Lov, eine schöne, raffinierte und intelligente Agentin und Edelhure, die über Bettgeschichten ihre brisanten Informationen aus der Gruppe erhält; meist wachsen sich diese Affären zu heißen und tragischen Liebesgeschichten aus.
Die zweite Hauptfigur auf der Agentenseite ist Joyce, ein dichtender CIA-Oberst; beide, die schöne Agentin und der Oberst (sie, natürlich auch seine Geliebte), erfahren schließlich selbst die Wahrheit, und werden so zu Doppelagenten. Deshalb müssen auch sie am Schluss verschwinden!
"Engelszungen" ist kein Heftchenroman, sondern literarische Sciencefiction: Grenzgang des Bewußtseins, wie in alten Häresien zwischen Zweifel und Gewissheit bei einer neu zu erarbeitenden Weltsicht, wo die alte Sicht das Phänomen falsch anpackt und falsch, nämlich zu "empirisch", deutet, und ihre falschen Über-zeugungen, wie seinerzeit die Inquisition mit perfiden und gängigen Öffent¬lichkeits- und Medienmitteln: Gegeninformation, Falschmeldungen, Manipulation, dann mit der Seelenpolizei Psychiatrie, bis zu mörderischen Techniken und Mord verteidigt.
Im Zentrum steht eine neue Sprache und Hermeneutik, oder auch neue Grundmuster der Deutung jener Nachrichten über und von "Aliens", den "Fremden", "Toten" und ermordeten "Opfern" der abend¬ländi¬schen Geschichte; es sind neue psychotechnische Möglichkeiten der Sprache, des induzierten Schweigens, der Medialität und des Traumes, der Phantasie, der Traditionserforschung und Deutung, und schließlich aller Formen der Bewusstseinserweiterung vom Liebesfieber, der Meditation, Rückführungstechniken bis zur Hypnose, um überhaupt mit den sich jedem bisherigen Wirklichkeitsbegriff entziehenden Parallelwelten, die es immer neben unserer gegeben hat, kommunizieren zu können.

PROLOG

Trotz meines ekligen Scheiterns, durch neuere Kontakte zu Hermann Oberth, über seine Beziehungen zu den Uraniden endlich die Wahrheit über die Raketenforschung und so über unser verborgenes Weltschicksal heute durch die ihm eingeflüsterten Erfindungsideen, bis hin zum „Weltraumspiegel,“ herauszufinden, ging es mir relativ gutgemeingut, was in dieser Lage eigentlich unzulässiglich war, wie alles Gutgehn, das ohne Engel auskommt. Ein idiotisches Scheitern also, weil „sie“ mich immer wieder allein gelassen hatten, mir, dem Schatten und Schlemihl also wohl nicht getraut hatten, und mich freilich nun hierher in die Heilanstalt gebracht hatten, war ich doch auch am nächsten Tag bester Laune, dachte an Lyss, ans Lieben und an diese Engelszungen. Mit ihnen, jaja, hatte ich plötzlichkeitlich nun herrlichrum einen so guten Kontakt, komisch! der nicht mehr so schnell zum alten Welt-Riss kam, also abriss. Und ich freute mich sehr, da ich nun hoffentlich wahrer wahr, doch endlich über Großvaters Jagdfreund das wahrheitsgemäße Surplus in den Mund und ins Hirn gestrahlt zu bekommen. War ich hierum, wollten sie mich so auf die Probe stellen, ob ich weggekommen wegging vom blöden Alltags Verständnissig und auch vom Sprachzeug der Normalen Weg konnte: Bissigerall, wenn’s nur weiter gehen würde: Kopf ausschlammen?

Wo fängts an kindanfangmich, wie die Mitzmother sagt: Herzpin Kerls, die den Hermann auch gern, wie alle an sehnlichen Mannsleut, zu korrigieren? Transsylwahnisch fein? Weg vom bisherigen zum bissjährigen Immer. Geh ich auch sibiisch zu Pantum und Vilanella oder Castrum Sex-mässig gebessert zum oberen Oberth, dem Gefühlsterten? Engelszunge, da wart ich.
Was war das Gartengasse? In Castrum Sex. Jaja, dort das Haassche Sanatorium? Und sein Vater Dr. Julius Oberth, Magier des Skalpells, alle Achtung, Direktor des Komitatsspitals, schaffte erstes Röntgngerät im ganzen Lande an, nahm kaum Honorar, zahlte alles selbst.. Aber langwillig Daten, Nichts. Zweijährig also kam der Raketenmann da an? Und Großvater Friedrich Krasser Dichterarzt. Vorankommen. Schrieb Gedichte mit Offenem Visier. Na also.
Doch dann riss das Flüstern wieder ab.

So müsste man jeden Tag sein, so offen. Auch mit Lyss riß der Kontakt nicht mehr ab. Lyss und die gemeinsame Nacht war bindend, wenn auch kein gutes Omen, das in meinem Gedächtnis auftauchte, vielleicht wars ein Zeichen, dass ich auch nicht mehr lange leben würde... zum Trost war aber ihr schlanker schöner Körper, der nach Mandelseife roch da, und ihr Mund mit der flinken Zunge, mit der sie die Innenwände meines Mundes abgetastet hatte, ein Schock, Ströme davon, die durch den ganzen Körper gingen, elektrisierten, mir die Haut gewissermaßen abzogen, als hätten wir ohne Haut aneinander gelegen, ganz wund. Als wäre sie alle Frauen, die ich je hier geliebt hatte!
Als hätte das Verschwinden einen Grund, als hörte ich sie sagen, sie sei nur das Echo... mit der Seele berührt sein, so werden wir wirklich... Wo aber ist deine geblieben, du bist kalt, du bist krank.
Früher bei gleicher Schwingung der Spaß, wie eine Nebensache das Vögeln. Kaum anstrengend, ein Spaß. Ich erinnere mich noch an die Parkbank, wo wir früher gesessen hatten, sie konnte mitten im Trubel auf meinem Schoß sitzen, die V unter ihrem Rock, da hatte ich schon einen Finger gelegt, wie eine Lunte, sie hatte kein Höschen an, und dann von unten der Steife in ihr, und vor aller Augen, ohne dass es jemand merkte, liebten wir uns wie zwei Verrückte, die den Schein wahren können, stolz auf die doppelten Leitung, lachten uns an, so jung... war froh, dass diese Bilder, die mich überfielen, gemeinsam waren und glücklich, sie spannten keine tiefen Rösser an, die schwarz wurden, von unten hochkamen, als wären sie in mir ertrunken, jetzt aufgewacht, und auch das fahle Licht und Lyss warmer Körperduft (manchmal roch sie stark nach Schweiß), das Linnen da an meiner Nase, nah, waren wie zu Hause, ruhig und gewohnt, keine Angsttiere, wie in Deutschland, wo ich mutterseelenallein war mit ihnen, das Fensterkreuz gewohnt, keiner hing daran und niemand zerschlug es, Glassplitter, ein Schimmer nur, sanft, im spiegelnden Glas schon wie Abwaschwasser Morgenlicht, und wunderte mich, dass ich geschlafen hatte, noch schlief, selten schaffte ich es, wenn ich weiche Brüste und Schamhaare fühlte, auch war es nicht möglich, dass ich mich davongeschlichen hatte, war zu unentschlossen, täuschte mich sicher, denn ich lag doch weiter weich in ihrem Arm, und sie träumte mit mir, als hätte ich mich da aus dem Körper gelöst, vorsichtig die Tür geöffnet und wäre mit meinem Koffer auf die Straße gegangen, hätte sie verlassen... Wie war das doch früher gewesen: Morgens hatte ich oft beim Frühstück versucht, Hannah etwas über Lessing und die innere Überzeugung, jenen Punkt zu sagen, der doch sehr wirklich in uns allen ist, wirklicher als die "Tat Sachen". Doch mit einer Handbewegung und unwirsch hatte sie alles beiseite gefegt. "Unsinn" schon damals. Oder "Literatur". Ich sehs kommen, du wirst nochmal in der Klapsmühle landen, so ihre Worte. Ich schwieg dann und wir redeten über Belanglosigkeiten.

Nein, ich weiß nicht mehr genau, wo ich jetzt bin, manchmal höre ich nur „Klosterneuburg bei Wien;“ und weil die Zeit mir davonläuft, seh ich sehr oft auf meine alte Taucheruhr (funktioniert bis 100 m Tiefe); mit dem Raum ist es schwieriger. Es heißt in der Quantenphysik, dieses weiße Zimmer gäbe es nur, wenn ich wirklich mit allen Sinnen da bin; wenn ich es aber verlasse, dieses Zimmer, dann ist es nicht mehr vorhanden! Auch bin ich doch meist in Gedanken, also gar nicht da. Das passiert den meisten Leuten; und doch sagen sie, ich sei krank.
Doch ich weiss, dass Hermann Oberth, der Schässburger Raketenoberth, mit in unser Team hineingewirkt hat, ich kannte ihn gut, schon weil er der Jagdfreund meines Großvaters gewesen war, ist sicher richtig.

Lov versuchte angestrengt sich zu erinnern, ob irgendwelche Spuren in seinem Gedächtnis da waren, wie er überhaupt hierher gekommen sein könnte; doch tauchten nur banale Fakten auf, die Bekanntschaft mit Sergeant Smith, eine abenteuerliche Schifffahrt nach London, der Drang nach Llareggstone, ja, nach Stonehenge zu fahren... "lauter gewohnte, banale alltägliche Bilder verstopften mein Gedächtnis, nicht einmal an meine Geburt kann ich mich erinnern", überlegte er. Hypnose, wie es ihm Lyss oft genug geraten hatte? Er wagte es nicht. Längst war ihm klar, dass sie ihn sehr wahrscheinlich damals 45 doch erschossen hatten, woher kämen denn sonst diese sporadisch auftauchenden paranormalen Fähigkeiten.
Dieser Sergeant Smith hatte ihn damals auf der Fahrt nach Llaregstone wegen überhöhter Geschwindigkeit mit einem Militärfahrzeug aufgehalten, und er auf die Frage des Polizisten, warum er das getan habe, gesagt hatte, alles sei ihm unwirklich vorgekommen und er habe gedacht, wenn er schneller fahre, um an einem Ort anzukommen, wo alles stabiler sei, könne er sich retten. Die Hand aufs Armaturenbrett gelegt, als glaube er nicht an dessen Existenz, sei er plötzlich da durchgestoßen, als wäre es weich wie Butter. Smith hatte darauf sofort die Psychiatrie verständigt. Aufgeblitzt ja, einen Moment war auch in ihm etwas, doch vergaß er das schnell, und da hatte Lov etwas Merkwürdiges gesagt: „Ja, bei uns bewegen wir uns ohne Fahrerlaubnis mit Vibrationen je nach Gedankenradar und Schnelle.“ Smith hatte ihn nur verständnislos angestarrt. Und einen Polizistenwitz gestartet: "Ha, endlich angekommen? Sie glauben aber immer noch nicht, dass sie leben und auf Erden weilen, wo die Dinge ziemlich hart sind!?" Und starrte fasziniert auf diese Hand, die halb im Armaturenbrett verschwunden war. Lov aber stotterte verwirrt und halb im Scherz: "Wenn ich will, kann ich Sie einfach verschwinden lassen, indem ich mich abwende, dann sehe ich Sie nicht mehr." Fügte dann aber in komischer Verzweiflung hinzu: "Ich wills aber nicht, ich will, dass alles endlich wirklich wird und in Ordnung kommt!" Smith und sein Begleiter bekamen es plötzlich mit der Angst zu tun, und legten ihm Handschellen an, fuhren ihn ins nächste Krankenhaus. Er aber murmelte: "Ich weiß schon, das kommt davon, wenn man eigentlich tot ist, alles kommt von meiner Erschießung 1945!"
Terplan war es, der Lov diese fixe Idee eingegeben hatte, er sei von einer fixen Idee besessen: "Du hast natürlich eine falsche Erinnerung, sie haben dir eine falsche Erinnerung implantiert, Lov, du glaubst, du seiest entkommen! Falsch, ganz falsch, mein Lieber: Du warst tot und kamst zu ihnen. Tot sind wir, endgültig mausetot seither, absent, weg vom Fenster, meinen nur, wir seien noch da. Da und nicht da! Ganzes Leben eine falsche Erinnerung seither. Jajajajaja. Ganz falsches Leben seither, wie geträumt und erledigt. Und die benützen uns nun…“ „Wer?“ "Sie" freilich, wer denn sonst, wir, die Agenten und Spione der Verstorbenen, Aliens und Dimensionalen. Und noch schlimmer, keine Helden. War ganz anders, "sie" haben es mir gesagt, kamst aus dem Krieg spät zurück, alles gelöscht alles, warst kurz Kriegsgefangener, und kamst mit klopfendem Herzen nach Hause zurück, die Frau zu überraschen, armer Rucksack am Rücken, fast in Lumpen die Uniform, drin im Zimmer aber sahst du sie mit einem andern im Bett. Die wußten, du seist gefallen, oder wegen Fahnenflucht erschossen, keiner wußte es genau. Da zogst du den Armeerevolver, den du unterwegs gefunden hattest, und knalltest beide ab, dachtest du. Auch dies eine fixe Idee, denn in Wirklichkeit meldetest du dich im Raum deines wirklichen Hauses breit- & längerseits bei ihnen, Klopftest ans Fenster, wie Geister sich manchmal melden, oh, Schreck ... Ja, aber dann Tür geöffnet. Lamento. Du, du bist es, wir dachten ... Und er war es - ode sie - die nachts dir im Schlaf jenen Zustand zurückgaben, den sie im Kopf hatten, um weiter leben zu können. Lagst morgens in deinem eigenen Blut. Es waren wilde Zeiten. Die da im Bett lagen, hatten vier Kinder, sprachen mit dir nicht darüber, sie dachten, sie hätten dich nur geträumt ... Du warst ja auch wirklich ein Gespenst, sie mussten dich nicht einmal umbringen. Ganz umsonst deine tiefsitzende Reue also, die sie so löschten, die können das mit ihrem Wirklichkeitssinn.
Wir wissen es ja, beobachtende Fliegende Scheiben hatten alles aufgenommen, dies Interdimensionale, zu der wir doch gehören, keine "Raumfahrer", sondern jener Zwischenraum, zu dem wir später alle kommen, wenn wir gestorben sind. Wir sind unsere, von uns selbst gemachten Phantome"

Lov wachte stöhnend aus solchen "Gesprächen" auf, die allerdings selten waren, meist bei Nacht, - und ging schnell in die Küche zum Kühlschrank um zu essen, das half meist, wieder etwas Schwere und Boden zu gewinnen, wie auch bei "ihren" Besuchen, erst vor einer Woche wieder, das probateste Mittel, war doch real, faßbar, schmeckbar, Brot, Butter, Marmelade... Und war Lyss gar abgestellt, ihn zu beobachten, sie hatte ja psychiatrische Vorbildung

Ich hab auch einen Pfleger, der ist nett, beobachtet mich aber durch ein Guckloch; Auge in Auge. Wie bei Kämpfern, Hassern oder Liebenden. Man kennt das. Auch er ist ein Künstler, er sammelt Knöchelchen (ich hoffe, es sind nur Knochen von Tieren, von Hähnen etwa), vor allem Gelenkknochen sinds, wir nannten sie zu Hause Pizziknochen. Als Kinder spielten wir mit diesen Pizziknochen! Er aber klebt sie zu Türmen und Baracken und zu allerhand Schädel-Figuren zusammen. Sieht mich an und lacht dann: Main läber Härr Terrplan, sssehn Se? Darain wohnet d´Zeit.
Ein komischer Kauz, genau wie die Irrenärzte hier, vor allem der Dr. Michum, ein Italiäner aus Florenz. Ich glaub, die sind verrückter als wir.
Meine beste Stütze aber im Abwesend-sein-dürfen ist mein neuer Freund, der Ritter Edler, so nennt er sich, ein Schweizer, der aber viel in der Welt herumgekommen ist; er ist wegen einer bizarren Liebesgeschichte mit einer Lehrerin hier, er nennt sie die "Weltglücksfrau", die ihm den Verstand geraubt hat, nicht aber die Vernunft und ein Wissen, das täglich in seinen lustigen Sätzen explodiert. Er ist der lebensbejahendste und positivste Mensch, den ich je kennen gelernt habe.
So wirkt er heilend auf mich.
Ich will und ich wollte immer nur meine Ruh; hier hab ich sie, ja, fühl mich geborgen, wie zu Hause. Nichts mehr kann mir passieren, es ist ja schon alles passiert. Also, klagen will ich nicht; mir geht es gut. Und das weißlackierte Anstaltsbett ist dafür das Maß.
Besuchstage gibt’s auch, dann kommt meine Frau, es kommt mein Sohn, mein Bruder, meine Schwester, die Nichten und Neffen, die Schwägerinnen und Schwäger, die guten Freunde, sogar meine Exfrau war mal da; vor allem aber kommen die Leserinnen (seltener Leser!), die mich immer noch bewundern, und mich streicheln wollen, so als wäre ich ein Kind oder eben ein harmloser armer Irrer. Alle sind so lieb zu mir, Und das tut mir gut. Und alle fragen, wie es mir geht. Gut sag ich dann, gut, ich lüge wirklich nicht, es geht mir so gut wie noch Nie.
Sogar Kritiker kommen, einige waren schon da, und wagen hier in der Stille keinen lauten Ton, das genieße ich sehr.
Am liebsten würde ich sie um kleine Dienste bitten, mir ein Glas Wasser zu bringen, die Schwester zu holen, den Doktor, da es mir plötzlich schlecht geht, ich Schwindel verspüre oder gar Ekel, oder meinen Pfleger in meinem Namen etwas zu bitten, so, als wären wir schon mitten in einem Buch, und da kennen sie sich ja besser aus als wir, die wir das Buch schreiben, wir wissen da lang nicht so gut, wo es langgeht...
Doch ich überlegte, ich würde sie auf keinen Fall bitten, mir fünfhundert Blatt unschuldiges weißes Papier zu bringen, ich werde sie auch nicht bitten, meine Frau zu bitten, mir meinen unschuldigen Laptop zu bringen, nein, ich werde Janos, den Pfleger, übrigens ein Ungar, darum bitten, dem ich schon eine ganze Menge Geschichten erzählt habe... ach was, ich werde jetzt einfach meine Frau anrufen, sie soll den schwarzen Laptop bei ihrem nächsten Besuch einfach mitbringen... denn es drängt mich, diese lange Zeit sinnvoller zu verbringen, anders als die Herren hier und auch anderswo es gern möchten, diese Irrenärzte mit ihren Psychopharmaka, die das große Summen und die große Leere erzeugen, wie sie heute überall üblich ist, nicht nur hier am wichtigsten Ort der ganzen Welt, der sich nur noch mit dem Parlament vergleichen läßt. Doch viel wichtiger ist, weil ruhiger, stiller, atmender, also Gott näher!
So steht wenigstens nichts mehr fest und bewegt sich auch nicht mehr, und es ist ein fahler Schein, fad und oft sehr abgestanden, dass man schreien könnte vor ohnmächtigem Warten, es zuckt in den Händen, Lähmung und nervöses Dasitzen täglich, gefesselt an ich weiß nicht was und ich weiß nicht wie. Sicher kein idealer Zustand, so haben sie natürlich immer noch recht, kein Beispiel fällt mir ein, was es dagegen zu setzen gäbe, weil es keines mehr geben kann! Ach nein, Joyce und Lyss, Analyss vor allem dagegen setzen! Und so zaubere ich sie mir wieder hierher, ganz nah, kann sie berühren…
Und jetzt, wer weiß, als müsste ich mich zu Tode schreiben, So schlug ich also mit diesen Hämmerchen der Tastatur meine Zeichen auf das noch unbeschriebene Weiß des Bild-Schirmes, alles wie ein weißes Blatt. Phantastisch, alles taucht wieder in mir auf, wie sie es mir erzählt hatte, in diesen vielen Nächten mit ihr, und dann auf unserer langen Reise mit der Transsibierischen…
Ich schlug fast verzweifelt die Hämmerchen auf ein noch unbetretenes, unwegsames Gebiet, dass mich Janos, der Pfleger verwundert ansah, und die Schwester Erika erstaunt an der Tür stehen blieb; und als ich ihnen sagte, dass ich alles aufschreiben wolle, was hier Tag für Tag, Stunde für Stunde geschieht oder in mir geschieht, wurde die Schwester sofort diensteifrig und fragte mich, ob sie mir nicht einen Saft bringen dürfe, und Janos rückte Tisch und Stuhl zurecht und meinte, er wolle mal nachfragen, ob ich keinen Internetanschluss haben könnte!
Ich aber hörte ihnen kaum zu, fühlte mich plötzlich nicht mehr so da liegend im weißen Hemdchen als unterlegener Patient, sondern als Herr der Lage, und schrieb rasch und mit dem Schwung eines Klavierspielers, legte sogar den Kopf schief, wie es zu Hause Onkel Daniel am Klavier und in der Bergkirche an der Orgel getan hatte, schrieb Buchstaben und Zahlen, als säße ich vor einem klingenden Instrument mit 24 geheimen Zeichen, so als wäre es jener verborgene Rest der Wirklichkeit, den der Herrgott nach seinem Verschwinden noch hier zurückgelassen hatte; und tat so, als müsse ich jetzt eine besondere Tonfolge wie einen verloren gegangenen Schlüssel, dazu die geheime Lautkombinationen wieder finden, wie den vierten Fuß des Hebräischen Schin der Juden.
Mit jedem Buchstaben fühlte ich mich besser und besser, als könnte ich, wenn nicht die Welt, so doch mich selbst retten.
Ich schrieb zuerst den Traum dieser Nacht auf. Und brachte dann den gestrigen Tag in diese vorgestellte innere Ordnung: sah diesen plötzlich so hell bewusst und ganz neu vor mir auftauchen:
"Nachts also diese Traumserien, die mir keine Ruhe ließen. Meist war darin von einem hellen Lichtpunkt die Rede. Und ich dachte, es geht jetzt wieder zum Bahnhof, dort will meine Frau vielleicht wieder Zeitungen kaufen, weil die Buchhandlung noch nicht geöffnet ist. Unten (in der Stadt V.) angekommen, geschah es dann: während sie auf den Bahnsteig ging, stieg ich aus, um ein wenig Luft zu schnappen, ich ging ihr auf den Bahnsteig nach, und dort wurde es mir übel, und ich verlor das Bewußtsein. Der Wagen der Ersten Hilfe des Malteserordens brachte mich zur Krankenstation. Und lieferte mich in einer großen Wartehalle ab. Von dort holten sie mich mit einer weißen Tragbahre in den Heilschlafraum, betreut von Ärzten und Schwestern, musste ich mich ins weiße Metallbett legen. Und schlafen. Doch bevor ich einschlief, fragte mich eine Ärztin, die mir bekannt vorkam: "Glauben Sie an Geister?" Die Frage war so gestellt, dass ich nicht gut "Nein" antworten konnte. Und ich sagte, ich glaube zwar nicht daran, dass die Toten auf die Erde zurückkehren, um die Erde heimzusuchen, dass ich aber an den Geist der Natur, den Geist der Geschichte und andere Geister glaube, an gewisse erstaunliche Erscheinungen also, die darin bestehen, dass die Vergangenheit andauert, niemals vergehen kann. "Ja, da haben Sie aber vollkommen recht", sagte die Ärztin, "das ist schon ein gewaltiger Schritt, um zu einer Heilung zu kommen. Und Sie sind ja auch und noch immer in Ihrem Haus, Herr Terplan, alles andere ist nur geträumt, doch allein der Traum bewegt sich voran, alles andere bleibt, verharrt an seinem Ort, ewigkeitsbewegt natürlich. Es auszudrücken, das ist schwer: Und bleibt schwingend, wie eine Aufzeichnung in der Luft. Geräusche, Anblicke, Schall, Rauch sogar, Stimmen, bewegt. Kann aber nicht übertragen werden auf Augen und Ohren der Leute im Raum. Schmerz, das Leid, aber die Angst, die machen es möglich, diese Geräusche zu hören. Vor allem aber die Leute, die uns voon anderen Himmelskörper besuchen, meist unsichtbar… zu sehen!"
Manchmal schien es, als erwache bei solchen Worten mein Lebenswille wieder, und ich schlief mich gut ein, als gäbe es wieder einen guten Grund zu leben, und dann befolgte ich pünktlich die ärztlichen Vorschriften. Die "Ärztin" war doch AnnaLyss oder? Da dachte ich: "Sie war da und wir scherzten nach dem Dialog wie Kinder miteinander, tauchten unsere Hände gemeinsam in dasselbe Quellwasser-Waschbecken und nannten es "unser Familienbad", obwohl es heute kalt ist, die Zeiten durcheinanderkommen: Und die Sonne plötzlich steil emporsteigt, ganz hell, aber nicht blendend wird, und dann fühle ich mich ganz frei und kann dem Rot entgegenlaufen, den Punkt habe ich längst verlassen und jedes Zeichen, alles, was früher nur meine Augen konnten.
Doch beim Erwachen erinnerte ich mich, dass doch Lyss, meine frühe Geliebte längst tot ist; sie ist an Krebs gestorben. So also muss ich schreiben, schreiben, dass sie wiederkommt, und ich sie wieder ins Leben hinein retten kann, mich mit ihr!
Das einzige, was hier noch freudvoll und leidvoll funktioniert, ist die Phantasie (wenn man sie hat!). Und so bin ich nicht nur zum Schreiber, sondern auch zum heimlichen Erotomanen geworden - hier in dieser Einsamkeit.
Die Frage, wie ich denn anfangen soll, ist so auch schnell gelöst, nämlich mit allem Anfang ist anzufangen, woher zuerst auch ganz lustig, Urgroßeltern, Großeltern, Eltern kamen, ach was, viel weiter geht das zurück, sie kamen alle vom Vögeln her; ohne diesen kurzen Sturzflug wäre auch ich und damit dieses Buch nicht möglich gewesen. Ich will mir jetzt weder meine Großmutter mit dem weiten Rock, meinen Großvater, beide, noch meine Eltern dabei vorstellen und beschreiben; sondern auf meinem Terrain bleiben, nämlich bei Lyss und ihrer phantastischen Geschichte mit den Außerirdischen, die sie ja nun besser kennt als ich, und werde auch vorerst nicht fremdgehen, etwa mit der netten Schwester Erika, die es sich nachts sogar gefallen ließ, als ich wie zufällig an ihre wunderbar weiche Stelle zwischen den Beinen fasste.
Und dann in dieser Nacht die Fortsetzung des Traumes von gestern, als wollten die mir eine Film-Serie bieten:
"Ich lag in einem großen Schlafraum, und die Ärztin begann mich zu operieren, verband mit einem dünnen Schlauch Herz und Stimmbänder, und verlegte dann eine solide Kanüle vom Herzen zum Hirn. Es tat überhaupt nicht weh, sie strich mir auch sanft über die Stirn, und wenn ich ein wenig zuckte, massierte sie mir die Hoden und strich über den Penis. Ihre Haut vibrierte die ganze Zeit ganz nahe an meiner. Als ich mich besser umsah, erkannte ich, dass sie mich in eine Art Antiquitätenladen verlegt hatten, und als die Ärztin gegangen war, kam ein Mann, den ich auch zu kennen meinte, es schien der alte Jude von zu Hause, der Adam zu sein, doch trotz aller Anstrengung, mich zu erinnern, fand ich dann doch nicht heraus, wer der Mann war. Ich glaube, es war Joyce. Ich wußte, dass Weihnachten "vor der Tür stand", und wollte die Gelegenheit nützen, Lyss ein Geschenk zu kaufen. Ich fragte den Mann, der wie ein Antiquar aussah, in Akten wühlte und komischen Graphien und Zeichnungen von UFOS, und wartend neben einer ganzen Uhrensammlung stand, nach seinem Namen, doch anstatt einer Antwort schlug die alte Stundturmuhr von zu Hause eine volle Stunde, wohl weil ich daran gedacht hatte, dass es gegen eins sein müsste; ich erinnerte mich plötzlich, dass ich gegen halb eins von zu Hause fort gegangen war, da mich diese Ansichtskarten genervt hatten, jede Woche traf eine Ansichtskarte ein, darin forderte mich Mutter in steiler Handschrift auf, sofort und stantepee nach Hause zurückzukehren; und Vater sang dazu mit hoher Fistelstimme und unter Lachen: Kehr zurick aus Erlang... gen, auf der Eltern Ver...lang...gen.
Ich fragte den Antiquar, bevor die nächste Uhr zu schlagen anfing, es gab ja eine ganze Menge in dem Kasten, es war eine winzige Weckeruhr, ob er mir für eine "schöne und sensible Ärztin" ein Weihnachtsgeschenk empfehlen könne. "Natürlich", sagte der plötzlich in eine Offiziersuniform gekleidete Mann, der grüne Augen hatte und eine Glatze, "natürlich", und ich konnte ihn jetzt von hinten sehen, denn er bückte sich und zog einen venezianischen Handspiegel hervor, sagte so leise, dass ich ihn kaum verstand: "Sechzehntes Jahrhundert, garantiert". "Was, einen Spiegel, ausgerechnet zu Weihnachten, diesen Mahner an Zeit, Vergehen und Tod", rief ich erbost: "Sehen sie doch selbst mal rein. Macht Ihnen das Spaß. Mir nicht. Und das einer Geliebten?" "Einer Ärztin, wollen Sie doch sagen, und die ist doch schon hier", entgegnete der Antiquar bissig. "Unmöglich", sagte ich. "Und Sie, sind Sie vielleicht nicht auch hier?" "Doch", murmelte ich erstaunt, und der Alte schlurfte aus dem Raum, um im Keller weiter nach alten Uhren und nach einem wichtigen Geheimdienstbericht zu suchen, den er mir andrehen wollte.
Draußen begann es zu regnen, durch die kleinen Fenster drang das dunstige Tageslicht herein, schimmerte auf den glatten Fliesen. Und ich meinte im Prasseln des Regens unheimliche Geräusche herauszuhören, Seufzen, Tappen, Klopfen, der Marschtritt eines Regimentes, Klingen von Goldmünzen, Schreien, Knarren von Türen, Trompeten, Schnarchlaute, Zanken, Marktgeschrei. Im ersten Impuls wollte ich davonlaufen, der Ärztin Lyss zuliebe, die eine merkwürdige Beziehung zu meinem Weihnachtsgeschenk hatte, blieb ich, hörte das Höllenkonzert der Uhren., das jetzt wieder einsetzte. Dann kam der Offizier-Antiquar mit einem in Leder eingeschlagenen Skript und vielen Dokumenten zurück, er brachte dazu einen Ring mit einem Edelstein. "Der hält, nicht wahr?" sagte er, "doch wenn sie erwachen, löst auch er sich in Nichts auf; hätte ich zu Ihnen gesagt, ich hätte Nichts gefunden, wäre es die Wahrheit gewesen, nämlich ein Buch. Die einzige Bedingung: Sie kommen morgen und übermorgen wieder. Sie fürchten sich zwar vor den Gesetzen der Natur, die in ihrem fühllosen Ablauf, ihre Schuld festhalten könnten - Sie müssten wissen, was ich meine, Michael Terrplan, und Sie werden es auch bald erfahren, da Sie es noch gar nicht selbst wissen, was zur Schuld gehört; doch mehr noch fürchten Sie mit einer abergläubischen Angst irgendeinen Bruch im Ablauf der menschlichen Erfahrung, jaja, tun Sie nur nicht so, Sie sind nicht besser als die anderen. Furcht also vor der Unordnung, der Willkür, der Ungemütlichkeit, vor allem vor dem Unvorhergesehenen, den anderen wilden Sphären – und dem Tod! Die festen Mauern werden jetzt immer durchsichtiger für Sie, und die Dielen hier können unter Ihren Füßen bald wie Treibsand nachgeben, Chaos, wie die alltäglichen Zufälle, die Sie hier lesen müssen, um durchzukommen, und da versagen Sie, Herr Terrplan. Ich habe aber den Auftrag, Ihnen zu sagen, dass Sie morgen wieder nach Hause gehen dürften."
Na schön. Alle wollen mich nach Hause schicken, und halten mich doch hier fest. Es gibt keine eigentlichen Zwangsjacken mehr, doch die Fenster sind vergittert, und die eigentlichen Zwangsjacken sind diese Pillen, die ich jeden Tag schlucken muß. Bittere.
Unter diesen Bedingungen schreiben? ... alles ist ja vorbei und vergangen, was ich erzählen kann, und hier in diesen Mappen drin! Also eine Art Akasha-Chronk? Is wahr…? Würde Ritter Edler lachen! Also doch, die Engel haben Recht. Klar, wie immer! Sogar dieser Traum; das was ist und das, was noch kommen wird, ist kaum zu fassen und zu erzählen! Erzählen ist eigentlich etwas Trauriges, weil der Brunnen der Vergangenheit viel zu tief ist für einen, der den Zugang verpasst hat.
„Keine Einsamkeit schmerzt mehr
als die Erinnerung an Wunder.“
Das hatte Jossif Brodsky, der Russe einmal gesagt, den hatten wir mit Lyss auf der Transsibirischen Einsamkeit getroffen.
Ich schlug also die Mappe von Joyce auf, hörte die Stimme von Lyss dazu und schrieb mal ab , mal auf, was ich sah und auch hörte vor allem, Lyss Stimme ganz nah, fast ein Flüstern:





ERSTER TEIL

1

In seinem Amtszimmer der "Zentrale" saß der Leiter der Abteilung für Aufklärung Oberst Joyce, er sah gelangweilt durch die großen Fenster hinaus auf die Buner Berge, da er noch einen amtlichen Bericht verfassen mußte; er hatte eine Art Tick entwickelt, um diesen Amtsreferaten zu entgehen, die nie die Wahrheit enthalten durften, er beschrieb sie und sein Leben mit ihnen, wobei er sich ausgiebig auch aus der Literatur bediente, "aufgefrischte Plagiate" nannte er sowohl die einen, als auch die anderen Produkte seiner Schreibtätigkeit, die ja sein Beruf war. Wobei er sich auch auf seine medialen Fähigkeiten verliess, und vielen „Einflüsterungen“ folgte, die er als authentisches Material ausgab. Vieles davon kam auch von Oberth.
Der Abend hatte begonnen, fern, weit im Westen, ging die Sonne unter, dies stimmte Joyce poetisch. Joyce, freute sich täglich wieder auf dieser schönen Erde sein zu dürfen, wenn auch mit gestundeter Zeit.
Ein Mutter-Schiff hatte ihn als Achtzehnjährigen auf den blauen Planeten gebracht; und auch diesmal mußte er alles vergessen, um hier leben zu können.
Freilich, solch ein Terrabegeisterter wie Joyce steht allein; denn zum Vergnügen fuhr kein Mensch hierher nach S. Vielleicht noch zu den neusten Partys in einem geheimnisvollen Castell, das einem Einheimischen gehörte, der mit der Sensationsgier seine Geschäfte machte. Doch der eigentliche geheime ORT zur Erforschung jener Dinge, die die Welt, wie sie uns allen erscheint, in Frage stellen, war kein altes Buch mehr, sondern ein kontaktfreudiger und mit dem ganzen Kosmos vernetzter Bildschirm. Die unendlichen Summen an Nachrichten kamen schneller an als jeder Gedanke.
Dagegen erschien das normale Reisen vorsintflutlich, auch der Flug. Joyce beschrieb sogar seinen neuen Mitarbeitern, die hier anreisten die Reiseroute in jenem knappen Kommandoton, der keinen Zweifel daran ließ, daß es sich bei diesem Ort um die höchste Geheimhaltungsstufe handelte.
Oberst Joyce war für die Sicherheit zuständig und hatte zugleich alle For¬schungsprojekte unter sich, auch ein großes Geheimarchiv über die Extraterrestrier und ihre "Raumschiffe."
Dieser kleine Ort lag mitten in einem gewellten Bergland, und in der Ferne konnte man bei klarem Wetter die fernen Berge erkennen.
Das Versuchsgelände war auf einer Landzunge eines großen künstlichen Sees in der Au versteckt. Zur Landseite hin war das Gelände durch einen hohen, mit Sta¬chel¬draht gesicherten Draht¬zaun abgesperrt, der Zugang von Schilderhäuschen und Wa¬chen flankiert, und das Ufer des Sees wurden von Soldaten¬pa¬trouil¬len mit Hunden bewacht. See¬wärts gab es nur das Wasser.

Draußen goß es noch immer. Joyce sah hinaus auf den künstlichen See, der Blick fiel auf eine Vogelinsel. Ge¬legentlich ging er, um ungestört sprechen zu können, mit seinen Assistenten durch nasses Gras auf dem Gelände spazieren, ein Pa¬trouillenboot war jetzt dort zu se¬hen. Alles war grün, Betonwege, zwischen Reihen niedriger bunker¬artiger Gebäude, grau und braun; die Wolken hingen tief über den Gebäuden, die halb im Boden versenkt waren, und über den Abschussrampen an der Spitze der Halbinsel, sie waren in Nylonhüllen verpackt und auf den See gerichtet; abgesehen von regelmäßigen Geräuschen aus dem Versuchs¬gelände war es sehr still. Mehrere kleine Raketen ruhten auf schrägen Rampen.
Es regnete, als Joyce und Oberth ankamen. (Ja, Oberth, der Tüftler auch drüben“, hatte es geschafft, materielle Form anzunehmen! Nun konnte er direkt reden und Einfluss nehmen, seine Glaubwürdigkeit war gesichert, denn es fällt den Menschen immer noch schwer an Geister zu glauben!) Direktor war der Professor Newton, ein Sechziger im Generalsrang ... Joyce hatte die neue Agentin Lyssowa vom Bahnhof abholen lassen. Er be¬grüßte sie. ¬Der große Computer, der den Raum beherrschte, beeindruckte sie (und er versuchte sie einzuweihen, zeigte ihr gleich eine verschlüsselte Botschaft. Sie murmelte: "Unsinn". Er: "Nana, Sie werden sehen!" "Ich heiße von Haus aus Jinny". "Sie heißen hier Anna Lyssowa und sind Russin!" "Zu Befehl, vielleicht die Niemandin in der Höhle, Ulyssin oder Fickmadame im Untergrund?"
"Weiß irgend jemand sonst warum ich hier bin?" fragte sie später, als ihr Unverständnis wuchs, fragte es im Tonfall von frechen Gören. Joyce antwortete nicht; wechselte das Thema und führte sie in den anderen Raum, wo er ihr ausführlich die Empfangs¬appara¬tur und die Über¬tragungseinheiten erklärte: "Wir sind einfach ein Glied in einer Kette von Observa¬torien rund um die Erde, und bestimmt nicht das schwächste."
Anna Lyssowa sah aus dem Fenster auf die gewaltige Konstruktion draußen, auf die kahle Heidefläche und den jetzt pur¬purfar¬benen Himmel.
"Jede Radiowelle aus dem Äther trifft auf die Schale, wird zu der Antenne reflektiert und von den Geräten dort drüben aufge¬nommen." Sagte er. Er deutete hinter die gläserne Trennwand. "Diese beiden Computer errechnen den Scheitelkreis und die Höhe der jeweiligen Geräuschquelle, die wir anpeilen wollen, und verfol¬gen sie weiter."
Er fasste sie beim Arm und führte sie zur Beobachtungs-stelle des Computers hinüber. "Ich werde Ihnen zeigen, was ich auch Oberth zeigen will. Stellen Sie sich neben mich."
Oberth gehorchte und betätigte die Schalter, deren Nummern er ihm sagte. Hellwach und erwartungsvoll setzte Lyss sich und legte ihre linke Hand auf seine rechte.
Die Maschine begann zu summes. Relais knackten, der Schirm er¬hellte sich. Wie ein Film auf Schärfe eingestellt wird, wur¬den die Schatten klei¬ner und schärfer und nahmen Form und Per¬spektive an.
"Es sieht aus wie der Mond", murmelte Joyce. "Unbelebte Berge, staubgefüllte Täler."
"Es ist nicht der Mond", flüsterte der Sicherheitsoffi¬zier Oberth, ohne den Blick vom Konsol zu wenden. "Es ist der astrale Zwischenbereich, von dem die Botschaft kam."
"2109? Du meinst, sie zeigen sich uns?" Joyce starrte auf die bi¬zarren Schatten und Spiegelbilder. "Die Beleuchtung ist un¬heim¬lich."
"Wegen der Herkunft", erklärte er, "ist das Licht ihrer Sonne blau." Sie konzentrierte sich auf den Schirm, und das Bild be¬gann sich zu heben. Die Szenerie bewegte sich mit wachsen¬der Ge¬schwindigkeit horizontal dahin, bis nur noch ein Flimmern zu sehen war. Dann verringerte sich die Geschwin¬dig-keit, und die Szene stand wieder still. Unheimliche Stille herrschte diesmal, die absolute Starrheit zeitlosen Alters.
Eine riesige Fläche erstreckte sich nach hinten, wo sie in den dunklen Himmel überging. Im Vordergrund standen wahllos verteilt gewaltige längliche Formen, die offensichtlich halb in die weich aussehende Oberfläche gesunken waren.
Joyce meinte zu halluzinieren, und suchte mit den Augen das Zeitfeld ab, meinte Janine dort zu erkennen; ach Unsinn, nichts als eine Steinform, Ihre Feuerbestattung in London. Wie eine weiße Puppe hatte sie mitten in ihren Blumen gelegen, bevor sie ins Feuer fuhr. Ein Nie trägt sie davon. Ich kann mich nicht trennen; mein Hirn tut weh, als wäre ich für immer unglücklich verliebt. Aber so ist der Abschied reinlicher, klarer; wir haben richtig gehandelt. Möchte auch feuerbestattet werden. Niemals da hinab, eingezwängt ins Erdloch. Nein, frei, frei zu Asche und Rauch werden, verstreut und leicht, ganz leicht wie Flocken in der Luft, langsam, langsam als Staubkorn ins Gras fallen, zwischen die Bäume, Bäume, die augenlos weiter in die Ferne und aufs Meer sehen können, im Chlo-rophyl, der Berg belichtet. Auch das Leuchten der Wiese dort oben, im Wind die Blätter der Bäume, gelb an einem alten Stall, das Gras niedergedrückt vom Regen, als wäre es unser Körperabdruck, der dort liegen blieb, und verlassen ist - jetzt ein krankes Summen der Stille, als fehlten wir hier, und wollten doch wie ein Flocke leicht über diesem Stück Erde schweben für immer. Leben, ein vergessener Blick, als wäre es nie gewesen, resignierter Hauch, und wendest dich ab. Nur einen Augenblick warst du da.

Lyss fühlte, wie sich die Haare in ihrem Nacken sträub-ten. "Mein Gott", flüsterte sie, "was ist dies?"
"Das sind SIE", antwortete Joyce. "Die uns die Botschaft ge¬schickt haben. Die, denen unsere Toten, und auch die Toten in uns, sehr ähnlich sind. Doch mit unseren gewohnten Formen. In Wirklichkeit liegt alles jenseits unserer Sinne. "
"Aber sie leben nicht." Sie verbesserte sich. "Sie bewegen sich nicht. Auch hier nur Sinnestäuschung?"
Joyce nickte. "Natürlich", sagte er. "Wirklich große Ge-hirne kön¬nen sich wie der Computer nicht bewegen. Und sind eigentlich unsichtbar. Dass wir sie sehen können, haben wir ihrer Mitarbeit, von der wir aber kaum etwas wissen, zu verdanken. Und vor allem können und dürfen wir uns nicht an unsere Herkunft erinnern, das gehört zum staatlichen Programm, das ist die unerbittliche Grenze, die wir zu beschützen haben. Und falls ihnen diese in Träumen aufbricht, vergessen Sie sie, Anna Lyssowa. Das ist unser erstes Gebot hier. Aber Wissen darüber ist auch nicht erforderlich. Und "sie" sagen es immer wieder, wir könnten es sowieso nicht begreifen! Machen Sie sich nicht zu viele Gedanken, und Lüge ist es auch nicht, sondern es ist das normale Menschenbewusstsein zwischen Glauben und Unglauben; nichts besonderes also. Wir machen hier keine Ausnahme!"
"Nur", entgegnete Annalyss erstaunt, alles ist so exakt sichtbar. Sollen wir unseren Augen auch hier nicht mehr trauen?"
"Ja, besser ist es, `professionell´ ist es, sich privat nicht einzumischen!"
"Das sagten die in den Lagern auch!" So Lyss ärgerlich!
Oberth aber ließ sich nicht beeirren: "Ihre Oberfläche scheint fest zu sein." Lyss ließ sich darauf ein und sagte harmlos: "Wie sehen sie, so augenlos geworden?"
"Augen wären nutzlos. Das blaue Licht - ich sage ´blaues Licht´, weil ich keine andern Worte dafür habe, die aber notwendig wären, um es zu bezeichnen, also dieses C4, wie wir es hier nennen, würde alle Ge¬webe und Nervenfibern, wie Sie sie kennen, zerstören. Die Trans¬wesenheiten sehen mit anderen Mitteln, genau wie ihre anderen Sinne sich von unseren sehr un¬terscheiden ..."
Das Bild begann sich aufzulösen. Einzelne Abschnitte lösten sich und verschwanden. Schnell verblasste der Schirm.
"Es gehörte viel Geduld und mediales Können dazu, um all dies zu entziffern," erläuterte Joyce ernst:" Was wir sehen, und die Geräte vermitteln, ist we¬nig. Gehen Sie ins Archiv und suchen Sie dort unter GZ3/6545 das seit Jahrzehnten angesam-melte Material, das zum großen Teil aller¬dings medial durchgegeben wurde, ein Teil davon ist schon bei Matthiesen und dann bei Myers dokumentiert. Es wurde uns jetzt bestätigt."
"Übrigens las ich von Dr. Moodys "Psychomanteum" (nach Herodot) "Das Orakel der Toten," sagte einer der Mitarbeiter: "Ein Raum mit Spiegeln, wo die Toten befragt werden können."
Es kommen direkte Stimmen, einzelne Worte. Liebst du mich? Dachte Joyce: Ich höre eine Stimme, die es sagt - Janine? manchmal höre ich sie noch in meinen Träumen: Liebst du mich? Ja, Ja - und wahre Liebe wird nie enden. Dann wache ich schreiend auf.
Lyss, die mit ihrem wahren Namen Jinny Black hieß, sah irritiert zu Joyce hin, als habe sie seine Gedanken gehört!. "Die Botschaft?"
Aus dem Lautsprecher kam plötzlich eine klare Stimme mit einer Art Positionsangabe. Und dann eine Art Name: YSS. Ein Mitabeiter, Oberth, zeigte zum Himmel. "Sie haben aufgehört sich zu wiederholen. Lyss. Welch ein Zufall. Es stimmt nicht, was die Dichter sagen." "Die Toten sind nicht einfallslos, sie können schon Wörterbücher in ihrer Sprache verfassen, sich verständlich machen." "Vielleicht haben wir gerade das Ende einer langen Sendung erwischt", meinte Joyce ruhig. "Ohne diesen Zu¬fall YSS L-Lyss hätten wir sie wahr-scheinlich gar nicht gehört, man versteht immer nur, was man schon kennt oder weiß! Das wollte ich noch sagen." Oberth lächelte sie mü¬de an und ging.
"Vielleicht war es wieder 2109?"
"Ach, die Guten von 2109," lachte Joyce und nahm einen großen Schluck seines Spezialwhiskys, "als wäre es eine Jahreszahl ein Überhundert¬jahrespäter; da meinen die Doofsten hier, die gäbe es in ih¬rem Sinn `wirklich´, und vergessen, dass der Liebe Gott ein begabter, ja, genia¬lerer Autor mit sehr viel Phantasie und Humor ist."
"Aber der eine oder andere wird etwas spüren, wird etwas wahrnehmen", sagte Oberth.
Und Joyce fast heftig: "Das sind keine ´Stimmen aus dem Jenseits´, keine ´Mitteilungen aus der siebenten Dimension´. Nein, nichts weiter als der Hauch der tiefen, inne¬ren Ahnung, dass sich auf dem Grund Ih¬rer Seele eine Begegnung vollzogen hat: die Begegnung mit dem Unbegreiflichen, dem Un¬faßbaren, dem Unaussprechli¬chen - die Begegnung mit den Anderen." Joyce´ Gesicht hatte sich verändert, er schien plötzlich abwesend: "Und wenn Sie die Augen wieder öffnen und in die ´reale Welt´ schauen, werden sich einige Nuancen dieser Welt für Sie verändert haben, Schat¬tie¬rungen nur, Kleinigkei¬ten, Unauf¬fälligkeiten. Aber trotzdem: die Welt, in die Sie nun blicken, wird nie mehr die Welt sein, in der Sie bislang ge¬lebt haben. Sie hat sich verändert und wird sich weiter verändern. Und Sie selbst wer¬den sich mit ihr ver¬ändern."
"Und all dieses sollen wir verhindern?" Meldete sich nun auch Anna Lyssowa erstaunt.
"Ja, um jeder Panik in der Bevölkerung vorzubeugen", sagte Oberth etwas unsicher, bemühte sich aber seiner Stimme einen ernsten, fast offiziellen Ton zu geben. Joyce dagegen äußerte sich dazu nicht direkt, es klang aber fast wie eine Antwort, als er sagte; "... Gibt es etwas Bedeutsameres, etwas Wichtige¬res, et¬was Notwendigeres als genau dieses? Wenn wir unsere Wirklichkeit nur als ein Mo¬dell betrachten, als eine Realität von vielen, wenn wir zur Kenntnis neh¬men, dass uns andere Intelligenzen in diesem Universum in ihrer Ent¬wicklung um ein Vielfaches voraus sein könnten, wenn wir schließlich das, was wir beob¬achten - nämlich das Phänomen der Strahlenschiffe in all seinen bizarren Aspekten, mit dem vergleichen, was wir über Intelligenz, Bewußtsein, künstliche Intelligenz und künstliches Bewußtsein, Wirklichkeit und virtuelle Wirklichkeit wis¬sen oder zu ahnen beginnen, dann fügen sich all die verwirrenden Steine dieses Puzzles all¬mählich zusammen."

"Wir haben den Auftrag, das alles in Erfahrung zu bringen", sagte Oberth.
"Doch nur, um es geheimzuhalten," lachte Joyce laut auf, als erwache er eben.

Als alle gegangen waren, stellte Oberth die Sonde ganz scharf ein. Es war die erste Geheimhaltungsstufe. Er gab das Paßwort ein, seines und das von Joyce.
Ganz leise klang es aus dem Lautsprecher: "Hier ist ... der Kommandant des Objektes (Tamar). Ich grüße sie auf Ihrem Planeten. ... Das Ende ist unaufhaltsam... 2,4 Millionen Lichtjahre trennen uns... Wir beobachten mit Besorgnis eure Lebensweise... Die Erde wird sich vor ihrer Transformation von den Folgen eures Tuns säubern müssen ... geographische Veränderungen, große Umwäl¬zungen in Wirtschaft, Politik und Religion sind zu erwarten."
Joyce beugte sich vor und sagte zu Oberth: "Oberth, Sie wissen, dass dies unter uns bleiben muß, und das bringt mich in Wut!" "Ich weiß es, entgegnete Oberth, dass die Verantwortlichen auf der Erde jede Mitarbeit verweigern."
"Und alle Raumfahrer der NASA ... müssen sich ... den strengen Regeln der Geheimhaltung unterwerfen ..."
Oberth, der zu einem Astronautenteam gehört hatte, sagte: "Vielfach näherten sich die Schiffe Asthars unseren Raumfähren bis auf dreißig Meter ..."
"... jaja, VColumbia Juli 91 und August 2002, Atlantis, August 91 und September 2005, Endeavour, Dezember 93... und Januar 2006."
"Manchmal findet ein gegenseitiger Besuch der Besatzungs¬mitglieder statt."
„Edgar D. Mitchell hat nach seinem Mondflug das "Institut für noetische Wissenschaften" gründete und zwei Bände "Psychic Exploration" herausgegeben." Joyce lachte höhnisch, „Na und! Nichts hat sich verändert!“ „Wir sollen doch eben dafür soregn“, antwortete Oberth.

2
Joyce schlief schlecht in dieser Nacht, und notierte am Morgen, wie üblich, seinen Traum im Traumtagebuch, da er mit Sicherheit annahm, dass er zu Out-of-the-Body-Experiences neigte, er sah seine Hand, wie sie über die Tastatur lief:
"In der Nacht dieser "Traum", dass ich eben gestorben war: Mein Körper löste sich vom Denken. Er tat nicht mehr weh. Ich konnte mühelos aufstehen, und alles war nur noch eine sich auflösende große Gegenwart: - Ich öffne die Tür zum Garten, ich gleite hinaus, ich fliege. Flüssi¬ges Feuer auf dem Stuhl, Feuer fällt durch den Eich¬baum, Licht und dort der Schatten; flüssi¬ges weißes Licht, wie bei Van Goghs "Stuhl" schlagen daraus die Flammen, und ich er¬starre - alles ist jetzt aus seinem Namen geschält, durchsichtig schwingts, nur meine Au¬genlider sind schwer. Bleiern im Mund der Ge¬schmack von Kupfer und Dröhnen von Eisen¬häm¬mern im Ohr, aus¬ge¬laufen dieses Silber, im Atem Metall, der Körper schwer; und ich entferne mich, im Hirn eine Helle, ich taste mit meinen Fingern über rissig poröse Materie, eiskalt die Stelle, wie verhext gleitet der Finger hin¬ein bricht durch, und aus dem Bild an der Wand tropft es, weint das Summen und wächst... ein Streifen Licht von draußen, es fällt ins Au¬ge und schmerzt; ich schweige kann nicht reden oder wenn ich rede, hört mich niemand; sie sehen mich nicht; ich aber bin dort oben an den braunen Deckenbalken des Zimmers schwebe, leicht wie eine Aschenflocke, wie eine Feder. Das blaue Band bis zum See ist flüssiges Licht, blendet durchdringt die Mauern würzige Luft ein eßbarer Gegenstand. Die erhöhte Klarsicht bis hinüber zur Insel; hier in der Biblio¬thek und im Archiv - alles ist nun aus Krystall; die Luft scharf der Himmel Vogelge¬zwitscher die Linie des Berges mit dem Rasiermesser geschnit¬ten; dieses Rosa glüht von innen weich wie Kinder-lippen fliege schwebe über den Wellen über dem Meer Sand Sand und kann in jedes einzelne Körn¬chen hineinsehen: jedes Teilchen ein vollkommenes geometrischen Muster strahlt ist Krystall mit scharfen Ecken jedes wirft einen Licht¬strahl zurück leuchtet; ein Regenbogen Strahlen kreuzen sich bilden schöne Muster dann wieder das Zimmer die Bü¬cherwand die beiden Fenster der Sessel ein dichtes Muster es ist nicht mein Zimmer es ist ein Bild von Braque keine Ge¬¬¬brauchs¬gegen¬stände mehr son¬dern himmlische Objekte frei und schwebend Dröhnen Pochen? Sie aber winkten mir; und ich gehe mit dem Buch aus dem Haus, es ist windstill, im Nachbarhaus steht auf dem Schornstein eine senkrechte Rauchfahne, Feder im Tintenfaß Trauermusik, Salutschüsse auf einem Fried¬hof, lauter frisch aufgeworfene Hügel, sonst nur zubetonierte Gräber, wir gehen in eine trance¬versunkene Stadt, manchmal schwankt ein hohes Gebäude vorbei, und Gesichter hängen müde, wie an eine Fen-ster¬scheibe gepresst, vor mir in der Luft, ich dachte, das sind doch meine Großeltern, dort liegt das Gesicht meines Vater quer, wie die mir nachsehen!
Und ich geriet dann wieder in jene Militärzone der Überwa¬chung. Gleich darauf wurde mir auch der Innenraum einer Heilanstalt vorgeführt, so dass ich sofort abbrechen wollte, als ein weißer Charakterkopf in der Parkanlage zwischen den Bäumen auf mich zurannte... die Brust voller Orden, die ihm unter anderem Churchill, Roosevelt, Christus und Hölderlin verliehen haben sollen, rote Blume im Knopfloch, die Hände zum Gebet gefaltet, und kam mit beschwingtem Enthusiasmus auf mich zu, um sich über die Ignoranz der Ärzte, Dirnen und Direktoren zu beklagen, die nichts von seinem so unsäglich verdienten Weltglück wissen wollten. Dazu gesellte sich freilich einer, den ich seit langem kenne, "dein Freund Terplan!" Dieser Terplan sei der "Weltglücksmann", sagt der Weißbärtige, und alles werde sofort Wirklichkeit ... " Terplan, wer ist Terplan, eine Traumfigur, ein Transsylvanier? Ja, er ist sozusagen der Verrückte vom Dienst. Doch darüber später. Bleiben wir bei Joyce.
Kein Wunder, dass in Joyce geheimer Personalakte folgendes stand:
Name: Joyce, Oberst
Special Agent des OSI (Office of Scientific Intelligence), Waffe: SigSauer P229, spaeter eine Smith and Wesson 1076.
Geburtstag: 7.8. 44
Grösse: 1.80 m
Haarfarbe: braun
Augenfarbe: blau
Status: ledig
Eltern: geschieden
Sein Bruder Bill Joyce, arbeitete für das State Department, starb im Mai 1996
Spitzname: Edy, Joycy
"Edward Joyce (Ed), Oberst, graduiert in Psychologie (Oxford), besuchte die OSI Academy in Quantico. In der Abteilung Gewaltverbrechen zählte er zu den besten Agenten des OSI. Die Obsession für paranormale Phänomene und die damit verbundene Leidenschaft für ihre Erforschung erklären sich aus der Tatsache, dass Janine, seine Verlobte, in seiner Gegenwart entführt wurde. Angeblich von Aliens, wie er selbst sagt und dies während Hypnose¬sitzungen bestätigte. Sie starb ein Jahr nach diesem Zwischenfall. Joyce ist sich sicher, dass Janine lebt und er setzt alles daran, sie zu finden. Er erwähnt diese Tatsache nie. Da er durch seine extremen Ansichten nicht gerade viele Freunde hat, ist es nur durch seine besonders gute Arbeit, seinen einmaligen analytischen Verstand und dem fotografischen Gedächtnis zu erklären, dass er nicht schon längst gefeuert wurde. Denn so hat er sich Aufmerksamkeit in höheren Kreisen verschafft, die ihn als Gewinn aber auch als Bedrohung ansehen. Vor allem General Newton, sein Vorgestzter, gilt als sein Widersacher. Um Joyce besser zu kontrollieren, stellte man ihm am 16.3. 2000 eine Partnerin zur Seite, Anna Lyssowa, genannt Lyss.
Joyce hat zwei Informanten innerhalb der Regierung, H. Oberth und Mr. X. LG versorgten ihn mit Informationen.
In den Geheim-Akten im ARCHIV stieß die Gruppe auf eine interessante Information, dass der private Forscher-Kreis um einen gewssen H.C. Lovering in den folgenden Monaten eine groß angelegte Verschwörung von mehreren Regierungen aufdecken würde, die in Zusammenhang mit Alienabduction und geheimen Experimenten von ehemaligen Kriegswissenschaftlern an Bürgern der USA standen. Joyce fand ebenso heraus, dass sein Bruder selbst an diesen Projekten beteiligt und auch für den Tod von Janine mitverantwortlich war. Weil sie zuviel wußte, dieses Wissen nach ihrer Entführung "mitgebracht" hatte, musste sie sterben! Sein Bruder, der mit ihr in engem Kontakt gestanden hatte, lenkte den Wagen, der ihnen beiden zum Verhängnis wurde. Alles war als Unfall getarnt worden. Doch Joyce ahnte die Zusammenhänge, beweisen konnte er freilich nichts. Er selbst entging nur knapp einem Attentat.
Joyce ist als "workoholic" bekannt, sein ganzes Leben ist seine Arbeit.
Er mag Sonnenblumenkerne, Eistee. Sci-Fi Filme und Pornos. In seiner Wohnung steht ein Aquarium.

3 Anna Lyssowa war nicht nur auf Joyce, sondern auch auf einen gewissen H.C. Lovering und seinen Kreis angesetzt worden. Sie sollte herausfinden, was dieser Kreis über die geheimen Informationen der Regierung bezüglich der Aliens wußte. H.C. Lovering war einer jener Sonderlinge und Tüftler, die der wohlgefügten staatlichen Ordnung gefährlicher werden konnten, als alle Revolutionäre zusammengenommen.
Joyce hatte bisher über Lovering wenig Material sammeln können; seine Zentrale wußte nur, dass seit dem Beginn dieser Verbindungen mit den Toten, dem eigentlich entscheidenden Todeser¬lebnis Lo¬verings also, viele Jahre vergangen waren; jenes Erlebnis hatte auch dazu geführt, dass er nun im gottverlassenen Nest S. lebte, wo ihn niemand suchte, seinen deutschen Namen geändert und Deutschland für immer verlassen hatte. Es war am Ende der vorstellbaren Zeit gewesen, also Mai 45: in einem kleinen Ort ausgerechnet bei Weimar, und da war H.C. Lovering, der damals ganz anders hieß, wegen Desertion und Landes¬verrats zum Tode verurteilt worden, dies, weil er sich standhaft geweigert hatte, auf wehrlo¬se Häftlinge zu schießen. So war H.C. Lovering aus dem La¬ger und vor seinen Leuten und Ka¬meraden geflohen, die nun keine Kameraden mehr sein konnten, sondern die eigentli¬chen Feinde waren. Sie hatten ihn zum Tode verurteilt, und nur wie durch ein Wunder war er entkommen. Und da er seit Kriegsende alles sammelte, was sich auf Sterberlebnisse, vor allem auf Sterbeerlebnisse bei Exeku¬tionen bezog, vermisch¬te sich das Selbsterlebte mit unzähligen Schilderungen, die ihn bis in die Träume hinein verfolgten.
Immer wieder stellte er sich diese Umstände vor, suchte er sämtliche Va¬rianten zu erschöpfen. Unzählige Male nahm er den ganzen Hergang vorweg, vom schlaflosen Morgengrauen bis zur Salve. Er stellte sich, wie in einer be¬rühmten Geschichte vor, er sei unsterblich. Manchmal ersehnte er im Traum mit Ungeduld die end¬gültige Salve, die ihn von seinen Todesängsten in Erwartung der verzögerten Hinrichtung, die das Leben ist, befreien würde.
Er erinnerte sich seiner unabge¬schlossenen Aufzeichnungen, die die Todes- und Schreckens-Erlebnisse während der Schlachten festhielten, und nicht nur er, sondern viele seiner sterbenden Kameraden hatten das Licht am Ende des Tunnels gesehen und waren mit "ihnen" in Verbindung gewesen; plötz¬lich schien ihm, als besuchten ihn nun auch seine toten und verwundeten Kameraden und trösteten ihn.
Er war mit seinen Aufzeichnungen nicht weit gekommen, in der Einleitung war er von außen an diese Erlebnisse herangetreten, er hatte die ver¬schiedenen Ewigkeiten geschildert, die Men¬schen ersonnen haben, und er wußte, dass es keiner Wiederkehr der Toten bedarf, dass eine ein¬zige >Wieder¬holung< des schon Geschehenen genüge, um zu beweisen, dass die Zeit ein Trug ist. Es war damals im Mai 45 die letzte Nacht gewesen, die furchtbarste. Gegen Morgen träumte er, er könne sich in einer Bibliothek verstecken, wo es solche Wiederholungen reichlich gab. Er hörte eine Stimme... Die ihm solch eine Wiederholung "wirklich" versprach. Als er erwachte, betraten zwei Soldaten die Zelle und be¬fahlen ihm, ihnen zu folgen. Er und mit ihm drei andere Verurteilte mußten vor ihrer Er¬schie¬ßung ihr Grab schaufeln; das Schaufeln und die letzten Le¬bensminuten blieben ihm für immer im Gedächtnis. Die Hinrichtung war mechanisch und exakt, von staatswegen angeordnet, doch in den letzten Sekunden ein ungeheures Aufbe¬gehren. Mit einem Knall wie ein Ka¬nonenschlag schoß blendendweißes Licht rings um ihn auf - dann war alles dunkel und still. Der Nebenmann hatte vorher im Kon¬zentrationslager und Gefängnis schwere Quälereien durchstehen müssen, dass er schon wäh¬rend des Schaufelns und während seine Kameraden vor ihm er¬schossen wurden, hellwach die Schüsse und die rücklings in die Grube fallenden Körper miterlebte... Sie sind nicht tot, sie leben, nur ihr Körper fällt: dachte Lo¬vering schon damals: Oder irre ich mich? Und grell flackrig kam der Schuß, die Kugel in der Feu¬erbahn, und die Mündung war zu sehen, sperrig blockierter Mund und schreck¬verkrampft, in den Brustkästen gekillte Herzen, heftiges Pochen und Trommelfeuer und Felle, und durch Mark und Bein ge¬hendes Schreien, eine Hö¬he wurde ge¬stürmt, der eine war gefallen und lag im Dreck; weitere Schüsse und ein Pochen, innen Klirren und tief innen stechende Gehörgänge, Schall und Knall durch Ge¬hörgänge und Ge¬hirngänge, Windungen, der Stahl des Helms durch-geschlagen, Stirne und Schädel und Schläfen¬bein: der Durchschuß sauber, die Kugel in den Grabkammern des eingesargten Kopfes. Durch den Helm durch, und wenn Lovering die Köpfe sah, musste er an jene Köpfe denken, an die abgeschnittenen Köpfe in Behältern, die sein Bruder als Sonderkurier "damals" zur Uni Straßburg bringen musste, russische Kriegsge¬fangene, denen bei leben¬digem Leib die Köpfe zur Vermessung abgehauen worden waren... Lovering gehörte zu den letzten zwei zum Tod Verurteil-ten, die am Rande der Grube niederknieten, während ihnen die Mündung des Gewehrs in den Nac¬ken ge¬drückt wurde, und hörte das Knacken des Gewehrhahnes, hörte, spürte den ver-stärk¬ten Druck im Nacken, doch nichts, nichts geschah; die Se-kunden dehnten sich unend¬lich.... Und das physische Universum blieb stehen. Er versuchte ei¬nen Schrei, nur eine Silbe, die Drehung ei¬ner Hand. Er begriff, dass er gelähmt war. Kein noch so schwa¬cher Laut erreichte ihn; Stille; das Blei der Deut¬schen, seiner eigenen Kameraden, würde ihn erreichen, auf einer Gedan¬ken¬bahn Gottes, der Zeit: zur bestimmten Stunde ihn töten, aber in sei¬nem Geist würde ein Jahr vergehen zwischen dem Befehl zum Feu¬ern und der Ankunft der Kugel. Und er hörte das Bellen der Schüsse nicht, so glaubte er, dass dies der Übergang sei, dass man das letzte Bild des Diesseits mit hinübernimmt. Erst als er die Augen öffnete und sah, wie seine Henker vor einem Tief¬fliegerangriff in Panik flüch¬teten, wußte er, dass er wirklich am Leben war und am Leben bleiben würde, die gestockten Tränen flossen nun über sein Ge¬sicht, als wollte der Tag tauen. Und es schien Lovering, dass seither das numinose Licht wächst und wächst, die Wand hautdünn, dünn wie die Kopf¬haut, wie die Hornhaut des Au¬ges oder ein Film. Als wären die Geburten¬ord¬nungen verschoben seit jenem Jahr, von drüben, als wäre es Nichts... 4 H.C. Loverings fester, jedenfalls sein erster und ständiger Wohnsitz, wenn man bei Lovering überhaupt von so etwas sprechen kann, war also dann nach dem Krieg diese kleine Stadt S. Dieses S., „der Ort“ (1 Meile ist es bis zur Zentrale) war etwas völlig anderes als der erste Fluchtort, der in England lag und Llareggstone hieß, vier Meilen südwestlich von Chester, in einer Enklave: Cheshire. auf der walisischen Seite des Flusses Dee, un¬weit von Bretton Woods zwischen walisi¬schen Hügeln und doch wieder an der Küste; in der Ferne der Hope Mountain, hinter dem sich das un¬zugängliche Gelände des gefähr¬lichen Hochmoors von Minerva erstreckt. Hier hatte er seine Forschungen begonnen, und er fuhr auch von Zeit zu Zeit dorthin, um etwas Seltsames aufzusuchen, den ORT, der spiegelbildlich nun auch hier in Transsylvanien lag. Dort, ein seltsa¬me Küsten¬stadt, eine kleinere Stadt, die wirklich existiert, während S. wie eine Geisterstadt, jeden Augenblick sich aufzulösen und zu verschwinden drohte. Warum also ver-heimlichte dieser Gelehrte, der keiner sein wollte, seinen Wohn- und Wir¬kungsort, wo so seltsame Dinge geschehen, dass er eigentlich gar nichts mehr erfinden muß; alles ge-schenkt. Warum Lovering ausgerechnet dieses Tal als Wohnort gewählt hat? Nun, es ist wie ein Ort der Kraft, dieses ganze abgelegene Tal, wie ein rie¬siger Spiegel der Ereig¬nisse: Bricht ein Krieg aus oder steht er kurz be¬vor, heißt es, dann nä¬hern sich Heeres¬züge oder geschieht sonst ein schreckli¬ches Ereignis: so zieht ein alter Ritter mit sei¬nem unsichtbaren Heer mit Hufegetrappel und Waffen¬geklirr, mit Rä¬derrollen und Trommelwirbel durch die Luft. Erfolgt später der Friedens-schluß oder steht er kurz bevor, so zieht das wilde Heer den entgegen¬gesetz¬ten Weg und kehrt in seine Friedensgarnison zurück. So die Ortslegende. Was aber seit Jahr¬hunderten ge¬-schicht¬lich nachweisbar ist, sind selt¬same meteoro¬logische Er-scheinungen, die, so scheint es jedenfalls, in ir¬gendeiner Weise mit Krieg und Frieden, Glück und Unglück zu¬sammenhängen. Es werden tat¬sächlich im Be¬reich der beiden Burg¬ruinen oder häufig von einer zur anderen ziehend, hörbare, brau¬sende Klänge in der Luft wahrgenommen, in welche die Menschen Pferde¬ge¬trappel, Waffengeklirr, Peit¬schengeknall oder ähnliches hineingehört oder hin¬eingedeutet haben. Dabei sind diese Erschei¬nungen so, dass man sie nicht einfach als normale Sturmböen oder Gewitter erklären kann, denn häufig treten sie bei klarem Himmel und schönem Wetter auf. Außerdem werden sie gehäuft im Zu¬sam¬menhang mit den erläuterten Kri¬senzeiten beobachtet. Es war auffällig, dass sie in der Zeit von 1742 bis 1796 über das Tal brausten, doch laut Lovering, der Auszug des Wilden Heeres auch in den Zeiten des Er¬sten und Zweiten Weltkrie¬ges und noch danach von vielen Menschen wahrgenommen worden war. Lovering, der hier längst nicht nur seine postmortalen Kriegs¬erlebnisse aufschrieb, sondern durch transkommunikative Kontakte mit seinen Kameraden und anderen Kriegsopfern über den Unsinn des Ersten und Zweiten Weltkrieges hinaus, hier nun ganz andere Informationen erhalten hatte; soweit war auch Joyce im Bilde, wurde also beschattet: über diese Kontakte, die vom Staat jetzt zum erstenmal ernstgenommen wurden, weil ein ängstlicher US-Präsident selbst solche Erlebnisse gehabt hatte, die sich auch sonst immer mehr häuften, ja, die Aufklärungs¬flugzeuge in jene Zwischenzonen eingedrungen waren oder jene Zwischenzonen in unsere Räume, sollte nun Analyss um jeden Preis herausfinden. Bisher wußte die Zentrale nicht mehr, als dass H.C. Loverings und auch Terplans Schreiben kein Autorenquatsch, sondern regelmäßige Diktate waren, und nur Loverings romantisches Gemüt hielt sie für ein posthumes Geschenk, das einzige, das Gott außer der Liebe bei seinem Verschwinden hier auf der Erde zurückgelassen habe. Dabei, dies war nicht ausgeschlossen, hatte Lovering diese Tatsachen der Lyssowa nur vorgeflunkert, um andere, wichtigere und konkretere technische Details und Geheimnisse, die ihn über eine instrumentell gestützte Transkommunikation (Ter-Plan) erreicht hatte, zu decken; (sein großes Archiv war noch zu erkunden und auszuwerten!). So gab er rätselhafte Sprüche von sich, die auch reiner Nonsense sein konnten, die Annalyss aber (zum Teil mit Richtmikrophon und auch eingebauten Wanzen) alle aufgenommen hatte, zum Beispiel diese ( Joyce sagte dazu voller Ingrimm: "Der verarscht uns nur"): "Was einst Wort Gottes war", hörte man Lovs etwas krächzende und hohe Stimme aus dem Lautsprecher des Sprachlabors, man hörte auch das Scharren der Füße: "durchdringt als Elektronenmikroskop das Auge. Die Siebzig Sprachen werden wieder Eine, glauben Sie mir: Dies hat das Licht, das unser Auge sieht, sehr alt gemacht, der Satz verzehrt das Leben, la lingua, pfingstgesetzt. Die Flamme, sing Atom; als Nichts sind wir entkommen..." Damit konnten auch die besten Labor-untersu¬chungen und Sprach-Analytiker nichts anfangen. "Mein Gott, das ist ja ein Gedicht! Laß ihn doch endlich zur Sache kommen", mahnte Joyce die Agentin mit komischer Verzweiflung. "Laß doch deine Künste spielen bei diesem Sonderling, damit er endlich auftaut! Ich komme mir wie in einer Heilanstalt vor!" "Dort sind wir ja auch", kam Lyss` schlagfertige dunkle und rauchige Stimme durch das Summen der Geräte. 5 Den Sonderling sah man ihm, dem H.C. Lovering, auch an, schon die Kleidung: sie war ziem¬lich erdig, nicht irdisch, als wäre er längst ver¬storben und begraben, und lebe illegitim doch weiter. Manchmal freilich, so seine Deutung: belästigen "sie" ihn, stören ihn in seinen Gedanken¬gängen, wenn er ge¬rade einen Einfall hatte, am Tagebuch schrieb, "Diktate" versteht sich, nicht banale Tagesereignisse, es sei denn, dass diese versteckte "Zeichen" oder "Botschaften" verbargen und enthielten. Dies war sein wichtigstes Tagwerk, auf Schritt und Tritt wars eine Entschlüsslungsarbeit, die freilich die Zitaten- und Buchhinweise, die in seinem Hirn ("hirnsyntaktisch" oft wie vernetzte Hintergrundpoesie) auftauchten, nicht ausnahmen: alles, was bisher geschrieben worden war, gehörte dazu, um all diese Seltsam¬kei¬ten und nächtlichen Aben¬teuer, die immer häufiger wurden, festzu¬halten. Vor allem Witwen aus der Nachbarschaft waren neugierig auf ihn: ei¬ne, eine ziemlich junge und sehr attraktive, hieß Anna Lyssowa; sie beobach¬tete ihn sogar mit dem Fernglas. Und sie war mit irgendeinem Vorwand auch schon zweimal bei ihm gewesen. Sie klingelte … und stand einfach vor der Tür; Lo¬vering war immer höflich, ließ sie auch ein; sie wollte aber freilich mehr als Höflichkeit. Quatschte ihm die Ohren voll, wollte ihm was kochen, wollte noch mehr. Wollte ihm was waschen, die Betten machen, Hemden bügeln, Bücher ausleihen (Annalyss spielte die Naive.) Reden vor allem wollte sie. Sah gut und attraktiv aus... Und mehr. Beobachtungen mitteilen. Und mehr. Sie sehe da herüber, sagte sie mit ihrer tiefen Stimme, die ihn reizte, und wenn sie dann vom Einkauf komme, nach einer Stunde oder länger, sitze er doch im¬mer noch an der gleichen Stelle, und sie denke dann, er sei tot. Sie sei ja Sekretärin und übrigens auch Hobbyfotografin (Künstlerin also) in H. und oft tagelang fort, habe auch in H., freilich auch in Dodlestone/England ein Atelier und eine Wohnung. Und wenn sie dann hierher in ihre Zweitwohnung komme, die sie wegen der guten Luft und auch sonst ... genommen habe, da mache sie sich als gute Nachbarin so ihre Sorgen... Ja, sagte Lovering dann schnell und mit einem erstaunten Tonfall: was sie als Tod ansehe, das wisse er aus eigener Er-fahrung, das sei ein Zustand, den man erfahren könne. Und das stehe freilich auch in den Büchern: "Aber Sie werden enttäuscht sein, Frau Lyssowa, die Auswahl der Bücher hier ist zwar recht groß, doch fürchte ich, dass wenige darunter sind, die eine junge Dame aus England interessieren können." Er suchte auf seinem Schreibtisch, bis er ein Päckchen Zigaret¬ten fand. Mit ernster Miene bot er ihr eine an. Anna Lyssowa war entzückt über den ei¬¬gen¬tüm¬lichen, muffi¬gen Geruch der alten Bü¬cher, wie sie Joyce nachher berichte¬te (sie wollte herausfinden, ob da nicht noch wichtige Aufzeichnungen darunter seien!) und sie verschaffte sich auf¬tragsgemäß auch einen ersten, allgemeinen Überblick: Die meisten Bücher waren broschiert, teilte sie nachher mit, manche davon sahen noch neu aus, viele allerdings hatten aufgebrochene Rücken und schmut-zige Ecken; in gedrängten Reihen, unordentlich, ohne Sy¬stem oder Plan, standen sie auf den Regalen; auch viele ältere waren darunter, in Kalbs- oder Schweinsleder gebunden, Schätze aus Buchhand¬lun¬gen halb Europas. Dazwi¬schen standen große Foliobände wie preußische Grenadie¬re und kleine Elzevirs, die Patrizierdamen in Vene¬dig gelesen hatten. Wenn ihr Chef im Büro ein ande¬rer Mann, und sich streng nach Vorschrift benahm, so war Lovering inmitten seiner Bücher ebenfalls wie verwandelt. Es blieb zwar die liebenswerte Heiter¬keit, die ihn immer so anziehend machte, er trat aber hier mit einer amüsanten Schroffheit auf, die in son¬derbarem Ge¬gensatz zu seiner sonstigen Ruhe stand. Und entsprechend seiner Rolle, sagte er dann auch Dinge, die die Zentrale nicht interes¬sierten, da aber die Lyssowa alles gewissenhaft aufführte, als müsse sie ein Literaturexamen bestehen, stand in ihrem Bericht alles, was Lo¬vering gesagt hatte, etwa solches Zeug: "Als Sie kamen, erzählte ich den jungen Leuten hier gerade von einem alten Koran; ich bekam ihn von einem gelehrten Mann in Alexandria, den ich mit Therapien, die ich von den Aliens kenne, am grauen Star behandelte." Und Lo¬vering zeigte Lyss ein herrlich geschriebenes arabisches Werk mit wundervollen In¬itialen und Über¬schriften in Gold: "Sie wissen, dass es einem Ungläubigen so gut wie unmöglich ist, das Heili¬ge Buch zu erwerben, und dies ist ein besonders seltenes Ex¬emplar, denn es ist von Kait Bey, dem größten der Mameluckensultane, geschrieben." (Ob es mit dem Necronomicon, das ich sehen möchte, etwas zu tun hat, dachte Anna Lyssowa? Denn sie hatte den Auftrag genau dieses Rätselbuch ab¬zulichten, womöglich mit dem kleinen Taschen¬gerät auch noch zu scannen!) Lov, wie ihn die Freunde auch nannten, schlug die kostbaren Seiten um wie ein Blumenfreund Rosenblätter anfassen würde. "Haben Sie auch Literatur über die okkulten Wissen-schaften?" fragte Anna Lyssowa vorsichtig. Lovering lächelte sanft: "Ich möchte beinahe meinen, dass es keine Pri¬vatbibliothek gibt, die eine so vollstän¬dige Sammlung von Occulta enthielte, aber wenn unser Freund Morris dabei ist, der bald hier eintreffen muß, wage ich sie Ihnen nicht zu zei¬gen. Er ist zu höflich, mich der Dummheit zu bezichtigen, aber sein spöttisches Lä¬cheln würde ihn doch verraten." Dies sagte Lov auf un¬gewohnt zeremoniöse Weise. AnnaLyss trat an die Regale, auf die er mit ei¬ner vagen Gebärde hinwies, und sah sich die ge¬heimnisvolle Sammlung mit ei¬genartiger Erregung an, dacht dabei an ihren Chef. Sie wollte schon auf den Auslöser drüc¬ken, da besann sie sich, die Sammlung war zu harmlos, enthielt nichts über das eigentliche Forschungsgebiet Lovs. Sie ließ die Blic¬ke über die Na¬men gleiten. Fast war ihr, als betrete sie ein unbe¬kanntes, phantastisches Land. Doch das war nur eine private Neugier. Sie hatte schlie߬lich einen Auftrag. Lovering aber lenkte weiter ab mit seinem bibliophilen Quatsch: "Früher hatte ich einmal vor, die Biographie jenes erstaun¬lichen und großspurigen Philippus Aureolus Theophrastus Paracel¬sus Bombastus von Ho¬henheim zu schrei¬ben", sagte er mit einem verschmitzen Lächeln, als habe er alles begriffen (hatte er aber nicht!) "und deshalb viele seiner Bücher gesam¬melt." Er griff nach einem im siebzehnten Jahrhundert gedruckten, schmalen Duodezband mit seltsamen Tafeln, auf denen alle mögli¬chen kabbalisti¬schen Zeichen standen. Von den stockfleckigen Seiten ging ein sonderbar staubiger Ge¬ruch aus: "Dies ist eines der interessantesten Werke über die Schwarze Kunst. Es ist der >Grimoire von Honorias< das wichtigste Lehrbuch für alle, die sich mit den dunkelsten Zweigen der Wissenschaft be¬fassen. Aber was rede ich da: Ich weiß es ",sagte er fast beschwö¬rend zu Lyss: "Und leider habe ich es ver¬drängt, vergessen. Vor Jah¬ren war das anders: Auf unserer Reise zu den nord¬amerikanischen Indianern, den Hopi und den Sioux, staun¬ten wir, als bei einer Heil¬prozedur mit Sandpain¬tings, diese wunder¬schönen kosmischen Man¬da¬las, die unsereiner ja für Kunst hält, nach dem Heilvorgang ein¬fach ausgelöscht wurden, sie hatten ihren höheren Zweck erfüllt, nämlich den Patienten, der aus dem kosmischen Ganzen herausgefal¬len war, so dass er er¬krankte, wieder in die¬ses Ganze hinein¬zuführen. Nutzen engt ein, ja verdummt! Je nützli-cher und lu¬kra¬tiver die Arbeit ist, umso unnützer von jenem an¬dern Standpunkt aus ist sie." Dann wies er auf das >Hexameron< von Torquemada, den Großin¬quisitor, doch wichti¬ger schien ihm das danebenstehende kleine schwarze Buch, dies habe der Secretair Wormsius des Kardi¬nals ins Lateinische übersetzt: Und das >Tableau de l´lnconstance des Demons< von Delancre; er fuhr mit dem Fin¬ger über den Leder¬rücken von Delnos >Disquisitiones Magicae< von. Sprengers >Malleus Maleficorum< blies er behutsam den Staub ab. "All diese Bücher, nein, ihre Autoren im Dienst der Kirche, des Staates, der Gewalt also", sagte er, "fürchteten diese inneren Kräfte des Menschen, die sie in Frage stellen". Heute sind es die Geheimdien¬ste!" (Hatte er etwas bemerkt, hatte Lyss einen Fehler gemacht, sich verraten?) Nein. Keine Spur. 6 Lovering entschuldigte sich, denn das Tele¬fon läutete im Nebenzim¬mer, und er ging völlig ahnungslos mit eiligen Schritten dem Läuten nach. (Wirklich ahnungslos? Oder wars nur eine Falle?) Die¬s war die Gelegenheit! Anna Lyssowa war endlich allein. Schnell ging sie zum alten Sekre¬tär, durchwühlte die dort verstauten Papiere, fand das Schwarze Heft mit Lovs kritzliger Handschrift in einem Nebenfach, wo seine "Diktate" aufgezeichnet waren, sein "Tagebuch", triumphierend überlas sie rasch die Seiten, und begann diese mit ihrer kleinen ver-steckten Silberkamera ab¬zulichten, es war genau das, was sie ge¬sucht hatte, der Bericht über Loverings Kreis, die beiden "Studenten", den Transsylvan Terplan, und den Iren Morris, die bei Lovering wohnten, und ihm bei seinen Forschungen und Kontakten halfen! Die ersten Akten und Berichte, die Anna brachte, hatten nur rein erkennungsdienstlichen Charakter, und dienten dazu, psychologisches Mate¬rial zu sammeln und zu sichten, das freilich in H.C. Loverings Fall ebenfalls sehr wichtig war. Das Denken und auch die Macken der zu untersuchenden Staats-feinde hat die Regierungen sämtlicher Zeiten brennend interessiert. Hier also der erste von AnnaLyss abgelichtete Zitaten-Text (wer weiß aus welcher Quelle?) in Loverings Tagebuch... (Doch wir werden unterbrochen ... durch wichtige Geräusche und Stimmen aus dem Nebenzimmer:) Das Telefonat hatte ziemlich lange gedauert, einzelne Worte konnte Anna Lyssowa aufschnappen, die Miniwanze aber in ihrer Bluse hatte alles auf¬genommen; ein Gespräch mit Terplan, die Rede war wieder von einem neuen "Kontakt" mit "ihnen"; der Dienst würde alles auswerten, diesem verdammten Irren das Handwerk le¬gen, dachte sie, setzte dann ihr schönstes Lächeln auf, als Lov wie¬der da war. Sie nahm sich vor, diesen Terplan unbedingt heimzusu¬chen und in ihren Bann zu ziehen, der muß mehr wissen, dachte sie, als wir anneh¬men. Lov setzte seine komisch gelehrten Bucherklärungen fort, als sei er nie fort gewesen, mit einer großen Geste nahm er einen Foli¬anten: "Hier ist einer meiner größten Schätze. Es ist die >Clavicula Salomonis<, und ich habe allen Grund, anzunehmen, dass es die Ausgabe ist, die dem größten Abenteurer des achtzehnten Jahrhun¬derts, Giacomo Casanova, gehörte," erläuterte Lov ahnungs¬los, als spräche er wirklich mit einer harmlosen und naiven jungen Frau, die gewieft genug war, um zu wissen, dass dies alles nur Ablenkungsma¬növer sein konnten; der Alte war einer der mißtrau¬ischsten Men¬schen der Gegend, und hatte sie doch allein mit seinen Schätzen ge¬lassen, der Schreibtisch mit den Ge¬heimakten und den Plänen unver-schlossen; er hatte freilich an Anna Lyssowa ei¬nen Narren gefressen und ließ sie nicht aus den Augen: "Sie werden sehen, dass der Name des Eigentümers herausgeschnitten worden ist," fuhr er dann mit sei¬nen Er¬klä¬rungen fort, "doch steht noch so viel da, dass sich die Grundlinien der Buch¬staben erkennen lassen; diese aber entsprechen haarge¬nau der Unterschrift Casa-novas, die ich in der Bibliotheque Nationale gesehen habe. In seinen Memoi¬ren erzählt er, dass ihm ein Ex¬emplar abhanden gekommen sei. In einer seiner Schriften finden wir Zitate aus einem der ge¬heimnis¬vollsten Bücher dieser Er¬de, dem Necronomicon, in dem von der Existenz dieser Anderen, den ALIENS, gesprochen wird." Anna Lyssowa musste in sich hineinlachen, als er erläuternd sagte, sie wisse sicher nicht, wer diese "Anderen" seien, "und ich will Ihnen auch die Mühe ersparen, darüber nachdenken zu müssen, ein ander¬mal werde ich Ihnen dieses gefährliche Gebiet näherbringen, doch Vorsicht! es bleibt nicht ohne Konsequenzen für den einzelnen, wenn er davon weiß!" Doch als habe er sich eines anderen besonnen, setzte er ihr langsam und or¬dentlich auseinander, dass er alle Bücher nur lese, um ein einziges zu fin¬den; im vergangenen Winter habe er zum er¬stenmal in England, in der Gegend von Llareg¬stone, aber dann auch hier, und hier sei alles viel "deutlicher" etwas Außerordentliches entdeckt... Seine Korrespondenz mit der Widener Library in Har¬vard, das sagte er Lyss noch malitiös lächelnd, und mit einem leicht grausamen Zug um die Mundwinkel, als ahne er etwas, habe keinen Erfolg erbracht. (Hatte der schlaue Lov schon entdeckt, dass sie eine Agentin war, und wollte sie nun mit allerlei Märchen irreführen, denn natürlich hatte er längst eine Abschrift dieses Necoronmicons, das von "ihnen" stammte und nicht nur ihre Pläne, ihre Physik und Zeichnungen des Mutterschiffes und dessen Antrieb enthielt. sondern auch eine Liste ihrer wichtigsten Verbindungsmänner und Frauen auf der Erde, und der diversen Formen jener, die hier "spuken", vor allem aber den Code ihrer Sprache und das Geheimnis des Todes, beziehnungsweise ihre Verbindungen mit den Toten, und wie diese unter ihnen und mit ihnen weiterleben!) "Nein, Gnädigste, auch meine Korrespondenz mit der Bibliotheque Nationale in Paris, der Universität von Buenos Aires und der Bibliothek der Miscatonic University in Llaregstone, dann freilich hier in der geheimnisvollen Brukenthalbibliothek zu H.¬/Sibiu, war unbefriedigend verlaufen", log er: "es gelang mir nicht, das Buch zu bekommen, das ich so verzweifelt suchte. So machte ich mich schließlich persönlich auf den Weg, abgerissen, schmutzig, bärtig und mit unserem seltsamen Dialekt, um in eine Ausgabe in Cambridge Einblick zu nehmen. Mit einem neuen billi¬gen Handkof¬fer aus Osborns Store erschien ich eines Tages dort und verlangte den schau¬der¬vollen Band, der in der College-Bibliothek hinter Schloß und Riegel aufbewahrt wird - das grauenhafe Necronomicon des wahnsinnigen Arabers Abdul Alhaz¬red in Klaus Wor¬mius' lateinischer Ausgabe, die im siebzehnten Jahrhundert in Spa¬nien gedruckt worden war. Ich hatte lange keine Großstadt mehr ge¬sehen, fand aber sicher zum Universitätsgelände; hier ging ich tat¬sächlich achtlos an dem großen scharfzähnigen Wachhund vorbei, der mit unnatürli¬cher Wut hinter mir her bellte und wie wild an sei¬ner Kette zerrte. Damals in der Bibliothek, als ich mich beim Lesen an das er-innerte, was ich über Llaregsto¬ne und S. und ihre brütenden geheimnis¬vol¬len Wesen gehört hatte, weniger über diese Städte und ihre dunkle, schauerliche Aura, das Gerücht ging um, fühlte ich wie eine Woge von Furcht mich erfaßte: Und meinte es in ei¬nem Buch zu lesen, was ich vor mir sah, wars vielleicht gar ein Buch vom Mann, der vor mir saß? Ein Doppelgänger, ein Spiegelbild? "Herr", sagte ich zum Bibliothekar, "ich glaube, ich muß das Buch mit nach Hause neh¬men. Da stehen Dinge drin, die ich unter bestimmten Bedingungen ausprobieren muß, die ich hier nicht habe, und es wäre ein verdammtes Verbrechen, wenn Sie sich an die pedantische Vor¬schrift halten. Lassen Sie es mich mitnehmen, Sir, und ich schwöre Ihnen, niemand wird es merken. Ich brauche Ih¬nen nicht zu sa¬gen, dass ich gut drauf aufpassen werde." Es ging noch irgendwie weiter, doch der Bibliothekar war so verblüfft, dass eine Gedächtnislücke in ihm entstand, halb bewußtlos von dieser Präsenz, sah er mir nach, ich spürte seinen Blick noch im Rücken: er hörte wohl das wilde Bellen des Wachhundes und verfolgte meinen Gang, als ich jenen Teil des Hofes über¬querte, den der von sei¬nem Fenster aus sehen konnte. Ich dachte an jene phantasti¬schen Ge¬schichten, die er gehört hatte, und erinnerte mich an die alten Sensa¬ti¬onsartikel im Advertiser; und an die alte Sage, die ich hier von den den Bauern der Umgebung, vor allem in Weißkirch, Pruden und in Teufelsdorf gehört hatte. Unsichtba¬re Dinge, die nicht von dieser Welt waren, - zumin¬dest nicht von un¬serer faßbaren - überfluteten schau¬rig hier die Täler und brü¬teten auf den Gipfeln der Berge. Ich wußte es von einem Historiker und Parapsychologen von der SPR, dass es spiegelbldlich auch in England geschah, der Parapsychologe hatte nachts eine bleiche, weiße Gestalt, von Ferne heran¬schwebend in Llaregstone beobachten können, hier war aber alles viel klarer: als sie näher kam, erkannte er in ihr die verstorbene Frau eines madjarischen Grafen, die ihr totes Kind auf dem Arm trug. Sie sprach ihn an und sagte: Du hast Weib und Kind deiner Kriegs¬Lust geopfert, so verfluche ich dich, dass du in Zukunft ewig kämpfend umherziehen mußt und dem Lande Krieg und Frieden verkündest. - Und dieser Fluch ging in Erfüllung. So wurde der Erbgraf der Kriegsbote für das ganze Land hier und dort für das Empire. Er haust mit einem Geister¬heer in Friedenszeiten in den Ruinen der Quellerts¬burg, das Wilde Heer in der Marienburg und in die westlich gelegenen Burg R.. Erfolgt später der Friedensschluß oder steht er kurz bevor, so zieht das wilde Heer den entgegengesetzten Weg und kehrt in seine Friedensgarnison zurück... Aus diesen und an¬deren zahlreichen Berichten geht hervor, dass die Beobachter eindrucksvolle Ge¬räusche aus der Luft wahrnahmen, die sie zunächst mit aufziehen¬dem Unwetter, Motorengeräuschen oder ähnli¬chem verglichen, dann aber doch zu dem Ergebnis kamen, dass es etwas ganz an¬deres war, was sie vorher und auch später nie wieder gehört haben. Man¬che sprachen von gewaltigem Rauschen und andau¬erndem Sausen bei wolkenfreiem Himmel am hellichten Tag. Was es nun genau war, konnten sie nicht entschei¬den. Die Geräusche hörte auch nicht jeweils nur ein einzelner, sondern auch die um¬stehenden Menschen. Es waren also nicht etwa nur subjektive Ge¬hörs¬hal-lu¬zinationen, son¬dern wirkliche physi¬ka¬li¬sche Naturer-scheinungen unbekannter Ursa¬che. Manche meinen, es seien unter ihnen auch Leute von anderen Sternen oder anderen Existenzebenen, eine ganze Population unterschiedlicher Existenzgrade. Bei entsprechender Vor¬einstellung kann man natürlich Wagen¬gerassel, Waf¬fengeklirr, Pferdege¬trappel und Hun¬degebell in die Ge¬räusche hineinhören, wie das die Menschen im vergangenen Jahr¬hundert auch getan haben. Auffal¬lend ist, dass bei den hier vorgetra¬genen und anderen Berichten aus dem zweiten Weltkrieg keine Luftbewegungen (Sturm) wahrgenommen wurden. so hatte ein Bauer darüber geklagt, dass an dem Dach seiner Scheune, durch den der Sturm-Graf immer ziehe, keine Ziegel halten wolle. Er habe schon alles mögliche ver¬sucht, z.B. die Ziegel mit Spleiß festzumau¬ern, und als das nichts geholfen habe, jeden einzelnen Ziegel mit Draht fest¬zubinden. Aber auch das habe nichts ge¬nützt. - Weitere Betätigungen des Landgeistes wurden von den verschieden¬sten Be¬obachtern aus folgenden Jahren berichtet (damals gehörte Transsylvanien noch zum k.- und k-Reich): 1814, 1819, 1821, 1832, 1842, 1848, 1853, 1869, 1871. Zahlreicher und aufschlußreicher, weil aus¬führlicher geschil-dert, sind die Berichte von Zeugen über die Ge¬schehnisse zu Beginn des ersten Weltkrieges. Sie stammen jetzt nicht mehr von den Besitzern des Hofes, sondern von anderen Be¬wohnern der Gegend. Sie haben von ferne seltsame Geräusche wahrgenommen, die sie dem Auszug des Geister¬heeres zuschrieben. Es war in den ersten Mobilmachungs¬tagen erhob sich ein unheimlich tobendes Geräusch. Als es gar nicht aufhören wollte, da¬gegen im¬mer stärker wurde, überkam sie doch ein unheimli¬ches Empfinden. Alle Leute ringsumher schauten gen Himmel, und das Angstgefühl stieg im¬mer höher. Dieses Getöse zog über S. ...und verlor sich gegen H.. War aber eindeutig lauter und verschwand ge¬nau an der Stelle, wo heute der Militärstützpunkt liegt." Nun schien der Mann Lov plötzlich dicht vor der nahen Gegenwart eines schrecklichen hereinbre¬chenden Grauens zu stehen und einen Blick auf ein höllisches Vor¬rücken der schwärzesten Herr¬schaftsbe¬reiche uralter Nachtmahre zu werfen. 7 (In solchen alten Legenden, wie sie Lov der Lyssowa erzählte, verbirgt sich natürlich viel mehr. Es sind in unterschiedlichen Erscheinungsformen immer "sie". Vor allem ihre große Besorgnis um das Schicksal der Erde. Als wäre Lyss nicht mehrmals und unter Schockwirkung selbst einmal von ihnen entführt worden! Anders hätte sie ihren Job gar nicht bekommen können. Sie hatte natürlich in der "Zentrale" und unter Hypnose durch Prof. Newton, aussagen müssen. Auch ihr hatte man apokalyptische Bilder der Zerstörung dieser Erde, Kriegsszenen und Atomkriege der Zukunft gezeigt. Und es war klar, warum diese Toten, Fremden und Transwesenheiten immer häufiger die Erde besuchen und ein ganzes Netz von Beobachtern hier ausgesetzt haben, über die schon Castaneda berichtet hatte! Das Necronomicon (von Necros und Nomos: Tod und Name) als Informationsquelle eines höheren Zustandes ihrer geistigeren Existenz-Ebene, haben sie wohl bewusst ebenfalls hier zur diskreten Hilfe, noch zu Dr. John Dees und Shakespeares Zeiten schon vor Jahrhunderten "ausgesetzt".) "Und das Necromilcon?" fragte Lyss harmlos? "Necronomicon", verbesserte Lov. Nun, ich habs natürlich nicht mitnehmen dürfen, und es ist seither auch verschwunden, ausgeliehen, heißt es seither; der Bibliothekar schloß damals das Necrono¬micon mit einem Gefühl des Ekels weg. Und sah mich an, als wäre ich ein Jude, lachte dann voller Hohn über die `Dorfgerüchte´. Inzucht? murmelte er halblaut vor sich hin. Großer Gott, was für Dummköpfe! Zeige ihnen Arthur Ma¬chens Großen Gott Pan, und sie werden es für einen gewöhnlichen Hyghstone-Skandal halten! - Und als könnte er Gedanken lesen sagte er zur verwirrten Lyss: "Haben wir uns den Weltun-tergang doch etwas an¬ders und edler vorge¬stellt, und nachher das Blühen im wirklichen Tausend¬jährigen Reich. Was wäre dieses Andere in der Zeit, kann es sich ändern? Oh, der Messias ist bei uns ge¬killt worden? Glauben Sie, Frau Lyssowa, auch ans Tausend¬jährige Reich, wie das Zusammenfinden von Frau und Mann, als wären wir alle Menschenkinder nichts als ein Hermaphrodit, das Ebenbild, ein Kopf mit zwei Gesichtern, so dass du ihn auch wenden kannst. Glauben Sie mir, die Götter, zu denen wir auch gehören, sind die Toten. Schon Hegel sagte: Gott ist der Tod." Der Bibliothekar wußte freilich Bescheid, war wohl selbst ein Offizier des Geheimdienstes, wie die Kustoden in den Geheimarchiven des Vatikans auch, dachte nun Lyss, und blätterte harmlos im Casanova, sie, die inzwischen von dienstwegen Wohl¬informierte, der Bibliothekar, der gar nicht verblödete, wußte ja, dass der andere hier auf der Spur eines Rätsels war, dass Lovering mit seinem Kreis, vor allem mit Morris` Hilfe, auch ohne dieses Buch fast schon entschlüsselt hatte, was drinstand. Und dass die "Engel" und die "Engelssprache", die darin vorkommen, tatsächlich mit den Aliens zusammen¬hängen, ja dass diese, so steht es in den Instruktionen, nichts als die alten Engel sind. Und weiter: dass dieser streng bewach¬te und geheime Militär¬stütz¬punkt ganz und gar nicht zufällig an dieser Stelle er¬richtet worden war. Als Lovering dann wieder zum Telefon lief (mit wem er wohl andauernd redet? ein Verdacht stieg in ihr auf!), kupferte sie weiter das Tagebuch ab, erfuhr auch, dass die Leute der Zentrale, aber auch der Loveringkreis nicht wie früher in ordinären Romanen als Person beschrieben werden durften, da ihre Identität weder klar noch offenbar war, und nur Masken sind, hinter denen sich ein ganzes Aufgebot von Aliens, die sich an nichts erinnern dürfen, steckt; und wußte so auch, dass der Tag damals in Oxford keine Begegnung der Dritten Art oder so mit sich gebracht hatte, für Lov mit ganz banalen Dingen vergangen war (er aber tatsächlich überall Zeichen fand! auch in ausgemusterten Strumpfhosen, die zum Ramschpreis in den Kaufhäusern verhökert wurden, oder in komischen Krawatten, in deren Mustern er geheime Schriftzeichen der Andern wiederfand, die jenen ihrer Computer¬durchsagen ähnelten!): also mit Einkäufen in der Innen¬stadt von London (hier in der Kleinstadt waren solche Einkäufe noch immer nicht möglich!), mit dem Fadheitsgefühl, der schwarzen Schwin¬gung, die die Hastenden in den Kaufhäusern verbrei¬ten, "wie abge¬schnit¬ten ist al¬les," stand da: "wie einzeln und verlas¬sen: Waren, Leute, Ver¬käufer"... Lo¬vering wurde dabei müde, als koste ein Gang durch diese, eigentlich be¬quemen und gepflegten Hallen, so große Anstrengung wie ein Lauf durch die Wüste, "ach nein, die Wü¬ste ist ja ein Wunder, hier aber ist eine Leere, die eine inne¬re Fadheit, keine Wüste spiegelt; aber ich bin jetzt müde. Müde. Fast ist es erholsam hier in S. Diese Ruhe, und die Natur noch intakt. Aber ich nehme die Reife nicht mehr wahr, soviel Zeit scheint vergangen. Das Erarbeitete wird von der Gleichgültig-keit des Alters aus¬gedünnt und verdorben." Wehr Dich, hörte er plötz¬lich wieder diese Stimme. Lies. In den Büchern ver¬borgen, tickt da etwas im Raum, ein Vielfachgeist. Im Tagebuch stand, und Lyss konnte es kopieren: „Vor kurzem hatte ich auf der Rückfahrt aus H. im Abteil eine Begegnung. Ein Mädchen in dunklen Jeans und mit einer abenteurlichen Handtasche saß vor mir. Alles so ru¬hig, als gäbe es jene Geister nicht. Frühnebel im Tal. Nur ein ziehendes Weh-mutsgefühl erfüllte mich, das auf einen nicht sichtbaren Abgrund verwies. Und ich sah jedesmal zurück zu den Nebelfeldern, Dörfern, der Krieg, auch wenn ich jetzt hier an ihrem LANDEPLATZ vorbeifahre, ist nur noch eine schlechte Erinnerung. Als hätte London mehr da¬mit zu tun, als diese kleine Stadt hier, von S. in Transsylvanien ganz zu schweigen. Ich sehne mich nach dem Waldrand, der Wiese vor dem Fenster. Ich fahre un¬gern in "Haupt¬städte", und doch wollte ich die Stadt, die auch ein Teil mei¬nes Lebens ist, von der be¬sten Seite se¬hen. Stimmt die¬ses Bild, dass der Frühzug auf sie schleudern wird, wie ein Geschoß, dass wir im Vorbeifahren einen Vorhang beiseite ziehen, uns auf den Bahnhöfen ausdruckslos erwartungsvolle Gesichter an¬starren, vor allem auf jenen Bahnhöfen, wo der Zug vorbeiflitzt, nicht hält, und die Leute ih-re Taschen oder Zei¬tungen fester halten, als wäre die Vorstellung des Todes wie ein Sog an ihnen vorbeigerast, wehe, du trittst ihm näher. Und dann jeder an sei¬nem Platz, ich hier, mit den vielen Zu¬ge¬stiegenen, sich inzwischen auf dem Seitengang Drängenden, zu einer Masse zusammen¬ge¬fügt, einhellig, wie un¬ter einem grauen Fittich des Morgens, Teil dieser Ge¬schwindig¬keit, mit dem Gedanken schon bei der Ankunft? Bei mir ist die Ankunft nun ein Bild ... Neijn, ich habe leider keine Geliebte...“ Gottchen, es war ja nicht mein Gesicht und nicht meine Ge¬stalt, dachte Lyss, als wäre ich schon da, meine Worte, - aber dazu muß ich ihn bringen, um überhaupt etwas aus ihm rauszukriegen, ihn entbrennen lassen zu mir, das kann ich ja, ich seh, er sehnt sich danach, hat aber wohl Angst, sich zu verraten. Schnell verjagte sie das Spukwort im Hirn: „Agentenhure...“ und stellte sich vor, wie es sein könnte: Ich stehe vor dem Auto, habe flott einen Schal um den Hals, hebe die Hand, ein kleiner Hund wartete auf dem Rücksitz, bellt kurz auf; damals waren wir beide nicht da, Lov wurde auf dem Bahnhof von niemandem erwar¬tet; die an¬dern aber, dort auf den Bahnhöfen, die den Sog spüren, sind Teil des Wartens, der Unge¬duld, der Bewegungs¬losigkeit, auch sie sind zu¬sam¬mengefügt durch das Warten. Die nur eine Stunde dauernde Einhellig¬keit zerfällt aber so¬fort bei der Ankunft, die Gemeinschaft, die bei einem Über¬fall oder Zugzusammenstoß zu einer Schicksals¬gemein¬schaft wer¬den kann, stiebt auseinander, zerreißt; auch das Mädchen, mit dem Lo¬vering fast eine Stunde lang geredet hatte, na¬türlich über die Entführungen der Anderen, von denen überall ge¬munkelt wird, als wäre es nichts als ein Gerücht, dieses Mädchen wird er nie mehr wieder¬sehen, die Zeit allein schafft solche tödliche Absenz, und doch wissen sie voneinander mehr, als wenn sie unter nor¬malen Umständen und ganz lange zusam¬mengewesen wären, eben, weil sie sich nie mehr wiedersehen wer¬den; das Nie ist schon eine magische Sa¬che, dachte Lyss, als habe sie es von Lov gelernt. Im Tagebuch steht es schwarz auf weiß: "Ich sagte es, und das Mädchen lachte wie über einen gu¬ten Witz.“ Denn sie hatte freilich eine Wanze in der Bluse und lachte über seine Naivität, ange¬setzt auf ihn von Joyce. Lovering aber möchte nicht, dass nun alles vorbei sei, diese Zusam¬mengehö¬rigkeit, die eigentlich nur da ist, weil er sie bedacht hatte. Er ist schon ein alter Sentimentaler, dieser Lov, ich werde ihn schnell rumkriegen können, dachte sie. Wach endlich auf, Freund, hätte man ihm zurufen mögen, komm raus aus deiner Höhle! 28.Januar. Einige Tage wie im Fieber geschrieben. Und es schien mir, als wäre ich nun Lovering selbst. Und die Lyss meine Anna. So weit kommst es noch, dass sie mich dann einliefern. Völlig katatonisch. Gauger über Literatur und Psi gelesen: Wichtig ist, dass der Autor in einen prophetischen Umkreis eingebunden ist, ja mit dem Unbewußten arbeitet. 29. Januar. Heiner Müller, Fernsehgespräch. Spiegel TV. Erklärt seine Stasi-Begegnungen. Er war nirgends drin, so musste er observiert werden. Dann: die Stasioffiziere waren gebildeter, Fachleute auch für Literatur. Solche Gespräche wie bei mir mit Jordan in früheren Zeiten. Die Funktionäre schotteten sich ab, die Offiziere wußten auch in der Realität Bescheid. Sie gaben den Funktionären Interpretationshilfen. Funktionäre waren meist einfache Leute, Handwerker. Dann aber interessierte Müller auch der Mechanismus solch einer Institution für sein Schreiben. Studierte es. Findet heute kein moralisches Manko dabei. 30. Januar. Weiter Gauger gelesen. Entscheidend, dass kein Unterschied zwischen "geträumt" und "wirklich" besteht: Literatur als Wirklichkeit. Überhaupt sich nicht mit dem Realen gemein machen, dann ist es auch nicht da, weil es nicht wirklich ist. (Wie man sich bettet, liegt man.) Und dass der Mensch sowieso nur punktuell "draußen" ist. Mit dem "Realen" so umgehen können, wie Castaneda. Das ist Zauberei. Das aber wäre "normal". Ich zumindest versuche es hier im Buch. Hab ich es "realisiert", weil ich in diesem Augenblick merke, dass sich beim Aufwachen aus dem Gedanken die "Zeit" verwirrt, ich erkannt habe, dass ich eigentlich "drüben" bin? Nicht das Reale ist wichtig, sondern das Überschreiten. Alles andere bleibt "Rohstoff". Auch die Bücher, die Lektüre, die Menschen. Eigentlich "kommen wir nie dahinter", weil wir es SIND? Nur das Überraschende ist die Berührung mit dem Drüben. Denn das Drüben ist das Überraschende. Schock? Dies ist das Zentrum der Geschichten. Genau das tun, wovon man spricht? Dieses Tun, was geschieht? 3. Februar. Annas Mutter ist heute nacht gestorben. Sie gehörte als liebste "Feindin" zu mir. Der Tod löscht allen Groll. Er erreicht uns als eigener. (Vgl. Noizbuch. 10. 2.) 4. Februar. Schrecklich Banalität, in die ich auch nach L.s Tod wieder hineingerate. Das eigentliche Gefängnis. Mich zu wehren, das ist fast unmöglich. Täglich sehe ich, und sieht Anna die Grube vor sich. Besser, sagt sie, genau das, was ich auch meine: sich einäschern lassen. Das ist Freiheit. Und die Asche verstreuen. Die Hülle verbrennen, und so auch mit den armen Verbrannten und Vergasten zusammen zu sein. Rauch und Asche sind rein. Und der Auferstehungsleib ist anderswo. "Was sind unsere Gespräche und unsere Schriften anders als Beschreibung von Bildchen auf unserer Retina oder falschen Bildchen in unserem Kopf?" DAS IST Bewußtsein macht doch Feige aus uns allen Nichts was sonst halten könnte: nur die Angst wenn ich hinab in diese Grube sehe hat dieses Loch zwei Seiten eine in die Himmelszeit? Was soll ich mit der Ewigkeit sie dauert mit mir nur dass ich werde doch wär ich nicht wär sie viel reiner schon sie hängt an einem Faden mit einem Groschenmesser abzuschneiden hängt alles nur an mir. Doch schon das Messer und mein Wille gehör´n bevor Bewußtsein zugerechnet wird nicht mir und wird in tiefster Dunkelheit nur meinem Auge angetan 20. Februar. Die Trauer vergeht nicht. Wir überlegten, ob wir L. nicht "einen Altar", eine Pflanze, ein Eck widmen sollen. Auch Anna ist ruhiger geworden, obwohl alles an ihre Mutter erinnert. Nachts wieder Zeit- und Todesangst. Hier isoliert, und fremd. Das Leben vertan - so fühllos gewonnen? In La Strada gestern: eine Nonne: Wir müssen alle 2 Jahre das Kloster wechseln, um unser Herz nicht an Irdisches, Kleines zu hängen und so den Kontakt zu Ihm zu verlieren. 21. Februar. Weiter geschrieben. 22. Februar. Sollen dieses die einzigen Erlebnisse sein. Dieses und der Gang gestern am Meer und zum Boot. Das Spiel mit den Tieren. Die Landschaft. Und die Arbeit am Schreibtisch. Briefe? Die Zeit vergeht. Daher ist das Tagebuch wichtig, damit unsere Lebenstage nicht "in Äonen untergehn", mein Bewußtsein vom Tag aufbewahren. Sinnlosigkeit, die schmerzt und so erlöst wird von der Form. Und nur noch das Gefundene, das täglich notiert wird. Mit Alfred de Musset, La confession dùn enfant du siécle, hatte diese Form der Literatur begonnen. 23. Februar. Es ist merkwürdig, wenn wir aufmerksam sind - schei¬nen uns diese "Präsenzen" dauernd zu umgeben, alles zu beobachten; sind es nur von uns selbst erzeugte Projektionen, seelische "Entladungen", die sich als Bil¬der und Geräusche äu-ßern? 27.3. Ich war in Köln bei dem seit Jahren mit "elektronischen Geistern" ex¬peri¬men¬tierenden, ja, zusammenlebenden Ehepaar Niedecken, beide Ehepartner gehen mit den "Stimmen" ganz natürlich und auch fröhlich um wie mit guten Hausgeistern. Gleich zu Beginn wurde gefragt, was denn meine Anwesenheit im Haus ver¬ändert habe, und die Antwort kam prompt: "Wir kommen! Alles!" ("Alles" habe sich also im Haus verändert! ) Ich suche die "Stimmen heraus und höre sie vom Band ab: O-TON (Niedecken, 07): Ist etwas anderes als sonst hier abends? Wir kommen. Alles! Und als der Hausherr, einen der Hausgeister, nämlich seine verstor¬bene Mutter, fragte: "Mama, was haben wir hier auf dem Tisch für ein Buch?" Da kam die indignierte Antwort: "Das sind Fragen"!? Und Frau Niedecken sagte: "Hören Sie diesen merkwürdigen Akzent? Aber sie sind meine großen Lebensberater, ich kann das alles nicht erklären, aber ei¬nes ist sicher: Sie sind um uns!" Als wir über die dichte Wolke von Präsenzen im Raum spra¬chen, Hörten wir: Guten Abend ihr hier! Und auf eine Frage nach L., Annas toten Mutter, die das Meer sehr geliebt hatte, war zu höen: Wir haben am Meer die Freude! Nach der Heimkehr weiter geschrieben. 4. März Cinque Terre. 5 Terre. Riomaggiore. Manarola. Via del amore. Am 3. Furchtbare Trennungsgespräche. LEBENSZEITJAHRE Cinque Terre (Und ins Wasser gefallen, das Meer) Steinweiß nach einer dunklen Schlaflosigkeit Nacht der Trennung wie übt das schreiende Herz wenn die Jahre vergehen jetzt die Weite aus wund weil das Meer nicht trennbar ist nur in den Köpfen wie die Gewohnheit gefangen Der Blick unter Agaven die Wärme die Füße aber fast schon im Wasser lesend Und oben auf der Terrasse lieben sich zwei unter dem Pelz wir: als wir jung waren Horizontweit der Blick erinnert den Sommer im Boot und Vernazzas Turm die Sehnsucht im Hafen du hebst die Erinnerung vom Grund das alte Herz ist der Anker. Schicksalsoffen zu sein und tun was geschieht neu wissend da alles was ist dein Bild hält das du erzwingst aus Gewohnheit Doch unbefangen bleibt Geh sanft mit dir um ruhig und zärtlich hinter dem Bild das du viel zu laut vor dir siehst schreiend nur redest Unendlich bist du ohne dass du es willst Übe die Langsamkeit immer und langsam kommt deine Zeit von innen und die Menschen strömen hinter dein Bild dir zu Für die meisten ist kein Heil weil ihr Gesicht verzerrt ist. Durchbrich jede Planung sei ohne Zukunft Hier! Abends. Dazu fiel mir diese AB SAGE ein und der Beginn von Terplans schrecklicher Geisteskrankheit. Ich holte seinen alten Brief wieder hervor und las bis spät nachts: "Vor vierhundert Jahren lebte er einmal schon. Ehrbar der Mann, den die Liebe zum Monster machte. Kurz lebte er vor seiner Hinrichtung die schönsten Augenblicke. Er kam hier an - übrigens von einer zweiwöchigen Reise; Übersee, dort hatte er die "unsterbliche Geliebte" kennengelernt. Annabelle, Tochter eines Farmers. Von Einem, so hieß er, hatte damals mit dem Leben bezahlt, was ich unter verminderter Gefahr heute lernen muß. Der Fünfzigjährige damals hatte gehofft, wenn er der Natur folge, und den Rahmen, der durch Tradition und herkömmliche Denkweisen durchbrochen habe, könne er sein versäumtes Leben retten, wurde eingeholt von einem andern furchtbaren Gesetz: dass die menschliche Natur keine festgelegte Ordnung kennt, jeder Mensch aus verschiedenen Personen besteht, und in ihren Zuständen täglich, ja stündlich so schwanken, dass sie je nach Umgebung kaum mehr wiederzuerkennen sind; die Liebe aber ist solchen Zuständen ausgeliefert. Nicht einmal zu erzählen wäre das, was da wirklich geschehen war, geschweige richtig zu leben, und sich in diesem schrecklichen Chaos von Stimmungen zurechtzufinden, dass freilich heute, ohne dafür sterben zu müssen; im Gegenteil, heute, wo es keine feste Formen mehr für eine fast zwanghafte Erkennbarkeit wie früher mehr gibt, wo wenigstens der Schein einer Folge und Orientierbarkeit in der verrückten Treulosigkeit der Stunden, Tage und Wochen mit furchtbaren Zwangsmitteln garantiert wurden, geht sang und klanglos aus, was früher zu Tragödien führte. Und ist dieses seichte Verschwinden nicht schlimmer als der Tod? Es bezahlt nicht der Einzelne, nein, es bezahlen alle. Sie hieß also Annabelle, er war der Herr von Einem, verheiratet seit zwanzig Jahren mit Katharina, der er einmal und immer noch sexuell hörig war, ihre Ehe lebte fast ausschließlich davon; Herr von Einem lernte die schöne dreißigjährige Farmerstocher auf einer Überfahrt von Borneo nach Triest kennen; sie verbrachten 10 Tage im Überschwang, laue Nächte mit riesigen Sternen, an Deck in der Kabine Annabelles, der reichen Farmerstochter. Noch am 18. April hatte ihm Annabelle erklärt, sie liebe ihn, es werde ein Kampf auf Leben und Tod mit Katharina geben. Er, der Fünfzigjährige, der sein Leben noch nicht gelebt hatte, der erst seit er Anabelle kannte, meinte zu leben, alles so stark fühlte wie in der Kindheit, Erinnerungen aufbrachen, er nur den Tod noch als stärkere Macht empfand, täglich diesen "abgründigen beweglichen Traum" da zu sein auskostete, kam in Linz an, verkaufte sein Gut, ließ seine Frau von gedungenen Mördern töten, und zog zu Annabelle nach Wien, wo sie am Hof lebte, dort mit ihrer Schönheit und ihrer Kunst. Erst zwei Wochen waren seit ihrer gemeinsamen Reise vergangen: man schrieb den 2. Mai, Annabelle empfging den Herrn von Einem wie einen Fremden. Ja, sagte sie, wir können über unsere Geschichte reden, das ist sehr interessant, die Nächte auf dem Schiff, und du bist ein phantastischer Liebhaber, ich spüre dich noch in mir. Aber. Ist es nicht auch dir vergangen, die große Liebe war es nicht. Er mietete sich ein und blieb in dieser Stadt. Sie sagte, wenn du mich liebst, mußt du kämpfen, ich aber fürchte, du bist zu feige dazu. Er wußte, was er aufs Spiel setzte, wenn er blieb und nicht mit ihr oder auch ohne sie floh. Blieb, zeigte sich in aller Öffentlichkeit. Nach einer Woche wurde er verhaftet, gefoltert, verurteilt und öffentlich mit dem Beil hingerichtet. Ich las die Geschichte, es fiel mir ein, was ich von meiner Mutter gehört hatte. Aus den Augen, aus dem Sinn; Anna, mit der ich mich fünf Wochen nicht gesehen, mit der ich nur telefoniert. Briefe gewechselt hatte, hörte ich gestern am Telefon, ihre letzten Briefe seien längst überholt, jene sei nun nicht mehr sie, und was sie da seit dem Abschied, nach zwei gemeinsamen gelebten Monaten, geschrieben, diese Briefe, Faxe und Telefonate seien nicht mehr "aktuell", nichts als "reichlich naiv gelebte Literatur". Nun könne man davon ausgehn, dass es vorbei sei. Es ist so, wovor sollte ich mich denn fürchten? sagte sie, werde ich von "ihnen" nicht schon immer "geleitet"?, mich auf alles einzulassen, das sich mir in den Weg stellt, das sich thematisiert und verknüpft mit meiner Existenz. Der einzige Zweifel ist, ob es nicht eben doch einem "sich treiben lassen" entspricht, einer Unfähigkeit, Entscheidungen zu fällen, die persönliche Konsequenz selbst zu verursachen. Aber ist das Offne nicht auch herrlich, in dieser Freiheit? wie ich gedanklich springe, von einem Extrem ins andere, die Neurotransmitter sind immer in Bewegung, mehrere Richtungen gleichzeitig nehmend. - Ging sie deshalb ins Kloster, um Halt zu finden, eine innere Stimme habe sie dazu aufgefordert. Diese müsse entdeckt werden. In einem der letzten Briefe hatte sie geschrieben: ...aber ich bin dort auch an meine persönlichen grenzen gestoßen, als ich merkte, dass es mir unmöglich wäre, den geschnitzen Christus am Kreuz, der da vor mir, gemäß dem österlichen ritus, am boden lag, die füße zu küssen, um abbitte zu leisten von meinen sünden. das 17. jhdt., das ihn hervorbrachte, und die künstlerische größe haben nichts mit meinem Christusbild zu tun. wenn es überhaupt ein bild ist? das ich in mir trage. diese spur, die mich zu meinem herzen zurückbringen kann, ist für mich unsichtbar, gebunden eher an geistig-abstrakte prozesse, als an konkrete darstellungen. "Tun, was geschieht"? Trifft dies genau eine Zeitstimmung, hatte Teplan mich gefragt, eine Stimmung, die immer stärker wird und auch die großen Bewegungen und Veränderungen heute in der Welt bestimmt; "Tun, was geschieht," meint ja wie Anna auch, nichts anderes, als sich auf das, was wirklich ist, auf den Augenblick, den Alltagsmoment realitätsgerecht einzulassen, ohne aufgesetzte fertige Welt- Bilder und angemaßtes Wissen, wie ich es tue: Als hätte ich ein Ich, das ich zwinge, das gegebne Wort ohne Rücksicht auf Verluste einzuhalten, wie meine Schwester. Und hatte sie nicht auch geschrieben, wer? nun Anna natürlich: Eine ganz andere Möglichkeit wäre ein willentlich angestrebter Zustand der Erinnerungslosigkeit, ähnlich etwa dem einer überlieferten Tantra-Technik, welche im Moment höchster Konzentration verlangt, alle bildlichen und Gedanklichen Eindrücke zu "löschen"... mehr als das, wird wohl unsere bewußte Vorstellung nicht zulassen. Das wäre ein ENTKOMMEN aus der eignen schmerzlichen Biographie. Und erst wenn die Qualen eines Berges von Erinnerung, der Tradition, der Vater-Ordnung, samt Begrifflichkeit und bis hin zu den Kriegen und Ideologien verlassen ist, gibt es den offnen neuen Augenblick, das Unbetretne. Jetzt war Anna wieder an diesem Punkt Null, jetzt konnte sie diesen Terplan nicht brauchen, den Alten, das musste er einsehen. Dabei hatte er begonnen, sein Leben nur auf sie einzustellen, Gelegenheiten zu schaffen, Ausreden, Alibis, Kongresse, berufliche oder familiäre Ver¬pflichtungen, um mit ihr zusammenzutreffen. Doch nichts war ausgeführt worden, alles bestand vorerst nur in der Phantasie, sogar die Scheidung. Er erkannte sich zwar in jenem Herrn von Einem, der längst tot war, wieder, doch nichts war davon gelebt worden, was jenen andern mit tödlicher Sicherheit in den Tod getrieben hatte. Terplan hatte zwar auch die Absicht gehabt, zu Anna zu ziehen, ihr ein Kind zu machen, spät, mit ihr zu leben, er hatte mit seiner Frau nachts heftig gestritten, doch weder das Haus verkauft, noch seine Frau getötet. Das eben ist der Unterschied der Zeiten. Der andere hatte den Versuch seinem faden Leben zu entgehen, mit dem Einbruch der Unzuverläßigkeit und Treulosigkeit und dann in der Folge mit dem Tode bezahlen müssen, Terplan bezahlte die Angst davor mit der endgültigen Einsicht, seinem versäumten Leben nicht entgehn zu können; sein Tod aber wird erbärmlicher sein. Doch das Trauma hatte seine Spätwirkungen gehabt, klar! Mit dem Anfang und dem Ende, ja, dem Ende seiner Schwierigkeiten, weil es nie eintritt, solange du lebst, sagte er, also immer nur fiktiv sein kann; doch gerade die Erfindung sei doch so schön, meinte Anna hohnlachend, und er könne ja jedesmal hoffnungsvoll daran hängen: Und das ist noch lange nicht alles und das Ende. Auch wenn T. kleinlich murmelt, "das ist das Ende". Dann entgegente J.: "Kennst Du sie denn nicht, diese langandauernde Zukunft, die überhaupt nicht aufhören will?!" Und sie hörte tatsächlich nimmer auf, wie die Liebe, genau wie die Liebe.Es war ein furchtbares Drama gewesen. Und hatte schon so angefangen: Terplan hatte vor seiner Frau Sonja noch nie eine Frau geküßt ( mit dreißig!) und er sei überfallen worden von Gier und Geilheit, und da hätten sie dann gevögelt, eine ganz neue Sache sei das gewesen, überraschend, und gewaltsam. Doch als sie dann gegangen war, da habe sich ein Abgrund an Angst geöffnet, der sich nie mehr schloß. Am nächsten Tag da habe er Sonja dann angerufen, um ihr in aggressivem Ton zu erklären, dass er nicht mehr die Absicht habe mit ihr zu schlafen. Doch es sei zu spät gewesen. Ein Gefühl des Ekels taub und stumm, doch gewalttätig in ihm arbeitend, und viel viel stärker als jede mögliche Moral oder irgendwelche Erwägung der guten Sitte oder Rest der Erziehung und dergleichen sei das gewesen, und hörte nicht mehr auf. Die Tage vergingen und die Depressionen nahmen zu. (Denn Sonja, die Jüdin habe er aus Schudgefühlen geheiratet!) So kam es zu einer längeren Zwangseinweisung mit Elektroschocks, die ein berühmter Analytiker verordnet hatte. Und da sei alle zwei Tage der schnurrbärtge "Stalin" genannte kleine Psychiater mit seiner Elektrisiermaschine gekommen, und diese Spasemen appöliziert. Eine Art epileptischer Trance, furchtbare Zuckungen und Aufbäumen des Körpers mit Schaum voir dem Mund. In San Tropé da habe ihm ein Freund Anna vorgestellt, dem Freund habe er Manuskripte zum Lesen gegeben und er hab sich auf Anna gestürzt, sie in Gegenwart von Sonja geküßt und ihr Bauch, Brüste und Scham gestreichelt, sie habe es sich halb erschrocken halb geschmeichelt gefallen lassen, dann habe er sie an den Strand eingeladen, in eine kleine Bucht, und die sei völlig leer gewesen, da an diesem Tag ein kräftiger Westwind die Leute vertrieben und das Meer aufgewühlt hatte; er habe sie aufgefordert sich nackt auszuziehen, und er selbst nackt, sei, vor Sonjas Augen ins stürmische Meer hineingeschwommen, dort mitten in den Wellen habe er sie, sie, sehr entgegenkommend und noch geiler als er, gefickt, und seien dann, Sonja am Strand schreiend und Haare raufend auf und abgelaufen, weiter hinausgeschwommen, bis sie dann plätzlich erkennen mußten, dass eine Ströumg sie weiter hinauszog, zwei Stunden kämpften sie mit den Wellen, und er bekam einen Krampf, nur der jüngeren und kräftigen Anna, die eine gute Schwimmerin war, habe er sein Lebn zu verdanken. Am Strand war Sonja nicht mehr zu finden, der Hafen weit, die beiden gingen sie suchen, fanden sie dann in Tränen aufgelöst und wie eine Alte da hocken, zitternd und sichtlich in einer hysterieähnlixchen Krise. Er habe versucht, sie in die Arme zu nehmen, sie zu streicheln, zu beruhigen, nichts, sie blieb wie ein Stein stumm und reglos in seinen Armen hängen, dann aber sei sie plötzlich wie erwacht, und habe ihn angeschriebe: Du Schwein, du Fickwesen, du Nichtswürdiger Elender usw. Hau ab, ich will dich nich mehr sehen. Rühr mich nicht an, oder ich schrei um Hilfe, hau ab mit deiner Hure, ab , fort. Und heulte wieder scherien los. Er habe das Mädchen fotgeschickt,m sie auch nie mehr wiedergesdehen. Erst nach zwei Stunden sie Helne wieder zu sich gekommen und nedlich mit nach Hause gekommen. Ihm aber sei es klar gewesen, dass sei keineswegs Angst gehabt habe, er könne von der Strömung mitgerissen werden, sndern dass er sie mit seinen wahnsinnigen Provokationen nichts als töten wolle! NUN sei da aber noch etwas anders in jenm versteinerten, zum Wahnsinn schönen von Schmerz durchscheinenden Gesicht gewesen, ja, alle Toten, die im Krieg von den Nazis umgebracht worden waren, schienen da mit aufzuscheinen, als wären auch sie jetzt gekränkt worden,m unerträglich sei dieser Effekt gewesen, diser enorme Vorwurf, der kaum in seinem scharfen unbegreiflichen Ausdruck, einer Art "Arbeit im Negativen", die nur die des Todes sein könne stand in dieses Gesicht der Jüdin Sonja einegschrieben, die ihn liebte.Das sei nicht zu ertraghen gewesen, das könne man ihm ohne weiteres glauben, das sei mehr, als ein Mensch ertragen könne.Die Erschossenen also in ihren Augen, sie schienen mich anzusehen, und ich starrte auf diese Pupille mit dem Spiegel darin ..." 5.3. Mich bewegt diese Geschichte meines Freundes Terplan. Er wird uns bald besuchen. Anna wollte das verhindern, sie fürchtet seinen "Wahnsinn". Er war von Anna nicht losgekommen, so lange sie lebte. Und nachher erstrecht nicht. Wahrscheinlich, weil sie ihn "hinüber" mitzog, und es auch jetzt noch tut? Reichte Sonja nicht? Er hat mir die ganze Anna-Tragödie sehr vernünftig und ohne Schnörkel in jenem Brief, der gestern hier ankam geschildert. Und den Befund und Arztbericht des Prof. Mack begelegt: Anna war ein intellektuell frühreifes Kind und begann sehr früh, allein zu lesen. Besonders geheimnisvolle Geschichten und Bücher über Gespenster und Poltergeister zogen sie an. Die Familie ging beinahe jeden Sonntag zur Kirche. Sie sagte mir einmal: »Mir gefiel die Idee der Erbsün¬de nicht. Sie ergab für mich keinen Sinn ... Den Heiligen Geist mochte ich sehr» Sie beschrieb den Heiligen Geist als »das ver¬bindende Gewebe, das die ganze Wirklichkeit zusammenhält«. Im Alter von elf oder zwölf Jahren dachte Anna über theologische Fragen nach, beispielsweise über die Aufhebung des Gegensatzes zwischen Gut und Böse, und sie las Bücher über andere Religionen. Als Studentin nahm sie an Untersuchungen über außersinnlichc Wahrnehmung teil. Sie hat ein anhaltendes Interesse daran, natur-wissenschaftliche Entdeckungen und Forschungen auf dem Gebiet der Spiritualität und des menschlichen Bewußtseins zu verbinden. Einmal spürte sie dabei elektrische Empfindungen in ihrem Körper. Bei einer anderen Gelegenheit »spürte ich, dass ich meinen Körper verließ, und ich konnte nicht zurückkehren. Ich war etwa zwei Tage lang weg'.» Diese Erfahrung erschreckte sie sehr. Nach ihrem Collegeabschluß heiratete sie Thomas. Sie wurde immer unzufriedener, da ihr Zusammenleben sehr konventionell war. Er »ließ nichts gelten, was ich ihm von meinen Gefühlen erzählte», sagte Anna. Sie und Thomas blieben mehrere Jahre ver¬heiratet, da sie einander sehr liebten. Außerdem hatte Anna das Ver¬langen »nach einer Art geordneten bequemer» Existenz. Ungefähr ein Jahr nach ihrer Hochzeit wurde Anna sehr krank. Obwohl es keine handfesten Beweise dafür gibt, verbindet sie diese Krankheit und ihre später auftretenden intensiven Nacken- und Kopfschmerzen mit der Gegenwart von außerirdischen Wesen in ihrem Leben. »Sie schlugen mich nieder», sagte sie. Während sie eines Tages mit Thomas spazierenging, gaben ihre Beine plötzlich nach, und sie brach zusammen. Gleichzeitig bekam sie Fieber Ihr Zustand war sehr ernst, und sie war gezwungen, sich arbeitsun¬fähig schreiben zu lassen. Sie brauchte lange, um sich wieder zu erholen, und während dieser Zeil wuchs die Entfremdung zwischen ihr und Thomas. Schließlich ließen sie sich scheiden. Das Paar hatte keine Kinder, und ihres Wissens war sie niemals schwanger gewe¬sen. In Bezug auf ihre Krankheit behauptet Anna: »Es war zu mei¬nem Bestem.» Für sie war es ein Zwischenfall, der sie auf ihren jet¬zigcn spirituellen Pfad brachte. Etwa fünf Monate, bevor mir Anna schrieb, lernte sie einen jun¬gen Mann namens Miguel kennen.» Als Anna und Miguel bei ihrem zweitem Treffen essen gingen, kam er sogleich auf UFOs zu sprechen und erzählte ihr, dass er ein Raumschiff gesehen habe. Diese Art Synchronizität oder Zufall kommt sehr häufig bei Entführten vor. Anna nannte Miguel ihren »außerirdischen Freund». Miguel he¬richtete, dass er in seinen Träumen Außerirdische sah, und Anna fühlte, dass er sogar so etwas wie ein »Beauftragter» einer außerirdi¬gehen Rasse sein müsse. Er handelte manchmal so teilnahmslos, dass sein Verhalten sie an die hybriden Kinder erinnerte, die von Entführten an Bord der Raumschiffe gesehen werden. Er war als Baby in einem Brutkasten gewesen und zeigte Anna zufolge oft »eine starke Bedürftigkeit». Gleichzeitig schätzte Anna die Gelegen¬heit, ihre Begegnungen mit ihm diskutieren zu können. Annas Entführungsgeschichte vermischt sich mit Erinnerungen an unterschiedliche Arten paranormaler Erfahrungen. Sie hat eine sehr frühe Erinnnerung - »sechs Wochen alt oder weniger» - dar¬an, »hochgenommen und angeschaut zu werden». Sie glaubt, dass »jemand fotografierte ... Es war wie der erste Moment des eigenen Bewußtseins», sagte sie. »Ich kann meine Augen schließen und mich daran erinnern.» Begegnungen mit Geistern »kamen in mei¬ner Jugend ständig vor». Diese begannen schon, als sie vier Jahre alt war, wie sich Anna erinnert. »Ich wurde eine hervorragende Erzählerin von Gespenster¬geschichten.» Manchmal baute sie ihre Geschichten aus, indem sie Porträts ausschmückte, und sie erzählte »Geschichten aus früheren Leben», die auf phantasievollen Nacher¬zählungen ihres Lebens beruhten. Sie konzentrierte sich auf die Augen der Porträts und war »hypnotisiert». Das Porträt »vibrierte vor Leben» und füllte einen »dreidimensionalen Rahmen». Zusätzlich zu den Gespenstergeschichten spielte Anna in ihrer Kindheit mit ihren Freunden »Séance-Spiele». Einmal - bei einer Schlummerparty - bat sie ihre beste Freundin Annie, die zugleich die kleinste war, sich auf den Boden zu legen, und sagte: »Wir werden jetzt versuchen, dich schweben zu lassen: Ich weiß auch nicht, woher ich über Levitation Bescheid wußte. Wir stellten uns alle im Kreis auf, ich glaube, ich stand an ihrem Kopf, und dann sagte ich etwas, und auf einmal klappte es, und das Mädchen schwebte.» Alle anwesenden Kinder hatten »das Gefühl, das etwas Seltsames passiert war», und hinterher sprach keiner von ihnen über den Zwischenfall. »Ich erinnere mich sehr lebhaft an diese Nacht», sagte Anna. »0 Gott: In dieser Nacht war das ganze Zimmer sehr seltsam ... Es war eine Menge Elektrizität in diesem Zimmer Ich glaube, hinterher war es den Kindern nicht einmal mehr bewusst.» Ich fragte sie, ob die anderen jemandem davon erzählt hätten. »Ich glaube nicht, dass sie auch nur daran gedacht haben.» Anna erschien es, als ob »ihnen suggeriert worden sei, nichts davon zu erzählen». Vor ein paar Jahren fragte Anna das Mädchen, das sie zum Schweben gebracht hatte: »Haben wir dich schweben lassen?« Das Mädchen bejahte dies, und alle Anwesenden seien damals von dem Erlebnis verstört gewesen. Später, während der Rückführung, verband Anna dieses Wissen und diese Fähigkeit mit der Erfahrung, in Raumschiffe hinein, drin¬nen herum und auch draußen zu schweben. »ich fühle mich, als schwebe ich um das Raumschiff~herum», sagte sie, »als oh mir jemand eine Vorführung im Schweben gibt. Als ob er mir zeigen will: ,Oh, du kannstja schweben!' Und so lassen sie mich schwe¬ben, sie lassen mich im Grunde genommen spielen. Sie lassen mich um das ganze Raumschiff herumschweben und hoch und runter» Obwohl das Erzählen von Gespenstergeschichten aufgehört hat¬te, als Anna ungefähr neun Jahre alt gewesen war, fühlte sie manchmal immer noch die Anwesenheit eines Wesens im Haus. »Als ich dreizehn war, spürte ich immer alles mögliche im Haus», erinnerte sie sich, »wie Dinge, die die Treppe heraufkamen ... Ich sah nicht allzu genau hin. Ich versteckte mich ziemlich schnell unter dem Bettlaken. Aber ich sagte immer, richtig heftig, aber nur im Geiste, ich habe es nie laut ausgesprochen: ,Ich bin noch nicht bereit! Entschuldigt, aber ich bin erst dreizehn, wartet noch!' Das passierte oft. Oft, oft, oft.» Während unseres ersten Treffens sprach Anna über die starken Schmerzen in Kopf und Nacken, die sie in ihrem ersten Brief an mich erwähnt hatte. Ergänzend zu dem, was sie in ihrem Brief geschrieben hatte, erzählte sie, dass sie während der ärztlichen Behandlung vor ein paar Jahren »begann, eine Menge Gestalten in ihrem Kopf zu sehen, und sie schienen mit mir zu sprechen». Sie schloß ihre Augen und »sah diese kleinen Burschen da oben in einer Ecke von meinem Kopt; und sie waren hell, richtig gelb und hell, so rund ... Nachdem ich begonnen hatte, diese Burschen zu sehen, verschwanden die Schmerzen.» Die Gestalten »sahen gelb und rund und ziemlich gutmütig aus... Das vorherrschende Gefühl, das ich habe, ist Ruhe. Sie sind so ruhig.» Sie hatten »sehr helle» Körper mit großen Köpfen. Sie erinnerte sich an keine auffälligen Gesichtszüge der Lebewesen, nicht einmal an die Augen. »ich kom¬me mir vor, als wäre ich daheim», sagte sie, »es ist wie das ideale Gefühl einer ... wie eine Familie, die einem Nestwärme gibt.» Nach ihrer ersten Verbindung mit diesen Lebewesen, die sie »Licht¬wesen» nannte, begann Anna ihre Hand auf eine Stelle ihres Hintekopfes zu legen.¬ Ich war erstaunt, dass Anna sich dafür interessierte. Ich fand vor dem ersten Scheidungsgespräch noch ein Konvolut Papiere in Annas Schreibtisch. Ich nahm voller Neugierde die Aufzeichnungen. Im Bericht des Dr. Mack, eines gefragter Harvardwisssenschaftler, den Anna bei ihrem Amerikaaufenthalt aufgesucht hatte, und seine Patientin geworden war, stand: Die Hochschulabsolventin Anna war achtundzwanzig Jahre alt, als sie mir schrieb und mich um eine Hypnosesitzung bat. Sie stand kurz vor einer Reise und schrieb, sie wünsche dringend, noch vor ihrer Abreise hypnotisiert zu werden, »um einige Gefühle und Informationen loszuwerden, die unter der Oberfläche schlum¬mern, und um ein Gefühl der Ängstlichkeit und Verwirrung zu ver¬mindern, das sich in letzter Zeit verstärkt hat». Viele Details aus Annas Akte habe ich ausgelassen, um ihre Anonymität zu wahren. In dem Brief schrieb sie, dass sie vor einigen Jahren, während einer Massagebehandlung wegen Schmerzen an der Schädelbasis, »erlebte, wie kleine Lebewesen mit mir telepathisch kommunizierten». Sie bemerkte auch, dass sie spontan Zeichnungen mit einem Stift in jeder Hand machte - «Ich hatte niemals zuvor mit der lin¬ken Hand gezeichnet» -, und zwar von außerirdischen Lebewesen, wobei sie sich besonders auf die Augen konzentrierte. Ihre Zeich¬nungen zeigten auch Passagen und »eine Art kaum wahrnehmbares Körperfeld» wie «der zarte Körper eines Wesens». Anna wuchs in der Umgebung einer Industriestadt auf. Sie nennt ihre protestantische Erziehung »konventionell« und beschreibt sich selbst als Person, die versucht, die Wirklichkeit so klar wie möglich wahrzunehmen. Anna hat niemals Drogen genommen, und sie trinkt nicht. Sie bringt dies mit ihren Begegnungen in Zusammen¬hang und glaubt, dass ihre Erlebnisse viel bewußter und klarer geworden sind, seit sie auf Koffein, Schokolade und fast völlig auch auf Zucker verzichtet. Annas Vater ist tot. Er war intelligent, aber Anna glaubt, dass er Legastheniker war, und sie vermutet, dass dies seine Leistungsfähig¬keit bei den für den beruflichen Erfolg notwendigen Schreibarbei¬ten beeinträchtigte. Er war ein frustrierter Mann, der seine Frau physisch und verbal mißhandelte. Auch Anna beschimpfte er Oft beobachtete sie, wie ihre Eltern sich stritten, und gelegentlich sah sie, wie ihr Vater ihre Mutter schlug. Verängstigt durch den Wutan¬fall ihres Vaters, ging Anna in ein anderes Zimmer, um nicht geschlagen zu werden. Sie erinnert sich, dass ihr Vater netl zu ihr wa~ als sie noch klein war, aber als sie sich in der Schule hervortat, zog er sich zurück. Im Gegensatz dazu ist Annas Mutter beruflich ziemlich erfolgreich. Besonders nahe stand Anna ihrem Großvater mütterlicherseits; er starb, als sie ein Teenager war Er war »sehr gütig», und »wir saßen stundenlang da, saßen da, und ich las ihm etwas vor ... Er war auf meiner Seite, ein wirklich gutes Vorbild.» Auch noch zehn Jahre nachdem ihr Großvater gestorben war, hatte Anna ot4 das Gefühl, dass er mit ihr im Zimmer war, besonders wenn sie an ihrem Schreibtisch arbeitete. Sie erinnert sich an ein »komisches» Zimmer im haus ihres Großvaters. Als Kind ging sie oft in dieses Zimmer, schloß die Tür und saß lange dort. In einem »nicht ganz wachen» Zustand erlebte Anna eine Art »schemenhafte Energie» in diesem Zimmer, erinnert sich aber nicht an weitere Dinge. 6.3. ARTE Filmreihe: Von Geistern und besessenen Seelen. 20,45 "The Gost and Mrs. Muir!" 1947, GBL. Mankiewicz. Gene Tierney u. Rex Harrison. Dann "Ghengis Con" Eilijah Moshinsky. Witwe Muir, im Haus des Kapitäns. Der spukt. Kontrolliert alles. Erscheint in ihren Köpfen. Spricht mit ihr. Dikiert ihr einen Roman. Eine Liebsgeschichte. So das schmerzlich Problem Vergehen und Zeit. Bonmots: "Glauben Sie nur fest an mich, dann gibt es mich." Oder: Aus mir wird nichts mehr, alles was ich war, ist gewesen." Usw. Paradoxe in der Sprache. Wunderbare Möglichkeiten. Auch dass ihn niemand sieht, außer Lucia. Das Kind mit ihm spielt. Engelspielgefährten. Erst am Schluß gehen sie in Liebe heim, holt er sie ab. So auch Schutzgeiset, weil er prophetisch sein kann, voraussieht, überall hin sieht, sei beobachtet, wie die Stimmen auch. Und wird als "Traum" ausgegeben, sie habe ja nur geträumt, und wie viele Träume sind vergessen. So melancholisch, wie die Kindheit, das Leben selbst. Und unendlich auseinander, Abgrund der Zeit. Mein Gott, was haben wir alles versäumt. "Er hat nie existiert, wir haben ihn erfunden," sagt Lucia zu ihrer Tochter. Wie ein Tulpa oder das Gespenst "Philipp"? "Und jetzt wirst du nie mehr müde sein," sagt er zu ihr, und beide sind wieder ganz jung. Denk an das Bergwerk von Falun. Ist sie nun die UNSTERBLICHE GELIEBTE? Auch der andere Geisterfilm, der ermordete jüdische Komiker Schatz taucht einem ehmaligen SSD-Sturmführer in der Kleinstadt auf, wo er jetzt als Kommissar lebt. Nur von ihm wird Schatz halluzinativ gesehen, als wärs sein leibliches Gewissen? Verfolgt ihn. Muß 14 Sexualmorde aufklären. Die wichtiger sind als die Massenmorde: Bei Massemorden wird nicht gefragt, wer wars, sagt Cohn, sondern warum? Bei Morden aber wird gefragt, und da muß ein Sündenbock her. "Immer ein Sündenbock. Wie wir Juden es waren, dabei waren wir unschuldig." Redet schließlich nur jiddisch. Jiddisch. Gerichte. Spricht in der Synagoge sogar Kaddisch, das Totengebet. Kommt natürlich in die Psychiatrie. Wie die meisten, die Stimmen hören, die es natürlich wirklich gibt! Irrenanstalts¬atmosphäre am Ende? Anna als Doppelgängerin wird durch die Engelszungen deutlich im Diktat erkennbar. Sich solche kurze Liebesgeschichten ausdenken: Beatrice, Sophie, Laura oder Felice (bei Kafka). Nicht den Tod, sondern das Wiederfinden nach dem Tod. Wie sie "abgeholt" werden von den Lieben! Schon bei den klinisch Toten kommt das vor, den Nahtoderlebnissen, wie sie Terplan erlebt hatte, der von Jeann nicht freikommen kann. Wegen ihr hat Terplan dies unbedachte Tat begangen. In halber Bewußtlosigkeit. Er lebte damals in Paris. Es ging ihm jahrelang sehr schlecht, und er konnte uns bisher wirklich nicht besuchen, jetzt ist er irgendwo in England. Llareggstone oder so. Voraussichtlich, weil er ... zu einer wachsenden Gruppe von Entführten gehört, die ein bestimmtes spirituelles Interesse an ihren Erfahrungen zeigen. Ihre Suche nach der Bedeutung und der Kampf; die Grenzen ihrer Wahrnehmung zu erweitern, ermöglichten ihr weitreichende Ein¬sichten. In einem Brief schrieb er auch, dass sie kürzlich begonnen habe, »Informationen zu empfangen, die andere Wesen mit Themen der Erhaltung unseres Planeten und ökologischen Übergängen in Zusammenhang brachten, besonders mit polaren und geomagneti¬schen Wechselwirkungen». Sein Wunsch, »etwas Konstruktives für unsere Welt zu tun», Ist lebensnotwendig auch für Anna, obwohl sie noch nicht weiß, in welcher Form dies geschehen wird. 7.3. Terplan war damals operiert worden. Er hatte tagelang alles, was er zu sich nehmen wollte, wieder erbrechen müssen. Doktor Etienne hatte in Endoskopien Geschwüre festgestellt, beorgniserregend, gemurmelt, Geschwüre, sie mußten operiert werden, die Operation war festgelegt für Oktober 89, doch mit schwerwiegenden Vorahnungen, als wäre die Anästhetsie tödlich, verschob er den Eingriff, er ließ mich aber dann doch überrreden diese Operation zu machen, und es geschah dann nach seiner Griechenlandreise mit Sonja in Paris, im Maison des gardiens de la paix am Boulevard Saint Michel; die Operation, die technisch zwar gelang, wurde mit einer doppelten Anästhtsie ausgeführt, diese löste neue Depressionszustände aus, keine der bsiherigen neurotischen Art, sondern eine akute klassische Melancholie, und es war alles anders als bisher, die lange Wahnsinnszeit, versuchte er mit Sonjas Hilfe und andern zu überstehen, es gelang nicht: und eingeliefert diesmal in die Klinik, vom Parc-Montsouris (rue Daviel), um Sonja die täglichen Besuche zu erleichtern, eine Klinik ganz in der Nähe ... und so schilderte er mir in einem Brief, was geschehen war: "Sonja, die Jahrzehnte meine steigenden Angstzustände ertragen musste, die Nerven offen, hautlos berührbar, Juni bis September da, bei unbekannten Ärzten, eingenommen IMAO mit dem chesse effect, also ins summende Nichts reindämmernd, mentale Konfusion da, Selbstmordverfolgungswahn onirisch da, kaum mehr die Körperbewegungen beherrscht, fallend andauernd und unkontrolliertes Erbrechen. Sah nicht mehr unterscheidend genug und Urin außer Kontrolle, ebenfalls die Sätze, Adverbe verbanden sich hemmungslos mit dem Körper: anstatt der Substantive war ein Arm da etc. Und das Summen im Hirn wie eine Schlaf und Wasserblase gefüllt mit Leere, die aufs Nasenbein drückte, unaufhörlich außerweltliches Auswachsen von Raumgefühlen aus und über mir, teils am Ohr, teils am Nasenbein. Also eine unkontrollierte Zustandsbewegung von innen, die ja auch bei Normalen immer da ist, nur eben beherrscht. In Kriegszuständen und Ausbrüchen natürlich da. Jederzeit möglich, heute zu sehen: und überalles da. Und hielt delirante Reden, sowohl Worte wie auch Wahrnehmungen entliefen mir wie wilde Tire, außer mir, ich gefangen, sie völlig frei und Ich ihr Diener. Incubus da, fletschender Zähne weiß, und blieben auch im Wachen da, nach längerer Vergehnspause nach dem Morgen natürlich auch, also so zu leben das bunte Treiben des Schlafes herübergenommen mitten in den Wachzustand und nach ihrer Logik nun wie ein Geist herumgehend zwischen den Dingen, kaum unterscheidend. Und ich war überzeugt, und redete davon auch zu den Besuchern, dass ich mich umbringen müsse, dass mir zwei oder drei Männer nach dem Leben trachteten, einer mit Bart, und dass ein Tribunal, mit Sitzungen im Nebenraum, mich eben gerade zum Tode verurteilen wollen. - Die Besorgnis der Freunde aber kam auch aus andern Zonen des Vergessenen, das ich jedoch umsomehr und auch umsoweniger nicht mehr weiß, bin angewiesen auf sie als Zeugen, diese Furcht in der Amnesie verschüttet, dass ich nämlich nicht nur mich selbst auslöschen wollte, sondern auch jede Spur meiner irdischen Existenz, so möglich, also bis auf den letzten Zettel alles, was ich hervogebracht hatte zu vernichten, meine Bücher, Manuskripte, Aufzeichnungen, ja, die Uni niederzubrennen, und schließlich mein anderes Ich, falls möglich, nämlich Sonja auszulöschen. Und Freunde und Ärzte fürchteten, es sei ein so irreversibler Zusrtand, dass mir die lebenslängliche Einweisung und der lebenslängliche Heilanstalt drohe. So erhielt ich kein IMAO mehr, sondern Anafranyl, mein Zustand besserte sich zusehend und sie konnten mich aus der Klinik in kürzester Zeit entlassen. Ich traf Sonja wieder und wie sonst in solchen Anlässen, wenn ich aus der Klink kam, fuhren wir sogleich in den Süden: doch schon am nächsten Tag kam ihr Ausbruch, es war im Hotelzimmer nach einem Bad, und eigentlich ruhig, aber sie sah in meinem Gesicht die ersten neuen Anzeichen eines Schubs möglicherweise oder der gewesenen, die Jalousien waren halbgechlossen, dunkel also, draußen Hitze und Sommertag mit Zikaden, und sie könne nicht mehr mit mir leben, schrie sie und ich sei ein Monster, schrie sie, ich aber lag wie tot auf dem Hotelbett, schrie. Als wir zurückkamen, schrie sie weiter, und ostenativ sehr, suchte sie eine andere Wohnung, fand aber so schnell keine, und so blieben wir in Höllengemeinschaft in der alten Wohnung zusammen, wie Steinhälften nebeneinander lebend, essen, schlafen, und so verließ sie mich total und ganz in meiner andauernden Anwesenheit gab es dieses Reißen, Herzzereißen auch der Dinge um mich sie und in mir tickende Wunde ja, dann stand sie vor mir auf und verschwand für den ganzen Tag, wenn ich sie anredete, verweigerte sie jede Antwort, mit mir nichtsprechend da zu sein, war schlimm, und sie zu sehen, ohne dass sie da war, so ein Abgrund, ich sah in in allen schwarzen Farben vor mir, sich auftun wie ein Maul, die Zähne bissen manchmal auch zu, faßten mich aber nicht, weil es mich auch gar nicht mehr gab, gottseidbnak, dachte ich, nur, warum tut dann alles so weh, wenn es mich überhaupt nicht mehr gibt? Denn sie lief in die Küche oder ins Zimmer, weigerte sich, auch nur mir zu begegnen, keines Blickes. Und essen, essen schon gar nicht, das kannst du vergessen, vergaß es nicht, in meiner Anwesenheit zu essen, als wärs obszön, und eine organisierte Gefangenschaft der Einsamkeit als wärs eine Halluzination begann da als Inferno, freilich wars Hoffnungslosigkeit, die am Abgerund der Zukunft liegt, da es sie nicht mehr gibt, ohne jede Möglichkeit, und hatte immer Angst gehabt verlassen, vor allem von Hélène verlassen zu werden, und nun verließ sie mich in meiner Anwesenheit täglich, Tod also bei lebendigem Leib. Ich wußte, dass sie mich nie verlassen konnte, und so hatte sie jeztzt eine neue Sache ausgedacht, einen einzigen möglichen Weg, nämlich sich umbzubringen, so mir, dem Monstrum, zu entgehen, und begann Medikamente dafür zu sammeln, sorgfältig auch Rezepte und Bücher über den Selbstmord, und auch unser Freund Nikos Poulantzas, der sich in einem Anfall von Verfolgungswahn vom Wolkenkratzer auf dem Montparnasse aus dem 22 Stockwerk gestürzt hatte, geriet ihr zum verfänglichsten Vorbild, das geendet hatte, also nicht mehr war, doch sie selbst schon er in Gedanken, der zerfetzte Körper unten, Nichtmehrsein das Phantom existierend, stärker als alles, was faßbar war und greifbar. Oder auch Anna Karenina und die abgefahrenen blutigen Köpfe unter den Zügen und gebrochnenen Gliedern unter den Lastwägen. Und eines Tages mit maximaler Ruhe und Natürlichkeit, keine Miene verzog sie, mich dann bat, ich selbst solle sie töten, und zeigte auf meine Hände, auf den Küchentisch dann mit den Messern, dies ließ mich erzittern, der Horror war total, der Körper nur kalter Schweiß und Espenlaub und alles in mir wieder verdunkelt. Dies in der höllischen Zweisamkeitsklausur, aneinandergefesselt, und hoben das Telefon nicht mehr ab, an meinem Büro hing ein Zettel: Vorläufig geschlosssen, nicht insistieren. Dann kam dieser Sonntag, es war neun Uhr morgens. Zwischen zwei Nächten und Dunkelheiten , das, was nicht nennbar ist, als wär es die Strafe für mein überhebliches Wachsein, traf mich, nein sie durch meinen Blick, der graue Strahl des Novemberlichtes durchs Fenster in unserem kleinen Appartement, kommt von oben, das Licht durchs sehr hohe Fenster, einge¬rahmtes Fenster von kaiserroten Rolleaus, gebleicht von der Sonne, Zeit und verdreckt, beleuchtet den Hintergrund dieses Lebens, das Bett, und liegend darauf Sonja, auf dem Rücken liegend, auch sie wie ich im Nachthemd, langes Gewand also, weiß, und sie gewissermaßen wie eine Schaukel oder Wiegholz der Körper, das Becken auf dem Bettrand, und die Füße auf dem Teppichboden unsicher herbhängend die Beine schlaff; ich aber, und wie eine Gedankenübertragung, ich aber kniete vor ihr, nahe, ganz nahe, gebeugt über ihren Körper, und massierte ihren Hals, fast mechanisch massierte ich, in einem fort, in einem fort, unaufhörlich massierte ich ihren Hals, der wie ein Gegenstand an meiner Haut lag; und hatte oft den Nacken, den Rücken, die Nieren massiert, und hatte die Massagetechnik erlernt von einem Genossen im Gefängnis, vom kleinen Cler, einem Berufsfußballspieler, Tausendsassa, der alles konnte; das Gesicht von Sonja war sehr friedlich, war unbewegt, und die weit geöffneten Augen fixierten die Decke, ruhig, wortlos, still, zu still dieses Gesicht, erschrocken, ich, da, sah ihre Lippen, sah die Augen so starr plötzlich, sah ihre Lippen und zwischen den Zähnen, die Lippen ein wenig geöffnet, zwischen den Zähnen ein Stückchen Zunge, wie auf die Zunge gebissen, sprang ich auf, auch der Hals kalt, war kalt, der Hals, und sprang auf und schrie: Ich habe Sonja erwürgt, hab sie umgebracht, Sonja." Er erwachte erst in der Heilanstalt Saint-Anne, der Arzt hatte ihm eine Spritze gegeben; seine Tat blieb auch weiter tief verborgen im Dunkeln seines nicht Bewußten, ihm völlig entzogen, unwissend zurückgfallen in ein Nichtsein: gelungen war die Auslöschung völlig... Ich habe ihn dann mit Anna im Frühjahr in der Heilanstalt Soisy, wohin er im Juni mit dem geschlossenen Krankenwagen unter Bewachung überführt worden war, und der große grüne Fleck, Park genannt, das Gras wie gecshoren Null, überall die weißen Gestalten der Patienten, und die blütendweißen Pavilione zischen hohen Bäumen, im Pavillion Nr. 7 traf ich jenen Mann, den ich fast für mein Alter ego hielt, aber nur unter Bewachung. Wahnsinn war es, dieses Vorhaben mit dem Kanken nun über das Ende der totalitären Seelen und gar über das späte Ende von Karl Marx oder Lenins Hirn zu reden, von dem es heißt, es sei so verkalkt gewesen, dass bei der Autopsie es wie ein Stein auf dem Seziertisch geklappert habe, den aber der Patient immer noch verteidigte. Er aber, er hatte anderes im Sinn, angestrengt zerfurchtes Gesicht, über dem eine tiefe Dunkelheit lag, Nacht, schwer, die versuchte ihn in sich zu ziehen, Wachheit eine Leistung, umschattet die Augen, die müde waren, alles müde, und angestrengt da, nur der Mund bewegt und da, die Rede, Worte zwischen dem Zigarettenstummel, der immer brannte, die Hände mit einer abgenommene Brille über dem Tisch, die Hände sehr alt, auch der Anzug dunkel, fast schwarz über der abgemagerten Gestalt, fast eng der Brustkorb asthmatisch, Schultern kaum, das Hemd weiß mit offenem Kragen, sieben tiefe Falten auf der Stirn, hochgezogen darunter die umschattenen Augen, Brauen hoch, als wäre es ein zum Tode Verurteilter, der überlebt hatte, kam es mir vor, die Hände um den eigenen Hals, zugedrückt, dachte er; und Terplan redete und redete nur vom Selbstmord, ein Vortrag. Und auf die Frage, ob er sich unglücklich fühle, frappierende Antworten. Merkwürdige Erinnerungen an das relative Glück Aufzuckende Blitze: weils ein geschlossener Raum war, also auch geordnet und perfekt, Einheit wie ich sie zum Glück auch in der Heilanstalt oft wegen Geschützseins erfahre, sagte er, und schönes Ausgelöschtsein nun, endlich Nichts sein, völliges Nichtssein erstrebe. Tabula rasa jedoch ziemlich gelungen, im leer summenden Raum der Krankenstation. Gelungen, nicht nur sich auszulöschen, und ich dachte plötzlich, dass ich hier einen lebenden Toten sehe, überlebt, längst vergangen, doch atmend, der verzweifelt versuchte, endlich sterben zu dürfen, zu entkommen, das zu sein, was er wirklich war, und auch das Gedachte oder Gefühlte, das die Welt war, die er mit sich trug, ja sogar sehen musste, sekundenweise auf ihn anrollend zurollend, er mit. Dachte an andere Fälle, den andere in den Zimmern, Hölderlinien... Er war sich völlig bewusst, und klar im Kopf, sich selbstbeobachtend, und so, als wäre tatsächlich einer in ihm, der sehr trauert Dieter Schlesak ENGELSZUNGEN. Ein Ufokrimi INHALT I Obertzungen (Engültige Fassung) II Engelszungen. Ein Ufokrimi Unkoorigierte-Fassung Engelszungen Reserve Anhang Engelszungen kurz end Engelszungen-Fragmente Die Engelsprache OBERTZUNGEN.EINUFOKRIMI Dieter Schlesak OBERTH UND DIE ENGELSZUNGEN Ein Ufokrimi. Dokumente und Plagiate ENGELSZUNGEN Ein Ufokrimi (Exposé) „Engelszungen“ beruht auf entwendeten Dokumenten aus CIA-Archiven, wird aber, um die Glaubwürdigkeit des Materials nicht zu gefährden, von einem, der Bescheid weiß, weil er diese Dinge selbst erlebt hat, aufgeschrieben. Von einem, der durch diese Erfahrung wahnsinnig geworden ist, oder vorgibt es zu sein, um mit dem Leben davon zu kommen. In einer Heilanstalt, wo er sich simulierend versteckt; von ihm und von seiner Geliebten Lyss, wird berichtet, wie vor allem die USA, doch auch alle anderen Staaten, versuchen, die Wahrheit über diese Dinge nicht zuzulassen! Eine ganze Behörde ist mit dem Verschwinden von Akten und Augenzeugenberichten beschäftigt, die auch vor Mord und Todschlag nicht zurückschreckt, um die Wahrheit zu verhindern. "Engelszungen" ist so ein auf Tatsachen beruhender literarischer Trans-Krimi und Agentenroman: Die CIA bespitzelt eine Gruppe von Forschern, die unter der Leitung eines deutschen Physikers die Unbekannten Flugobjekte untersucht, wobei ihnen durch besondere mediale Techniken auch eine Kontaktaufnahme mit deren Besatzungen gelingt. Durch Transkontakte versucht diese Forschergruppe, die Wahrheit an den Tag zu bringen. Doch alles bleibt ein schwebendes Verfahren, weil sich die Unbekannten wie Träume immer wieder entziehen, niemals festlegen lassen, so dass schließlich diese rätselhaften Flugobjekte, sowie ihre "Landungen" und "Entführungen" von Menschen, wie eine gigantische irreale Projektion erscheinen, was sie nach Loverings Theorie auch tatsächlich sind. Doch auch die Realität erscheint schließlich nach neueren Untersuchungs¬methoden der Physik als nichts anders denn als kollektiver Wahn! Welcher Wahn also gilt dann und ist glaubwürdiger? Die Öffnung, die Grenzüberschreitung, die Bewusstseinserweiterung ist bei Lov Folge eines Schocks; der Physiker und Psychonaut, der sich noch während des Zweiten Weltkrieges unter dem Pseudonym "Lovering" nach Lareggstone, einer walisischen Stadt, und dann nach Transsylvanien geflüchtet hat, ist seelisch belastet und traumatisiert durch ein Schockerlebnis aus dem Jahre 1945, als er wegen Befehlsver¬weigerung und Desertion von einem Nazirichter zum Tode verurteilt, in letzter Minute (schon vor dem Erschießungs¬kommando), während eines Luftangriffes doch noch entkommen konnte. Die brisanten Entdeckungen Lovs und seiner Gruppe, zu denen Morris, ein junger Quantenphysiker und der medial begabte Transsylvanier Terplan gehören, drohen, das amerikanische System und seinen way of live in Frage zu stellen. Am Schluss müssen alle aus dem Kreis dran glauben, sie kommen durch "Unfälle", "Krankheiten" um, oder sie verschwinden spurlos auf Nimmerwiedersehen. Im Zentrum der Handlung steht neben Lov, eine schöne, raffinierte und intelligente Agentin und Edelhure, die über Bettgeschichten ihre brisanten Informationen aus der Gruppe erhält; meist wachsen sich diese Affären zu heißen und tragischen Liebesgeschichten aus. Die zweite Hauptfigur auf der Agentenseite ist Joyce, ein dichtender CIA-Oberst; beide, die schöne Agentin und der Oberst (sie, natürlich auch seine Geliebte), erfahren schließlich selbst die Wahrheit, und werden so zu Doppelagenten. Deshalb müssen auch sie am Schluss verschwinden! "Engelszungen" ist kein Heftchenroman, sondern literarische Sciencefiction: Grenzgang des Bewußtseins, wie in alten Häresien zwischen Zweifel und Gewissheit bei einer neu zu erarbeitenden Weltsicht, wo die alte Sicht das Phänomen falsch anpackt und falsch, nämlich zu "empirisch", deutet, und ihre falschen Über-zeugungen, wie seinerzeit die Inquisition mit perfiden und gängigen Öffent¬lichkeits- und Medienmitteln: Gegeninformation, Falschmeldungen, Manipulation, dann mit der Seelenpolizei Psychiatrie, bis zu mörderischen Techniken und Mord verteidigt. Im Zentrum steht eine neue Sprache und Hermeneutik, oder auch neue Grundmuster der Deutung jener Nachrichten über und von "Aliens", den "Fremden", "Toten" und ermordeten "Opfern" der abend¬ländi¬schen Geschichte; es sind neue psychotechnische Möglichkeiten der Sprache, des induzierten Schweigens, der Medialität und des Traumes, der Phantasie, der Traditionserforschung und Deutung, und schließlich aller Formen der Bewusstseinserweiterung vom Liebesfieber, der Meditation, Rückführungstechniken bis zur Hypnose, um überhaupt mit den sich jedem bisherigen Wirklichkeitsbegriff entziehenden Parallelwelten, die es immer neben unserer gegeben hat, kommunizieren zu können.   PROLOG Trotz meines ekligen Scheiterns, durch neuere Kontakte zu Hermann Oberth, über seine Beziehungen zu den Uraniden endlich die Wahrheit über die Raketenforschung und so über unser verborgenes Weltschicksal heute durch die ihm eingeflüsterten Erfindungsideen, bis hin zum „Weltraumspiegel,“ herauszufinden, ging es mir relativ gutgemeingut, was in dieser Lage eigentlich unzulässiglich war, wie alles Gutgehn, das ohne Engel auskommt. Ein idiotisches Scheitern also, weil „sie“ mich immer wieder allein gelassen hatten, mir, dem Schatten und Schlemihl also wohl nicht getraut hatten, und mich freilich nun hierher in die Heilanstalt gebracht hatten, war ich doch auch am nächsten Tag bester Laune, dachte an Lyss, ans Lieben und an diese Engelszungen. Mit ihnen, jaja, hatte ich plötzlichkeitlich nun herrlichrum einen so guten Kontakt, komisch! der nicht mehr so schnell zum alten Welt-Riss kam, also abriss. Und ich freute mich sehr, da ich nun hoffentlich wahrer wahr, doch endlich über Großvaters Jagdfreund das wahrheitsgemäße Surplus in den Mund und ins Hirn gestrahlt zu bekommen. War ich hierum, wollten sie mich so auf die Probe stellen, ob ich weggekommen wegging vom blöden Alltags Verständnissig und auch vom Sprachzeug der Normalen Weg konnte: Bissigerall, wenn’s nur weiter gehen würde: Kopf ausschlammen? Wo fängts an kindanfangmich, wie die Mitzmother sagt: Herzpin Kerls, die den Hermann auch gern, wie alle an sehnlichen Mannsleut, zu korrigieren? Transsylwahnisch fein? Weg vom bisherigen zum bissjährigen Immer. Geh ich auch sibiisch zu Pantum und Vilanella oder Castrum Sex-mässig gebessert zum oberen Oberth, dem Gefühlsterten? Engelszunge, da wart ich. Was war das Gartengasse? In Castrum Sex. Jaja, dort das Haassche Sanatorium? Und sein Vater Dr. Julius Oberth, Magier des Skalpells, alle Achtung, Direktor des Komitatsspitals, schaffte erstes Röntgngerät im ganzen Lande an, nahm kaum Honorar, zahlte alles selbst.. Aber langwillig Daten, Nichts. Zweijährig also kam der Raketenmann da an? Und Großvater Friedrich Krasser Dichterarzt. Vorankommen. Schrieb Gedichte mit Offenem Visier. Na also. Doch dann riss das Flüstern wieder ab. So müsste man jeden Tag sein, so offen. Auch mit Lyss riß der Kontakt nicht mehr ab. Lyss und die gemeinsame Nacht war bindend, wenn auch kein gutes Omen, das in meinem Gedächtnis auftauchte, vielleicht wars ein Zeichen, dass ich auch nicht mehr lange leben würde... zum Trost war aber ihr schlanker schöner Körper, der nach Mandelseife roch da, und ihr Mund mit der flinken Zunge, mit der sie die Innenwände meines Mundes abgetastet hatte, ein Schock, Ströme davon, die durch den ganzen Körper gingen, elektrisierten, mir die Haut gewissermaßen abzogen, als hätten wir ohne Haut aneinander gelegen, ganz wund. Als wäre sie alle Frauen, die ich je hier geliebt hatte! Als hätte das Verschwinden einen Grund, als hörte ich sie sagen, sie sei nur das Echo... mit der Seele berührt sein, so werden wir wirklich... Wo aber ist deine geblieben, du bist kalt, du bist krank. Früher bei gleicher Schwingung der Spaß, wie eine Nebensache das Vögeln. Kaum anstrengend, ein Spaß. Ich erinnere mich noch an die Parkbank, wo wir früher gesessen hatten, sie konnte mitten im Trubel auf meinem Schoß sitzen, die V unter ihrem Rock, da hatte ich schon einen Finger gelegt, wie eine Lunte, sie hatte kein Höschen an, und dann von unten der Steife in ihr, und vor aller Augen, ohne dass es jemand merkte, liebten wir uns wie zwei Verrückte, die den Schein wahren können, stolz auf die doppelten Leitung, lachten uns an, so jung... war froh, dass diese Bilder, die mich überfielen, gemeinsam waren und glücklich, sie spannten keine tiefen Rösser an, die schwarz wurden, von unten hochkamen, als wären sie in mir ertrunken, jetzt aufgewacht, und auch das fahle Licht und Lyss warmer Körperduft (manchmal roch sie stark nach Schweiß), das Linnen da an meiner Nase, nah, waren wie zu Hause, ruhig und gewohnt, keine Angsttiere, wie in Deutschland, wo ich mutterseelenallein war mit ihnen, das Fensterkreuz gewohnt, keiner hing daran und niemand zerschlug es, Glassplitter, ein Schimmer nur, sanft, im spiegelnden Glas schon wie Abwaschwasser Morgenlicht, und wunderte mich, dass ich geschlafen hatte, noch schlief, selten schaffte ich es, wenn ich weiche Brüste und Schamhaare fühlte, auch war es nicht möglich, dass ich mich davongeschlichen hatte, war zu unentschlossen, täuschte mich sicher, denn ich lag doch weiter weich in ihrem Arm, und sie träumte mit mir, als hätte ich mich da aus dem Körper gelöst, vorsichtig die Tür geöffnet und wäre mit meinem Koffer auf die Straße gegangen, hätte sie verlassen... Wie war das doch früher gewesen: Morgens hatte ich oft beim Frühstück versucht, Hannah etwas über Lessing und die innere Überzeugung, jenen Punkt zu sagen, der doch sehr wirklich in uns allen ist, wirklicher als die "Tat Sachen". Doch mit einer Handbewegung und unwirsch hatte sie alles beiseite gefegt. "Unsinn" schon damals. Oder "Literatur". Ich sehs kommen, du wirst nochmal in der Klapsmühle landen, so ihre Worte. Ich schwieg dann und wir redeten über Belanglosigkeiten. Nein, ich weiß nicht mehr genau, wo ich jetzt bin, manchmal höre ich nur „Klosterneuburg bei Wien;“ und weil die Zeit mir davonläuft, seh ich sehr oft auf meine alte Taucheruhr (funktioniert bis 100 m Tiefe); mit dem Raum ist es schwieriger. Es heißt in der Quantenphysik, dieses weiße Zimmer gäbe es nur, wenn ich wirklich mit allen Sinnen da bin; wenn ich es aber verlasse, dieses Zimmer, dann ist es nicht mehr vorhanden! Auch bin ich doch meist in Gedanken, also gar nicht da. Das passiert den meisten Leuten; und doch sagen sie, ich sei krank. Doch ich weiss, dass Hermann Oberth, der Schässburger Raketenoberth, mit in unser Team hineingewirkt hat, ich kannte ihn gut, schon weil er der Jagdfreund meines Großvaters gewesen war, ist sicher richtig. Lov versuchte angestrengt sich zu erinnern, ob irgendwelche Spuren in seinem Gedächtnis da waren, wie er überhaupt hierher gekommen sein könnte; doch tauchten nur banale Fakten auf, die Bekanntschaft mit Sergeant Smith, eine abenteuerliche Schifffahrt nach London, der Drang nach Llareggstone, ja, nach Stonehenge zu fahren... "lauter gewohnte, banale alltägliche Bilder verstopften mein Gedächtnis, nicht einmal an meine Geburt kann ich mich erinnern", überlegte er. Hypnose, wie es ihm Lyss oft genug geraten hatte? Er wagte es nicht. Längst war ihm klar, dass sie ihn sehr wahrscheinlich damals 45 doch erschossen hatten, woher kämen denn sonst diese sporadisch auftauchenden paranormalen Fähigkeiten. Dieser Sergeant Smith hatte ihn damals auf der Fahrt nach Llaregstone wegen überhöhter Geschwindigkeit mit einem Militärfahrzeug aufgehalten, und er auf die Frage des Polizisten, warum er das getan habe, gesagt hatte, alles sei ihm unwirklich vorgekommen und er habe gedacht, wenn er schneller fahre, um an einem Ort anzukommen, wo alles stabiler sei, könne er sich retten. Die Hand aufs Armaturenbrett gelegt, als glaube er nicht an dessen Existenz, sei er plötzlich da durchgestoßen, als wäre es weich wie Butter. Smith hatte darauf sofort die Psychiatrie verständigt. Aufgeblitzt ja, einen Moment war auch in ihm etwas, doch vergaß er das schnell, und da hatte Lov etwas Merkwürdiges gesagt: „Ja, bei uns bewegen wir uns ohne Fahrerlaubnis mit Vibrationen je nach Gedankenradar und Schnelle.“ Smith hatte ihn nur verständnislos angestarrt. Und einen Polizistenwitz gestartet: "Ha, endlich angekommen? Sie glauben aber immer noch nicht, dass sie leben und auf Erden weilen, wo die Dinge ziemlich hart sind!?" Und starrte fasziniert auf diese Hand, die halb im Armaturenbrett verschwunden war. Lov aber stotterte verwirrt und halb im Scherz: "Wenn ich will, kann ich Sie einfach verschwinden lassen, indem ich mich abwende, dann sehe ich Sie nicht mehr." Fügte dann aber in komischer Verzweiflung hinzu: "Ich wills aber nicht, ich will, dass alles endlich wirklich wird und in Ordnung kommt!" Smith und sein Begleiter bekamen es plötzlich mit der Angst zu tun, und legten ihm Handschellen an, fuhren ihn ins nächste Krankenhaus. Er aber murmelte: "Ich weiß schon, das kommt davon, wenn man eigentlich tot ist, alles kommt von meiner Erschießung 1945!" Terplan war es, der Lov diese fixe Idee eingegeben hatte, er sei von einer fixen Idee besessen: "Du hast natürlich eine falsche Erinnerung, sie haben dir eine falsche Erinnerung implantiert, Lov, du glaubst, du seiest entkommen! Falsch, ganz falsch, mein Lieber: Du warst tot und kamst zu ihnen. Tot sind wir, endgültig mausetot seither, absent, weg vom Fenster, meinen nur, wir seien noch da. Da und nicht da! Ganzes Leben eine falsche Erinnerung seither. Jajajajaja. Ganz falsches Leben seither, wie geträumt und erledigt. Und die benützen uns nun…“ „Wer?“ "Sie" freilich, wer denn sonst, wir, die Agenten und Spione der Verstorbenen, Aliens und Dimensionalen. Und noch schlimmer, keine Helden. War ganz anders, "sie" haben es mir gesagt, kamst aus dem Krieg spät zurück, alles gelöscht alles, warst kurz Kriegsgefangener, und kamst mit klopfendem Herzen nach Hause zurück, die Frau zu überraschen, armer Rucksack am Rücken, fast in Lumpen die Uniform, drin im Zimmer aber sahst du sie mit einem andern im Bett. Die wußten, du seist gefallen, oder wegen Fahnenflucht erschossen, keiner wußte es genau. Da zogst du den Armeerevolver, den du unterwegs gefunden hattest, und knalltest beide ab, dachtest du. Auch dies eine fixe Idee, denn in Wirklichkeit meldetest du dich im Raum deines wirklichen Hauses breit- & längerseits bei ihnen, Klopftest ans Fenster, wie Geister sich manchmal melden, oh, Schreck ... Ja, aber dann Tür geöffnet. Lamento. Du, du bist es, wir dachten ... Und er war es - ode sie - die nachts dir im Schlaf jenen Zustand zurückgaben, den sie im Kopf hatten, um weiter leben zu können. Lagst morgens in deinem eigenen Blut. Es waren wilde Zeiten. Die da im Bett lagen, hatten vier Kinder, sprachen mit dir nicht darüber, sie dachten, sie hätten dich nur geträumt ... Du warst ja auch wirklich ein Gespenst, sie mussten dich nicht einmal umbringen. Ganz umsonst deine tiefsitzende Reue also, die sie so löschten, die können das mit ihrem Wirklichkeitssinn. Wir wissen es ja, beobachtende Fliegende Scheiben hatten alles aufgenommen, dies Interdimensionale, zu der wir doch gehören, keine "Raumfahrer", sondern jener Zwischenraum, zu dem wir später alle kommen, wenn wir gestorben sind. Wir sind unsere, von uns selbst gemachten Phantome" Lov wachte stöhnend aus solchen "Gesprächen" auf, die allerdings selten waren, meist bei Nacht, - und ging schnell in die Küche zum Kühlschrank um zu essen, das half meist, wieder etwas Schwere und Boden zu gewinnen, wie auch bei "ihren" Besuchen, erst vor einer Woche wieder, das probateste Mittel, war doch real, faßbar, schmeckbar, Brot, Butter, Marmelade... Und war Lyss gar abgestellt, ihn zu beobachten, sie hatte ja psychiatrische Vorbildung Ich hab auch einen Pfleger, der ist nett, beobachtet mich aber durch ein Guckloch; Auge in Auge. Wie bei Kämpfern, Hassern oder Liebenden. Man kennt das. Auch er ist ein Künstler, er sammelt Knöchelchen (ich hoffe, es sind nur Knochen von Tieren, von Hähnen etwa), vor allem Gelenkknochen sinds, wir nannten sie zu Hause Pizziknochen. Als Kinder spielten wir mit diesen Pizziknochen! Er aber klebt sie zu Türmen und Baracken und zu allerhand Schädel-Figuren zusammen. Sieht mich an und lacht dann: Main läber Härr Terrplan, sssehn Se? Darain wohnet d´Zeit. Ein komischer Kauz, genau wie die Irrenärzte hier, vor allem der Dr. Michum, ein Italiäner aus Florenz. Ich glaub, die sind verrückter als wir. Meine beste Stütze aber im Abwesend-sein-dürfen ist mein neuer Freund, der Ritter Edler, so nennt er sich, ein Schweizer, der aber viel in der Welt herumgekommen ist; er ist wegen einer bizarren Liebesgeschichte mit einer Lehrerin hier, er nennt sie die "Weltglücksfrau", die ihm den Verstand geraubt hat, nicht aber die Vernunft und ein Wissen, das täglich in seinen lustigen Sätzen explodiert. Er ist der lebensbejahendste und positivste Mensch, den ich je kennen gelernt habe. So wirkt er heilend auf mich. Ich will und ich wollte immer nur meine Ruh; hier hab ich sie, ja, fühl mich geborgen, wie zu Hause. Nichts mehr kann mir passieren, es ist ja schon alles passiert. Also, klagen will ich nicht; mir geht es gut. Und das weißlackierte Anstaltsbett ist dafür das Maß. Besuchstage gibt’s auch, dann kommt meine Frau, es kommt mein Sohn, mein Bruder, meine Schwester, die Nichten und Neffen, die Schwägerinnen und Schwäger, die guten Freunde, sogar meine Exfrau war mal da; vor allem aber kommen die Leserinnen (seltener Leser!), die mich immer noch bewundern, und mich streicheln wollen, so als wäre ich ein Kind oder eben ein harmloser armer Irrer. Alle sind so lieb zu mir, Und das tut mir gut. Und alle fragen, wie es mir geht. Gut sag ich dann, gut, ich lüge wirklich nicht, es geht mir so gut wie noch Nie. Sogar Kritiker kommen, einige waren schon da, und wagen hier in der Stille keinen lauten Ton, das genieße ich sehr. Am liebsten würde ich sie um kleine Dienste bitten, mir ein Glas Wasser zu bringen, die Schwester zu holen, den Doktor, da es mir plötzlich schlecht geht, ich Schwindel verspüre oder gar Ekel, oder meinen Pfleger in meinem Namen etwas zu bitten, so, als wären wir schon mitten in einem Buch, und da kennen sie sich ja besser aus als wir, die wir das Buch schreiben, wir wissen da lang nicht so gut, wo es langgeht... Doch ich überlegte, ich würde sie auf keinen Fall bitten, mir fünfhundert Blatt unschuldiges weißes Papier zu bringen, ich werde sie auch nicht bitten, meine Frau zu bitten, mir meinen unschuldigen Laptop zu bringen, nein, ich werde Janos, den Pfleger, übrigens ein Ungar, darum bitten, dem ich schon eine ganze Menge Geschichten erzählt habe... ach was, ich werde jetzt einfach meine Frau anrufen, sie soll den schwarzen Laptop bei ihrem nächsten Besuch einfach mitbringen... denn es drängt mich, diese lange Zeit sinnvoller zu verbringen, anders als die Herren hier und auch anderswo es gern möchten, diese Irrenärzte mit ihren Psychopharmaka, die das große Summen und die große Leere erzeugen, wie sie heute überall üblich ist, nicht nur hier am wichtigsten Ort der ganzen Welt, der sich nur noch mit dem Parlament vergleichen läßt. Doch viel wichtiger ist, weil ruhiger, stiller, atmender, also Gott näher! So steht wenigstens nichts mehr fest und bewegt sich auch nicht mehr, und es ist ein fahler Schein, fad und oft sehr abgestanden, dass man schreien könnte vor ohnmächtigem Warten, es zuckt in den Händen, Lähmung und nervöses Dasitzen täglich, gefesselt an ich weiß nicht was und ich weiß nicht wie. Sicher kein idealer Zustand, so haben sie natürlich immer noch recht, kein Beispiel fällt mir ein, was es dagegen zu setzen gäbe, weil es keines mehr geben kann! Ach nein, Joyce und Lyss, Analyss vor allem dagegen setzen! Und so zaubere ich sie mir wieder hierher, ganz nah, kann sie berühren… Und jetzt, wer weiß, als müsste ich mich zu Tode schreiben, So schlug ich also mit diesen Hämmerchen der Tastatur meine Zeichen auf das noch unbeschriebene Weiß des Bild-Schirmes, alles wie ein weißes Blatt. Phantastisch, alles taucht wieder in mir auf, wie sie es mir erzählt hatte, in diesen vielen Nächten mit ihr, und dann auf unserer langen Reise mit der Transsibierischen… Ich schlug fast verzweifelt die Hämmerchen auf ein noch unbetretenes, unwegsames Gebiet, dass mich Janos, der Pfleger verwundert ansah, und die Schwester Erika erstaunt an der Tür stehen blieb; und als ich ihnen sagte, dass ich alles aufschreiben wolle, was hier Tag für Tag, Stunde für Stunde geschieht oder in mir geschieht, wurde die Schwester sofort diensteifrig und fragte mich, ob sie mir nicht einen Saft bringen dürfe, und Janos rückte Tisch und Stuhl zurecht und meinte, er wolle mal nachfragen, ob ich keinen Internetanschluss haben könnte! Ich aber hörte ihnen kaum zu, fühlte mich plötzlich nicht mehr so da liegend im weißen Hemdchen als unterlegener Patient, sondern als Herr der Lage, und schrieb rasch und mit dem Schwung eines Klavierspielers, legte sogar den Kopf schief, wie es zu Hause Onkel Daniel am Klavier und in der Bergkirche an der Orgel getan hatte, schrieb Buchstaben und Zahlen, als säße ich vor einem klingenden Instrument mit 24 geheimen Zeichen, so als wäre es jener verborgene Rest der Wirklichkeit, den der Herrgott nach seinem Verschwinden noch hier zurückgelassen hatte; und tat so, als müsse ich jetzt eine besondere Tonfolge wie einen verloren gegangenen Schlüssel, dazu die geheime Lautkombinationen wieder finden, wie den vierten Fuß des Hebräischen Schin der Juden. Mit jedem Buchstaben fühlte ich mich besser und besser, als könnte ich, wenn nicht die Welt, so doch mich selbst retten. Ich schrieb zuerst den Traum dieser Nacht auf. Und brachte dann den gestrigen Tag in diese vorgestellte innere Ordnung: sah diesen plötzlich so hell bewusst und ganz neu vor mir auftauchen: "Nachts also diese Traumserien, die mir keine Ruhe ließen. Meist war darin von einem hellen Lichtpunkt die Rede. Und ich dachte, es geht jetzt wieder zum Bahnhof, dort will meine Frau vielleicht wieder Zeitungen kaufen, weil die Buchhandlung noch nicht geöffnet ist. Unten (in der Stadt V.) angekommen, geschah es dann: während sie auf den Bahnsteig ging, stieg ich aus, um ein wenig Luft zu schnappen, ich ging ihr auf den Bahnsteig nach, und dort wurde es mir übel, und ich verlor das Bewußtsein. Der Wagen der Ersten Hilfe des Malteserordens brachte mich zur Krankenstation. Und lieferte mich in einer großen Wartehalle ab. Von dort holten sie mich mit einer weißen Tragbahre in den Heilschlafraum, betreut von Ärzten und Schwestern, musste ich mich ins weiße Metallbett legen. Und schlafen. Doch bevor ich einschlief, fragte mich eine Ärztin, die mir bekannt vorkam: "Glauben Sie an Geister?" Die Frage war so gestellt, dass ich nicht gut "Nein" antworten konnte. Und ich sagte, ich glaube zwar nicht daran, dass die Toten auf die Erde zurückkehren, um die Erde heimzusuchen, dass ich aber an den Geist der Natur, den Geist der Geschichte und andere Geister glaube, an gewisse erstaunliche Erscheinungen also, die darin bestehen, dass die Vergangenheit andauert, niemals vergehen kann. "Ja, da haben Sie aber vollkommen recht", sagte die Ärztin, "das ist schon ein gewaltiger Schritt, um zu einer Heilung zu kommen. Und Sie sind ja auch und noch immer in Ihrem Haus, Herr Terplan, alles andere ist nur geträumt, doch allein der Traum bewegt sich voran, alles andere bleibt, verharrt an seinem Ort, ewigkeitsbewegt natürlich. Es auszudrücken, das ist schwer: Und bleibt schwingend, wie eine Aufzeichnung in der Luft. Geräusche, Anblicke, Schall, Rauch sogar, Stimmen, bewegt. Kann aber nicht übertragen werden auf Augen und Ohren der Leute im Raum. Schmerz, das Leid, aber die Angst, die machen es möglich, diese Geräusche zu hören. Vor allem aber die Leute, die uns voon anderen Himmelskörper besuchen, meist unsichtbar… zu sehen!" Manchmal schien es, als erwache bei solchen Worten mein Lebenswille wieder, und ich schlief mich gut ein, als gäbe es wieder einen guten Grund zu leben, und dann befolgte ich pünktlich die ärztlichen Vorschriften. Die "Ärztin" war doch AnnaLyss oder? Da dachte ich: "Sie war da und wir scherzten nach dem Dialog wie Kinder miteinander, tauchten unsere Hände gemeinsam in dasselbe Quellwasser-Waschbecken und nannten es "unser Familienbad", obwohl es heute kalt ist, die Zeiten durcheinanderkommen: Und die Sonne plötzlich steil emporsteigt, ganz hell, aber nicht blendend wird, und dann fühle ich mich ganz frei und kann dem Rot entgegenlaufen, den Punkt habe ich längst verlassen und jedes Zeichen, alles, was früher nur meine Augen konnten. Doch beim Erwachen erinnerte ich mich, dass doch Lyss, meine frühe Geliebte längst tot ist; sie ist an Krebs gestorben. So also muss ich schreiben, schreiben, dass sie wiederkommt, und ich sie wieder ins Leben hinein retten kann, mich mit ihr! Das einzige, was hier noch freudvoll und leidvoll funktioniert, ist die Phantasie (wenn man sie hat!). Und so bin ich nicht nur zum Schreiber, sondern auch zum heimlichen Erotomanen geworden - hier in dieser Einsamkeit. Die Frage, wie ich denn anfangen soll, ist so auch schnell gelöst, nämlich mit allem Anfang ist anzufangen, woher zuerst auch ganz lustig, Urgroßeltern, Großeltern, Eltern kamen, ach was, viel weiter geht das zurück, sie kamen alle vom Vögeln her; ohne diesen kurzen Sturzflug wäre auch ich und damit dieses Buch nicht möglich gewesen. Ich will mir jetzt weder meine Großmutter mit dem weiten Rock, meinen Großvater, beide, noch meine Eltern dabei vorstellen und beschreiben; sondern auf meinem Terrain bleiben, nämlich bei Lyss und ihrer phantastischen Geschichte mit den Außerirdischen, die sie ja nun besser kennt als ich, und werde auch vorerst nicht fremdgehen, etwa mit der netten Schwester Erika, die es sich nachts sogar gefallen ließ, als ich wie zufällig an ihre wunderbar weiche Stelle zwischen den Beinen fasste. Und dann in dieser Nacht die Fortsetzung des Traumes von gestern, als wollten die mir eine Film-Serie bieten: "Ich lag in einem großen Schlafraum, und die Ärztin begann mich zu operieren, verband mit einem dünnen Schlauch Herz und Stimmbänder, und verlegte dann eine solide Kanüle vom Herzen zum Hirn. Es tat überhaupt nicht weh, sie strich mir auch sanft über die Stirn, und wenn ich ein wenig zuckte, massierte sie mir die Hoden und strich über den Penis. Ihre Haut vibrierte die ganze Zeit ganz nahe an meiner. Als ich mich besser umsah, erkannte ich, dass sie mich in eine Art Antiquitätenladen verlegt hatten, und als die Ärztin gegangen war, kam ein Mann, den ich auch zu kennen meinte, es schien der alte Jude von zu Hause, der Adam zu sein, doch trotz aller Anstrengung, mich zu erinnern, fand ich dann doch nicht heraus, wer der Mann war. Ich glaube, es war Joyce. Ich wußte, dass Weihnachten "vor der Tür stand", und wollte die Gelegenheit nützen, Lyss ein Geschenk zu kaufen. Ich fragte den Mann, der wie ein Antiquar aussah, in Akten wühlte und komischen Graphien und Zeichnungen von UFOS, und wartend neben einer ganzen Uhrensammlung stand, nach seinem Namen, doch anstatt einer Antwort schlug die alte Stundturmuhr von zu Hause eine volle Stunde, wohl weil ich daran gedacht hatte, dass es gegen eins sein müsste; ich erinnerte mich plötzlich, dass ich gegen halb eins von zu Hause fort gegangen war, da mich diese Ansichtskarten genervt hatten, jede Woche traf eine Ansichtskarte ein, darin forderte mich Mutter in steiler Handschrift auf, sofort und stantepee nach Hause zurückzukehren; und Vater sang dazu mit hoher Fistelstimme und unter Lachen: Kehr zurick aus Erlang... gen, auf der Eltern Ver...lang...gen. Ich fragte den Antiquar, bevor die nächste Uhr zu schlagen anfing, es gab ja eine ganze Menge in dem Kasten, es war eine winzige Weckeruhr, ob er mir für eine "schöne und sensible Ärztin" ein Weihnachtsgeschenk empfehlen könne. "Natürlich", sagte der plötzlich in eine Offiziersuniform gekleidete Mann, der grüne Augen hatte und eine Glatze, "natürlich", und ich konnte ihn jetzt von hinten sehen, denn er bückte sich und zog einen venezianischen Handspiegel hervor, sagte so leise, dass ich ihn kaum verstand: "Sechzehntes Jahrhundert, garantiert". "Was, einen Spiegel, ausgerechnet zu Weihnachten, diesen Mahner an Zeit, Vergehen und Tod", rief ich erbost: "Sehen sie doch selbst mal rein. Macht Ihnen das Spaß. Mir nicht. Und das einer Geliebten?" "Einer Ärztin, wollen Sie doch sagen, und die ist doch schon hier", entgegnete der Antiquar bissig. "Unmöglich", sagte ich. "Und Sie, sind Sie vielleicht nicht auch hier?" "Doch", murmelte ich erstaunt, und der Alte schlurfte aus dem Raum, um im Keller weiter nach alten Uhren und nach einem wichtigen Geheimdienstbericht zu suchen, den er mir andrehen wollte. Draußen begann es zu regnen, durch die kleinen Fenster drang das dunstige Tageslicht herein, schimmerte auf den glatten Fliesen. Und ich meinte im Prasseln des Regens unheimliche Geräusche herauszuhören, Seufzen, Tappen, Klopfen, der Marschtritt eines Regimentes, Klingen von Goldmünzen, Schreien, Knarren von Türen, Trompeten, Schnarchlaute, Zanken, Marktgeschrei. Im ersten Impuls wollte ich davonlaufen, der Ärztin Lyss zuliebe, die eine merkwürdige Beziehung zu meinem Weihnachtsgeschenk hatte, blieb ich, hörte das Höllenkonzert der Uhren., das jetzt wieder einsetzte. Dann kam der Offizier-Antiquar mit einem in Leder eingeschlagenen Skript und vielen Dokumenten zurück, er brachte dazu einen Ring mit einem Edelstein. "Der hält, nicht wahr?" sagte er, "doch wenn sie erwachen, löst auch er sich in Nichts auf; hätte ich zu Ihnen gesagt, ich hätte Nichts gefunden, wäre es die Wahrheit gewesen, nämlich ein Buch. Die einzige Bedingung: Sie kommen morgen und übermorgen wieder. Sie fürchten sich zwar vor den Gesetzen der Natur, die in ihrem fühllosen Ablauf, ihre Schuld festhalten könnten - Sie müssten wissen, was ich meine, Michael Terrplan, und Sie werden es auch bald erfahren, da Sie es noch gar nicht selbst wissen, was zur Schuld gehört; doch mehr noch fürchten Sie mit einer abergläubischen Angst irgendeinen Bruch im Ablauf der menschlichen Erfahrung, jaja, tun Sie nur nicht so, Sie sind nicht besser als die anderen. Furcht also vor der Unordnung, der Willkür, der Ungemütlichkeit, vor allem vor dem Unvorhergesehenen, den anderen wilden Sphären – und dem Tod! Die festen Mauern werden jetzt immer durchsichtiger für Sie, und die Dielen hier können unter Ihren Füßen bald wie Treibsand nachgeben, Chaos, wie die alltäglichen Zufälle, die Sie hier lesen müssen, um durchzukommen, und da versagen Sie, Herr Terrplan. Ich habe aber den Auftrag, Ihnen zu sagen, dass Sie morgen wieder nach Hause gehen dürften." Na schön. Alle wollen mich nach Hause schicken, und halten mich doch hier fest. Es gibt keine eigentlichen Zwangsjacken mehr, doch die Fenster sind vergittert, und die eigentlichen Zwangsjacken sind diese Pillen, die ich jeden Tag schlucken muß. Bittere. Unter diesen Bedingungen schreiben? ... alles ist ja vorbei und vergangen, was ich erzählen kann, und hier in diesen Mappen drin! Also eine Art Akasha-Chronk? Is wahr…? Würde Ritter Edler lachen! Also doch, die Engel haben Recht. Klar, wie immer! Sogar dieser Traum; das was ist und das, was noch kommen wird, ist kaum zu fassen und zu erzählen! Erzählen ist eigentlich etwas Trauriges, weil der Brunnen der Vergangenheit viel zu tief ist für einen, der den Zugang verpasst hat. „Keine Einsamkeit schmerzt mehr als die Erinnerung an Wunder.“ Das hatte Jossif Brodsky, der Russe einmal gesagt, den hatten wir mit Lyss auf der Transsibirischen Einsamkeit getroffen. Ich schlug also die Mappe von Joyce auf, hörte die Stimme von Lyss dazu und schrieb mal ab , mal auf, was ich sah und auch hörte vor allem, Lyss Stimme ganz nah, fast ein Flüstern: ERSTER TEIL 1 In seinem Amtszimmer der "Zentrale" saß der Leiter der Abteilung für Aufklärung Oberst Joyce, er sah gelangweilt durch die großen Fenster hinaus auf die Buner Berge, da er noch einen amtlichen Bericht verfassen mußte; er hatte eine Art Tick entwickelt, um diesen Amtsreferaten zu entgehen, die nie die Wahrheit enthalten durften, er beschrieb sie und sein Leben mit ihnen, wobei er sich ausgiebig auch aus der Literatur bediente, "aufgefrischte Plagiate" nannte er sowohl die einen, als auch die anderen Produkte seiner Schreibtätigkeit, die ja sein Beruf war. Wobei er sich auch auf seine medialen Fähigkeiten verliess, und vielen „Einflüsterungen“ folgte, die er als authentisches Material ausgab. Vieles davon kam auch von Oberth. Der Abend hatte begonnen, fern, weit im Westen, ging die Sonne unter, dies stimmte Joyce poetisch. Joyce, freute sich täglich wieder auf dieser schönen Erde sein zu dürfen, wenn auch mit gestundeter Zeit. Ein Mutter-Schiff hatte ihn als Achtzehnjährigen auf den blauen Planeten gebracht; und auch diesmal mußte er alles vergessen, um hier leben zu können. Freilich, solch ein Terrabegeisterter wie Joyce steht allein; denn zum Vergnügen fuhr kein Mensch hierher nach S. Vielleicht noch zu den neusten Partys in einem geheimnisvollen Castell, das einem Einheimischen gehörte, der mit der Sensationsgier seine Geschäfte machte. Doch der eigentliche geheime ORT zur Erforschung jener Dinge, die die Welt, wie sie uns allen erscheint, in Frage stellen, war kein altes Buch mehr, sondern ein kontaktfreudiger und mit dem ganzen Kosmos vernetzter Bildschirm. Die unendlichen Summen an Nachrichten kamen schneller an als jeder Gedanke. Dagegen erschien das normale Reisen vorsintflutlich, auch der Flug. Joyce beschrieb sogar seinen neuen Mitarbeitern, die hier anreisten die Reiseroute in jenem knappen Kommandoton, der keinen Zweifel daran ließ, daß es sich bei diesem Ort um die höchste Geheimhaltungsstufe handelte. Oberst Joyce war für die Sicherheit zuständig und hatte zugleich alle For¬schungsprojekte unter sich, auch ein großes Geheimarchiv über die Extraterrestrier und ihre "Raumschiffe." Dieser kleine Ort lag mitten in einem gewellten Bergland, und in der Ferne konnte man bei klarem Wetter die fernen Berge erkennen. Das Versuchsgelände war auf einer Landzunge eines großen künstlichen Sees in der Au versteckt. Zur Landseite hin war das Gelände durch einen hohen, mit Sta¬chel¬draht gesicherten Draht¬zaun abgesperrt, der Zugang von Schilderhäuschen und Wa¬chen flankiert, und das Ufer des Sees wurden von Soldaten¬pa¬trouil¬len mit Hunden bewacht. See¬wärts gab es nur das Wasser. Draußen goß es noch immer. Joyce sah hinaus auf den künstlichen See, der Blick fiel auf eine Vogelinsel. Ge¬legentlich ging er, um ungestört sprechen zu können, mit seinen Assistenten durch nasses Gras auf dem Gelände spazieren, ein Pa¬trouillenboot war jetzt dort zu se¬hen. Alles war grün, Betonwege, zwischen Reihen niedriger bunker¬artiger Gebäude, grau und braun; die Wolken hingen tief über den Gebäuden, die halb im Boden versenkt waren, und über den Abschussrampen an der Spitze der Halbinsel, sie waren in Nylonhüllen verpackt und auf den See gerichtet; abgesehen von regelmäßigen Geräuschen aus dem Versuchs¬gelände war es sehr still. Mehrere kleine Raketen ruhten auf schrägen Rampen. Es regnete, als Joyce und Oberth ankamen. (Ja, Oberth, der Tüftler auch drüben“, hatte es geschafft, materielle Form anzunehmen! Nun konnte er direkt reden und Einfluss nehmen, seine Glaubwürdigkeit war gesichert, denn es fällt den Menschen immer noch schwer an Geister zu glauben!) Direktor war der Professor Newton, ein Sechziger im Generalsrang ... Joyce hatte die neue Agentin Lyssowa vom Bahnhof abholen lassen. Er be¬grüßte sie. ¬Der große Computer, der den Raum beherrschte, beeindruckte sie (und er versuchte sie einzuweihen, zeigte ihr gleich eine verschlüsselte Botschaft. Sie murmelte: "Unsinn". Er: "Nana, Sie werden sehen!" "Ich heiße von Haus aus Jinny". "Sie heißen hier Anna Lyssowa und sind Russin!" "Zu Befehl, vielleicht die Niemandin in der Höhle, Ulyssin oder Fickmadame im Untergrund?" "Weiß irgend jemand sonst warum ich hier bin?" fragte sie später, als ihr Unverständnis wuchs, fragte es im Tonfall von frechen Gören. Joyce antwortete nicht; wechselte das Thema und führte sie in den anderen Raum, wo er ihr ausführlich die Empfangs¬appara¬tur und die Über¬tragungseinheiten erklärte: "Wir sind einfach ein Glied in einer Kette von Observa¬torien rund um die Erde, und bestimmt nicht das schwächste." Anna Lyssowa sah aus dem Fenster auf die gewaltige Konstruktion draußen, auf die kahle Heidefläche und den jetzt pur¬purfar¬benen Himmel. "Jede Radiowelle aus dem Äther trifft auf die Schale, wird zu der Antenne reflektiert und von den Geräten dort drüben aufge¬nommen." Sagte er. Er deutete hinter die gläserne Trennwand. "Diese beiden Computer errechnen den Scheitelkreis und die Höhe der jeweiligen Geräuschquelle, die wir anpeilen wollen, und verfol¬gen sie weiter." Er fasste sie beim Arm und führte sie zur Beobachtungs-stelle des Computers hinüber. "Ich werde Ihnen zeigen, was ich auch Oberth zeigen will. Stellen Sie sich neben mich." Oberth gehorchte und betätigte die Schalter, deren Nummern er ihm sagte. Hellwach und erwartungsvoll setzte Lyss sich und legte ihre linke Hand auf seine rechte. Die Maschine begann zu summes. Relais knackten, der Schirm er¬hellte sich. Wie ein Film auf Schärfe eingestellt wird, wur¬den die Schatten klei¬ner und schärfer und nahmen Form und Per¬spektive an. "Es sieht aus wie der Mond", murmelte Joyce. "Unbelebte Berge, staubgefüllte Täler." "Es ist nicht der Mond", flüsterte der Sicherheitsoffi¬zier Oberth, ohne den Blick vom Konsol zu wenden. "Es ist der astrale Zwischenbereich, von dem die Botschaft kam." "2109? Du meinst, sie zeigen sich uns?" Joyce starrte auf die bi¬zarren Schatten und Spiegelbilder. "Die Beleuchtung ist un¬heim¬lich." "Wegen der Herkunft", erklärte er, "ist das Licht ihrer Sonne blau." Sie konzentrierte sich auf den Schirm, und das Bild be¬gann sich zu heben. Die Szenerie bewegte sich mit wachsen¬der Ge¬schwindigkeit horizontal dahin, bis nur noch ein Flimmern zu sehen war. Dann verringerte sich die Geschwin¬dig-keit, und die Szene stand wieder still. Unheimliche Stille herrschte diesmal, die absolute Starrheit zeitlosen Alters. Eine riesige Fläche erstreckte sich nach hinten, wo sie in den dunklen Himmel überging. Im Vordergrund standen wahllos verteilt gewaltige längliche Formen, die offensichtlich halb in die weich aussehende Oberfläche gesunken waren. Joyce meinte zu halluzinieren, und suchte mit den Augen das Zeitfeld ab, meinte Janine dort zu erkennen; ach Unsinn, nichts als eine Steinform, Ihre Feuerbestattung in London. Wie eine weiße Puppe hatte sie mitten in ihren Blumen gelegen, bevor sie ins Feuer fuhr. Ein Nie trägt sie davon. Ich kann mich nicht trennen; mein Hirn tut weh, als wäre ich für immer unglücklich verliebt. Aber so ist der Abschied reinlicher, klarer; wir haben richtig gehandelt. Möchte auch feuerbestattet werden. Niemals da hinab, eingezwängt ins Erdloch. Nein, frei, frei zu Asche und Rauch werden, verstreut und leicht, ganz leicht wie Flocken in der Luft, langsam, langsam als Staubkorn ins Gras fallen, zwischen die Bäume, Bäume, die augenlos weiter in die Ferne und aufs Meer sehen können, im Chlo-rophyl, der Berg belichtet. Auch das Leuchten der Wiese dort oben, im Wind die Blätter der Bäume, gelb an einem alten Stall, das Gras niedergedrückt vom Regen, als wäre es unser Körperabdruck, der dort liegen blieb, und verlassen ist - jetzt ein krankes Summen der Stille, als fehlten wir hier, und wollten doch wie ein Flocke leicht über diesem Stück Erde schweben für immer. Leben, ein vergessener Blick, als wäre es nie gewesen, resignierter Hauch, und wendest dich ab. Nur einen Augenblick warst du da. Lyss fühlte, wie sich die Haare in ihrem Nacken sträub-ten. "Mein Gott", flüsterte sie, "was ist dies?" "Das sind SIE", antwortete Joyce. "Die uns die Botschaft ge¬schickt haben. Die, denen unsere Toten, und auch die Toten in uns, sehr ähnlich sind. Doch mit unseren gewohnten Formen. In Wirklichkeit liegt alles jenseits unserer Sinne. " "Aber sie leben nicht." Sie verbesserte sich. "Sie bewegen sich nicht. Auch hier nur Sinnestäuschung?" Joyce nickte. "Natürlich", sagte er. "Wirklich große Ge-hirne kön¬nen sich wie der Computer nicht bewegen. Und sind eigentlich unsichtbar. Dass wir sie sehen können, haben wir ihrer Mitarbeit, von der wir aber kaum etwas wissen, zu verdanken. Und vor allem können und dürfen wir uns nicht an unsere Herkunft erinnern, das gehört zum staatlichen Programm, das ist die unerbittliche Grenze, die wir zu beschützen haben. Und falls ihnen diese in Träumen aufbricht, vergessen Sie sie, Anna Lyssowa. Das ist unser erstes Gebot hier. Aber Wissen darüber ist auch nicht erforderlich. Und "sie" sagen es immer wieder, wir könnten es sowieso nicht begreifen! Machen Sie sich nicht zu viele Gedanken, und Lüge ist es auch nicht, sondern es ist das normale Menschenbewusstsein zwischen Glauben und Unglauben; nichts besonderes also. Wir machen hier keine Ausnahme!" "Nur", entgegnete Annalyss erstaunt, alles ist so exakt sichtbar. Sollen wir unseren Augen auch hier nicht mehr trauen?" "Ja, besser ist es, `professionell´ ist es, sich privat nicht einzumischen!" "Das sagten die in den Lagern auch!" So Lyss ärgerlich! Oberth aber ließ sich nicht beeirren: "Ihre Oberfläche scheint fest zu sein." Lyss ließ sich darauf ein und sagte harmlos: "Wie sehen sie, so augenlos geworden?" "Augen wären nutzlos. Das blaue Licht - ich sage ´blaues Licht´, weil ich keine andern Worte dafür habe, die aber notwendig wären, um es zu bezeichnen, also dieses C4, wie wir es hier nennen, würde alle Ge¬webe und Nervenfibern, wie Sie sie kennen, zerstören. Die Trans¬wesenheiten sehen mit anderen Mitteln, genau wie ihre anderen Sinne sich von unseren sehr un¬terscheiden ..." Das Bild begann sich aufzulösen. Einzelne Abschnitte lösten sich und verschwanden. Schnell verblasste der Schirm. "Es gehörte viel Geduld und mediales Können dazu, um all dies zu entziffern," erläuterte Joyce ernst:" Was wir sehen, und die Geräte vermitteln, ist we¬nig. Gehen Sie ins Archiv und suchen Sie dort unter GZ3/6545 das seit Jahrzehnten angesam-melte Material, das zum großen Teil aller¬dings medial durchgegeben wurde, ein Teil davon ist schon bei Matthiesen und dann bei Myers dokumentiert. Es wurde uns jetzt bestätigt." "Übrigens las ich von Dr. Moodys "Psychomanteum" (nach Herodot) "Das Orakel der Toten," sagte einer der Mitarbeiter: "Ein Raum mit Spiegeln, wo die Toten befragt werden können." Es kommen direkte Stimmen, einzelne Worte. Liebst du mich? Dachte Joyce: Ich höre eine Stimme, die es sagt - Janine? manchmal höre ich sie noch in meinen Träumen: Liebst du mich? Ja, Ja - und wahre Liebe wird nie enden. Dann wache ich schreiend auf. Lyss, die mit ihrem wahren Namen Jinny Black hieß, sah irritiert zu Joyce hin, als habe sie seine Gedanken gehört!. "Die Botschaft?" Aus dem Lautsprecher kam plötzlich eine klare Stimme mit einer Art Positionsangabe. Und dann eine Art Name: YSS. Ein Mitabeiter, Oberth, zeigte zum Himmel. "Sie haben aufgehört sich zu wiederholen. Lyss. Welch ein Zufall. Es stimmt nicht, was die Dichter sagen." "Die Toten sind nicht einfallslos, sie können schon Wörterbücher in ihrer Sprache verfassen, sich verständlich machen." "Vielleicht haben wir gerade das Ende einer langen Sendung erwischt", meinte Joyce ruhig. "Ohne diesen Zu¬fall YSS L-Lyss hätten wir sie wahr-scheinlich gar nicht gehört, man versteht immer nur, was man schon kennt oder weiß! Das wollte ich noch sagen." Oberth lächelte sie mü¬de an und ging. "Vielleicht war es wieder 2109?" "Ach, die Guten von 2109," lachte Joyce und nahm einen großen Schluck seines Spezialwhiskys, "als wäre es eine Jahreszahl ein Überhundert¬jahrespäter; da meinen die Doofsten hier, die gäbe es in ih¬rem Sinn `wirklich´, und vergessen, dass der Liebe Gott ein begabter, ja, genia¬lerer Autor mit sehr viel Phantasie und Humor ist." "Aber der eine oder andere wird etwas spüren, wird etwas wahrnehmen", sagte Oberth. Und Joyce fast heftig: "Das sind keine ´Stimmen aus dem Jenseits´, keine ´Mitteilungen aus der siebenten Dimension´. Nein, nichts weiter als der Hauch der tiefen, inne¬ren Ahnung, dass sich auf dem Grund Ih¬rer Seele eine Begegnung vollzogen hat: die Begegnung mit dem Unbegreiflichen, dem Un¬faßbaren, dem Unaussprechli¬chen - die Begegnung mit den Anderen." Joyce´ Gesicht hatte sich verändert, er schien plötzlich abwesend: "Und wenn Sie die Augen wieder öffnen und in die ´reale Welt´ schauen, werden sich einige Nuancen dieser Welt für Sie verändert haben, Schat¬tie¬rungen nur, Kleinigkei¬ten, Unauf¬fälligkeiten. Aber trotzdem: die Welt, in die Sie nun blicken, wird nie mehr die Welt sein, in der Sie bislang ge¬lebt haben. Sie hat sich verändert und wird sich weiter verändern. Und Sie selbst wer¬den sich mit ihr ver¬ändern." "Und all dieses sollen wir verhindern?" Meldete sich nun auch Anna Lyssowa erstaunt. "Ja, um jeder Panik in der Bevölkerung vorzubeugen", sagte Oberth etwas unsicher, bemühte sich aber seiner Stimme einen ernsten, fast offiziellen Ton zu geben. Joyce dagegen äußerte sich dazu nicht direkt, es klang aber fast wie eine Antwort, als er sagte; "... Gibt es etwas Bedeutsameres, etwas Wichtige¬res, et¬was Notwendigeres als genau dieses? Wenn wir unsere Wirklichkeit nur als ein Mo¬dell betrachten, als eine Realität von vielen, wenn wir zur Kenntnis neh¬men, dass uns andere Intelligenzen in diesem Universum in ihrer Ent¬wicklung um ein Vielfaches voraus sein könnten, wenn wir schließlich das, was wir beob¬achten - nämlich das Phänomen der Strahlenschiffe in all seinen bizarren Aspekten, mit dem vergleichen, was wir über Intelligenz, Bewußtsein, künstliche Intelligenz und künstliches Bewußtsein, Wirklichkeit und virtuelle Wirklichkeit wis¬sen oder zu ahnen beginnen, dann fügen sich all die verwirrenden Steine dieses Puzzles all¬mählich zusammen." "Wir haben den Auftrag, das alles in Erfahrung zu bringen", sagte Oberth. "Doch nur, um es geheimzuhalten," lachte Joyce laut auf, als erwache er eben. Als alle gegangen waren, stellte Oberth die Sonde ganz scharf ein. Es war die erste Geheimhaltungsstufe. Er gab das Paßwort ein, seines und das von Joyce. Ganz leise klang es aus dem Lautsprecher: "Hier ist ... der Kommandant des Objektes (Tamar). Ich grüße sie auf Ihrem Planeten. ... Das Ende ist unaufhaltsam... 2,4 Millionen Lichtjahre trennen uns... Wir beobachten mit Besorgnis eure Lebensweise... Die Erde wird sich vor ihrer Transformation von den Folgen eures Tuns säubern müssen ... geographische Veränderungen, große Umwäl¬zungen in Wirtschaft, Politik und Religion sind zu erwarten." Joyce beugte sich vor und sagte zu Oberth: "Oberth, Sie wissen, dass dies unter uns bleiben muß, und das bringt mich in Wut!" "Ich weiß es, entgegnete Oberth, dass die Verantwortlichen auf der Erde jede Mitarbeit verweigern." "Und alle Raumfahrer der NASA ... müssen sich ... den strengen Regeln der Geheimhaltung unterwerfen ..." Oberth, der zu einem Astronautenteam gehört hatte, sagte: "Vielfach näherten sich die Schiffe Asthars unseren Raumfähren bis auf dreißig Meter ..." "... jaja, VColumbia Juli 91 und August 2002, Atlantis, August 91 und September 2005, Endeavour, Dezember 93... und Januar 2006." "Manchmal findet ein gegenseitiger Besuch der Besatzungs¬mitglieder statt." „Edgar D. Mitchell hat nach seinem Mondflug das "Institut für noetische Wissenschaften" gründete und zwei Bände "Psychic Exploration" herausgegeben." Joyce lachte höhnisch, „Na und! Nichts hat sich verändert!“ „Wir sollen doch eben dafür soregn“, antwortete Oberth. 2 Joyce schlief schlecht in dieser Nacht, und notierte am Morgen, wie üblich, seinen Traum im Traumtagebuch, da er mit Sicherheit annahm, dass er zu Out-of-the-Body-Experiences neigte, er sah seine Hand, wie sie über die Tastatur lief: "In der Nacht dieser "Traum", dass ich eben gestorben war: Mein Körper löste sich vom Denken. Er tat nicht mehr weh. Ich konnte mühelos aufstehen, und alles war nur noch eine sich auflösende große Gegenwart: - Ich öffne die Tür zum Garten, ich gleite hinaus, ich fliege. Flüssi¬ges Feuer auf dem Stuhl, Feuer fällt durch den Eich¬baum, Licht und dort der Schatten; flüssi¬ges weißes Licht, wie bei Van Goghs "Stuhl" schlagen daraus die Flammen, und ich er¬starre - alles ist jetzt aus seinem Namen geschält, durchsichtig schwingts, nur meine Au¬genlider sind schwer. Bleiern im Mund der Ge¬schmack von Kupfer und Dröhnen von Eisen¬häm¬mern im Ohr, aus¬ge¬laufen dieses Silber, im Atem Metall, der Körper schwer; und ich entferne mich, im Hirn eine Helle, ich taste mit meinen Fingern über rissig poröse Materie, eiskalt die Stelle, wie verhext gleitet der Finger hin¬ein bricht durch, und aus dem Bild an der Wand tropft es, weint das Summen und wächst... ein Streifen Licht von draußen, es fällt ins Au¬ge und schmerzt; ich schweige kann nicht reden oder wenn ich rede, hört mich niemand; sie sehen mich nicht; ich aber bin dort oben an den braunen Deckenbalken des Zimmers schwebe, leicht wie eine Aschenflocke, wie eine Feder. Das blaue Band bis zum See ist flüssiges Licht, blendet durchdringt die Mauern würzige Luft ein eßbarer Gegenstand. Die erhöhte Klarsicht bis hinüber zur Insel; hier in der Biblio¬thek und im Archiv - alles ist nun aus Krystall; die Luft scharf der Himmel Vogelge¬zwitscher die Linie des Berges mit dem Rasiermesser geschnit¬ten; dieses Rosa glüht von innen weich wie Kinder-lippen fliege schwebe über den Wellen über dem Meer Sand Sand und kann in jedes einzelne Körn¬chen hineinsehen: jedes Teilchen ein vollkommenes geometrischen Muster strahlt ist Krystall mit scharfen Ecken jedes wirft einen Licht¬strahl zurück leuchtet; ein Regenbogen Strahlen kreuzen sich bilden schöne Muster dann wieder das Zimmer die Bü¬cherwand die beiden Fenster der Sessel ein dichtes Muster es ist nicht mein Zimmer es ist ein Bild von Braque keine Ge¬¬¬brauchs¬gegen¬stände mehr son¬dern himmlische Objekte frei und schwebend Dröhnen Pochen? Sie aber winkten mir; und ich gehe mit dem Buch aus dem Haus, es ist windstill, im Nachbarhaus steht auf dem Schornstein eine senkrechte Rauchfahne, Feder im Tintenfaß Trauermusik, Salutschüsse auf einem Fried¬hof, lauter frisch aufgeworfene Hügel, sonst nur zubetonierte Gräber, wir gehen in eine trance¬versunkene Stadt, manchmal schwankt ein hohes Gebäude vorbei, und Gesichter hängen müde, wie an eine Fen-ster¬scheibe gepresst, vor mir in der Luft, ich dachte, das sind doch meine Großeltern, dort liegt das Gesicht meines Vater quer, wie die mir nachsehen! Und ich geriet dann wieder in jene Militärzone der Überwa¬chung. Gleich darauf wurde mir auch der Innenraum einer Heilanstalt vorgeführt, so dass ich sofort abbrechen wollte, als ein weißer Charakterkopf in der Parkanlage zwischen den Bäumen auf mich zurannte... die Brust voller Orden, die ihm unter anderem Churchill, Roosevelt, Christus und Hölderlin verliehen haben sollen, rote Blume im Knopfloch, die Hände zum Gebet gefaltet, und kam mit beschwingtem Enthusiasmus auf mich zu, um sich über die Ignoranz der Ärzte, Dirnen und Direktoren zu beklagen, die nichts von seinem so unsäglich verdienten Weltglück wissen wollten. Dazu gesellte sich freilich einer, den ich seit langem kenne, "dein Freund Terplan!" Dieser Terplan sei der "Weltglücksmann", sagt der Weißbärtige, und alles werde sofort Wirklichkeit ... " Terplan, wer ist Terplan, eine Traumfigur, ein Transsylvanier? Ja, er ist sozusagen der Verrückte vom Dienst. Doch darüber später. Bleiben wir bei Joyce. Kein Wunder, dass in Joyce geheimer Personalakte folgendes stand: Name: Joyce, Oberst Special Agent des OSI (Office of Scientific Intelligence), Waffe: SigSauer P229, spaeter eine Smith and Wesson 1076. Geburtstag: 7.8. 44 Grösse: 1.80 m Haarfarbe: braun Augenfarbe: blau Status: ledig Eltern: geschieden Sein Bruder Bill Joyce, arbeitete für das State Department, starb im Mai 1996 Spitzname: Edy, Joycy "Edward Joyce (Ed), Oberst, graduiert in Psychologie (Oxford), besuchte die OSI Academy in Quantico. In der Abteilung Gewaltverbrechen zählte er zu den besten Agenten des OSI. Die Obsession für paranormale Phänomene und die damit verbundene Leidenschaft für ihre Erforschung erklären sich aus der Tatsache, dass Janine, seine Verlobte, in seiner Gegenwart entführt wurde. Angeblich von Aliens, wie er selbst sagt und dies während Hypnose¬sitzungen bestätigte. Sie starb ein Jahr nach diesem Zwischenfall. Joyce ist sich sicher, dass Janine lebt und er setzt alles daran, sie zu finden. Er erwähnt diese Tatsache nie. Da er durch seine extremen Ansichten nicht gerade viele Freunde hat, ist es nur durch seine besonders gute Arbeit, seinen einmaligen analytischen Verstand und dem fotografischen Gedächtnis zu erklären, dass er nicht schon längst gefeuert wurde. Denn so hat er sich Aufmerksamkeit in höheren Kreisen verschafft, die ihn als Gewinn aber auch als Bedrohung ansehen. Vor allem General Newton, sein Vorgestzter, gilt als sein Widersacher. Um Joyce besser zu kontrollieren, stellte man ihm am 16.3. 2000 eine Partnerin zur Seite, Anna Lyssowa, genannt Lyss. Joyce hat zwei Informanten innerhalb der Regierung, H. Oberth und Mr. X. LG versorgten ihn mit Informationen. In den Geheim-Akten im ARCHIV stieß die Gruppe auf eine interessante Information, dass der private Forscher-Kreis um einen gewssen H.C. Lovering in den folgenden Monaten eine groß angelegte Verschwörung von mehreren Regierungen aufdecken würde, die in Zusammenhang mit Alienabduction und geheimen Experimenten von ehemaligen Kriegswissenschaftlern an Bürgern der USA standen. Joyce fand ebenso heraus, dass sein Bruder selbst an diesen Projekten beteiligt und auch für den Tod von Janine mitverantwortlich war. Weil sie zuviel wußte, dieses Wissen nach ihrer Entführung "mitgebracht" hatte, musste sie sterben! Sein Bruder, der mit ihr in engem Kontakt gestanden hatte, lenkte den Wagen, der ihnen beiden zum Verhängnis wurde. Alles war als Unfall getarnt worden. Doch Joyce ahnte die Zusammenhänge, beweisen konnte er freilich nichts. Er selbst entging nur knapp einem Attentat. Joyce ist als "workoholic" bekannt, sein ganzes Leben ist seine Arbeit. Er mag Sonnenblumenkerne, Eistee. Sci-Fi Filme und Pornos. In seiner Wohnung steht ein Aquarium. 3 Anna Lyssowa war nicht nur auf Joyce, sondern auch auf einen gewissen H.C. Lovering und seinen Kreis angesetzt worden. Sie sollte herausfinden, was dieser Kreis über die geheimen Informationen der Regierung bezüglich der Aliens wußte. H.C. Lovering war einer jener Sonderlinge und Tüftler, die der wohlgefügten staatlichen Ordnung gefährlicher werden konnten, als alle Revolutionäre zusammengenommen. Joyce hatte bisher über Lovering wenig Material sammeln können; seine Zentrale wußte nur, dass seit dem Beginn dieser Verbindungen mit den Toten, dem eigentlich entscheidenden Todeser¬lebnis Lo¬verings also, viele Jahre vergangen waren; jenes Erlebnis hatte auch dazu geführt, dass er nun im gottverlassenen Nest S. lebte, wo ihn niemand suchte, seinen deutschen Namen geändert und Deutschland für immer verlassen hatte. Es war am Ende der vorstellbaren Zeit gewesen, also Mai 45: in einem kleinen Ort ausgerechnet bei Weimar, und da war H.C. Lovering, der damals ganz anders hieß, wegen Desertion und Landes¬verrats zum Tode verurteilt worden, dies, weil er sich standhaft geweigert hatte, auf wehrlo¬se Häftlinge zu schießen. So war H.C. Lovering aus dem La¬ger und vor seinen Leuten und Ka¬meraden geflohen, die nun keine Kameraden mehr sein konnten, sondern die eigentli¬chen Feinde waren. Sie hatten ihn zum Tode verurteilt, und nur wie durch ein Wunder war er entkommen. Und da er seit Kriegsende alles sammelte, was sich auf Sterberlebnisse, vor allem auf Sterbeerlebnisse bei Exeku¬tionen bezog, vermisch¬te sich das Selbsterlebte mit unzähligen Schilderungen, die ihn bis in die Träume hinein verfolgten. Immer wieder stellte er sich diese Umstände vor, suchte er sämtliche Va¬rianten zu erschöpfen. Unzählige Male nahm er den ganzen Hergang vorweg, vom schlaflosen Morgengrauen bis zur Salve. Er stellte sich, wie in einer be¬rühmten Geschichte vor, er sei unsterblich. Manchmal ersehnte er im Traum mit Ungeduld die end¬gültige Salve, die ihn von seinen Todesängsten in Erwartung der verzögerten Hinrichtung, die das Leben ist, befreien würde. Er erinnerte sich seiner unabge¬schlossenen Aufzeichnungen, die die Todes- und Schreckens-Erlebnisse während der Schlachten festhielten, und nicht nur er, sondern viele seiner sterbenden Kameraden hatten das Licht am Ende des Tunnels gesehen und waren mit "ihnen" in Verbindung gewesen; plötz¬lich schien ihm, als besuchten ihn nun auch seine toten und verwundeten Kameraden und trösteten ihn. Er war mit seinen Aufzeichnungen nicht weit gekommen, in der Einleitung war er von außen an diese Erlebnisse herangetreten, er hatte die ver¬schiedenen Ewigkeiten geschildert, die Men¬schen ersonnen haben, und er wußte, dass es keiner Wiederkehr der Toten bedarf, dass eine ein¬zige >Wieder¬holung< des schon Geschehenen genüge, um zu beweisen, dass die Zeit ein Trug ist. Es war damals im Mai 45 die letzte Nacht gewesen, die furchtbarste. Gegen Morgen träumte er, er könne sich in einer Bibliothek verstecken, wo es solche Wiederholungen reichlich gab. Er hörte eine Stimme... Die ihm solch eine Wiederholung "wirklich" versprach. Als er erwachte, betraten zwei Soldaten die Zelle und be¬fahlen ihm, ihnen zu folgen. Er und mit ihm drei andere Verurteilte mußten vor ihrer Er¬schie¬ßung ihr Grab schaufeln; das Schaufeln und die letzten Le¬bensminuten blieben ihm für immer im Gedächtnis. Die Hinrichtung war mechanisch und exakt, von staatswegen angeordnet, doch in den letzten Sekunden ein ungeheures Aufbe¬gehren. Mit einem Knall wie ein Ka¬nonenschlag schoß blendendweißes Licht rings um ihn auf - dann war alles dunkel und still. Der Nebenmann hatte vorher im Kon¬zentrationslager und Gefängnis schwere Quälereien durchstehen müssen, dass er schon wäh¬rend des Schaufelns und während seine Kameraden vor ihm er¬schossen wurden, hellwach die Schüsse und die rücklings in die Grube fallenden Körper miterlebte... Sie sind nicht tot, sie leben, nur ihr Körper fällt: dachte Lo¬vering schon damals: Oder irre ich mich? Und grell flackrig kam der Schuß, die Kugel in der Feu¬erbahn, und die Mündung war zu sehen, sperrig blockierter Mund und schreck¬verkrampft, in den Brustkästen gekillte Herzen, heftiges Pochen und Trommelfeuer und Felle, und durch Mark und Bein ge¬hendes Schreien, eine Hö¬he wurde ge¬stürmt, der eine war gefallen und lag im Dreck; weitere Schüsse und ein Pochen, innen Klirren und tief innen stechende Gehörgänge, Schall und Knall durch Ge¬hörgänge und Ge¬hirngänge, Windungen, der Stahl des Helms durch-geschlagen, Stirne und Schädel und Schläfen¬bein: der Durchschuß sauber, die Kugel in den Grabkammern des eingesargten Kopfes. Durch den Helm durch, und wenn Lovering die Köpfe sah, musste er an jene Köpfe denken, an die abgeschnittenen Köpfe in Behältern, die sein Bruder als Sonderkurier "damals" zur Uni Straßburg bringen musste, russische Kriegsge¬fangene, denen bei leben¬digem Leib die Köpfe zur Vermessung abgehauen worden waren... Lovering gehörte zu den letzten zwei zum Tod Verurteil-ten, die am Rande der Grube niederknieten, während ihnen die Mündung des Gewehrs in den Nac¬ken ge¬drückt wurde, und hörte das Knacken des Gewehrhahnes, hörte, spürte den ver-stärk¬ten Druck im Nacken, doch nichts, nichts geschah; die Se-kunden dehnten sich unend¬lich.... Und das physische Universum blieb stehen. Er versuchte ei¬nen Schrei, nur eine Silbe, die Drehung ei¬ner Hand. Er begriff, dass er gelähmt war. Kein noch so schwa¬cher Laut erreichte ihn; Stille; das Blei der Deut¬schen, seiner eigenen Kameraden, würde ihn erreichen, auf einer Gedan¬ken¬bahn Gottes, der Zeit: zur bestimmten Stunde ihn töten, aber in sei¬nem Geist würde ein Jahr vergehen zwischen dem Befehl zum Feu¬ern und der Ankunft der Kugel. Und er hörte das Bellen der Schüsse nicht, so glaubte er, dass dies der Übergang sei, dass man das letzte Bild des Diesseits mit hinübernimmt. Erst als er die Augen öffnete und sah, wie seine Henker vor einem Tief¬fliegerangriff in Panik flüch¬teten, wußte er, dass er wirklich am Leben war und am Leben bleiben würde, die gestockten Tränen flossen nun über sein Ge¬sicht, als wollte der Tag tauen. Und es schien Lovering, dass seither das numinose Licht wächst und wächst, die Wand hautdünn, dünn wie die Kopf¬haut, wie die Hornhaut des Au¬ges oder ein Film. Als wären die Geburten¬ord¬nungen verschoben seit jenem Jahr, von drüben, als wäre es Nichts... 4 H.C. Loverings fester, jedenfalls sein erster und ständiger Wohnsitz, wenn man bei Lovering überhaupt von so etwas sprechen kann, war also dann nach dem Krieg diese kleine Stadt S. Dieses S., „der Ort“ (1 Meile ist es bis zur Zentrale) war etwas völlig anderes als der erste Fluchtort, der in England lag und Llareggstone hieß, vier Meilen südwestlich von Chester, in einer Enklave: Cheshire. auf der walisischen Seite des Flusses Dee, un¬weit von Bretton Woods zwischen walisi¬schen Hügeln und doch wieder an der Küste; in der Ferne der Hope Mountain, hinter dem sich das un¬zugängliche Gelände des gefähr¬lichen Hochmoors von Minerva erstreckt. Hier hatte er seine Forschungen begonnen, und er fuhr auch von Zeit zu Zeit dorthin, um etwas Seltsames aufzusuchen, den ORT, der spiegelbildlich nun auch hier in Transsylvanien lag. Dort, ein seltsa¬me Küsten¬stadt, eine kleinere Stadt, die wirklich existiert, während S. wie eine Geisterstadt, jeden Augenblick sich aufzulösen und zu verschwinden drohte. Warum also ver-heimlichte dieser Gelehrte, der keiner sein wollte, seinen Wohn- und Wir¬kungsort, wo so seltsame Dinge geschehen, dass er eigentlich gar nichts mehr erfinden muß; alles ge-schenkt. Warum Lovering ausgerechnet dieses Tal als Wohnort gewählt hat? Nun, es ist wie ein Ort der Kraft, dieses ganze abgelegene Tal, wie ein rie¬siger Spiegel der Ereig¬nisse: Bricht ein Krieg aus oder steht er kurz be¬vor, heißt es, dann nä¬hern sich Heeres¬züge oder geschieht sonst ein schreckli¬ches Ereignis: so zieht ein alter Ritter mit sei¬nem unsichtbaren Heer mit Hufegetrappel und Waffen¬geklirr, mit Rä¬derrollen und Trommelwirbel durch die Luft. Erfolgt später der Friedens-schluß oder steht er kurz bevor, so zieht das wilde Heer den entgegen¬gesetz¬ten Weg und kehrt in seine Friedensgarnison zurück. So die Ortslegende. Was aber seit Jahr¬hunderten ge¬-schicht¬lich nachweisbar ist, sind selt¬same meteoro¬logische Er-scheinungen, die, so scheint es jedenfalls, in ir¬gendeiner Weise mit Krieg und Frieden, Glück und Unglück zu¬sammenhängen. Es werden tat¬sächlich im Be¬reich der beiden Burg¬ruinen oder häufig von einer zur anderen ziehend, hörbare, brau¬sende Klänge in der Luft wahrgenommen, in welche die Menschen Pferde¬ge¬trappel, Waffengeklirr, Peit¬schengeknall oder ähnliches hineingehört oder hin¬eingedeutet haben. Dabei sind diese Erschei¬nungen so, dass man sie nicht einfach als normale Sturmböen oder Gewitter erklären kann, denn häufig treten sie bei klarem Himmel und schönem Wetter auf. Außerdem werden sie gehäuft im Zu¬sam¬menhang mit den erläuterten Kri¬senzeiten beobachtet. Es war auffällig, dass sie in der Zeit von 1742 bis 1796 über das Tal brausten, doch laut Lovering, der Auszug des Wilden Heeres auch in den Zeiten des Er¬sten und Zweiten Weltkrie¬ges und noch danach von vielen Menschen wahrgenommen worden war. Lovering, der hier längst nicht nur seine postmortalen Kriegs¬erlebnisse aufschrieb, sondern durch transkommunikative Kontakte mit seinen Kameraden und anderen Kriegsopfern über den Unsinn des Ersten und Zweiten Weltkrieges hinaus, hier nun ganz andere Informationen erhalten hatte; soweit war auch Joyce im Bilde, wurde also beschattet: über diese Kontakte, die vom Staat jetzt zum erstenmal ernstgenommen wurden, weil ein ängstlicher US-Präsident selbst solche Erlebnisse gehabt hatte, die sich auch sonst immer mehr häuften, ja, die Aufklärungs¬flugzeuge in jene Zwischenzonen eingedrungen waren oder jene Zwischenzonen in unsere Räume, sollte nun Analyss um jeden Preis herausfinden. Bisher wußte die Zentrale nicht mehr, als dass H.C. Loverings und auch Terplans Schreiben kein Autorenquatsch, sondern regelmäßige Diktate waren, und nur Loverings romantisches Gemüt hielt sie für ein posthumes Geschenk, das einzige, das Gott außer der Liebe bei seinem Verschwinden hier auf der Erde zurückgelassen habe. Dabei, dies war nicht ausgeschlossen, hatte Lovering diese Tatsachen der Lyssowa nur vorgeflunkert, um andere, wichtigere und konkretere technische Details und Geheimnisse, die ihn über eine instrumentell gestützte Transkommunikation (Ter-Plan) erreicht hatte, zu decken; (sein großes Archiv war noch zu erkunden und auszuwerten!). So gab er rätselhafte Sprüche von sich, die auch reiner Nonsense sein konnten, die Annalyss aber (zum Teil mit Richtmikrophon und auch eingebauten Wanzen) alle aufgenommen hatte, zum Beispiel diese ( Joyce sagte dazu voller Ingrimm: "Der verarscht uns nur"): "Was einst Wort Gottes war", hörte man Lovs etwas krächzende und hohe Stimme aus dem Lautsprecher des Sprachlabors, man hörte auch das Scharren der Füße: "durchdringt als Elektronenmikroskop das Auge. Die Siebzig Sprachen werden wieder Eine, glauben Sie mir: Dies hat das Licht, das unser Auge sieht, sehr alt gemacht, der Satz verzehrt das Leben, la lingua, pfingstgesetzt. Die Flamme, sing Atom; als Nichts sind wir entkommen..." Damit konnten auch die besten Labor-untersu¬chungen und Sprach-Analytiker nichts anfangen. "Mein Gott, das ist ja ein Gedicht! Laß ihn doch endlich zur Sache kommen", mahnte Joyce die Agentin mit komischer Verzweiflung. "Laß doch deine Künste spielen bei diesem Sonderling, damit er endlich auftaut! Ich komme mir wie in einer Heilanstalt vor!" "Dort sind wir ja auch", kam Lyss` schlagfertige dunkle und rauchige Stimme durch das Summen der Geräte. 5 Den Sonderling sah man ihm, dem H.C. Lovering, auch an, schon die Kleidung: sie war ziem¬lich erdig, nicht irdisch, als wäre er längst ver¬storben und begraben, und lebe illegitim doch weiter. Manchmal freilich, so seine Deutung: belästigen "sie" ihn, stören ihn in seinen Gedanken¬gängen, wenn er ge¬rade einen Einfall hatte, am Tagebuch schrieb, "Diktate" versteht sich, nicht banale Tagesereignisse, es sei denn, dass diese versteckte "Zeichen" oder "Botschaften" verbargen und enthielten. Dies war sein wichtigstes Tagwerk, auf Schritt und Tritt wars eine Entschlüsslungsarbeit, die freilich die Zitaten- und Buchhinweise, die in seinem Hirn ("hirnsyntaktisch" oft wie vernetzte Hintergrundpoesie) auftauchten, nicht ausnahmen: alles, was bisher geschrieben worden war, gehörte dazu, um all diese Seltsam¬kei¬ten und nächtlichen Aben¬teuer, die immer häufiger wurden, festzu¬halten. Vor allem Witwen aus der Nachbarschaft waren neugierig auf ihn: ei¬ne, eine ziemlich junge und sehr attraktive, hieß Anna Lyssowa; sie beobach¬tete ihn sogar mit dem Fernglas. Und sie war mit irgendeinem Vorwand auch schon zweimal bei ihm gewesen. Sie klingelte … und stand einfach vor der Tür; Lo¬vering war immer höflich, ließ sie auch ein; sie wollte aber freilich mehr als Höflichkeit. Quatschte ihm die Ohren voll, wollte ihm was kochen, wollte noch mehr. Wollte ihm was waschen, die Betten machen, Hemden bügeln, Bücher ausleihen (Annalyss spielte die Naive.) Reden vor allem wollte sie. Sah gut und attraktiv aus... Und mehr. Beobachtungen mitteilen. Und mehr. Sie sehe da herüber, sagte sie mit ihrer tiefen Stimme, die ihn reizte, und wenn sie dann vom Einkauf komme, nach einer Stunde oder länger, sitze er doch im¬mer noch an der gleichen Stelle, und sie denke dann, er sei tot. Sie sei ja Sekretärin und übrigens auch Hobbyfotografin (Künstlerin also) in H. und oft tagelang fort, habe auch in H., freilich auch in Dodlestone/England ein Atelier und eine Wohnung. Und wenn sie dann hierher in ihre Zweitwohnung komme, die sie wegen der guten Luft und auch sonst ... genommen habe, da mache sie sich als gute Nachbarin so ihre Sorgen... Ja, sagte Lovering dann schnell und mit einem erstaunten Tonfall: was sie als Tod ansehe, das wisse er aus eigener Er-fahrung, das sei ein Zustand, den man erfahren könne. Und das stehe freilich auch in den Büchern: "Aber Sie werden enttäuscht sein, Frau Lyssowa, die Auswahl der Bücher hier ist zwar recht groß, doch fürchte ich, dass wenige darunter sind, die eine junge Dame aus England interessieren können." Er suchte auf seinem Schreibtisch, bis er ein Päckchen Zigaret¬ten fand. Mit ernster Miene bot er ihr eine an. Anna Lyssowa war entzückt über den ei¬¬gen¬tüm¬lichen, muffi¬gen Geruch der alten Bü¬cher, wie sie Joyce nachher berichte¬te (sie wollte herausfinden, ob da nicht noch wichtige Aufzeichnungen darunter seien!) und sie verschaffte sich auf¬tragsgemäß auch einen ersten, allgemeinen Überblick: Die meisten Bücher waren broschiert, teilte sie nachher mit, manche davon sahen noch neu aus, viele allerdings hatten aufgebrochene Rücken und schmut-zige Ecken; in gedrängten Reihen, unordentlich, ohne Sy¬stem oder Plan, standen sie auf den Regalen; auch viele ältere waren darunter, in Kalbs- oder Schweinsleder gebunden, Schätze aus Buchhand¬lun¬gen halb Europas. Dazwi¬schen standen große Foliobände wie preußische Grenadie¬re und kleine Elzevirs, die Patrizierdamen in Vene¬dig gelesen hatten. Wenn ihr Chef im Büro ein ande¬rer Mann, und sich streng nach Vorschrift benahm, so war Lovering inmitten seiner Bücher ebenfalls wie verwandelt. Es blieb zwar die liebenswerte Heiter¬keit, die ihn immer so anziehend machte, er trat aber hier mit einer amüsanten Schroffheit auf, die in son¬derbarem Ge¬gensatz zu seiner sonstigen Ruhe stand. Und entsprechend seiner Rolle, sagte er dann auch Dinge, die die Zentrale nicht interes¬sierten, da aber die Lyssowa alles gewissenhaft aufführte, als müsse sie ein Literaturexamen bestehen, stand in ihrem Bericht alles, was Lo¬vering gesagt hatte, etwa solches Zeug: "Als Sie kamen, erzählte ich den jungen Leuten hier gerade von einem alten Koran; ich bekam ihn von einem gelehrten Mann in Alexandria, den ich mit Therapien, die ich von den Aliens kenne, am grauen Star behandelte." Und Lo¬vering zeigte Lyss ein herrlich geschriebenes arabisches Werk mit wundervollen In¬itialen und Über¬schriften in Gold: "Sie wissen, dass es einem Ungläubigen so gut wie unmöglich ist, das Heili¬ge Buch zu erwerben, und dies ist ein besonders seltenes Ex¬emplar, denn es ist von Kait Bey, dem größten der Mameluckensultane, geschrieben." (Ob es mit dem Necronomicon, das ich sehen möchte, etwas zu tun hat, dachte Anna Lyssowa? Denn sie hatte den Auftrag genau dieses Rätselbuch ab¬zulichten, womöglich mit dem kleinen Taschen¬gerät auch noch zu scannen!) Lov, wie ihn die Freunde auch nannten, schlug die kostbaren Seiten um wie ein Blumenfreund Rosenblätter anfassen würde. "Haben Sie auch Literatur über die okkulten Wissen-schaften?" fragte Anna Lyssowa vorsichtig. Lovering lächelte sanft: "Ich möchte beinahe meinen, dass es keine Pri¬vatbibliothek gibt, die eine so vollstän¬dige Sammlung von Occulta enthielte, aber wenn unser Freund Morris dabei ist, der bald hier eintreffen muß, wage ich sie Ihnen nicht zu zei¬gen. Er ist zu höflich, mich der Dummheit zu bezichtigen, aber sein spöttisches Lä¬cheln würde ihn doch verraten." Dies sagte Lov auf un¬gewohnt zeremoniöse Weise. AnnaLyss trat an die Regale, auf die er mit ei¬ner vagen Gebärde hinwies, und sah sich die ge¬heimnisvolle Sammlung mit ei¬genartiger Erregung an, dacht dabei an ihren Chef. Sie wollte schon auf den Auslöser drüc¬ken, da besann sie sich, die Sammlung war zu harmlos, enthielt nichts über das eigentliche Forschungsgebiet Lovs. Sie ließ die Blic¬ke über die Na¬men gleiten. Fast war ihr, als betrete sie ein unbe¬kanntes, phantastisches Land. Doch das war nur eine private Neugier. Sie hatte schlie߬lich einen Auftrag. Lovering aber lenkte weiter ab mit seinem bibliophilen Quatsch: "Früher hatte ich einmal vor, die Biographie jenes erstaun¬lichen und großspurigen Philippus Aureolus Theophrastus Paracel¬sus Bombastus von Ho¬henheim zu schrei¬ben", sagte er mit einem verschmitzen Lächeln, als habe er alles begriffen (hatte er aber nicht!) "und deshalb viele seiner Bücher gesam¬melt." Er griff nach einem im siebzehnten Jahrhundert gedruckten, schmalen Duodezband mit seltsamen Tafeln, auf denen alle mögli¬chen kabbalisti¬schen Zeichen standen. Von den stockfleckigen Seiten ging ein sonderbar staubiger Ge¬ruch aus: "Dies ist eines der interessantesten Werke über die Schwarze Kunst. Es ist der >Grimoire von Honorias< das wichtigste Lehrbuch für alle, die sich mit den dunkelsten Zweigen der Wissenschaft be¬fassen. Aber was rede ich da: Ich weiß es ",sagte er fast beschwö¬rend zu Lyss: "Und leider habe ich es ver¬drängt, vergessen. Vor Jah¬ren war das anders: Auf unserer Reise zu den nord¬amerikanischen Indianern, den Hopi und den Sioux, staun¬ten wir, als bei einer Heil¬prozedur mit Sandpain¬tings, diese wunder¬schönen kosmischen Man¬da¬las, die unsereiner ja für Kunst hält, nach dem Heilvorgang ein¬fach ausgelöscht wurden, sie hatten ihren höheren Zweck erfüllt, nämlich den Patienten, der aus dem kosmischen Ganzen herausgefal¬len war, so dass er er¬krankte, wieder in die¬ses Ganze hinein¬zuführen. Nutzen engt ein, ja verdummt! Je nützli-cher und lu¬kra¬tiver die Arbeit ist, umso unnützer von jenem an¬dern Standpunkt aus ist sie." Dann wies er auf das >Hexameron< von Torquemada, den Großin¬quisitor, doch wichti¬ger schien ihm das danebenstehende kleine schwarze Buch, dies habe der Secretair Wormsius des Kardi¬nals ins Lateinische übersetzt: Und das >Tableau de l´lnconstance des Demons< von Delancre; er fuhr mit dem Fin¬ger über den Leder¬rücken von Delnos >Disquisitiones Magicae< von. Sprengers >Malleus Maleficorum< blies er behutsam den Staub ab. "All diese Bücher, nein, ihre Autoren im Dienst der Kirche, des Staates, der Gewalt also", sagte er, "fürchteten diese inneren Kräfte des Menschen, die sie in Frage stellen". Heute sind es die Geheimdien¬ste!" (Hatte er etwas bemerkt, hatte Lyss einen Fehler gemacht, sich verraten?) Nein. Keine Spur. 6 Lovering entschuldigte sich, denn das Tele¬fon läutete im Nebenzim¬mer, und er ging völlig ahnungslos mit eiligen Schritten dem Läuten nach. (Wirklich ahnungslos? Oder wars nur eine Falle?) Die¬s war die Gelegenheit! Anna Lyssowa war endlich allein. Schnell ging sie zum alten Sekre¬tär, durchwühlte die dort verstauten Papiere, fand das Schwarze Heft mit Lovs kritzliger Handschrift in einem Nebenfach, wo seine "Diktate" aufgezeichnet waren, sein "Tagebuch", triumphierend überlas sie rasch die Seiten, und begann diese mit ihrer kleinen ver-steckten Silberkamera ab¬zulichten, es war genau das, was sie ge¬sucht hatte, der Bericht über Loverings Kreis, die beiden "Studenten", den Transsylvan Terplan, und den Iren Morris, die bei Lovering wohnten, und ihm bei seinen Forschungen und Kontakten halfen! Die ersten Akten und Berichte, die Anna brachte, hatten nur rein erkennungsdienstlichen Charakter, und dienten dazu, psychologisches Mate¬rial zu sammeln und zu sichten, das freilich in H.C. Loverings Fall ebenfalls sehr wichtig war. Das Denken und auch die Macken der zu untersuchenden Staats-feinde hat die Regierungen sämtlicher Zeiten brennend interessiert. Hier also der erste von AnnaLyss abgelichtete Zitaten-Text (wer weiß aus welcher Quelle?) in Loverings Tagebuch... (Doch wir werden unterbrochen ... durch wichtige Geräusche und Stimmen aus dem Nebenzimmer:) Das Telefonat hatte ziemlich lange gedauert, einzelne Worte konnte Anna Lyssowa aufschnappen, die Miniwanze aber in ihrer Bluse hatte alles auf¬genommen; ein Gespräch mit Terplan, die Rede war wieder von einem neuen "Kontakt" mit "ihnen"; der Dienst würde alles auswerten, diesem verdammten Irren das Handwerk le¬gen, dachte sie, setzte dann ihr schönstes Lächeln auf, als Lov wie¬der da war. Sie nahm sich vor, diesen Terplan unbedingt heimzusu¬chen und in ihren Bann zu ziehen, der muß mehr wissen, dachte sie, als wir anneh¬men. Lov setzte seine komisch gelehrten Bucherklärungen fort, als sei er nie fort gewesen, mit einer großen Geste nahm er einen Foli¬anten: "Hier ist einer meiner größten Schätze. Es ist die >Clavicula Salomonis<, und ich habe allen Grund, anzunehmen, dass es die Ausgabe ist, die dem größten Abenteurer des achtzehnten Jahrhun¬derts, Giacomo Casanova, gehörte," erläuterte Lov ahnungs¬los, als spräche er wirklich mit einer harmlosen und naiven jungen Frau, die gewieft genug war, um zu wissen, dass dies alles nur Ablenkungsma¬növer sein konnten; der Alte war einer der mißtrau¬ischsten Men¬schen der Gegend, und hatte sie doch allein mit seinen Schätzen ge¬lassen, der Schreibtisch mit den Ge¬heimakten und den Plänen unver-schlossen; er hatte freilich an Anna Lyssowa ei¬nen Narren gefressen und ließ sie nicht aus den Augen: "Sie werden sehen, dass der Name des Eigentümers herausgeschnitten worden ist," fuhr er dann mit sei¬nen Er¬klä¬rungen fort, "doch steht noch so viel da, dass sich die Grundlinien der Buch¬staben erkennen lassen; diese aber entsprechen haarge¬nau der Unterschrift Casa-novas, die ich in der Bibliotheque Nationale gesehen habe. In seinen Memoi¬ren erzählt er, dass ihm ein Ex¬emplar abhanden gekommen sei. In einer seiner Schriften finden wir Zitate aus einem der ge¬heimnis¬vollsten Bücher dieser Er¬de, dem Necronomicon, in dem von der Existenz dieser Anderen, den ALIENS, gesprochen wird." Anna Lyssowa musste in sich hineinlachen, als er erläuternd sagte, sie wisse sicher nicht, wer diese "Anderen" seien, "und ich will Ihnen auch die Mühe ersparen, darüber nachdenken zu müssen, ein ander¬mal werde ich Ihnen dieses gefährliche Gebiet näherbringen, doch Vorsicht! es bleibt nicht ohne Konsequenzen für den einzelnen, wenn er davon weiß!" Doch als habe er sich eines anderen besonnen, setzte er ihr langsam und or¬dentlich auseinander, dass er alle Bücher nur lese, um ein einziges zu fin¬den; im vergangenen Winter habe er zum er¬stenmal in England, in der Gegend von Llareg¬stone, aber dann auch hier, und hier sei alles viel "deutlicher" etwas Außerordentliches entdeckt... Seine Korrespondenz mit der Widener Library in Har¬vard, das sagte er Lyss noch malitiös lächelnd, und mit einem leicht grausamen Zug um die Mundwinkel, als ahne er etwas, habe keinen Erfolg erbracht. (Hatte der schlaue Lov schon entdeckt, dass sie eine Agentin war, und wollte sie nun mit allerlei Märchen irreführen, denn natürlich hatte er längst eine Abschrift dieses Necoronmicons, das von "ihnen" stammte und nicht nur ihre Pläne, ihre Physik und Zeichnungen des Mutterschiffes und dessen Antrieb enthielt. sondern auch eine Liste ihrer wichtigsten Verbindungsmänner und Frauen auf der Erde, und der diversen Formen jener, die hier "spuken", vor allem aber den Code ihrer Sprache und das Geheimnis des Todes, beziehnungsweise ihre Verbindungen mit den Toten, und wie diese unter ihnen und mit ihnen weiterleben!) "Nein, Gnädigste, auch meine Korrespondenz mit der Bibliotheque Nationale in Paris, der Universität von Buenos Aires und der Bibliothek der Miscatonic University in Llaregstone, dann freilich hier in der geheimnisvollen Brukenthalbibliothek zu H.¬/Sibiu, war unbefriedigend verlaufen", log er: "es gelang mir nicht, das Buch zu bekommen, das ich so verzweifelt suchte. So machte ich mich schließlich persönlich auf den Weg, abgerissen, schmutzig, bärtig und mit unserem seltsamen Dialekt, um in eine Ausgabe in Cambridge Einblick zu nehmen. Mit einem neuen billi¬gen Handkof¬fer aus Osborns Store erschien ich eines Tages dort und verlangte den schau¬der¬vollen Band, der in der College-Bibliothek hinter Schloß und Riegel aufbewahrt wird - das grauenhafe Necronomicon des wahnsinnigen Arabers Abdul Alhaz¬red in Klaus Wor¬mius' lateinischer Ausgabe, die im siebzehnten Jahrhundert in Spa¬nien gedruckt worden war. Ich hatte lange keine Großstadt mehr ge¬sehen, fand aber sicher zum Universitätsgelände; hier ging ich tat¬sächlich achtlos an dem großen scharfzähnigen Wachhund vorbei, der mit unnatürli¬cher Wut hinter mir her bellte und wie wild an sei¬ner Kette zerrte. Damals in der Bibliothek, als ich mich beim Lesen an das er-innerte, was ich über Llaregsto¬ne und S. und ihre brütenden geheimnis¬vol¬len Wesen gehört hatte, weniger über diese Städte und ihre dunkle, schauerliche Aura, das Gerücht ging um, fühlte ich wie eine Woge von Furcht mich erfaßte: Und meinte es in ei¬nem Buch zu lesen, was ich vor mir sah, wars vielleicht gar ein Buch vom Mann, der vor mir saß? Ein Doppelgänger, ein Spiegelbild? "Herr", sagte ich zum Bibliothekar, "ich glaube, ich muß das Buch mit nach Hause neh¬men. Da stehen Dinge drin, die ich unter bestimmten Bedingungen ausprobieren muß, die ich hier nicht habe, und es wäre ein verdammtes Verbrechen, wenn Sie sich an die pedantische Vor¬schrift halten. Lassen Sie es mich mitnehmen, Sir, und ich schwöre Ihnen, niemand wird es merken. Ich brauche Ih¬nen nicht zu sa¬gen, dass ich gut drauf aufpassen werde." Es ging noch irgendwie weiter, doch der Bibliothekar war so verblüfft, dass eine Gedächtnislücke in ihm entstand, halb bewußtlos von dieser Präsenz, sah er mir nach, ich spürte seinen Blick noch im Rücken: er hörte wohl das wilde Bellen des Wachhundes und verfolgte meinen Gang, als ich jenen Teil des Hofes über¬querte, den der von sei¬nem Fenster aus sehen konnte. Ich dachte an jene phantasti¬schen Ge¬schichten, die er gehört hatte, und erinnerte mich an die alten Sensa¬ti¬onsartikel im Advertiser; und an die alte Sage, die ich hier von den den Bauern der Umgebung, vor allem in Weißkirch, Pruden und in Teufelsdorf gehört hatte. Unsichtba¬re Dinge, die nicht von dieser Welt waren, - zumin¬dest nicht von un¬serer faßbaren - überfluteten schau¬rig hier die Täler und brü¬teten auf den Gipfeln der Berge. Ich wußte es von einem Historiker und Parapsychologen von der SPR, dass es spiegelbldlich auch in England geschah, der Parapsychologe hatte nachts eine bleiche, weiße Gestalt, von Ferne heran¬schwebend in Llaregstone beobachten können, hier war aber alles viel klarer: als sie näher kam, erkannte er in ihr die verstorbene Frau eines madjarischen Grafen, die ihr totes Kind auf dem Arm trug. Sie sprach ihn an und sagte: Du hast Weib und Kind deiner Kriegs¬Lust geopfert, so verfluche ich dich, dass du in Zukunft ewig kämpfend umherziehen mußt und dem Lande Krieg und Frieden verkündest. - Und dieser Fluch ging in Erfüllung. So wurde der Erbgraf der Kriegsbote für das ganze Land hier und dort für das Empire. Er haust mit einem Geister¬heer in Friedenszeiten in den Ruinen der Quellerts¬burg, das Wilde Heer in der Marienburg und in die westlich gelegenen Burg R.. Erfolgt später der Friedensschluß oder steht er kurz bevor, so zieht das wilde Heer den entgegengesetzten Weg und kehrt in seine Friedensgarnison zurück... Aus diesen und an¬deren zahlreichen Berichten geht hervor, dass die Beobachter eindrucksvolle Ge¬räusche aus der Luft wahrnahmen, die sie zunächst mit aufziehen¬dem Unwetter, Motorengeräuschen oder ähnli¬chem verglichen, dann aber doch zu dem Ergebnis kamen, dass es etwas ganz an¬deres war, was sie vorher und auch später nie wieder gehört haben. Man¬che sprachen von gewaltigem Rauschen und andau¬erndem Sausen bei wolkenfreiem Himmel am hellichten Tag. Was es nun genau war, konnten sie nicht entschei¬den. Die Geräusche hörte auch nicht jeweils nur ein einzelner, sondern auch die um¬stehenden Menschen. Es waren also nicht etwa nur subjektive Ge¬hörs¬hal-lu¬zinationen, son¬dern wirkliche physi¬ka¬li¬sche Naturer-scheinungen unbekannter Ursa¬che. Manche meinen, es seien unter ihnen auch Leute von anderen Sternen oder anderen Existenzebenen, eine ganze Population unterschiedlicher Existenzgrade. Bei entsprechender Vor¬einstellung kann man natürlich Wagen¬gerassel, Waf¬fengeklirr, Pferdege¬trappel und Hun¬degebell in die Ge¬räusche hineinhören, wie das die Menschen im vergangenen Jahr¬hundert auch getan haben. Auffal¬lend ist, dass bei den hier vorgetra¬genen und anderen Berichten aus dem zweiten Weltkrieg keine Luftbewegungen (Sturm) wahrgenommen wurden. so hatte ein Bauer darüber geklagt, dass an dem Dach seiner Scheune, durch den der Sturm-Graf immer ziehe, keine Ziegel halten wolle. Er habe schon alles mögliche ver¬sucht, z.B. die Ziegel mit Spleiß festzumau¬ern, und als das nichts geholfen habe, jeden einzelnen Ziegel mit Draht fest¬zubinden. Aber auch das habe nichts ge¬nützt. - Weitere Betätigungen des Landgeistes wurden von den verschieden¬sten Be¬obachtern aus folgenden Jahren berichtet (damals gehörte Transsylvanien noch zum k.- und k-Reich): 1814, 1819, 1821, 1832, 1842, 1848, 1853, 1869, 1871. Zahlreicher und aufschlußreicher, weil aus¬führlicher geschil-dert, sind die Berichte von Zeugen über die Ge¬schehnisse zu Beginn des ersten Weltkrieges. Sie stammen jetzt nicht mehr von den Besitzern des Hofes, sondern von anderen Be¬wohnern der Gegend. Sie haben von ferne seltsame Geräusche wahrgenommen, die sie dem Auszug des Geister¬heeres zuschrieben. Es war in den ersten Mobilmachungs¬tagen erhob sich ein unheimlich tobendes Geräusch. Als es gar nicht aufhören wollte, da¬gegen im¬mer stärker wurde, überkam sie doch ein unheimli¬ches Empfinden. Alle Leute ringsumher schauten gen Himmel, und das Angstgefühl stieg im¬mer höher. Dieses Getöse zog über S. ...und verlor sich gegen H.. War aber eindeutig lauter und verschwand ge¬nau an der Stelle, wo heute der Militärstützpunkt liegt." Nun schien der Mann Lov plötzlich dicht vor der nahen Gegenwart eines schrecklichen hereinbre¬chenden Grauens zu stehen und einen Blick auf ein höllisches Vor¬rücken der schwärzesten Herr¬schaftsbe¬reiche uralter Nachtmahre zu werfen. 7 (In solchen alten Legenden, wie sie Lov der Lyssowa erzählte, verbirgt sich natürlich viel mehr. Es sind in unterschiedlichen Erscheinungsformen immer "sie". Vor allem ihre große Besorgnis um das Schicksal der Erde. Als wäre Lyss nicht mehrmals und unter Schockwirkung selbst einmal von ihnen entführt worden! Anders hätte sie ihren Job gar nicht bekommen können. Sie hatte natürlich in der "Zentrale" und unter Hypnose durch Prof. Newton, aussagen müssen. Auch ihr hatte man apokalyptische Bilder der Zerstörung dieser Erde, Kriegsszenen und Atomkriege der Zukunft gezeigt. Und es war klar, warum diese Toten, Fremden und Transwesenheiten immer häufiger die Erde besuchen und ein ganzes Netz von Beobachtern hier ausgesetzt haben, über die schon Castaneda berichtet hatte! Das Necronomicon (von Necros und Nomos: Tod und Name) als Informationsquelle eines höheren Zustandes ihrer geistigeren Existenz-Ebene, haben sie wohl bewusst ebenfalls hier zur diskreten Hilfe, noch zu Dr. John Dees und Shakespeares Zeiten schon vor Jahrhunderten "ausgesetzt".) "Und das Necromilcon?" fragte Lyss harmlos? "Necronomicon", verbesserte Lov. Nun, ich habs natürlich nicht mitnehmen dürfen, und es ist seither auch verschwunden, ausgeliehen, heißt es seither; der Bibliothekar schloß damals das Necrono¬micon mit einem Gefühl des Ekels weg. Und sah mich an, als wäre ich ein Jude, lachte dann voller Hohn über die `Dorfgerüchte´. Inzucht? murmelte er halblaut vor sich hin. Großer Gott, was für Dummköpfe! Zeige ihnen Arthur Ma¬chens Großen Gott Pan, und sie werden es für einen gewöhnlichen Hyghstone-Skandal halten! - Und als könnte er Gedanken lesen sagte er zur verwirrten Lyss: "Haben wir uns den Weltun-tergang doch etwas an¬ders und edler vorge¬stellt, und nachher das Blühen im wirklichen Tausend¬jährigen Reich. Was wäre dieses Andere in der Zeit, kann es sich ändern? Oh, der Messias ist bei uns ge¬killt worden? Glauben Sie, Frau Lyssowa, auch ans Tausend¬jährige Reich, wie das Zusammenfinden von Frau und Mann, als wären wir alle Menschenkinder nichts als ein Hermaphrodit, das Ebenbild, ein Kopf mit zwei Gesichtern, so dass du ihn auch wenden kannst. Glauben Sie mir, die Götter, zu denen wir auch gehören, sind die Toten. Schon Hegel sagte: Gott ist der Tod." Der Bibliothekar wußte freilich Bescheid, war wohl selbst ein Offizier des Geheimdienstes, wie die Kustoden in den Geheimarchiven des Vatikans auch, dachte nun Lyss, und blätterte harmlos im Casanova, sie, die inzwischen von dienstwegen Wohl¬informierte, der Bibliothekar, der gar nicht verblödete, wußte ja, dass der andere hier auf der Spur eines Rätsels war, dass Lovering mit seinem Kreis, vor allem mit Morris` Hilfe, auch ohne dieses Buch fast schon entschlüsselt hatte, was drinstand. Und dass die "Engel" und die "Engelssprache", die darin vorkommen, tatsächlich mit den Aliens zusammen¬hängen, ja dass diese, so steht es in den Instruktionen, nichts als die alten Engel sind. Und weiter: dass dieser streng bewach¬te und geheime Militär¬stütz¬punkt ganz und gar nicht zufällig an dieser Stelle er¬richtet worden war. Als Lovering dann wieder zum Telefon lief (mit wem er wohl andauernd redet? ein Verdacht stieg in ihr auf!), kupferte sie weiter das Tagebuch ab, erfuhr auch, dass die Leute der Zentrale, aber auch der Loveringkreis nicht wie früher in ordinären Romanen als Person beschrieben werden durften, da ihre Identität weder klar noch offenbar war, und nur Masken sind, hinter denen sich ein ganzes Aufgebot von Aliens, die sich an nichts erinnern dürfen, steckt; und wußte so auch, dass der Tag damals in Oxford keine Begegnung der Dritten Art oder so mit sich gebracht hatte, für Lov mit ganz banalen Dingen vergangen war (er aber tatsächlich überall Zeichen fand! auch in ausgemusterten Strumpfhosen, die zum Ramschpreis in den Kaufhäusern verhökert wurden, oder in komischen Krawatten, in deren Mustern er geheime Schriftzeichen der Andern wiederfand, die jenen ihrer Computer¬durchsagen ähnelten!): also mit Einkäufen in der Innen¬stadt von London (hier in der Kleinstadt waren solche Einkäufe noch immer nicht möglich!), mit dem Fadheitsgefühl, der schwarzen Schwin¬gung, die die Hastenden in den Kaufhäusern verbrei¬ten, "wie abge¬schnit¬ten ist al¬les," stand da: "wie einzeln und verlas¬sen: Waren, Leute, Ver¬käufer"... Lo¬vering wurde dabei müde, als koste ein Gang durch diese, eigentlich be¬quemen und gepflegten Hallen, so große Anstrengung wie ein Lauf durch die Wüste, "ach nein, die Wü¬ste ist ja ein Wunder, hier aber ist eine Leere, die eine inne¬re Fadheit, keine Wüste spiegelt; aber ich bin jetzt müde. Müde. Fast ist es erholsam hier in S. Diese Ruhe, und die Natur noch intakt. Aber ich nehme die Reife nicht mehr wahr, soviel Zeit scheint vergangen. Das Erarbeitete wird von der Gleichgültig-keit des Alters aus¬gedünnt und verdorben." Wehr Dich, hörte er plötz¬lich wieder diese Stimme. Lies. In den Büchern ver¬borgen, tickt da etwas im Raum, ein Vielfachgeist. Im Tagebuch stand, und Lyss konnte es kopieren: „Vor kurzem hatte ich auf der Rückfahrt aus H. im Abteil eine Begegnung. Ein Mädchen in dunklen Jeans und mit einer abenteurlichen Handtasche saß vor mir. Alles so ru¬hig, als gäbe es jene Geister nicht. Frühnebel im Tal. Nur ein ziehendes Weh-mutsgefühl erfüllte mich, das auf einen nicht sichtbaren Abgrund verwies. Und ich sah jedesmal zurück zu den Nebelfeldern, Dörfern, der Krieg, auch wenn ich jetzt hier an ihrem LANDEPLATZ vorbeifahre, ist nur noch eine schlechte Erinnerung. Als hätte London mehr da¬mit zu tun, als diese kleine Stadt hier, von S. in Transsylvanien ganz zu schweigen. Ich sehne mich nach dem Waldrand, der Wiese vor dem Fenster. Ich fahre un¬gern in "Haupt¬städte", und doch wollte ich die Stadt, die auch ein Teil mei¬nes Lebens ist, von der be¬sten Seite se¬hen. Stimmt die¬ses Bild, dass der Frühzug auf sie schleudern wird, wie ein Geschoß, dass wir im Vorbeifahren einen Vorhang beiseite ziehen, uns auf den Bahnhöfen ausdruckslos erwartungsvolle Gesichter an¬starren, vor allem auf jenen Bahnhöfen, wo der Zug vorbeiflitzt, nicht hält, und die Leute ih-re Taschen oder Zei¬tungen fester halten, als wäre die Vorstellung des Todes wie ein Sog an ihnen vorbeigerast, wehe, du trittst ihm näher. Und dann jeder an sei¬nem Platz, ich hier, mit den vielen Zu¬ge¬stiegenen, sich inzwischen auf dem Seitengang Drängenden, zu einer Masse zusammen¬ge¬fügt, einhellig, wie un¬ter einem grauen Fittich des Morgens, Teil dieser Ge¬schwindig¬keit, mit dem Gedanken schon bei der Ankunft? Bei mir ist die Ankunft nun ein Bild ... Neijn, ich habe leider keine Geliebte...“ Gottchen, es war ja nicht mein Gesicht und nicht meine Ge¬stalt, dachte Lyss, als wäre ich schon da, meine Worte, - aber dazu muß ich ihn bringen, um überhaupt etwas aus ihm rauszukriegen, ihn entbrennen lassen zu mir, das kann ich ja, ich seh, er sehnt sich danach, hat aber wohl Angst, sich zu verraten. Schnell verjagte sie das Spukwort im Hirn: „Agentenhure...“ und stellte sich vor, wie es sein könnte: Ich stehe vor dem Auto, habe flott einen Schal um den Hals, hebe die Hand, ein kleiner Hund wartete auf dem Rücksitz, bellt kurz auf; damals waren wir beide nicht da, Lov wurde auf dem Bahnhof von niemandem erwar¬tet; die an¬dern aber, dort auf den Bahnhöfen, die den Sog spüren, sind Teil des Wartens, der Unge¬duld, der Bewegungs¬losigkeit, auch sie sind zu¬sam¬mengefügt durch das Warten. Die nur eine Stunde dauernde Einhellig¬keit zerfällt aber so¬fort bei der Ankunft, die Gemeinschaft, die bei einem Über¬fall oder Zugzusammenstoß zu einer Schicksals¬gemein¬schaft wer¬den kann, stiebt auseinander, zerreißt; auch das Mädchen, mit dem Lo¬vering fast eine Stunde lang geredet hatte, na¬türlich über die Entführungen der Anderen, von denen überall ge¬munkelt wird, als wäre es nichts als ein Gerücht, dieses Mädchen wird er nie mehr wieder¬sehen, die Zeit allein schafft solche tödliche Absenz, und doch wissen sie voneinander mehr, als wenn sie unter nor¬malen Umständen und ganz lange zusam¬mengewesen wären, eben, weil sie sich nie mehr wiedersehen wer¬den; das Nie ist schon eine magische Sa¬che, dachte Lyss, als habe sie es von Lov gelernt. Im Tagebuch steht es schwarz auf weiß: "Ich sagte es, und das Mädchen lachte wie über einen gu¬ten Witz.“ Denn sie hatte freilich eine Wanze in der Bluse und lachte über seine Naivität, ange¬setzt auf ihn von Joyce. Lovering aber möchte nicht, dass nun alles vorbei sei, diese Zusam¬mengehö¬rigkeit, die eigentlich nur da ist, weil er sie bedacht hatte. Er ist schon ein alter Sentimentaler, dieser Lov, ich werde ihn schnell rumkriegen können, dachte sie. Wach endlich auf, Freund, hätte man ihm zurufen mögen, komm raus aus deiner Höhle! 28.Januar. Einige Tage wie im Fieber geschrieben. Und es schien mir, als wäre ich nun Lovering selbst. Und die Lyss meine Anna. So weit kommst es noch, dass sie mich dann einliefern. Völlig katatonisch. Gauger über Literatur und Psi gelesen: Wichtig ist, dass der Autor in einen prophetischen Umkreis eingebunden ist, ja mit dem Unbewußten arbeitet. 29. Januar. Heiner Müller, Fernsehgespräch. Spiegel TV. Erklärt seine Stasi-Begegnungen. Er war nirgends drin, so musste er observiert werden. Dann: die Stasioffiziere waren gebildeter, Fachleute auch für Literatur. Solche Gespräche wie bei mir mit Jordan in früheren Zeiten. Die Funktionäre schotteten sich ab, die Offiziere wußten auch in der Realität Bescheid. Sie gaben den Funktionären Interpretationshilfen. Funktionäre waren meist einfache Leute, Handwerker. Dann aber interessierte Müller auch der Mechanismus solch einer Institution für sein Schreiben. Studierte es. Findet heute kein moralisches Manko dabei. 30. Januar. Weiter Gauger gelesen. Entscheidend, dass kein Unterschied zwischen "geträumt" und "wirklich" besteht: Literatur als Wirklichkeit. Überhaupt sich nicht mit dem Realen gemein machen, dann ist es auch nicht da, weil es nicht wirklich ist. (Wie man sich bettet, liegt man.) Und dass der Mensch sowieso nur punktuell "draußen" ist. Mit dem "Realen" so umgehen können, wie Castaneda. Das ist Zauberei. Das aber wäre "normal". Ich zumindest versuche es hier im Buch. Hab ich es "realisiert", weil ich in diesem Augenblick merke, dass sich beim Aufwachen aus dem Gedanken die "Zeit" verwirrt, ich erkannt habe, dass ich eigentlich "drüben" bin? Nicht das Reale ist wichtig, sondern das Überschreiten. Alles andere bleibt "Rohstoff". Auch die Bücher, die Lektüre, die Menschen. Eigentlich "kommen wir nie dahinter", weil wir es SIND? Nur das Überraschende ist die Berührung mit dem Drüben. Denn das Drüben ist das Überraschende. Schock? Dies ist das Zentrum der Geschichten. Genau das tun, wovon man spricht? Dieses Tun, was geschieht? 3. Februar. Annas Mutter ist heute nacht gestorben. Sie gehörte als liebste "Feindin" zu mir. Der Tod löscht allen Groll. Er erreicht uns als eigener. (Vgl. Noizbuch. 10. 2.) 4. Februar. Schrecklich Banalität, in die ich auch nach L.s Tod wieder hineingerate. Das eigentliche Gefängnis. Mich zu wehren, das ist fast unmöglich. Täglich sehe ich, und sieht Anna die Grube vor sich. Besser, sagt sie, genau das, was ich auch meine: sich einäschern lassen. Das ist Freiheit. Und die Asche verstreuen. Die Hülle verbrennen, und so auch mit den armen Verbrannten und Vergasten zusammen zu sein. Rauch und Asche sind rein. Und der Auferstehungsleib ist anderswo. "Was sind unsere Gespräche und unsere Schriften anders als Beschreibung von Bildchen auf unserer Retina oder falschen Bildchen in unserem Kopf?" DAS IST Bewußtsein macht doch Feige aus uns allen Nichts was sonst halten könnte: nur die Angst wenn ich hinab in diese Grube sehe hat dieses Loch zwei Seiten eine in die Himmelszeit? Was soll ich mit der Ewigkeit sie dauert mit mir nur dass ich werde doch wär ich nicht wär sie viel reiner schon sie hängt an einem Faden mit einem Groschenmesser abzuschneiden hängt alles nur an mir. Doch schon das Messer und mein Wille gehör´n bevor Bewußtsein zugerechnet wird nicht mir und wird in tiefster Dunkelheit nur meinem Auge angetan 20. Februar. Die Trauer vergeht nicht. Wir überlegten, ob wir L. nicht "einen Altar", eine Pflanze, ein Eck widmen sollen. Auch Anna ist ruhiger geworden, obwohl alles an ihre Mutter erinnert. Nachts wieder Zeit- und Todesangst. Hier isoliert, und fremd. Das Leben vertan - so fühllos gewonnen? In La Strada gestern: eine Nonne: Wir müssen alle 2 Jahre das Kloster wechseln, um unser Herz nicht an Irdisches, Kleines zu hängen und so den Kontakt zu Ihm zu verlieren. 21. Februar. Weiter geschrieben. 22. Februar. Sollen dieses die einzigen Erlebnisse sein. Dieses und der Gang gestern am Meer und zum Boot. Das Spiel mit den Tieren. Die Landschaft. Und die Arbeit am Schreibtisch. Briefe? Die Zeit vergeht. Daher ist das Tagebuch wichtig, damit unsere Lebenstage nicht "in Äonen untergehn", mein Bewußtsein vom Tag aufbewahren. Sinnlosigkeit, die schmerzt und so erlöst wird von der Form. Und nur noch das Gefundene, das täglich notiert wird. Mit Alfred de Musset, La confession dùn enfant du siécle, hatte diese Form der Literatur begonnen. 23. Februar. Es ist merkwürdig, wenn wir aufmerksam sind - schei¬nen uns diese "Präsenzen" dauernd zu umgeben, alles zu beobachten; sind es nur von uns selbst erzeugte Projektionen, seelische "Entladungen", die sich als Bil¬der und Geräusche äu-ßern? 27.3. Ich war in Köln bei dem seit Jahren mit "elektronischen Geistern" ex¬peri¬men¬tierenden, ja, zusammenlebenden Ehepaar Niedecken, beide Ehepartner gehen mit den "Stimmen" ganz natürlich und auch fröhlich um wie mit guten Hausgeistern. Gleich zu Beginn wurde gefragt, was denn meine Anwesenheit im Haus ver¬ändert habe, und die Antwort kam prompt: "Wir kommen! Alles!" ("Alles" habe sich also im Haus verändert! ) Ich suche die "Stimmen heraus und höre sie vom Band ab: O-TON (Niedecken, 07): Ist etwas anderes als sonst hier abends? Wir kommen. Alles! Und als der Hausherr, einen der Hausgeister, nämlich seine verstor¬bene Mutter, fragte: "Mama, was haben wir hier auf dem Tisch für ein Buch?" Da kam die indignierte Antwort: "Das sind Fragen"!? Und Frau Niedecken sagte: "Hören Sie diesen merkwürdigen Akzent? Aber sie sind meine großen Lebensberater, ich kann das alles nicht erklären, aber ei¬nes ist sicher: Sie sind um uns!" Als wir über die dichte Wolke von Präsenzen im Raum spra¬chen, Hörten wir: Guten Abend ihr hier! Und auf eine Frage nach L., Annas toten Mutter, die das Meer sehr geliebt hatte, war zu höen: Wir haben am Meer die Freude! Nach der Heimkehr weiter geschrieben. 4. März Cinque Terre. 5 Terre. Riomaggiore. Manarola. Via del amore. Am 3. Furchtbare Trennungsgespräche. LEBENSZEITJAHRE Cinque Terre (Und ins Wasser gefallen, das Meer) Steinweiß nach einer dunklen Schlaflosigkeit Nacht der Trennung wie übt das schreiende Herz wenn die Jahre vergehen jetzt die Weite aus wund weil das Meer nicht trennbar ist nur in den Köpfen wie die Gewohnheit gefangen Der Blick unter Agaven die Wärme die Füße aber fast schon im Wasser lesend Und oben auf der Terrasse lieben sich zwei unter dem Pelz wir: als wir jung waren Horizontweit der Blick erinnert den Sommer im Boot und Vernazzas Turm die Sehnsucht im Hafen du hebst die Erinnerung vom Grund das alte Herz ist der Anker. Schicksalsoffen zu sein und tun was geschieht neu wissend da alles was ist dein Bild hält das du erzwingst aus Gewohnheit Doch unbefangen bleibt Geh sanft mit dir um ruhig und zärtlich hinter dem Bild das du viel zu laut vor dir siehst schreiend nur redest Unendlich bist du ohne dass du es willst Übe die Langsamkeit immer und langsam kommt deine Zeit von innen und die Menschen strömen hinter dein Bild dir zu Für die meisten ist kein Heil weil ihr Gesicht verzerrt ist. Durchbrich jede Planung sei ohne Zukunft Hier! Abends. Dazu fiel mir diese AB SAGE ein und der Beginn von Terplans schrecklicher Geisteskrankheit. Ich holte seinen alten Brief wieder hervor und las bis spät nachts: "Vor vierhundert Jahren lebte er einmal schon. Ehrbar der Mann, den die Liebe zum Monster machte. Kurz lebte er vor seiner Hinrichtung die schönsten Augenblicke. Er kam hier an - übrigens von einer zweiwöchigen Reise; Übersee, dort hatte er die "unsterbliche Geliebte" kennengelernt. Annabelle, Tochter eines Farmers. Von Einem, so hieß er, hatte damals mit dem Leben bezahlt, was ich unter verminderter Gefahr heute lernen muß. Der Fünfzigjährige damals hatte gehofft, wenn er der Natur folge, und den Rahmen, der durch Tradition und herkömmliche Denkweisen durchbrochen habe, könne er sein versäumtes Leben retten, wurde eingeholt von einem andern furchtbaren Gesetz: dass die menschliche Natur keine festgelegte Ordnung kennt, jeder Mensch aus verschiedenen Personen besteht, und in ihren Zuständen täglich, ja stündlich so schwanken, dass sie je nach Umgebung kaum mehr wiederzuerkennen sind; die Liebe aber ist solchen Zuständen ausgeliefert. Nicht einmal zu erzählen wäre das, was da wirklich geschehen war, geschweige richtig zu leben, und sich in diesem schrecklichen Chaos von Stimmungen zurechtzufinden, dass freilich heute, ohne dafür sterben zu müssen; im Gegenteil, heute, wo es keine feste Formen mehr für eine fast zwanghafte Erkennbarkeit wie früher mehr gibt, wo wenigstens der Schein einer Folge und Orientierbarkeit in der verrückten Treulosigkeit der Stunden, Tage und Wochen mit furchtbaren Zwangsmitteln garantiert wurden, geht sang und klanglos aus, was früher zu Tragödien führte. Und ist dieses seichte Verschwinden nicht schlimmer als der Tod? Es bezahlt nicht der Einzelne, nein, es bezahlen alle. Sie hieß also Annabelle, er war der Herr von Einem, verheiratet seit zwanzig Jahren mit Katharina, der er einmal und immer noch sexuell hörig war, ihre Ehe lebte fast ausschließlich davon; Herr von Einem lernte die schöne dreißigjährige Farmerstocher auf einer Überfahrt von Borneo nach Triest kennen; sie verbrachten 10 Tage im Überschwang, laue Nächte mit riesigen Sternen, an Deck in der Kabine Annabelles, der reichen Farmerstochter. Noch am 18. April hatte ihm Annabelle erklärt, sie liebe ihn, es werde ein Kampf auf Leben und Tod mit Katharina geben. Er, der Fünfzigjährige, der sein Leben noch nicht gelebt hatte, der erst seit er Anabelle kannte, meinte zu leben, alles so stark fühlte wie in der Kindheit, Erinnerungen aufbrachen, er nur den Tod noch als stärkere Macht empfand, täglich diesen "abgründigen beweglichen Traum" da zu sein auskostete, kam in Linz an, verkaufte sein Gut, ließ seine Frau von gedungenen Mördern töten, und zog zu Annabelle nach Wien, wo sie am Hof lebte, dort mit ihrer Schönheit und ihrer Kunst. Erst zwei Wochen waren seit ihrer gemeinsamen Reise vergangen: man schrieb den 2. Mai, Annabelle empfging den Herrn von Einem wie einen Fremden. Ja, sagte sie, wir können über unsere Geschichte reden, das ist sehr interessant, die Nächte auf dem Schiff, und du bist ein phantastischer Liebhaber, ich spüre dich noch in mir. Aber. Ist es nicht auch dir vergangen, die große Liebe war es nicht. Er mietete sich ein und blieb in dieser Stadt. Sie sagte, wenn du mich liebst, mußt du kämpfen, ich aber fürchte, du bist zu feige dazu. Er wußte, was er aufs Spiel setzte, wenn er blieb und nicht mit ihr oder auch ohne sie floh. Blieb, zeigte sich in aller Öffentlichkeit. Nach einer Woche wurde er verhaftet, gefoltert, verurteilt und öffentlich mit dem Beil hingerichtet. Ich las die Geschichte, es fiel mir ein, was ich von meiner Mutter gehört hatte. Aus den Augen, aus dem Sinn; Anna, mit der ich mich fünf Wochen nicht gesehen, mit der ich nur telefoniert. Briefe gewechselt hatte, hörte ich gestern am Telefon, ihre letzten Briefe seien längst überholt, jene sei nun nicht mehr sie, und was sie da seit dem Abschied, nach zwei gemeinsamen gelebten Monaten, geschrieben, diese Briefe, Faxe und Telefonate seien nicht mehr "aktuell", nichts als "reichlich naiv gelebte Literatur". Nun könne man davon ausgehn, dass es vorbei sei. Es ist so, wovor sollte ich mich denn fürchten? sagte sie, werde ich von "ihnen" nicht schon immer "geleitet"?, mich auf alles einzulassen, das sich mir in den Weg stellt, das sich thematisiert und verknüpft mit meiner Existenz. Der einzige Zweifel ist, ob es nicht eben doch einem "sich treiben lassen" entspricht, einer Unfähigkeit, Entscheidungen zu fällen, die persönliche Konsequenz selbst zu verursachen. Aber ist das Offne nicht auch herrlich, in dieser Freiheit? wie ich gedanklich springe, von einem Extrem ins andere, die Neurotransmitter sind immer in Bewegung, mehrere Richtungen gleichzeitig nehmend. - Ging sie deshalb ins Kloster, um Halt zu finden, eine innere Stimme habe sie dazu aufgefordert. Diese müsse entdeckt werden. In einem der letzten Briefe hatte sie geschrieben: ...aber ich bin dort auch an meine persönlichen grenzen gestoßen, als ich merkte, dass es mir unmöglich wäre, den geschnitzen Christus am Kreuz, der da vor mir, gemäß dem österlichen ritus, am boden lag, die füße zu küssen, um abbitte zu leisten von meinen sünden. das 17. jhdt., das ihn hervorbrachte, und die künstlerische größe haben nichts mit meinem Christusbild zu tun. wenn es überhaupt ein bild ist? das ich in mir trage. diese spur, die mich zu meinem herzen zurückbringen kann, ist für mich unsichtbar, gebunden eher an geistig-abstrakte prozesse, als an konkrete darstellungen. "Tun, was geschieht"? Trifft dies genau eine Zeitstimmung, hatte Teplan mich gefragt, eine Stimmung, die immer stärker wird und auch die großen Bewegungen und Veränderungen heute in der Welt bestimmt; "Tun, was geschieht," meint ja wie Anna auch, nichts anderes, als sich auf das, was wirklich ist, auf den Augenblick, den Alltagsmoment realitätsgerecht einzulassen, ohne aufgesetzte fertige Welt- Bilder und angemaßtes Wissen, wie ich es tue: Als hätte ich ein Ich, das ich zwinge, das gegebne Wort ohne Rücksicht auf Verluste einzuhalten, wie meine Schwester. Und hatte sie nicht auch geschrieben, wer? nun Anna natürlich: Eine ganz andere Möglichkeit wäre ein willentlich angestrebter Zustand der Erinnerungslosigkeit, ähnlich etwa dem einer überlieferten Tantra-Technik, welche im Moment höchster Konzentration verlangt, alle bildlichen und Gedanklichen Eindrücke zu "löschen"... mehr als das, wird wohl unsere bewußte Vorstellung nicht zulassen. Das wäre ein ENTKOMMEN aus der eignen schmerzlichen Biographie. Und erst wenn die Qualen eines Berges von Erinnerung, der Tradition, der Vater-Ordnung, samt Begrifflichkeit und bis hin zu den Kriegen und Ideologien verlassen ist, gibt es den offnen neuen Augenblick, das Unbetretne. Jetzt war Anna wieder an diesem Punkt Null, jetzt konnte sie diesen Terplan nicht brauchen, den Alten, das musste er einsehen. Dabei hatte er begonnen, sein Leben nur auf sie einzustellen, Gelegenheiten zu schaffen, Ausreden, Alibis, Kongresse, berufliche oder familiäre Ver¬pflichtungen, um mit ihr zusammenzutreffen. Doch nichts war ausgeführt worden, alles bestand vorerst nur in der Phantasie, sogar die Scheidung. Er erkannte sich zwar in jenem Herrn von Einem, der längst tot war, wieder, doch nichts war davon gelebt worden, was jenen andern mit tödlicher Sicherheit in den Tod getrieben hatte. Terplan hatte zwar auch die Absicht gehabt, zu Anna zu ziehen, ihr ein Kind zu machen, spät, mit ihr zu leben, er hatte mit seiner Frau nachts heftig gestritten, doch weder das Haus verkauft, noch seine Frau getötet. Das eben ist der Unterschied der Zeiten. Der andere hatte den Versuch seinem faden Leben zu entgehen, mit dem Einbruch der Unzuverläßigkeit und Treulosigkeit und dann in der Folge mit dem Tode bezahlen müssen, Terplan bezahlte die Angst davor mit der endgültigen Einsicht, seinem versäumten Leben nicht entgehn zu können; sein Tod aber wird erbärmlicher sein. Doch das Trauma hatte seine Spätwirkungen gehabt, klar! Mit dem Anfang und dem Ende, ja, dem Ende seiner Schwierigkeiten, weil es nie eintritt, solange du lebst, sagte er, also immer nur fiktiv sein kann; doch gerade die Erfindung sei doch so schön, meinte Anna hohnlachend, und er könne ja jedesmal hoffnungsvoll daran hängen: Und das ist noch lange nicht alles und das Ende. Auch wenn T. kleinlich murmelt, "das ist das Ende". Dann entgegente J.: "Kennst Du sie denn nicht, diese langandauernde Zukunft, die überhaupt nicht aufhören will?!" Und sie hörte tatsächlich nimmer auf, wie die Liebe, genau wie die Liebe.Es war ein furchtbares Drama gewesen. Und hatte schon so angefangen: Terplan hatte vor seiner Frau Sonja noch nie eine Frau geküßt ( mit dreißig!) und er sei überfallen worden von Gier und Geilheit, und da hätten sie dann gevögelt, eine ganz neue Sache sei das gewesen, überraschend, und gewaltsam. Doch als sie dann gegangen war, da habe sich ein Abgrund an Angst geöffnet, der sich nie mehr schloß. Am nächsten Tag da habe er Sonja dann angerufen, um ihr in aggressivem Ton zu erklären, dass er nicht mehr die Absicht habe mit ihr zu schlafen. Doch es sei zu spät gewesen. Ein Gefühl des Ekels taub und stumm, doch gewalttätig in ihm arbeitend, und viel viel stärker als jede mögliche Moral oder irgendwelche Erwägung der guten Sitte oder Rest der Erziehung und dergleichen sei das gewesen, und hörte nicht mehr auf. Die Tage vergingen und die Depressionen nahmen zu. (Denn Sonja, die Jüdin habe er aus Schudgefühlen geheiratet!) So kam es zu einer längeren Zwangseinweisung mit Elektroschocks, die ein berühmter Analytiker verordnet hatte. Und da sei alle zwei Tage der schnurrbärtge "Stalin" genannte kleine Psychiater mit seiner Elektrisiermaschine gekommen, und diese Spasemen appöliziert. Eine Art epileptischer Trance, furchtbare Zuckungen und Aufbäumen des Körpers mit Schaum voir dem Mund. In San Tropé da habe ihm ein Freund Anna vorgestellt, dem Freund habe er Manuskripte zum Lesen gegeben und er hab sich auf Anna gestürzt, sie in Gegenwart von Sonja geküßt und ihr Bauch, Brüste und Scham gestreichelt, sie habe es sich halb erschrocken halb geschmeichelt gefallen lassen, dann habe er sie an den Strand eingeladen, in eine kleine Bucht, und die sei völlig leer gewesen, da an diesem Tag ein kräftiger Westwind die Leute vertrieben und das Meer aufgewühlt hatte; er habe sie aufgefordert sich nackt auszuziehen, und er selbst nackt, sei, vor Sonjas Augen ins stürmische Meer hineingeschwommen, dort mitten in den Wellen habe er sie, sie, sehr entgegenkommend und noch geiler als er, gefickt, und seien dann, Sonja am Strand schreiend und Haare raufend auf und abgelaufen, weiter hinausgeschwommen, bis sie dann plätzlich erkennen mußten, dass eine Ströumg sie weiter hinauszog, zwei Stunden kämpften sie mit den Wellen, und er bekam einen Krampf, nur der jüngeren und kräftigen Anna, die eine gute Schwimmerin war, habe er sein Lebn zu verdanken. Am Strand war Sonja nicht mehr zu finden, der Hafen weit, die beiden gingen sie suchen, fanden sie dann in Tränen aufgelöst und wie eine Alte da hocken, zitternd und sichtlich in einer hysterieähnlixchen Krise. Er habe versucht, sie in die Arme zu nehmen, sie zu streicheln, zu beruhigen, nichts, sie blieb wie ein Stein stumm und reglos in seinen Armen hängen, dann aber sei sie plötzlich wie erwacht, und habe ihn angeschriebe: Du Schwein, du Fickwesen, du Nichtswürdiger Elender usw. Hau ab, ich will dich nich mehr sehen. Rühr mich nicht an, oder ich schrei um Hilfe, hau ab mit deiner Hure, ab , fort. Und heulte wieder scherien los. Er habe das Mädchen fotgeschickt,m sie auch nie mehr wiedergesdehen. Erst nach zwei Stunden sie Helne wieder zu sich gekommen und nedlich mit nach Hause gekommen. Ihm aber sei es klar gewesen, dass sei keineswegs Angst gehabt habe, er könne von der Strömung mitgerissen werden, sndern dass er sie mit seinen wahnsinnigen Provokationen nichts als töten wolle! NUN sei da aber noch etwas anders in jenm versteinerten, zum Wahnsinn schönen von Schmerz durchscheinenden Gesicht gewesen, ja, alle Toten, die im Krieg von den Nazis umgebracht worden waren, schienen da mit aufzuscheinen, als wären auch sie jetzt gekränkt worden,m unerträglich sei dieser Effekt gewesen, diser enorme Vorwurf, der kaum in seinem scharfen unbegreiflichen Ausdruck, einer Art "Arbeit im Negativen", die nur die des Todes sein könne stand in dieses Gesicht der Jüdin Sonja einegschrieben, die ihn liebte.Das sei nicht zu ertraghen gewesen, das könne man ihm ohne weiteres glauben, das sei mehr, als ein Mensch ertragen könne.Die Erschossenen also in ihren Augen, sie schienen mich anzusehen, und ich starrte auf diese Pupille mit dem Spiegel darin ..." 5.3. Mich bewegt diese Geschichte meines Freundes Terplan. Er wird uns bald besuchen. Anna wollte das verhindern, sie fürchtet seinen "Wahnsinn". Er war von Anna nicht losgekommen, so lange sie lebte. Und nachher erstrecht nicht. Wahrscheinlich, weil sie ihn "hinüber" mitzog, und es auch jetzt noch tut? Reichte Sonja nicht? Er hat mir die ganze Anna-Tragödie sehr vernünftig und ohne Schnörkel in jenem Brief, der gestern hier ankam geschildert. Und den Befund und Arztbericht des Prof. Mack begelegt: Anna war ein intellektuell frühreifes Kind und begann sehr früh, allein zu lesen. Besonders geheimnisvolle Geschichten und Bücher über Gespenster und Poltergeister zogen sie an. Die Familie ging beinahe jeden Sonntag zur Kirche. Sie sagte mir einmal: »Mir gefiel die Idee der Erbsün¬de nicht. Sie ergab für mich keinen Sinn ... Den Heiligen Geist mochte ich sehr» Sie beschrieb den Heiligen Geist als »das ver¬bindende Gewebe, das die ganze Wirklichkeit zusammenhält«. Im Alter von elf oder zwölf Jahren dachte Anna über theologische Fragen nach, beispielsweise über die Aufhebung des Gegensatzes zwischen Gut und Böse, und sie las Bücher über andere Religionen. Als Studentin nahm sie an Untersuchungen über außersinnlichc Wahrnehmung teil. Sie hat ein anhaltendes Interesse daran, natur-wissenschaftliche Entdeckungen und Forschungen auf dem Gebiet der Spiritualität und des menschlichen Bewußtseins zu verbinden. Einmal spürte sie dabei elektrische Empfindungen in ihrem Körper. Bei einer anderen Gelegenheit »spürte ich, dass ich meinen Körper verließ, und ich konnte nicht zurückkehren. Ich war etwa zwei Tage lang weg'.» Diese Erfahrung erschreckte sie sehr. Nach ihrem Collegeabschluß heiratete sie Thomas. Sie wurde immer unzufriedener, da ihr Zusammenleben sehr konventionell war. Er »ließ nichts gelten, was ich ihm von meinen Gefühlen erzählte», sagte Anna. Sie und Thomas blieben mehrere Jahre ver¬heiratet, da sie einander sehr liebten. Außerdem hatte Anna das Ver¬langen »nach einer Art geordneten bequemer» Existenz. Ungefähr ein Jahr nach ihrer Hochzeit wurde Anna sehr krank. Obwohl es keine handfesten Beweise dafür gibt, verbindet sie diese Krankheit und ihre später auftretenden intensiven Nacken- und Kopfschmerzen mit der Gegenwart von außerirdischen Wesen in ihrem Leben. »Sie schlugen mich nieder», sagte sie. Während sie eines Tages mit Thomas spazierenging, gaben ihre Beine plötzlich nach, und sie brach zusammen. Gleichzeitig bekam sie Fieber Ihr Zustand war sehr ernst, und sie war gezwungen, sich arbeitsun¬fähig schreiben zu lassen. Sie brauchte lange, um sich wieder zu erholen, und während dieser Zeil wuchs die Entfremdung zwischen ihr und Thomas. Schließlich ließen sie sich scheiden. Das Paar hatte keine Kinder, und ihres Wissens war sie niemals schwanger gewe¬sen. In Bezug auf ihre Krankheit behauptet Anna: »Es war zu mei¬nem Bestem.» Für sie war es ein Zwischenfall, der sie auf ihren jet¬zigcn spirituellen Pfad brachte. Etwa fünf Monate, bevor mir Anna schrieb, lernte sie einen jun¬gen Mann namens Miguel kennen.» Als Anna und Miguel bei ihrem zweitem Treffen essen gingen, kam er sogleich auf UFOs zu sprechen und erzählte ihr, dass er ein Raumschiff gesehen habe. Diese Art Synchronizität oder Zufall kommt sehr häufig bei Entführten vor. Anna nannte Miguel ihren »außerirdischen Freund». Miguel he¬richtete, dass er in seinen Träumen Außerirdische sah, und Anna fühlte, dass er sogar so etwas wie ein »Beauftragter» einer außerirdi¬gehen Rasse sein müsse. Er handelte manchmal so teilnahmslos, dass sein Verhalten sie an die hybriden Kinder erinnerte, die von Entführten an Bord der Raumschiffe gesehen werden. Er war als Baby in einem Brutkasten gewesen und zeigte Anna zufolge oft »eine starke Bedürftigkeit». Gleichzeitig schätzte Anna die Gelegen¬heit, ihre Begegnungen mit ihm diskutieren zu können. Annas Entführungsgeschichte vermischt sich mit Erinnerungen an unterschiedliche Arten paranormaler Erfahrungen. Sie hat eine sehr frühe Erinnnerung - »sechs Wochen alt oder weniger» - dar¬an, »hochgenommen und angeschaut zu werden». Sie glaubt, dass »jemand fotografierte ... Es war wie der erste Moment des eigenen Bewußtseins», sagte sie. »Ich kann meine Augen schließen und mich daran erinnern.» Begegnungen mit Geistern »kamen in mei¬ner Jugend ständig vor». Diese begannen schon, als sie vier Jahre alt war, wie sich Anna erinnert. »Ich wurde eine hervorragende Erzählerin von Gespenster¬geschichten.» Manchmal baute sie ihre Geschichten aus, indem sie Porträts ausschmückte, und sie erzählte »Geschichten aus früheren Leben», die auf phantasievollen Nacher¬zählungen ihres Lebens beruhten. Sie konzentrierte sich auf die Augen der Porträts und war »hypnotisiert». Das Porträt »vibrierte vor Leben» und füllte einen »dreidimensionalen Rahmen». Zusätzlich zu den Gespenstergeschichten spielte Anna in ihrer Kindheit mit ihren Freunden »Séance-Spiele». Einmal - bei einer Schlummerparty - bat sie ihre beste Freundin Annie, die zugleich die kleinste war, sich auf den Boden zu legen, und sagte: »Wir werden jetzt versuchen, dich schweben zu lassen: Ich weiß auch nicht, woher ich über Levitation Bescheid wußte. Wir stellten uns alle im Kreis auf, ich glaube, ich stand an ihrem Kopf, und dann sagte ich etwas, und auf einmal klappte es, und das Mädchen schwebte.» Alle anwesenden Kinder hatten »das Gefühl, das etwas Seltsames passiert war», und hinterher sprach keiner von ihnen über den Zwischenfall. »Ich erinnere mich sehr lebhaft an diese Nacht», sagte Anna. »0 Gott: In dieser Nacht war das ganze Zimmer sehr seltsam ... Es war eine Menge Elektrizität in diesem Zimmer Ich glaube, hinterher war es den Kindern nicht einmal mehr bewusst.» Ich fragte sie, ob die anderen jemandem davon erzählt hätten. »Ich glaube nicht, dass sie auch nur daran gedacht haben.» Anna erschien es, als ob »ihnen suggeriert worden sei, nichts davon zu erzählen». Vor ein paar Jahren fragte Anna das Mädchen, das sie zum Schweben gebracht hatte: »Haben wir dich schweben lassen?« Das Mädchen bejahte dies, und alle Anwesenden seien damals von dem Erlebnis verstört gewesen. Später, während der Rückführung, verband Anna dieses Wissen und diese Fähigkeit mit der Erfahrung, in Raumschiffe hinein, drin¬nen herum und auch draußen zu schweben. »ich fühle mich, als schwebe ich um das Raumschiff~herum», sagte sie, »als oh mir jemand eine Vorführung im Schweben gibt. Als ob er mir zeigen will: ,Oh, du kannstja schweben!' Und so lassen sie mich schwe¬ben, sie lassen mich im Grunde genommen spielen. Sie lassen mich um das ganze Raumschiff herumschweben und hoch und runter» Obwohl das Erzählen von Gespenstergeschichten aufgehört hat¬te, als Anna ungefähr neun Jahre alt gewesen war, fühlte sie manchmal immer noch die Anwesenheit eines Wesens im Haus. »Als ich dreizehn war, spürte ich immer alles mögliche im Haus», erinnerte sie sich, »wie Dinge, die die Treppe heraufkamen ... Ich sah nicht allzu genau hin. Ich versteckte mich ziemlich schnell unter dem Bettlaken. Aber ich sagte immer, richtig heftig, aber nur im Geiste, ich habe es nie laut ausgesprochen: ,Ich bin noch nicht bereit! Entschuldigt, aber ich bin erst dreizehn, wartet noch!' Das passierte oft. Oft, oft, oft.» Während unseres ersten Treffens sprach Anna über die starken Schmerzen in Kopf und Nacken, die sie in ihrem ersten Brief an mich erwähnt hatte. Ergänzend zu dem, was sie in ihrem Brief geschrieben hatte, erzählte sie, dass sie während der ärztlichen Behandlung vor ein paar Jahren »begann, eine Menge Gestalten in ihrem Kopf zu sehen, und sie schienen mit mir zu sprechen». Sie schloß ihre Augen und »sah diese kleinen Burschen da oben in einer Ecke von meinem Kopt; und sie waren hell, richtig gelb und hell, so rund ... Nachdem ich begonnen hatte, diese Burschen zu sehen, verschwanden die Schmerzen.» Die Gestalten »sahen gelb und rund und ziemlich gutmütig aus... Das vorherrschende Gefühl, das ich habe, ist Ruhe. Sie sind so ruhig.» Sie hatten »sehr helle» Körper mit großen Köpfen. Sie erinnerte sich an keine auffälligen Gesichtszüge der Lebewesen, nicht einmal an die Augen. »ich kom¬me mir vor, als wäre ich daheim», sagte sie, »es ist wie das ideale Gefühl einer ... wie eine Familie, die einem Nestwärme gibt.» Nach ihrer ersten Verbindung mit diesen Lebewesen, die sie »Licht¬wesen» nannte, begann Anna ihre Hand auf eine Stelle ihres Hintekopfes zu legen.¬ Ich war erstaunt, dass Anna sich dafür interessierte. Ich fand vor dem ersten Scheidungsgespräch noch ein Konvolut Papiere in Annas Schreibtisch. Ich nahm voller Neugierde die Aufzeichnungen. Im Bericht des Dr. Mack, eines gefragter Harvardwisssenschaftler, den Anna bei ihrem Amerikaaufenthalt aufgesucht hatte, und seine Patientin geworden war, stand: Die Hochschulabsolventin Anna war achtundzwanzig Jahre alt, als sie mir schrieb und mich um eine Hypnosesitzung bat. Sie stand kurz vor einer Reise und schrieb, sie wünsche dringend, noch vor ihrer Abreise hypnotisiert zu werden, »um einige Gefühle und Informationen loszuwerden, die unter der Oberfläche schlum¬mern, und um ein Gefühl der Ängstlichkeit und Verwirrung zu ver¬mindern, das sich in letzter Zeit verstärkt hat». Viele Details aus Annas Akte habe ich ausgelassen, um ihre Anonymität zu wahren. In dem Brief schrieb sie, dass sie vor einigen Jahren, während einer Massagebehandlung wegen Schmerzen an der Schädelbasis, »erlebte, wie kleine Lebewesen mit mir telepathisch kommunizierten». Sie bemerkte auch, dass sie spontan Zeichnungen mit einem Stift in jeder Hand machte - «Ich hatte niemals zuvor mit der lin¬ken Hand gezeichnet» -, und zwar von außerirdischen Lebewesen, wobei sie sich besonders auf die Augen konzentrierte. Ihre Zeich¬nungen zeigten auch Passagen und »eine Art kaum wahrnehmbares Körperfeld» wie «der zarte Körper eines Wesens». Anna wuchs in der Umgebung einer Industriestadt auf. Sie nennt ihre protestantische Erziehung »konventionell« und beschreibt sich selbst als Person, die versucht, die Wirklichkeit so klar wie möglich wahrzunehmen. Anna hat niemals Drogen genommen, und sie trinkt nicht. Sie bringt dies mit ihren Begegnungen in Zusammen¬hang und glaubt, dass ihre Erlebnisse viel bewußter und klarer geworden sind, seit sie auf Koffein, Schokolade und fast völlig auch auf Zucker verzichtet. Annas Vater ist tot. Er war intelligent, aber Anna glaubt, dass er Legastheniker war, und sie vermutet, dass dies seine Leistungsfähig¬keit bei den für den beruflichen Erfolg notwendigen Schreibarbei¬ten beeinträchtigte. Er war ein frustrierter Mann, der seine Frau physisch und verbal mißhandelte. Auch Anna beschimpfte er Oft beobachtete sie, wie ihre Eltern sich stritten, und gelegentlich sah sie, wie ihr Vater ihre Mutter schlug. Verängstigt durch den Wutan¬fall ihres Vaters, ging Anna in ein anderes Zimmer, um nicht geschlagen zu werden. Sie erinnert sich, dass ihr Vater netl zu ihr wa~ als sie noch klein war, aber als sie sich in der Schule hervortat, zog er sich zurück. Im Gegensatz dazu ist Annas Mutter beruflich ziemlich erfolgreich. Besonders nahe stand Anna ihrem Großvater mütterlicherseits; er starb, als sie ein Teenager war Er war »sehr gütig», und »wir saßen stundenlang da, saßen da, und ich las ihm etwas vor ... Er war auf meiner Seite, ein wirklich gutes Vorbild.» Auch noch zehn Jahre nachdem ihr Großvater gestorben war, hatte Anna ot4 das Gefühl, dass er mit ihr im Zimmer war, besonders wenn sie an ihrem Schreibtisch arbeitete. Sie erinnert sich an ein »komisches» Zimmer im haus ihres Großvaters. Als Kind ging sie oft in dieses Zimmer, schloß die Tür und saß lange dort. In einem »nicht ganz wachen» Zustand erlebte Anna eine Art »schemenhafte Energie» in diesem Zimmer, erinnert sich aber nicht an weitere Dinge. 6.3. ARTE Filmreihe: Von Geistern und besessenen Seelen. 20,45 "The Gost and Mrs. Muir!" 1947, GBL. Mankiewicz. Gene Tierney u. Rex Harrison. Dann "Ghengis Con" Eilijah Moshinsky. Witwe Muir, im Haus des Kapitäns. Der spukt. Kontrolliert alles. Erscheint in ihren Köpfen. Spricht mit ihr. Dikiert ihr einen Roman. Eine Liebsgeschichte. So das schmerzlich Problem Vergehen und Zeit. Bonmots: "Glauben Sie nur fest an mich, dann gibt es mich." Oder: Aus mir wird nichts mehr, alles was ich war, ist gewesen." Usw. Paradoxe in der Sprache. Wunderbare Möglichkeiten. Auch dass ihn niemand sieht, außer Lucia. Das Kind mit ihm spielt. Engelspielgefährten. Erst am Schluß gehen sie in Liebe heim, holt er sie ab. So auch Schutzgeiset, weil er prophetisch sein kann, voraussieht, überall hin sieht, sei beobachtet, wie die Stimmen auch. Und wird als "Traum" ausgegeben, sie habe ja nur geträumt, und wie viele Träume sind vergessen. So melancholisch, wie die Kindheit, das Leben selbst. Und unendlich auseinander, Abgrund der Zeit. Mein Gott, was haben wir alles versäumt. "Er hat nie existiert, wir haben ihn erfunden," sagt Lucia zu ihrer Tochter. Wie ein Tulpa oder das Gespenst "Philipp"? "Und jetzt wirst du nie mehr müde sein," sagt er zu ihr, und beide sind wieder ganz jung. Denk an das Bergwerk von Falun. Ist sie nun die UNSTERBLICHE GELIEBTE? Auch der andere Geisterfilm, der ermordete jüdische Komiker Schatz taucht einem ehmaligen SSD-Sturmführer in der Kleinstadt auf, wo er jetzt als Kommissar lebt. Nur von ihm wird Schatz halluzinativ gesehen, als wärs sein leibliches Gewissen? Verfolgt ihn. Muß 14 Sexualmorde aufklären. Die wichtiger sind als die Massenmorde: Bei Massemorden wird nicht gefragt, wer wars, sagt Cohn, sondern warum? Bei Morden aber wird gefragt, und da muß ein Sündenbock her. "Immer ein Sündenbock. Wie wir Juden es waren, dabei waren wir unschuldig." Redet schließlich nur jiddisch. Jiddisch. Gerichte. Spricht in der Synagoge sogar Kaddisch, das Totengebet. Kommt natürlich in die Psychiatrie. Wie die meisten, die Stimmen hören, die es natürlich wirklich gibt! Irrenanstalts¬atmosphäre am Ende? Anna als Doppelgängerin wird durch die Engelszungen deutlich im Diktat erkennbar. Sich solche kurze Liebesgeschichten ausdenken: Beatrice, Sophie, Laura oder Felice (bei Kafka). Nicht den Tod, sondern das Wiederfinden nach dem Tod. Wie sie "abgeholt" werden von den Lieben! Schon bei den klinisch Toten kommt das vor, den Nahtoderlebnissen, wie sie Terplan erlebt hatte, der von Jeann nicht freikommen kann. Wegen ihr hat Terplan dies unbedachte Tat begangen. In halber Bewußtlosigkeit. Er lebte damals in Paris. Es ging ihm jahrelang sehr schlecht, und er konnte uns bisher wirklich nicht besuchen, jetzt ist er irgendwo in England. Llareggstone oder so. Voraussichtlich, weil er ... zu einer wachsenden Gruppe von Entführten gehört, die ein bestimmtes spirituelles Interesse an ihren Erfahrungen zeigen. Ihre Suche nach der Bedeutung und der Kampf; die Grenzen ihrer Wahrnehmung zu erweitern, ermöglichten ihr weitreichende Ein¬sichten. In einem Brief schrieb er auch, dass sie kürzlich begonnen habe, »Informationen zu empfangen, die andere Wesen mit Themen der Erhaltung unseres Planeten und ökologischen Übergängen in Zusammenhang brachten, besonders mit polaren und geomagneti¬schen Wechselwirkungen». Sein Wunsch, »etwas Konstruktives für unsere Welt zu tun», Ist lebensnotwendig auch für Anna, obwohl sie noch nicht weiß, in welcher Form dies geschehen wird. 7.3. Terplan war damals operiert worden. Er hatte tagelang alles, was er zu sich nehmen wollte, wieder erbrechen müssen. Doktor Etienne hatte in Endoskopien Geschwüre festgestellt, beorgniserregend, gemurmelt, Geschwüre, sie mußten operiert werden, die Operation war festgelegt für Oktober 89, doch mit schwerwiegenden Vorahnungen, als wäre die Anästhetsie tödlich, verschob er den Eingriff, er ließ mich aber dann doch überrreden diese Operation zu machen, und es geschah dann nach seiner Griechenlandreise mit Sonja in Paris, im Maison des gardiens de la paix am Boulevard Saint Michel; die Operation, die technisch zwar gelang, wurde mit einer doppelten Anästhtsie ausgeführt, diese löste neue Depressionszustände aus, keine der bsiherigen neurotischen Art, sondern eine akute klassische Melancholie, und es war alles anders als bisher, die lange Wahnsinnszeit, versuchte er mit Sonjas Hilfe und andern zu überstehen, es gelang nicht: und eingeliefert diesmal in die Klinik, vom Parc-Montsouris (rue Daviel), um Sonja die täglichen Besuche zu erleichtern, eine Klinik ganz in der Nähe ... und so schilderte er mir in einem Brief, was geschehen war: "Sonja, die Jahrzehnte meine steigenden Angstzustände ertragen musste, die Nerven offen, hautlos berührbar, Juni bis September da, bei unbekannten Ärzten, eingenommen IMAO mit dem chesse effect, also ins summende Nichts reindämmernd, mentale Konfusion da, Selbstmordverfolgungswahn onirisch da, kaum mehr die Körperbewegungen beherrscht, fallend andauernd und unkontrolliertes Erbrechen. Sah nicht mehr unterscheidend genug und Urin außer Kontrolle, ebenfalls die Sätze, Adverbe verbanden sich hemmungslos mit dem Körper: anstatt der Substantive war ein Arm da etc. Und das Summen im Hirn wie eine Schlaf und Wasserblase gefüllt mit Leere, die aufs Nasenbein drückte, unaufhörlich außerweltliches Auswachsen von Raumgefühlen aus und über mir, teils am Ohr, teils am Nasenbein. Also eine unkontrollierte Zustandsbewegung von innen, die ja auch bei Normalen immer da ist, nur eben beherrscht. In Kriegszuständen und Ausbrüchen natürlich da. Jederzeit möglich, heute zu sehen: und überalles da. Und hielt delirante Reden, sowohl Worte wie auch Wahrnehmungen entliefen mir wie wilde Tire, außer mir, ich gefangen, sie völlig frei und Ich ihr Diener. Incubus da, fletschender Zähne weiß, und blieben auch im Wachen da, nach längerer Vergehnspause nach dem Morgen natürlich auch, also so zu leben das bunte Treiben des Schlafes herübergenommen mitten in den Wachzustand und nach ihrer Logik nun wie ein Geist herumgehend zwischen den Dingen, kaum unterscheidend. Und ich war überzeugt, und redete davon auch zu den Besuchern, dass ich mich umbringen müsse, dass mir zwei oder drei Männer nach dem Leben trachteten, einer mit Bart, und dass ein Tribunal, mit Sitzungen im Nebenraum, mich eben gerade zum Tode verurteilen wollen. - Die Besorgnis der Freunde aber kam auch aus andern Zonen des Vergessenen, das ich jedoch umsomehr und auch umsoweniger nicht mehr weiß, bin angewiesen auf sie als Zeugen, diese Furcht in der Amnesie verschüttet, dass ich nämlich nicht nur mich selbst auslöschen wollte, sondern auch jede Spur meiner irdischen Existenz, so möglich, also bis auf den letzten Zettel alles, was ich hervogebracht hatte zu vernichten, meine Bücher, Manuskripte, Aufzeichnungen, ja, die Uni niederzubrennen, und schließlich mein anderes Ich, falls möglich, nämlich Sonja auszulöschen. Und Freunde und Ärzte fürchteten, es sei ein so irreversibler Zusrtand, dass mir die lebenslängliche Einweisung und der lebenslängliche Heilanstalt drohe. So erhielt ich kein IMAO mehr, sondern Anafranyl, mein Zustand besserte sich zusehend und sie konnten mich aus der Klinik in kürzester Zeit entlassen. Ich traf Sonja wieder und wie sonst in solchen Anlässen, wenn ich aus der Klink kam, fuhren wir sogleich in den Süden: doch schon am nächsten Tag kam ihr Ausbruch, es war im Hotelzimmer nach einem Bad, und eigentlich ruhig, aber sie sah in meinem Gesicht die ersten neuen Anzeichen eines Schubs möglicherweise oder der gewesenen, die Jalousien waren halbgechlossen, dunkel also, draußen Hitze und Sommertag mit Zikaden, und sie könne nicht mehr mit mir leben, schrie sie und ich sei ein Monster, schrie sie, ich aber lag wie tot auf dem Hotelbett, schrie. Als wir zurückkamen, schrie sie weiter, und ostenativ sehr, suchte sie eine andere Wohnung, fand aber so schnell keine, und so blieben wir in Höllengemeinschaft in der alten Wohnung zusammen, wie Steinhälften nebeneinander lebend, essen, schlafen, und so verließ sie mich total und ganz in meiner andauernden Anwesenheit gab es dieses Reißen, Herzzereißen auch der Dinge um mich sie und in mir tickende Wunde ja, dann stand sie vor mir auf und verschwand für den ganzen Tag, wenn ich sie anredete, verweigerte sie jede Antwort, mit mir nichtsprechend da zu sein, war schlimm, und sie zu sehen, ohne dass sie da war, so ein Abgrund, ich sah in in allen schwarzen Farben vor mir, sich auftun wie ein Maul, die Zähne bissen manchmal auch zu, faßten mich aber nicht, weil es mich auch gar nicht mehr gab, gottseidbnak, dachte ich, nur, warum tut dann alles so weh, wenn es mich überhaupt nicht mehr gibt? Denn sie lief in die Küche oder ins Zimmer, weigerte sich, auch nur mir zu begegnen, keines Blickes. Und essen, essen schon gar nicht, das kannst du vergessen, vergaß es nicht, in meiner Anwesenheit zu essen, als wärs obszön, und eine organisierte Gefangenschaft der Einsamkeit als wärs eine Halluzination begann da als Inferno, freilich wars Hoffnungslosigkeit, die am Abgerund der Zukunft liegt, da es sie nicht mehr gibt, ohne jede Möglichkeit, und hatte immer Angst gehabt verlassen, vor allem von Hélène verlassen zu werden, und nun verließ sie mich in meiner Anwesenheit täglich, Tod also bei lebendigem Leib. Ich wußte, dass sie mich nie verlassen konnte, und so hatte sie jeztzt eine neue Sache ausgedacht, einen einzigen möglichen Weg, nämlich sich umbzubringen, so mir, dem Monstrum, zu entgehen, und begann Medikamente dafür zu sammeln, sorgfältig auch Rezepte und Bücher über den Selbstmord, und auch unser Freund Nikos Poulantzas, der sich in einem Anfall von Verfolgungswahn vom Wolkenkratzer auf dem Montparnasse aus dem 22 Stockwerk gestürzt hatte, geriet ihr zum verfänglichsten Vorbild, das geendet hatte, also nicht mehr war, doch sie selbst schon er in Gedanken, der zerfetzte Körper unten, Nichtmehrsein das Phantom existierend, stärker als alles, was faßbar war und greifbar. Oder auch Anna Karenina und die abgefahrenen blutigen Köpfe unter den Zügen und gebrochnenen Gliedern unter den Lastwägen. Und eines Tages mit maximaler Ruhe und Natürlichkeit, keine Miene verzog sie, mich dann bat, ich selbst solle sie töten, und zeigte auf meine Hände, auf den Küchentisch dann mit den Messern, dies ließ mich erzittern, der Horror war total, der Körper nur kalter Schweiß und Espenlaub und alles in mir wieder verdunkelt. Dies in der höllischen Zweisamkeitsklausur, aneinandergefesselt, und hoben das Telefon nicht mehr ab, an meinem Büro hing ein Zettel: Vorläufig geschlosssen, nicht insistieren. Dann kam dieser Sonntag, es war neun Uhr morgens. Zwischen zwei Nächten und Dunkelheiten , das, was nicht nennbar ist, als wär es die Strafe für mein überhebliches Wachsein, traf mich, nein sie durch meinen Blick, der graue Strahl des Novemberlichtes durchs Fenster in unserem kleinen Appartement, kommt von oben, das Licht durchs sehr hohe Fenster, einge¬rahmtes Fenster von kaiserroten Rolleaus, gebleicht von der Sonne, Zeit und verdreckt, beleuchtet den Hintergrund dieses Lebens, das Bett, und liegend darauf Sonja, auf dem Rücken liegend, auch sie wie ich im Nachthemd, langes Gewand also, weiß, und sie gewissermaßen wie eine Schaukel oder Wiegholz der Körper, das Becken auf dem Bettrand, und die Füße auf dem Teppichboden unsicher herbhängend die Beine schlaff; ich aber, und wie eine Gedankenübertragung, ich aber kniete vor ihr, nahe, ganz nahe, gebeugt über ihren Körper, und massierte ihren Hals, fast mechanisch massierte ich, in einem fort, in einem fort, unaufhörlich massierte ich ihren Hals, der wie ein Gegenstand an meiner Haut lag; und hatte oft den Nacken, den Rücken, die Nieren massiert, und hatte die Massagetechnik erlernt von einem Genossen im Gefängnis, vom kleinen Cler, einem Berufsfußballspieler, Tausendsassa, der alles konnte; das Gesicht von Sonja war sehr friedlich, war unbewegt, und die weit geöffneten Augen fixierten die Decke, ruhig, wortlos, still, zu still dieses Gesicht, erschrocken, ich, da, sah ihre Lippen, sah die Augen so starr plötzlich, sah ihre Lippen und zwischen den Zähnen, die Lippen ein wenig geöffnet, zwischen den Zähnen ein Stückchen Zunge, wie auf die Zunge gebissen, sprang ich auf, auch der Hals kalt, war kalt, der Hals, und sprang auf und schrie: Ich habe Sonja erwürgt, hab sie umgebracht, Sonja." Er erwachte erst in der Heilanstalt Saint-Anne, der Arzt hatte ihm eine Spritze gegeben; seine Tat blieb auch weiter tief verborgen im Dunkeln seines nicht Bewußten, ihm völlig entzogen, unwissend zurückgfallen in ein Nichtsein: gelungen war die Auslöschung völlig... Ich habe ihn dann mit Anna im Frühjahr in der Heilanstalt Soisy, wohin er im Juni mit dem geschlossenen Krankenwagen unter Bewachung überführt worden war, und der große grüne Fleck, Park genannt, das Gras wie gecshoren Null, überall die weißen Gestalten der Patienten, und die blütendweißen Pavilione zischen hohen Bäumen, im Pavillion Nr. 7 traf ich jenen Mann, den ich fast für mein Alter ego hielt, aber nur unter Bewachung. Wahnsinn war es, dieses Vorhaben mit dem Kanken nun über das Ende der totalitären Seelen und gar über das späte Ende von Karl Marx oder Lenins Hirn zu reden, von dem es heißt, es sei so verkalkt gewesen, dass bei der Autopsie es wie ein Stein auf dem Seziertisch geklappert habe, den aber der Patient immer noch verteidigte. Er aber, er hatte anderes im Sinn, angestrengt zerfurchtes Gesicht, über dem eine tiefe Dunkelheit lag, Nacht, schwer, die versuchte ihn in sich zu ziehen, Wachheit eine Leistung, umschattet die Augen, die müde waren, alles müde, und angestrengt da, nur der Mund bewegt und da, die Rede, Worte zwischen dem Zigarettenstummel, der immer brannte, die Hände mit einer abgenommene Brille über dem Tisch, die Hände sehr alt, auch der Anzug dunkel, fast schwarz über der abgemagerten Gestalt, fast eng der Brustkorb asthmatisch, Schultern kaum, das Hemd weiß mit offenem Kragen, sieben tiefe Falten auf der Stirn, hochgezogen darunter die umschattenen Augen, Brauen hoch, als wäre es ein zum Tode Verurteilter, der überlebt hatte, kam es mir vor, die Hände um den eigenen Hals, zugedrückt, dachte er; und Terplan redete und redete nur vom Selbstmord, ein Vortrag. Und auf die Frage, ob er sich unglücklich fühle, frappierende Antworten. Merkwürdige Erinnerungen an das relative Glück Aufzuckende Blitze: weils ein geschlossener Raum war, also auch geordnet und perfekt, Einheit wie ich sie zum Glück auch in der Heilanstalt oft wegen Geschützseins erfahre, sagte er, und schönes Ausgelöschtsein nun, endlich Nichts sein, völliges Nichtssein erstrebe. Tabula rasa jedoch ziemlich gelungen, im leer summenden Raum der Krankenstation. Gelungen, nicht nur sich auszulöschen, und ich dachte plötzlich, dass ich hier einen lebenden Toten sehe, überlebt, längst vergangen, doch atmend, der verzweifelt versuchte, endlich sterben zu dürfen, zu entkommen, das zu sein, was er wirklich war, und auch das Gedachte oder Gefühlte, das die Welt war, die er mit sich trug, ja sogar sehen musste, sekundenweise auf ihn anrollend zurollend, er mit. Dachte an andere Fälle, den andere in den Zimmern, Hölderlinien... Er war sich völlig bewusst, und klar im Kopf, sich selbstbeobachtend, und so, als wäre tatsächlich einer in ihm, der sehr trauert. Anna Lyssowa, die Lovs Aufzeichnungen, wie sie hier abliefen und in der gleichen Anordnung gelesen und kopiert hatte, würde sich damit begnügte Joyce kurz zu berichten, vielleicht alles als unbedeutendes Psychogramm schriftlich "niederzulegen". Sie kopierte noch einige Seiten, und fand auch wichtige Pläne und Aufnahmen. Sie knipste das Aquariumlicht im Arbeitszimmer Lovs aus, dann an, dann wieder aus. Ihr gefiel es, wie die neon-pinken Steine, die am Boden lagen, erst verschwanden, wieder aufblitzten, dann wieder verschwanden, insgeheim aber hoffte sie noch etwas Verborgenes zu entdecken. Einer der Hummer, seine Gelenke und Teile seines Körpers mit pelzigen grünen Algen überzogen, schien ihr wie die Aliens aus anderen Welten zu sein. Gerüchte entstehen doch aus ganz normalen und banalen Dingen, die die Phantasie in bestimmten Situationen stark beanspruchen, wie ein Gang aufs Klo in der Nacht, dachte sie: sie ver¬harmloste gern, hatte einen zynisch-empirischen Sinn, - eben hob der Hummer eine zu¬sammengebundene Zange: "Gute Nacht", sagte sie und klopfte mit ihren Fingern ans Glas. Da kam unerwartet Lov zurück. Sie erschrak. Gottseidank hatte sie die Schub¬laden alle geschlossen. Sie tat harmlos, drehte sich zur Küche, um, wie sie behauptete, zu schauen, ob ihr Arbeitsplatz sauber war. Und vor lauter Verblüffung dutzten sie sich spontan: "Ißt du Fisch", fragte er, "seit du hier arbeitest?" Humor also doch, hatte er etwas bemerkt? "Fisch", peste, hieß hier so etwas wie Zuhälter, nicht etwa Chri¬stus. Sie ging zum Tisch zurück. "Ich esse hier nie", sagte sie mit humori¬gem Doppelsinn. "Aber einmal hatten wir eine Fledermaus in der Küche." Lov nickte, als habe er verstanden. Er aß eine Kroket¬te, die da auf dem Tisch lag, und schob ihr den Teller zu, als wollte er die Sache klar stellen, dass da kein Hintersinn sei. "Willst du eine?" sagte er, und dutzte sie. Was hatte er mit ihr vor, wollte er plötzlich Sex und die Bettaffaire; der war schon unberechenbar. Und sie war verpflichtet, notfalls auch seine Wünsche zu erfüllen, denn das Anmachen gehörte ja zu ihrer Aufgabe. Sie lachte ihn gekonnt or¬dinär an, sie, die professio¬nelle Verwand¬lungskünstlerin, hier sollte sie die Naive spielen: und machte eine entsprechend wedelnde Be-wegung mit ihrer Hüfte; jetzt hätte sie ihre Überra¬schungs-nummer abziehen können: Ich gehe ins Bad! Doch sie hielt sich zu¬rück. Ei¬gentlich gefiel er ihr als Mann gar nicht, er war ihr zu alt und hatte einen seltsamen muffigen Geruch, der andere vielleicht angemacht hätte, als wäre es Moschus. Doch sein Fleisch war noch fest. Die Ausstrahlung sehr energisch und elektrisierend. "Ich hasse Verschwendung," sagte sie, und musste lachen. Er bemerkte Ketchup auf seinem Hemd und fluchte leise. "Rote Sprit¬zer!" Er sagte das , als wäre es Blut. "Mach dir nix draus", sagte sie und dutzte ihn nun auch. "Das geht schon raus." Sie tippte eine Serviette in ein Glas Wasser und wischte über sein neues Hemd; der Fleck wurde rosa und verblaßte. Dann tippte sie mit der Serviettenhand auf seine Ho¬se, die Hoden blitzschnell umfahrend, als wäre auch dort ein untilg¬barer Fleck. Er erschauerte, tat aber so, als habe er nichts bemerkt. "Danke." Er stand auf. "Wie kommst du denn heim?" fragte er abwe¬send, als wohne sie nicht vis á vis. Sie lachte laut auf: "Ich rufe meinen Vater an, der kommt mich dann ab¬holen". Er entschuldigte sich mit belegter Stimme wegen seiner Zerstreutheit, und berührte zufällig ihre Brust. Sie zuckte zu¬sammen, denn es wirkte wie ein leichter elektrischer Schlag. Wohl doch eine Art Hexer, dachte sie. Und ging rasch der Ausgangstür zu. Er aber sinnierte, als sie gegangen war, nur ihr Duft noch im Raum, und ihr Bild in seinem Hirn, von besessenen Umarmun¬gen, alles sind endlose Verkno¬tungen se¬xueller Umgarnun¬gen, Stöhnen, und Mösendüfte im Wald: ge¬miti d´amor, nodi d´amor, saldi e tenaci, Verkno¬tungen von Körpern wie ein Labyrinth, voller Zoten, die schon Leonardo gern sammelte, und doch sei es eine Krankheit, Liebeswahnsinn, Votzenirrsinn. Und meinte es hinter sich zu haben; doch das Selbstporträt der schönen Hobbyfotografin, das sie bei ihm "vergessen" hatte, ging Lovering nicht aus dem Sinn: Sie liegt nackt in wartender Haltung auf ei¬ner durch-sichtigen Folie, die linke Hand hinter dem Kopf und ihrem hochgesteckten Haar ver¬schränkt, dabei faßt sie an ein klei¬nes Holzmühlen¬rad, auf dem ihr Kopf ruht, der Kopf ist leicht aufge¬stützt, das in¬telligen¬te Gesicht wirkt müde, die Lip¬pen sind lü¬stern, halb geöffnet, Anna Lyss liegt lasziv da, die rechte Hand auf der Nabe, als be¬wege sie, und nicht das Wasser, ihr kleines Rad, Räd¬chen ... sie ist selbst das Was¬ser, nackt hinabrinnend auf der Folie, sie selbst in ihrem Kör¬per aufwärts fließend, und das Fließen be¬ginnt mit der schwarzen V., ihrer dem Blick ausge¬setzten Mitte, ei¬ne vogelarti¬ge Vulva, die wie ein Haarberg ins Auge sticht und wächst, zu dem alles strebt, von dem alles kommt, und nur zwei Vi¬pern, aus Lehm geformt, schlän¬geln sich glänzend und wie in einer Gegenströmung zwi-schen den klei¬nen Brüsten mit aufge¬richteten Nippeln dem Gesicht zu, das durch einen schwarzen Strich zweige¬teilt ist: das Schmetter¬lings¬haar, das dies gelöste Ge¬sicht mit dem bekannten, wenn auch matteren Rätsellächeln, um¬rahmt, die starken Wim¬pern über den halbgeschlossenen schwarzen Augen, dann diese große Scham, die in ihrem nackten und ungeschützen Ausgesetz¬tsein erregt, und zu nichts an¬derem mehr Raum läßt, nichts anderes den¬ken läßt, sie ist wie ein unge¬heurer Sog, die Spalte unter dem Vogel¬gesicht ihres Schamhaares, wie die Nacht, der Körper wei߬schim¬mernd im Licht. Anna Lyss´ Nacktheit - ein ru¬hender Punkt, der Zeit aufhebt, wie ein Zurückgeborenwerden; sie ist Fotografin und Hobbymalerin, nicht nur beim Abkupfern und Spionieren, sie mag pRicheln¬de Geheimnisse, wie Nacktheit und Geister. Ob Tote noch miteinander ins Bett gehen können? Sie ist daran ge-wöhnt, gesehen und beschrie¬ben zu werden, und hat sich selbst so nackt ver¬ewigt. Zweiter Teil 1 Anna Lyssowa war ja eigentlich Tänzerin von Beruf, und seit dem To¬de ihres Mannes war sie in solche Kreise geraten, die Lov, den Denker, man glaubt es nicht, anzogen, auch das Denken, sagte sie einmal zu ihm, das kommt zwar nicht aus dem Bauch, tut aber so, als gebe es ihn nicht. Man kennt es. Ja, die Neu¬gierde, die Neu¬gierde; und manchmal hatte Lovering geradezu das Gefühl, dass er erst jen¬seits der Grenze des Gewohnten und Erlaubten nach Hause kam, und da¬zu gehörte auch der Sex, wie er jetzt erstaunt feststellte; von Tantra, das sie ihm angeboten hatte, wußte er frei¬lich einiges, aber eher theoretisch, ja. Und er merkte erst seit er Lyss kannte, dass da eine Schale, eine Maske von ihm abfiel, und so nahm sein Inneres, das etwas ver¬schüttet war, das verdrängte Kind in ihm auf, diese neuen Heimlichkeiten als eine Art Widerstand und Heimkehr in ein ersehn¬tes, aber nie zuerkanntes oder betretenes Zuhause und Paradies. Ekstase als Fahrzeug. Annalyss träumte, als hätte sie es irgendwo schon gelesen: dass sie wieder in irgendeinem Londoner Bumslokal nackt die Käfignummer tanzte in einer hei¬ßen blauen Lichtsäule, wo ihr die Ge¬sichter mit blau un¬terlegtem Augenweiß zugedeckt wurden. Spiegel, überall Spiegel, die Welt im Augen¬schlitz, und nie anders als Spiegel. Sie hatten die Miene aufgesetzt, die alle Männer aufsetzen, wenn sie dich tanzen sehen, Ef¬fekte, von ihr erzeugt; sie glotzen mächtig, aber sind gleich¬zeitig zugeknöpft, dachte sie: so dass ihre Augen gar nichts verraten und das Gesicht trotz der Schweißperlen wie ein künst¬liches Gebilde aussieht, Pup¬pen, nichts als Puppen! Nicht, dass sie sich was daraus machte, wenn sie im Käfig stand und warm wurde und abfuhr auf den Beat beim dritten Song der Nummer und die Band ge¬rade voll reindröhnte und die neue Power in den Beinen sie auf die Fußballen hob ... Einer davon packte sie am Knöchel. Lov? Sie wollte schreien, aber brachte keinen Laut hervor, jeden¬falls nicht sofort, und als er dann kam, gab es ihr innerlich einen Stich, tat weh, und das blaue Licht wirbelte durcheinander, aber die Hand war noch da, noch dran am Knöchel. Sie fuhr hoch im Bett wie ein Stehaufmännchen, rang mit der Dunkel¬heit, streifte Haare aus den Augen. Als griffe ihr jemand mit der andern Hand an die Stirn und drückte sie nieder aufs zerknüllte Kissen nieder. »Geträumt... « Die Hand war noch da, und sie wollte schreien. Die Hand ging weg, und sie erwachte völlig aus dem Alptraum. Automatisch griff sie zur Zigarette, um sich zu beruhigen: Feuerzeug¬klicken und Flamme, die Flächen eines Gesichts ... nein, sie schnellten ihr nicht mehr entgegen. Sie setzte sich schnell auf, zog die Beine an bis unters Kinn mit der Army-Decke darüber wie ein Zelt, da sie - auch von "ihnen" - gar nicht angefaßt werden wollte. Es schien ihr als wäre jemand im Zimmer, das kaputte Bein des Stuhls aus Recyclingkunststoff ächzte bedroh¬lich, als habe er sich zurückgelehnt und selber ei¬ne angesteckte. Brich, dachte sie, schmeiß ihn auf den Arsch, damit er mich verhaut. We¬nigstens war es dunkel, so dass sie die Penne nicht anzuschauen brauchte. Das Schlimmste war, wenn sie mit einem dicken Kopf auf¬wachte und sich vor Übelkeit nicht rühren konnte, wenn sie ausge¬powert heimgekommen war und vergessen hatte, die schwarze Pla¬stikfolie vorzukleben, wenn somit die Sonne grell die vielen kleinen Details ausleuchtete und die Luft aufheizte, so dass die Fliegen in Schwung kamen. Manchmal schien es ihr, als ob Joyce im Zimmer sei und sie beobachtete: Und wenn sie sich weiter beschwerte, was über dies Zimmer sagte oder ir¬gendwie andeutete, dass er Dummheiten erzählte, würde er bestimmt wieder an¬fangen mit seinen unendlichen Vorträgen. Wie gestern, als sie wegen der Vie¬cher kreischte, der Schaben, die sich Aliens schimpften, weil diese verdammten Biester näm¬lich Mutan¬ten waren, behauptete er: die Hälfte davon; es wollte sie je¬mand vernichten und verkorkste dabei ihre DNS, so dass man eben ganz ver¬korkste Schaben zu sehen bekam, die krepierten, weil sie zu viele Beine oder Köpfe hatten oder zu wenige. Und einmal sah sie eine, die sah aus, als hätte sie ein Kruzifix oder dergleichen verschluckt. »Edd«, sagte sie laut, und lachte in ihrem Selbstgespräch auf: versuchte, einen zärtlichen Ton anzuschlagen, »ich kann auch nichts dafür aber ich er¬trag dieses unheimliche Zim¬mer bei dir einfach nicht mehr...« Aber was der hören wollte, war nicht die Wahrheit oder derglei¬chen. Er wollte eine Geschichte, Lovs Geschich¬te, die er ihr zum Aufsagen beigebracht hatte. Und auch Lov wollte nicht hören ... sondern er er¬zählte von seinem Archiv, und ge¬nau dieses war ihr Job, ihn reden, reden, reden zu lassen, damit er alle seine Geheimnisse verriet. Lov, wie alt er wohl war, alterslos, oder um die 70? Da zeigt es sich wieder: Sexenergie und Geist gehören zusammen, Tantra weiß es, Lov hatte gestern stundenlang geredet, und sie wußte, eigentlich wollte er mit ihr ins Bett, reden, das war seine Art zu sagen: willst du mit mir schlafen? Und erwachte dann morgens allein im Bett, weil er das Falsche und zu lang das Falsche gesagt hatte, lag dann voller Reue im Bett, ganz still und horchte. Sie war ja nicht mehr da. Von fern war das schwache, ständige Rauschen des Verkehrs zu hören. Sie war längst zu Hause. Kalt war es im Zimmer; sie hüllte sich zeltar¬tig in den rosa Duvet und stand auf. Eisblumen glänzten an den kleinen Fenstern. Sie ging zur Wanne und drückte auf einen der vergoldeten Schwanenflügel. Der Vogel huste¬te, gurgelte und spie Wasser in die Wanne. Noch in die Decke ge¬hüllt, öffnete sie ih¬re Koffer und machte sich daran, die Kleidung für den Tag auszusu¬chen, wobei sie ihre Auswahl aufs Bett breitete. Als ihr Bad fertig war ließ sie die Decke auf den Bo¬den glei¬ten, stieg über den Marmorrand und senkte sich mit stoischer Fas¬sung ins schmerzlich heiße Wasser. Die Eisblumen waren im Dampf aus der Wanne geschmol¬zen, die Scheiben liefen an. Ob in jedem englischen Schlafzimmer eine Badewanne steht wie hier so weit entfernt von England, fragte sie sich. Und rekapitulierte das, was sie be Lov über Janine, Terplan und die arme Sonja gelesen hatte. Jaja, Lovs "Schwarzes Buch" ist es wirklich tiefschwarz? Eigentlich war Lovering ein großer Zweifler, und er hatte alle diese Re¬cherchen, denen der Dienst nun auf der Spur war, nur unternommen, und bis zur Beses¬senheit weitergeführt, um sich selbst zu überlisten, das war Lyss heute nacht klar-geworden; und da knüpften sie jetzt an, um ihn zum all-gemeinen Downer Programm "zurückzuführen". Ob sie das schon wußten? Ist das einkalkuliert? Das wäre sehr raffiniert: er glaubt ei¬gentlich nicht an die anderen Ebenen, und er wäre zu Tode er¬schrocken gewe¬sen, hätte sich wirklich eine Erscheinung in seinem Zimmer gezeigt, er fürchtete solch einen Au¬genblick, vielleicht, weil er gar nicht daran glauben konnte, dass sie möglich ist. Vor kurzem erst hatte er von Terplan, einen Brief erhalten (komisch, dass die auch brieflich verkehren!), der ihm wieder seine Ungewißheit und seine Zweifel vor Augen führte, da Terplan wohl nicht wagte, es ihm mündlich zu erzählen; für Terplan ist er Freund, Vaterersatz und Therapeut zugleich. (Wie alt mag dieser Terplan sein, sicher um die fünfundvierzig! Sieht aber trotz Verrücktheit anregend aus, sein Körper noch straff, der Arsch fest, regt mich an, hat sicher einen recht kräftigen Schwanz, gebs zu!) Sie sprang aus der Wanne, plötzlich voller Angst, dass sie den Brief vergessen hatte. Nein, da war er in der Handtasche: "Lieber Lov, ich erzähle Dir hier nun ein Erlebnis, das selbst Du nicht für glaub¬haft halten wirst, weil es ein¬fach unbegreiflich ist. ..." stand da. Die Ausbeute schien gut, doch war Lyss über sich selbst wütend, weil sie ihren Kör¬per auf diese Weise mißbraucht hatte, ihr Nacktfoto absichtlich zurückgelassen hatte, „Diensthure“, murmelte sie ergrimmt, denn sie mochte Lov eigentlich nicht, Scham stieg in ihr hoch, ein peinliches Gefühl des Selbstverrates. Sie rieb sich nervös, irritiert aber systematisch mit einem ovalen Stück französi¬scher Seife ein, als könnte sie alles wegsäubern, stand auf, spülte den Schaum ab, so gut es ging, wickelte sich in ein großes schwarzes Badetuch und fand nach einigem Probieren Waschbec¬ken, WC und Bidet. Die Wohnung war ihr erst heute zugewiesen worden! Der Schlüssel noch neu, frisch alles. Mein Gott, A-gentin: das WC in ei¬nem winzigen Raum ver¬steckt, der früher vielleicht ein begehbarer Wandschrank gewesen war, da sollte wohl einer der Kollegen bei Bedarf mithören, wenn sie Lov nachts hier hatte, das verlangte man wohl von ihr - und mit dunklem Holz war das alles auch noch edel getäfelt. Das theatralisch aussehende Telefon läutete zweimal. "Ja?" "Joyce hier. Wie wars? Lust auf Frühstück? Oberth ist da. Will Sie sehen, das Archiv wartet." "Danke", sagte sie kurz angebunden, "brennts, ich hab schließlich die ganze Nacht gearbeitet! und ich ziehe mich gerade an." Sie schlüpfte in ihre beste, voluminöseste Lederhose, wühlte sich in einen haarigen blauen Pullover. Und verließ die Wohnung, als ginge sie vom Dienst heim. 2 (Wer aber ist Anna Lyssowa wirklich? Weder Lovering, noch Joyce wußten es. Joyce hatte im Archiv eben nachgeprüft. Doch stand auch etwas in der Personalakte, das Joyce Verdacht schöpfte, sie, ja, die ganze Lyssowa könnte getürkt sein! Eine Ahnung überkam ihn, sollten sie die Lyssowa etwa gar auf ihn angesetzt haben? Name: Jinny Janine Black Deckname: Anna Lyssowa Special Agent des OSI, bearbeitet momentan das SpezialArchiv in Doddlestone, Codename der Station XH2456432 Offiziell: Pressesprecherin Waffe: SigSauer P230, spaeter eine Smith and Wesson 1076 OSI-ID#: 2419-515 Archiv -File#: 76367 Telefon: geheim (Appartement) Geburtstag: (23. 12.1963) (Als Anna Lyssowa geb. in Moskau 6. 08. 1970) Grösse: 1.70 m Haarfarbe: schwarz Augenfarbe: gruen-braun Status: geschieden Eltern: Mutter: Maria Black, geb. Ariston Vater: Edward Black Geschwister: einen älteren Bruder. "Jinny J. Black studierte Psychologie und Medizin an verschiedenen Universitäten der USA, beendete aber keinen Studiengang. Schon während ihres Studiums wurde sie vom OSI angeworben und besuchte die OSI Academy in Quantico. Da sie paranormalen Phänomenen eher skeptisch gegen-übersteht und erst nach einer rationalen, wissenschaftlichen Erklärung sucht, war sie zur Beobachtung und Bewachung von Edward Joyce ideal. Inzwischen sind 3 Jahre seit ihrer Abduction vergangen. Nach ihrer Entführung wurde sie von Dr. Harrison in Washington untersucht. Hypnosesitzungen. Dann von Prof. Mack (Harvard). Sie floh. Bemerkenwert ist, dass im wachen Zustand (meist) jede Spur der Abduction gelöscht ist, doch ihr Unterbewußtsein sperrt sich gegen jede Art von Paraphänomen. Nimmt oft heftige Gegenreaktionen an. Recherchen ergaben, dass sie plötzlich eine Charakterveränderung mitmachte, sich als Luxus-Callgirl verkaufte, und ein sexbetontes Leben führte. Nach sechs Monaten tauchte sie als komatöse Patientin in einer Klinik von New York wieder auf und erholte sich langsam. Im Verlauf der nächsten Monate kamen in Träumen einige starke Erinnerungen aus der Zeit ihrer Entführung zurück, die sie durch heftige sexuelle Phantasien zu verdrängen suchte. Zudem fanden sich auch weitere Hinweise auf die Hintergruende und das wahre Geschehen, das weniger eine Alienabduction, als vielmehr ein gross angelegtes Experiment der Regierung war. . "Anna Lyssowa" ist eine sehr hart und intensiv arbeitende Agentin, die aber mit Charme und ihren Reizen arbeitet und den Anschein einer völlig privaten, ja naiven und atraktiven jungen Frau erweckt. 3 Als Joyce aber weiter suchte, fand er unter den Buchstaben JJB noch eine Mappe, den Befund und Arztbericht des Prof. Mack. Er holte ihn hervor und las: Jinny Janine Black war ein intellektuell frühreifes Kind und begann sehr früh, allein zu lesen. Besonders geheimnisvolle Geschichten und Bücher über Gespenster und Poltergeister zogen sie an. Die Familie ging beinahe jeden Sonntag zur Kirche. Sie sagte mir einmal: "Mir gefiel die Idee der Erbsün¬de nicht. Sie ergab für mich keinen Sinn ... Den Heiligen Geist mochte ich sehr" Sie beschrieb den Heiligen Geist als "das ver-bindende Gewebe, das die ganze Wirklichkeit zusammenhält". Im Alter von elf oder zwölf Jahren dachte Janine über theologische Fragen nach, beispielsweise über die Aufhebung des Gegensatzes zwischen Gut und Böse, und sie las Bücher über andere Religionen. Als Studentin nahm sie an Untersuchungen über außersinnliche Wahrnehmung teil. Sie hat ein anhaltendes Interesse daran, natur¬wissenschaftliche Entdeckungen und Forschungen auf dem Gebiet der Spiritualität und des menschlichen Bewußtseins zu verbinden. Einmal spürte sie dabei elektrische Empfindungen in ihrem Körper. Bei einer anderen Gelegenheit "spürte ich, dass ich meinen Körper verließ, und ich konnte nicht zurückkehren. Ich war etwa zwei Tage lang weg'." Diese Erfahrung erschreckte sie sehr. Nach ihrem Collegeabschluß heiratete sie Thomas. Sie wurde immer unzufriedener, da ihr Zusammenleben sehr konventionell war. Er "ließ nichts gelten, was ich ihm von meinen Gefühlen erzählte", sagte Janine. Sie und Thomas blieben mehrere Jahre ver¬heiratet, da sie einander sehr liebten. Außerdem hatte Janine das Ver¬langen "nach einer Art geordneten bequemer" Existenz. Ungefähr ein Jahr nach ihrer Hochzeit wurde Janine sehr krank. Obwohl es keine handfesten Beweise dafür gibt, verbindet sie diese Krankheit und ihre später auftretenden intensiven Nacken- und Kopfschmerzen mit der Gegenwart von außerirdischen Wesen in ihrem Leben. "Sie schlugen mich nieder", sagte sie. Während sie eines Tages mit Thomas spazierenging, gaben ihre Beine plötzlich nach, und sie brach zusammen. Gleichzeitig bekam sie Fieber. Ihr Zustand war sehr ernst, und sie war gezwungen, sich arbeitsun¬fähig schreiben zu lassen. Sie brauchte lange, um sich wieder zu erholen, und während dieser Zeit wuchs die Entfremdung zwischen ihr und Thomas. Schließlich ließen sie sich scheiden. Das Paar hatte keine Kinder, und ihres Wissens war sie niemals schwanger gewe¬sen. In Bezug auf ihre Krankheit behauptet Janine: "Es war zu mei¬nem Besten." Für sie war es ein Zwischenfall, der sie auf ihren spirituellen Pfad brachte. Etwa fünf Monate, bevor mir Janine schrieb, lernte sie einen jun¬gen Mann namens Miguel kennen." Als Janine und Miguel bei ihrem zweitem Treffen essen gingen, kam er sogleich auf UFOs zu sprechen und erzählte ihr, dass er ein Raumschiff gesehen habe. Diese Art Synchronizität oder Zufall kommt sehr häufig bei Entführten vor. Janine nannte Miguel ihren "außerirdischen Freund". Miguel he¬richtete, dass er in seinen Träumen Außerir-dische sah, und Janine fühlte, dass er sogar so etwas wie ein "Beauftragter" einer außerirdischen Rasse sein müsse. Er handelte manchmal so teilnahmslos, dass sein Verhalten sie an die hybriden Kinder erinnerte, die von Entführten an Bord der Raumschiffe gesehen werden. Er war als Baby in einem Brutkasten gewesen und zeigte Janine zufolge oft "eine starke Bedürftigkeit". Gleichzeitig schätzte Janine die Gelegen¬heit, ihre Begegnungen mit ihm diskutieren zu können. Janines Entführungsgeschichte vermischt sich mit Erinnerungen an unterschiedliche Arten paranormaler Erfahrungen. Sie hat eine sehr frühe Erinnnerung - "sechs Wochen alt oder weniger" - dar¬an, "hochgenommen und angeschaut zu werden". Sie glaubt, dass "jemand fotografierte ... Es war wie der erste Moment des eigenen Bewußtseins", sagte sie. "Ich kann meine Augen schließen und mich daran erinnern." Begegnungen mit Geistern "kamen in mei¬ner Jugend ständig vor". Diese begannen schon, als sie vier Jahre alt war, wie sich Janine erinnert. "Ich wurde eine hervorragende Erzählerin von Gespenster¬geschichten." Manchmal baute sie ihre Geschichten aus, indem sie Porträts ausschmückte, und sie erzählte "Geschichten aus früheren Leben", die auf phantasievollen Nacher¬zählungen ihres Lebens beruhten. Sie konzentrierte sich auf die Augen der Porträts und war "hypnotisiert". Das Porträt "vibrierte vor Leben" und füllte einen "dreidimensionalen Rahmen". Zusätzlich zu den Gespensterge¬schichten spielte Janine in ihrer Kindheit mit ihren Freunden "Séance-Spiele". Einmal - bei einer Schlummerparty - bat sie ihre beste Freundin Annie, die zugleich die kleinste war, sich auf den Boden zu legen, und sagte: "Wir werden jetzt versuchen, dich schweben zu lassen: Ich weiß auch nicht, woher ich über Levitation Bescheid wußte. Wir stellten uns alle im Kreis auf, ich glaube, ich stand an ihrem Kopf, und dann sagte ich etwas, und auf einmal klappte es, und das Mädchen schwebte." Alle anwesenden Kinder hatten "das Gefühl, das etwas Seltsames passiert war", und hinterher sprach keiner von ihnen über den Zwischenfall. "Ich erinnere mich sehr lebhaft an diese Nacht", sagte Janine. "0 Gott: In dieser Nacht war das ganze Zimmer sehr seltsam ... Es war eine Menge Elektrizität in diesem Zimmer Ich glaube, hinterher war es den Kindern nicht einmal mehr bewusst." Ich fragte sie, ob die anderen jemandem davon erzählt hätten. "Ich glaube nicht, dass sie auch nur daran gedacht haben." Janine erschien es, als ob "ihnen suggeriert worden sei, nichts davon zu erzählen". Vor ein paar Jahren fragte Janine das Mädchen, das sie zum Schweben gebracht hatte: "Haben wir dich schweben lassen?" Das Mädchen bejahte dies, und alle Anwesenden seien damals von dem Erlebnis verstört gewesen. Später, während der Rückführung, verband Janine dieses Wissen und diese Fähigkeit mit der Erfahrung, in Raumschiffe hinein, drin¬nen herum und auch draußen zu schweben. "ich fühle mich, als schwebe ich um das Raumschiff herum", sagte sie, "als oh mir jemand eine Vorführung im Schweben gibt. Als ob er mir zeigen will: ,Oh, du kannst ja schweben!' Und so lassen sie mich schwe¬ben, sie lassen mich im Grunde genommen spielen. Sie lassen mich um das ganze Raumschiff herumschweben und hoch und runter" Obwohl das Erzählen von Gespenstergeschichten aufgehört hat¬te, als Janine ungefähr neun Jahre alt gewesen war, fühlte sie manchmal immer noch die Anwesenheit eines Wesens im Haus. "Als ich dreizehn war, spürte ich immer alles mögliche im Haus", erinnerte sie sich, "wie Dinge, die die Treppe heraufkamen ... Ich sah nicht allzu genau hin. Ich versteckte mich ziemlich schnell unter dem Bettlaken. Aber ich sagte immer, richtig heftig, aber nur im Geiste, ich habe es nie laut ausgesprochen: ,Ich bin noch nicht bereit! Entschuldigt, aber ich bin erst dreizehn, wartet noch!' Das passierte oft. Oft, oft, oft." Während unseres ersten Treffens sprach Janine über die starken Schmerzen in Kopf und Nacken, die sie in ihrem ersten Brief an mich erwähnt hatte. Ergänzend zu dem, was sie in ihrem Brief geschrieben hatte, erzählte sie, dass sie während der ärztlichen Behandlung vor ein paar Jahren "begann, eine Menge Gestalten in ihrem Kopf zu sehen, und sie schienen mit mir zu sprechen". Sie schloß ihre Augen und "sah diese kleinen Burschen da oben in einer Ecke von meinem Kopt; und sie waren hell, richtig gelb und hell, so rund ... Nachdem ich begonnen hatte, diese Burschen zu sehen, verschwanden die Schmerzen." Die Gestalten "sahen gelb und rund und ziemlich gutmütig aus... Das vorherrschende Gefühl, das ich habe, ist Ruhe. Sie sind so ruhig." Sie hatten "sehr helle" Körper mit großen Köpfen. Sie erinnerte sich an keine auffälligen Gesichtszüge der Lebewesen, nicht einmal an die Augen. "ich kom¬me mir vor, als wäre ich daheim", sagte sie, "es ist wie das ideale Gefühl einer ... wie eine Familie, die einem Nestwärme gibt." Nach ihrer ersten Verbindung mit diesen Lebewesen, die sie "Licht¬wesen" nannte, begann Janine ihre Hand auf eine Stelle ihres Hintekopfes zu legen.¬ Joyce wußt nun freilich Bescheid über Annalyss, und weshalb sie überhaupt zur Behörde gekommen war. Wollte sie auf diese Weise vergessen? Wollte sie sich (unbewußt!) rächen? An wem eigentlich? dachte Joyce. Joyce nahm voller Neugierde die weiteren Blätter der Auf¬zeich¬nungen: Die Hochschulabsolventin Janine war achtundzwanzig Jahre alt, als sie mir schrieb und mich um eine Hypnosesitzung bat. Sie stand kurz vor einer Reise und schrieb, sie wünsche dringend, noch vor ihrer Abreise hypnotisiert zu werden, "um einige Gefühle und Informationen loszuwerden, die unter der Oberfläche schlum¬mern, und um ein Gefühl der Ängstlichkeit und Verwirrung zu ver¬mindern, das sich in letzter Zeit verstärkt hat". Viele Details aus Janines Akte habe ich ausgelassen, um ihre Anonymität zu wahren. In dem Brief schrieb sie, dass sie vor einigen Jahren, während einer Massagebehandlung wegen Schmerzen an der Schädelbasis, "erlebte, wie kleine Lebewesen mit mir telepathisch kommunizierten". Sie bemerkte auch, dass sie spontan Zeichnungen mit einem Stift in jeder Hand machte - "Ich hatte niemals zuvor mit der lin¬ken Hand gezeichnet" -, und zwar von außerirdischen Lebewesen, wobei sie sich besonders auf die Augen konzentrierte. Ihre Zeich¬nungen zeigten auch Passagen und "eine Art kaum wahrnehmbares Körperfeld" wie "der zarte Körper eines Wesens". Jocye las erstaunt: Jinny Janine Black gehörte zu einer wachsenden Gruppe von Entführten, die ein bestimmtes spirituelles Interesse an ihren Erfahrungen zeigen. Plötzlich überkam Joyce ein starker Verdacht, dass die raffinierte Lyss, sich hier aus ganz anderen Gründen aufhielt, als sie angab. Sie spielte also nicht nur eine Doppel - sondern eine dreifache Rolle! In wessen "Diensten" stand sie wirklich? Oder machte sie alles nur, um hier im Zentrum mehr zu erfahren... Joyce war dies äußerst sympathisch und er begann Lyss zu bewundern, als er las: Ihre Suche nach der Bedeutung und der Kampf, die Grenzen ihrer Wahrnehmung zu erweitern, ermöglichten ihr weitreichende Ein¬sichten. In einem Brief schrieb sie mir auch, dass sie kürzlich begonnen habe, "Informationen zu empfangen, die andere Wesen mit Themen der Erhaltung unseres Planeten und ökologischen Übergängen in Zusammenhang brachten, besonders mit polaren und geomagneti¬schen Wechselwirkungen". Ihr Wunsch, "etwas Konstruktives für unsere Welt zu tun", war lebensnotwendig, und sie führte alles darauf zurück, dass sie sich ganz offen hielt, immer das zu tun, was geschieht, nie selbst ins Geschehen, gar planend einzugreifen! 4 Dann kam sie wirklich! Und war nun Lyss. Ein bißchen "Zerstreuung", sagte Joyce ganz harmlos zur Begrüßung lä-chelnd., wäh¬rend er sie an den Tisch führte, "aber wir versuchen al¬les, damit du dich wohl fühlst." Er durfte sich um Gotteswillen gar nichts anmerken lassen, dass er ihre Personalakte kannte! "Lyss ist nicht in bester Stimmung", sagte Joyce, während er ihr ein verlorenes Ei auf den Teller legte. Lyss´ Stimmung, so zeigte sich, war mehr als nur ver-haltener Zorn, sie hatte eine Mordswut, die drückte sich in ihren Schrit¬ten aus, im furiosen Peng¬peng ihrer schwarzen Hacken auf dem eisigen Pflaster, als sie endlich gehen durfte. Joyce musste laufen, um Schritt zu halten, als Anna Lyssowa durch den Straßenbogen stöckel¬te, wobei die Brille kalt im diffusen Licht der Winter¬son¬ne blitzte. Sie trug eine enge dunkelbraune Wildlederhose und eine wuchtige schwarze Jacke mit hochgestell¬tem Kragen; teure Klamotten. Mit ihrem kurzen schwar¬zen Haar hätte man sie für einen Jungen halten können. Die Energie, die in der Frau steckte, war beinahe greif-bar, ge¬ballter Zorn, der jeden Moment losknallen konnte. "Nun, was hat er dir erzählt?" Sie zeigte stumm auf ihre Brust, wo die Wanze steckte. Joyce schob die Hand in die Tasche und drückte das Maas-Neotek Ge¬rät; sofort erschien Oberth und ging flott neben ihr her, die Hände in die Jackentaschen ge¬steckt; seine Stiefel hinterließen keine Abdrücke im schmutzi¬gen Schnee. Nun ließ sie das Gerät wie¬der los, und er verschwand. Sie brauchte keine Angst mehr zu ha¬ben, Lov zu verlieren. Lyss stackte über die Straße, der „fließende Verkehr“ war hier eine Schafherde, die blökend die Hauptstraße von S., entlangzog, an einer Kreuzung zog Joyce sie gedankenverloren vor einem dicken schwarzen Taxi zurück, die es hier auch gab, wobei sie dem beim Passieren ir¬gendwie auch noch einen Tritt gegen den Kotflügel verpaßte. "Trinkst du?" fragte sie, während sie Joyce am Un-terarm hielt. Joyce schüttelte den Kopf. "Bitte, du tust mir weh am Arm." Lyss lockerte ihren Griff, aber bugsierte Joyce durch eine schmuckvol¬le Mattglastür in einen warmen, lauten Raum, einen Schlauch voller Leute, der mit dunk¬lem Holz und abgenutztem reh¬braunen Velours verklei¬det war, eine Bar des Hotels „Stern". Bald saßen sie einander gegenüber an einem Marmor-tischchen mit ei¬nem Bass-Ascher drauf, einem dunklen Bier, dem Whiskyglas, das Lyss um sich zu beruhigen auf dem Weg vom Tre¬sen hierher geleert hatte, und einem Glas Orangensaft. Joyce bemerkte, dass die silbernen Gläser ohne sichtbare Naht¬stelle auf der Haut auflagen. Lyss griff nach dem leeren Whiskyglas, kippte es, oh¬ne es vom Tisch zu heben, und betrachtete es kritisch. "Also, was hast du mitgebracht. Spann mich nicht auf die Fol¬ter!" Lyss zog den Brief und die Kommentare Lovs aus der schwar¬zen Handtasche, und schob die Papiere mit einem Gefühl des Ekels Joyce zu. "Ich bin deinem Vater mal begegnet", sagte er, um sie zu be¬ruhigen. "Ich bin kein kleines Mädchen", giftte sie zurück. Joyce nahm das Papier mit routinierter Bewegung, als habe er das al¬les selbst geschrieben, warf einen Kennerblick darauf. "Du bringst es ihm ja dann zurück! Hättest es vielleicht ablichten sollen! "Konnte ich doch nicht mehr!" Sagte sie gereizt. Sie ließ das Glas los und griff nach dem Dunklen. "Oberth sagt, du bist halb gaijin. deine Mutter sei Jüdin." Sie trank einen Schluck Bier. "Siehst nicht so aus." "Danke. Und deine Brille", sagte er automatisch, "ist sehr hübsch." Lyss zuckte die Achseln. Joyce schüttelte den Kopf, war abwesend und in den Brief Ter¬plans an Lov vertieft, Spannung in seinem Gesicht. Darin stand auch für ihn Erstaunliches: " ... Natürlich darfst Du mit dieser Geschichte tun, was Du willst," las er: "Du kannst sie für Dich behalten, Du kannst sie auch anderen Menschen vermitteln. Ich gebe sie nicht weiter, weil ich nicht den Mut dazu habe. Heute nachmittag gegen 15:10, erhielt ich in meinem Kel-ler, in dem ich arbeitete, einen Telefonanruf. Eine - wie es schien - Kinderstimme teilte mir folgendes mit: `In der Schanzgasse 4, auf der Burg, da steht ein altes Haus. Dieses Haus ist vol¬ler alter Bücher. Bitte kom¬men Sie und schauen Sie sich die Bücher doch einmal an.` Ich sagte zu, und das Gespräch war beendet." Joyce schob seiner Agentin, de ja ihren eigenen Fund sicher noch nicht kannte, höflicherweise die gelesenen Seiten zu: "Ich über¬legte mir nach dem Telefongespräch, ob ich überhaupt dorthin fahren sollte, weil mich norma¬lerweise wegen Bücher kein Kind anruft, sondern immer ein Erwachsener. Da aber die Entfer¬nung nicht so groß ist, entschloß ich mich, nachzusehen. Ich fuhr um 15:30 hier ab und war etwa 15:35 in der Schanzgasse. Die Adresse stimmte. Dort stand ein zirka 200-jäh¬riges Haus, das ganz mit Efeu be¬wach¬sen war. Es gab keine Vorhänge an den Fen¬stern, und die Fen¬ster¬scheiben waren so sehr verschmutzt, dass ich annehmen musste, das Haus sei un-be¬wohnt. Als ich mich der alten Haustür näherte, stellte ich fest, dass sie nur angelehnt war. Ich klopfte mehrmals mit der Faust laut an die Tür. Da sich niemand meldete, wollte ich eigentlich sofort zurück¬fahren. Während ich wendete, hörte ich aber eine heisere Stimme, die aus dem Haus zu kommen schien. Da ich sie nicht verstand, rief ich noch einige Male laut "Hallo". Ich befand mich bereits unten im Flur, als jemand sagte: ` Kommen Sie doch bitte nach oben!` Ich muß zugeben, lieber Freund, dass ich in diesem Moment schon ein seltsames Ge¬fühl in der Magengegend hatte. Langsam stieg ich die Treppe hin¬auf. Während ich den ersten Stock betrat, dachte ich, es müsse doch jemand an¬wesend sein und rief: ´Hallo, ich komme wegen des Anrufes.´ Dabei ging ich langsam auf zwei Zimmer zu, die entgegen meiner Er¬wartung voll¬kom¬men leer waren. Sehr viel Dreck und Staub befand sich in die¬sen Räumen. Als ich das letzte, das dritte Zimmer betrat, erschrak ich sehr, denn in diesem Zimmer stand le¬diglich ein Bett, anscheinend mit einem Strohsack be-deckt. Auch hier war alles schmutzig. Aber auf dem Bett saß ein zirka 80 bis 90-jähriger Mann. Er kann auch älter gewesen sein, ich weiß es nicht. Er war mit einer Art dunkelbraunrotem Umhang be¬kleidet und sah mich mit seinen kleinen, sehr hellen meer¬grün¬gesprenkelten Augen an. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, als ob mich der Mann sehr gut kennen würde. Ich kannte ihn natürlich nicht. Seine Gesichts¬haut und seine Gesichtszüge erinnerten mich blitzartig an einen uralten Indio, obwohl die Haut nicht alt zu sein schien. Noch ehe ich `Guten Tag` sagen konnte, ver¬nahm ich die Worte: `Ich wußte, dass du kommen würdest. Ich habe schon oft mit dir ge¬sprochen.` Jetzt begann mir die Sache wirklich an die Nieren zu gehen, ich brachte kein Wort hervor. Der Alte grinste mich an und sagte: `Du hast verlernt, den Geist zu sehen. Jetzt aber siehst du Telmi, den Schama¬nen.` Ich war, lieber Freund, kurz vor dem Herzstillstand, das kannst Du mir glauben. Da¬her konnte ich auch nicht sprechen. Ir¬gendetwas in mir sagte: `Bloß weg von hier!` Aber ich war nicht in der Lage, mich zu bewegen. Du mußt Dir diese Situation vorstellen. Ich hörte die Worte des Greises: `Ich bin auf der Erde selbst einmal schuldig geworden, deshalb weiß ich es. So haben sie mich hierher geschickt. Wir wol¬len euch den Weg zeigen, den ihr verloren habt. Die wichtigsten Dinge sieht man nicht mit euren Augen, sie befinden sich im Licht des Zeit¬los-Geistigen. Und auch eure Worte lügen und verstellen sich. Die Zeitgeschichte wird sich ändern, und viele Undenk¬barkei¬ten werden Wirklichkeit. Richte deinen Freunden aus: Alle Materie besteht aus Geist. Grüße sie alle in unserem Namen. ´ Lieber Lov, vermutlich wirst Du den Brief fortwerfen, nach¬dem Du nun folgendes gehört hast, weil es Dir unmöglich erscheint: Nach diesen Worten des Alten geschah etwas Ungeheuer¬liches: Das Bett und der Greis waren für meine Augen nicht mehr sichtbar. Der Raum war leer. Ich bin mir durchaus der Gefahr bewusst, der ich mich aussetze, wenn ich diese Tatsa¬che weitergebe. Aber es ist mir vollkommen gleichgültig, ob man mir die Geschichte abnimmt oder nicht. Sie hat stattgefunden. Ich bin mir ganz sicher, dass es sich bei diesem Er¬lebnis nicht um eine Halluzination gehandelt hat, allenfalls befand ich mich in einem anderen Bewußtseins¬zustand, ähnlich jenem wäh¬rend der Trans-kontakte. Warum gerade dieses Treffen mit einem wahrscheinlich Verstorbenen unter diesen Umständen oder Bedin¬gungen statt¬fand, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Ich blieb noch eine gewisse Zeit, deren Dauer ich nicht ab¬schätzen kann, an der glei¬chen Stelle stehen, da ich mich gar nicht bewegen konnte. Dann drehte ich mich um, lief die alte Treppe hin¬unter, stürzte mich in mein Auto und fuhr heim. Dies alles ist heute nachmittag ge¬schehen. Ohne das Verschwinden des Bettes und des Mannes hätte ich irgend¬welche menschli¬chen Hintergründe in Erwägung gezogen. Aber aufgrund des absoluten Verschwindens dieser beiden körper¬lichen Gegen¬stände bin ich da¬von überzeugt, dass es sich um ein so¬genanntes paranormales Geschehen gehan¬delt haben muß. Auf dem Heimweg überlegte ich mir, ob ich nicht einen Kon¬taktver¬such mit meinen Geräten machen sollte. Ich habe sie dann eingeschaltet, aber ich war nicht imstande, die Jen¬sei¬tigen anzuspre¬chen. Der Schock steckte zu tief in meiner Psyche. Mir scheint dieser Magier, dieser Telmi, besitzt eine - ich weiß nicht, wie ich mich aus¬drücken soll - eine enorme Energie. Woher weiß ich leider nicht. Ich muß mich jedoch fragen, wie oder warum gerade er in der Lage ist, sich zu materialisieren, sich zu zeigen. Und damit wären wir, lieber Lov, wieder am Anfang: wir wissen nichts. Ich kann Dir lediglich an Eides statt erklären, dass dieses heutige Erlebnis auf absoluter Wahrheit beruht. Während ich dieses alles für Dich aufschrieb, klingelte dreimal das Telefon, es mel¬dete sich jedoch niemand, ich hörte auch kein Auflegen. Doch das nur nebenbei, es kann ja auch ein Mensch gewesen sein. Ich möchte jetzt schließen. Ich grüße Euch alle aufs herzlich¬ste." "Nun, ich kenne den Brief," sagte Lyss, natürlich, er hat ihn mir selbst gezeigt, er vertraut mir. Und daher fühle ich mich beschis¬sen," Lyss war einem Wutanfall nahe. Joyce sah vom Papier auf: "Bitte, beruhig dich, mach hier keine Szene, ich muß es dir sagen: Dies ist ein Befehl!" Erschrocken nahm sich Lyss zu¬sammen, etwas gepresst kam es, wie eine Meldung: "Lovering sagte, ja, das sei noch nicht alles gewesen, denn bevor er mit der Ar¬chi¬vie¬rung des Briefes beginnen konnte, habe er am Abend des glei¬chen Tages kurz nacheinander zwei Telefonanrufe erhalten. Im er¬sten Brief habe ihm eine ältere Dame aus Bistritz mitgeteilt, sie habe vor kurzem (heute?) einen jungen Mann gesehen, dessen Kleidung sie recht genau beschreiben konnte; der habe sich vor ihren Augen in nichts aufgelöst. Während es sich hierbei durchaus um eine rein persönliche Vision handeln könnte, sei ihm in dem zweiten An-ruf, der aus Kronstadt kam, über die Erscheinung einer verstorbenen Mutter bzw. Großmutter berichtet worden, die von drei Erwachse¬nen und dem zehnjährigen Enkel auf einem freien Stuhl am Eßtisch sitzend wahrgenommen werden konn¬te. Er, Lov, sei von den Be¬troffenen angerufen und um Hilfe gebeten worden. Lovering sagte dann auf seine ironische Art: Es ist auch bes¬ser, Ter¬plan, du begegnest Telmi oder gar Dee nicht zu oft (Das sind Terplans Doppelgänger aus einer anderen Zeit, wie er behauptet!) Schau lieber in den Spie¬gel, das ist gesünder, sagte Lov zu ihm. Und breitete dann seine Theorie von der Gleichzeitigkeit aller Leben aus. Lyss, musste plötzlich lachen: "Da wären doch eher die Psychiater zu¬ständig, nicht wir!" Doch dachte der Geheimdienstpsychologe Joyce sich seinen Teil dazu, als er hörte, wo der Ausgangspunkt dieser Vision gewesen war: Terplan nämlich hatte nach dem Schamanenerlebnis erzählt, Annalyss ließ es von der Wanze ablaufen und Terplans hohe unsichere Stimme sagte etwas hastig und verhüllt, als hielte er sich die Hand vor den Mund, um die Worte zu verstecken: "Ich stand ganz allein wie gebannt vor einem Johannis¬beer¬strauch im Garten, scheinbar endlos lange und war wie in einen Traumzustand versetzt, nachdem ich vorher wach gewesen war. Hier sah ich jetzt den "Ägrisch" meiner Kindheit. Ich war allein. Ich hatte et¬was verloren, nicht nur die Mutter oder die Geborgenheit. Ich war plötzlich ich, wie in einen Käfig gesperrt, als müsste ständig wie durch eine Glasglocke hin¬durch zu den anderen Menschen gelangen. Von da an schien mir, als erlebte ich alles wie in Trance. Es blieb das Emp¬finden, vorher in einer klareren, helleren, wei¬te¬ren, angstloseren (nicht so engen) Welt gewesen zu sein. Ich muß oft an die¬sen Ort im Garten zurück¬gekehrt sein, um das verlorene Paradies wiederzu¬fin¬den. Und in dies Stimmung kam der Anruf des Kindes." Mir scheint dieser Magier, dieser Telmi, besitzt eine - ich weiß nicht, wie ich mich aus¬drücken soll - eine enorme Energie. Woher weiß ich leider nicht. Ich muß mich jedoch fragen, wie oder warum gerade er in der Lage ist, sich zu materialisieren, sich zu zeigen. Und damit wären wir, lieber Lov, wieder am Anfang: wir wissen nichts. Ich kann Dir lediglich an Eides statt erklären, dass dieses heutige Erlebnis auf absoluter Wahrheit beruht. Während ich dieses alles für Dich aufschrieb, klingelte dreimal das Telefon, es mel¬dete sich jedoch niemand, ich hörte auch kein Auflegen. Doch das nur nebenbei, es kann ja auch ein Mensch gewesen sein. Ich möchte jetzt schließen. Ich grüße Euch alle aufs herzlich¬ste." "Nun, ich kenne den Brief," sagte Lyss, natürlich, er hat ihn mir selbst gezeigt, er vertraut mir. Und daher fühle ich mich beschis¬sen," Lyss war einem Wutanfall nahe. Joyce sah vom Papier auf: "Bitte, beruhig dich, mach hier keine Szene, ich muß es dir sagen: Dies ist ein Befehl!" Erschrocken nahm sich Lyss zu¬sammen, etwas gepresst kam es, wie eine Meldung: "Lovering sagte, ja, das sei noch nicht alles gewesen, denn bevor er mit der Ar¬chi¬vie¬rung des Briefes beginnen konnte, habe er am Abend des glei¬chen Tages kurz nacheinander zwei Telefonanrufe erhalten. Im er¬sten Brief habe ihm eine ältere Dame aus London mitgeteilt, sie habe vor kurzem (heute?) einen jungen Mann gesehen, dessen Kleidung sie recht genau beschreiben konnte; der habe sich vor ihren Augen in nichts aufgelöst. Während es sich hierbei durchaus um eine rein persönliche Vision handeln könnte, sei ihm in dem zweiten An-ruf, der aus Chester kam, über die Erscheinung einer verstorbenen Mutter bzw. Großmutter berichtet worden, die von drei Erwachse¬nen und dem zehnjährigen Enkel auf einem freien Stuhl am Eßtisch sitzend wahrgenommen werden konn¬te. Er, Lov, sei von den Be¬troffenen angerufen und um Hilfe gebeten worden. Lovering sagte dann auf seine ironische Art: Es ist auch bes¬ser, Ter¬plan, du begegnest Telmi oder gar Dee nicht zu oft (Das sind Terplans Doppelgänger aus einer anderen Zeit, wie er behauptet!) Schau lieber in den Spie¬gel, das ist gesünder, sagte Lov zu ihm. Und breitete dann seine Theorie von der Gleichzeitigkeit aller Leben aus. Lyss, musste plötzlich lachen: "Da wären doch eher die Psychiater zu¬ständig, nicht wir!" Doch dachte der Geheimdienstpsychologe Joyce sich seinen Teil dazu, als er hörte, wo der Ausgangspunkt dieser Vision gewesen war: Terplan nämlich hatte nach dem Schamanenerlebnis erzählt, Annalyss ließ es von der Wanze ablaufen und Terplans hohe unsichere Stimme sagte etwas hastig und verhüllt, als hielte er sich die Hand vor den Mund, um die Worte zu verstecken: "Ich stand ganz allein wie gebannt vor einem Johannis¬beer¬strauch im Garten, scheinbar endlos lange und war wie in einen Traumzustand versetzt, nachdem ich vorher wach gewesen war. Hier sah ich jetzt den "Ägrisch" meiner Kindheit. Ich war allein. Ich hatte et¬was verloren, nicht nur die Mutter oder die Geborgenheit. Ich war plötzlich ich, wie in einen Käfig gesperrt, als müsste ständig wie durch eine Glasglocke hin¬durch zu den anderen Menschen gelangen. Von da an schien mir, als erlebte ich alles wie in Trance. Es blieb das Emp¬finden, vorher in einer klareren, helleren, wei¬te¬ren, angstloseren (nicht so engen) Welt gewesen zu sein. Ich muß oft an die¬sen Ort im Garten zurück¬gekehrt sein, um das verlorene Paradies wiederzu¬fin¬den. Und in dies Stimmung kam der Anruf des Kindes." 5 Joyce hat dann nachher folgende Analyse samt Kommentar dazu notiert: "Noch während der Abfassung dieses Manuskripts hatte Terplan ein Erlebnis, das geeignet sein könnte, die Art der Erscheinung des Telmi aufzuhellen. Am Nachmittag des 5.3. wurde in Lovs Hause in Anwesenheit zweier japanischer Produzenten und eines deut¬schen Fernsehteams ein Kontaktversuch mit zwei Radiogeräten und einem Fernseher, eingestellt auf freie Kanäle, durchgeführt. Die beiden Experi-mentatotoren baten die jenseitigen Kommunikatoren, sich möglichst mit Bild und Ton zu melden. Während des Versuchs ‚sahen‘ Terplan, dann auch Lov, etwa zwei Minuten lang auf dem flimmernden Bildschirm eine geometrische Struktur, die von den Gästen nicht wahrgenommen werden konnte und auch in der Video¬aufzeichnung nicht erkennbar ist. Der Tonmitschnitt hielt die Äußerungen ungläubigen Staunens fest, mit denen Terplan und Lov die Beschreibung der Erscheinung mehrfach unterbrach, da es ihnen völlig unverständlich war, dass alle anderen Anwesenden sie nicht sehen konnten. Die von Lov mit dem Finger auf dem Bildschirm nachvollzogene und sogleich aufgezeichnete Struktur besteht aus zwei übereinander angeord¬neten, sehr schmalen Kreislinien gleichen Durchmessers, die in der Verti¬kalen durch zwei parallele Linien verbunden sind. Unterhalb des unteren Kreises waren drei Halbkreise angeordnet, deren äußerer vom Bild¬schirmrand unterbrochen ist. Die ‚Vision‘ ist bis auf zwei Abwei¬chungen identisch mit einem Symbol, das 1990 in einem englischen Kornfeld am Telegraph Hill gefunden wurde. Im Gegensatz zu den in der Literatur üblichen Darstellungen nahmen Lov und Teplan es ‚auf dem Kopf stehend‘ wahr. Außerdem war im Original das Getreide innerhalb der Kreise und im Ver-bindungssteg flächig niedergedrückt. Einige Details des Geschehens sind bemerkenswert: Lov äußerte, das Zeichen könne eine ‚Brücke darstellen, deren Bedeutung es zu finden gelte‘. Er fühlte sich an die Manifestation des Schamanen Telmi erinnert, die er als ‚Materialisation‘ bezeichnet hatte. Es könnte sich also damals um eine vergleichbare, in den Außenraum projizierte Vision gehandelt haben. Die in der Literatur angegebenen Deutungen des Symbols als Brücke zwischen dem himmlischen Son-nenlogos und der Erde, sowie dem Evolutionsgedanken und der Transformation/Metamorphose, lassen sich der Transkommunikation zuordnen. Das Ereignis, dessen korrekte Deutung am 11.3. in einem Trans¬text der Föderation des Lichts bestätigt wurde ( FDL= ähnlich wie 2109 eine außerirdische Transstation!) ver¬mittelte einen unmittelbaren Eindruck des Ablaufs einer derartigen Vision und der Hilflosigkeit des Sehers, die beiden ineinander verschachtelt erlebten ‚Welten‘ oder Wahrnehmungsbereiche zu vereinbaren. Der engli¬sche Schriftsteller H. G. Wells hat in einer seiner Erzählungen die Ver¬wirrungen geschildert, die ‚Mr. Davidson‘ durch die Überlagerung der ‚gleichzeitigen‘ dreidimensionalen optischen Wahrnehmungen der Stadt London und einer Insel im Südpazifik erlebte. So ist es auch mit Doddlestone und S.. Eine gewisse Analogie dieser Erlebnismöglichkeiten mit den unterschiedlichen Betrach¬tungs-wei¬sen der 3D-Illusionsbilder ‚Magisches Auge‘ ist unverkennbar, entspre¬chend dem Kinderspiel: ‚Ich seh etwas, was du nicht siehst!‘ Die eindrucksvollen Schilderungen der zwei Experimentatoren legen einen Zusammenhang veränderter Bewußtseinszustände mit den apparativ verob¬jektivierten transkommunikativem Phänomenen nahe. Die dabei in den meisten Fällen unbewußt bleibenden, innerpsychischen Vorgänge können sich in seltenen Fällen als subjektiv wahrgenommene Visionen oder ‚Halluzinationen‘ von der ‚realen‘ materiellen Welt abheben, die ihrer¬seits eine einigermaßen stabile Kollektivhalluzination ist ..." Den letzten Absatz freilich strich Joyce dann nachträglich, weil er sich das Gesicht des Generals Newton, wenn der das lesen würde, lebhaft vorstellte. Wer aber ist dieser Terplan? Was ließ sich sonst noch herausfinden über dies Beziehung? Wer war Telmi? Im Archiv war darüber einiges zu finden, da wichtige Chiffrier¬hinweise mit dem Namen Telmi oder Antelmi verbunden waren, und Joyce suchte nachher auch gleich die Akte im Archiv heraus, das sinnigerweise in einer alten Privatbibliothek untergebracht worden war, und er wunderte sich, dass ihm das erst jetzt so richtig auffiel, das paßt, dachte er, aber kein Quäker-Bibliothekar, gar Urban, und kein quicker Dialog, hier ists immer einsam, Summen der Stille, kaum einer hat Zugang. So sind wir alle isoliert hier. Das ist Absicht, aber die grünbekappte Tischlampe gibt’s. Und mein blondbeschopfter Schädel daneben, zwei leuchtende Totenköpfe in spe... und blätterte in der schwarzbemappten Akte mit den hieroglyphischen Bezeichnungen und Nummern, flinke Philologinnen und Bibliothekarinnen arbeiteten geräuschlos in den Labors, wo das Material geordnet und auch kopiert wurde. Lyss werd ich einweihen. Kommt nachher. Öffnete die Mappe, als wärs eine schwarze Bluse, blätterte, übersprang, las nur diagonal: 6 Die günstige Gelegenheit, Terplan, die Schlüsselfigur (das Medium) unauffällig kennenzu¬lernen, ergab sich einige Tage später in Loverings Haus. Terplan war auch weniger schüchtern als Lov, von früher ero¬tisch be¬gabt, nur wirkte er wie eine Marionette, die sich selbst imitiert; er lud Annalyss zu sich ein, um ihr seine "Arbeiten" zu zeigen, er schrieb an seiner - etwas verspäteten - Diss. Und stellte seine Talente auch anderen zur Verfügung, vor allem jungen Dok¬torantinnen. Ob Sie nicht auch ... sagte er la¬chend. Lov hörte erstaunt zu, wie sich gleich ein Gespräch zwischen beiden entwickelte, sie wirken wie Geschwister, dachte er. Nur er - er geht "global fremd", sagt er, und steht dann wie versteinert da. "Frau Anna Lyssowa," sagte Terplan überhöflich, "Sie müssen unbedingt das noch unveröffentlichte Konvolut über den `Götterplan´ mal mit¬nehmen, das ich zusammengestellt habe." (Wieder dieser Plan, eigentlich doch Ter-Plan, nun also "Götter¬plan", dachte sie). "Und ich ver¬suche mich in diesen Plan einzu¬ordnen, ihm gerecht zu werden, Frau Anna, und nur ihm. Wie halten Sie es? Wissen Sie, dass ich die Andern in mei-nem Kopf hö¬re? Herr Lovering hat es Ihnen sicher schon erzählt. Und dass ich alles aufschrei¬be, Lov meint, es sei Literatur. Nein, ich protestiere heftig. Wir müssen alles, was sogenannte Literatur ist, als Rohmaterial verwenden, ich bemühe mich, alles als plot zu sehen und die besten Sachen als Plagiat dieser Stimmen. Denn die Litera¬tur arbeitet in Zwischenräumen der Wissenschaft, meinte schon Roland Barthes. Und dies wäre ihre einzige Aufgabe heute." Und was die vielen Komplotte betrifft, und die Weltherrscher hier: Zu¬rück gehe es, behauptete Terplan. Um nicht bis auf bibli¬sche Vor¬gänge, Manasse etc., das Goldene Kalb usw. zu¬rückgreifen zu müssen, halte er z.B. in dem Falle der Jungfrau von Or¬leans, oder der Kreuzfahrer bei Auf¬findung der hei¬ligen Lanze in Antiochien oder des Kaisers Konstantin bei der bekannten für den Sieg des Christentums entscheidenden Vision: In hoc signo vinces einen vor¬über-gehend ein¬getreten¬en Strahlenverkehr, vorübergehende Einge-bungen der FIRMA für sehr wahr¬scheinlich, weil da schon der Hauptan¬trieb oder der hintere unsichtbare Mo¬tor, der Warenverkehr und ökonomi¬sche Interessen ... immer die Grundlage gewe¬sen seien, heute freilich in gesteigertem Maße. "Wir aber sind das, schwingende Instrumente: Ohne Gedan¬ken, ja, ohne Bücher bin ich ein Animal triste. Schwach und aus¬geliefert. Unordentliche Ge¬danken müssen sein, um das Kreative in uns zu kitzeln: Paraphrasen der Duine¬ser Elegien sind zu schreiben. Aber auch eigene Erlebnisse zu deuten: so diese andauernde Somn¬nolenz bei mir zum Beispiel, beim Selbstaufwecken wie ein kleiner Schreck, ziehen plötzlich Szenen an mir vorbei, oder Erinnertes. Fein säuberlich zu trennen. Es war in solch einem Zustand, dass ich von einem hörte: bevor diese Rückführung in der Phantasie beginnt, müssen wir fest¬stellen, ob wir früher ein Mann oder eine Frau waren. Also was soll das Getue, Annalyss, Nacktsein zu zweit ist das Beste, damit wirs an uns erkennen; es dient der Selbsterhaltung ..." "Was meinst du damit," sagte Lyss, und zog ein Bein hoch, als müsse sie die Sache vergegenwärtigen. "Nun allerlei Spiel", fand Terplan etwas schneller atmend, als hätte das Du, das sie ihm anbot, nun durch sie seine nackteste Stelle gezeigt: "Suchen wir Bruder Medardus oder Schoppe im Titan," sagte er scheinheilig: "ich bin gegen alles Negative, das macht krank; suchen also schönes Ich-Ideal, Annalyss abgespalten vom negativen Selbst oder der Engel, der einflüstert, was gut, und sogleich zu Bild wird? Und alles gleichzeitig und auch in mir isses vorhanden, was doch widerspricht, solange ich im Körper sitz und barm, weil der ja selbst ein lebender Widerspruch ist, mein Gefäng¬nis? Nichtwahr, meine Schöne?!" Annalyss widersprach nicht, schwieg, reckte nur ihre Brüste leicht provokativ, und ließ den Transsylvan weiter quatschen, nahm ihn natürlich mit ihrer kleinen Wanze an der Brust auf, viel¬leicht kommt doch noch ein vernünfti¬ger Satz, gar eine Nachricht raus, dachte sie und knöpfte ihre Bluse zu einem Fleischspalt auf. "Jetzt etwa die Stimmen, haben Sie schon von denen ge-hört? Da wäre einer, der sie hört, der Andere aber ist Finanzbeam¬ter oder sogar ich-selbst, den die Zeit quält und juckt, weils verge¬hen tut? Traum/ Wirk¬lichkeit, Poesie/Prosa, Alltag-All-Tag usw. Bürger zweier Welten sind wir. Und ich seh mich im Spie¬gel jeden Morgen, seh´s im Bad, mein Gefrieß, sagt auch Morris, und meint, das wäre doch Spiegelsymbolik täglich im Alltag beim Rasieren. Und wer durch den Spiegel geht, aus dem Spiegel kommt, läßt nicht nur die Welt hinter sich, sondern erschRicht, wenn er sich selber sieht, wie ein Hund oder Narziß. Gibt es nicht Völker, bei denen es verboten ist, in den Fluß zu schauen, man könnte von dem, der da auftaucht, hinabgezogen werden, wie einstmals schon Narzyss, An¬nalyss, nichtwahr, Sie verstehn, zwei Körper, wie einer und schön verschmolzenen. Und dann … wie den Vögeln zu mute is… ach, komm, ja, wissen Sie..." "Lassen wir das Sie, ich heiß Annalyss und bin jetzt Dein Du, Kleiner..." " Jaja, ehrt mich, freut mich, Lyss, du gehst mir zu Herzen, weißt es... als wäre es die andere Seite, nein Saite, wie eine Frau, geh ich in mein Schlaf- und Schreib¬zimmer und seh mich den ganzen Tag im Satz¬spiegel an, Umar¬mung, Kuß, und starke Lieb dann, Reinraus aus mir und Rein¬raus aus der Welt. Wenn das kein tödliches Unternehmen ist! Und auf dem Re¬gal Carolls Gesichter. Oder die Photo-Totenmaskenüberma¬lungen des Arnulf Rainer." "Und deine eigne?", platzte Lyss heraus. "Meine eigene kann noch nicht dabei sein. Aber die Spanne Zeit bis dahin ist selbst eine Angstmaske, die mich im Satz tröstet." "Du kannst auch eine Detektivgeschichte oder einen Kri-minalroman schreiben", sagte Anna Lyss, sah den Aufgeregten mit ihrem feuchten Blitzblick an, und dutzte den Terplan sofort: "Oder geh zum alten Karl May, da kann der Mörder in der Maske des Er¬mordeten auftreten, und das bist dann definitiv Du, oder bin ich es?" "Ich bin... bin... oft nicht mehr Herr der Situation," gestand er. "Ich kenne es wohl, dieses Anzeichen: wenn man es nicht mehr verhin¬dern kann, dass Dinge, Gegenstände, Teile von Gegenständen zu Gesichtern, Menschen, Wesen wer¬den; oder aber Büsten oder Mas¬ken, die abwarten, die lebendig werden wollen. Das Bestreben, le¬bendig zu werden, Lebewesen zu werden, wird immer stärker um mich. Und dann sind auch SIE da" "Wer sind denn diese sie? Flügelwesen, Engel oder was?" Der verstellt sich, schauspielert, redet Quatsch, um mich zu rühren? Oder zu verstecken, dass er was weiß, und das quält den! Aber als wär er Telpath, blitzte er sofort dort in den Faden ein: "Aber jeder hat doch Spaaß an diesem so dicken Erleben, was andres als es ist: ja, Schein, Versteck- und Maskenspiel." Und Lyss platzte gleich drastisch rein: "Glaubst du, ich hab dich nicht durchschaut, du raffiniertes Ferkel." Terplan war ganz verdattert, bei dieser Direktheit und stotterte ... jedoch im gleichen Slang:: "Du ... du ... liegst mir am Herzen, liegst mir an ihm... bist sowieso nichts Anderes, als meine Projektion, Annalyss, von alters¬her, und das vertrackte tausendfache Wunschspiel Don Juans, dass du die Vielin bist, alle Frauen, die ich begehren könnte, in Einer, sitzt tief unten in mir. Und die Eier hopsen und sieden!" "Und du bist meine Maske, Herr Terr Plan: Zeitvergeu¬der und Ver¬dichter der Illision Zeit. Dein Schwanz, ein Baum, an dem ich hochklettere, willst wohl vögeln, sags doch gradheraus, vielleicht darf es sogar sein, sofortt, jetzt, seine blitzende Nacktheit..-..wenn du"... "Wenn ich, wenn was, muß ich tun, um..." Und kriegte Schweinsäuglein. "...doch liebe ich auch andere, an denen man sich tie¬fer oder höher in den Himmel bohrt oder spaßeshalber auch durch die Erde!" 7 Lovering meinte, als er das hörte, seinen Ohren nicht zu trauen, so et¬was hatte er von der Hochverehrten und Hochbegehrten noch nie gehört. Er war aber in seiner Höhle ein schlechter Menschen¬kenner. Und wußte nicht, dass sich die wirklich begabte Slawin Lyssowa, die sich sogar die Cauchat zum Vorbild genommen, sich mit jedem Partner völlig veränderte, ihre Bandbreite dafür schien unbe¬grenzt. Viel¬leicht leidet sie an MDP, dachte Lovering erleichtert. Und dies hier ist doch nur eine "talking cure", überlegte er: denk an Lacans stade du miroir, von dem unsere Freundin, die Analytikerin gern re-det: Spiegelstufe, Spiegelsta¬dium, Spiegelphase usw. Und jetzt kam das von Lyss gespielte erotische Geplänkel in ruhigeres Fahrwasser: Terplan mäßigte sich auch, und meinte, ob nicht zu überlegen sei, dass doch das Bild im Spiegel oder noch besser im Fluß, der sich so einmalig darüberlegt und es fortträgt, wegnimmt und überströmt, nichts als Erkenntnis seiner Nichtigkeit sein kann? Solange die Augen sehn, sehn sie sich selbst. "Sie aber sind nichts anderes, Terplan," sagte die gewief¬te Agentin mit ihren Pronomen-Wechelbädern: "Als einem, dem das nicht gelungen ist, den Wandel meine ich, wem der nicht gelingt, so dass er einen leeren Spiegel herstellen kann, dass auch andere darin auftau¬chen können, stirbt den Tod des alten Narziß. Sie haben doch immer nur sich selbst im Sinn, daher bricht das, was sie die Stimmen nennen, nur erotisch oder närrisch durch! Ich möchte von Ihnen mehr darüber erfahren, vor allem, wann darf ich den ´Götterplan´ mal einsehen?" (Aha, dachte Lov!) "Wie wäre es mit heute abend?" "Nein, da kann ich nicht, aber übermorgen, bis dahin haben Sie auch Zeit das Skript zusammenzu¬stellen!" "Gut! Aber das habe ich soweit OK, ich vertraue es Ihnen gerne an" "Kennst du den schönen Vers: ´Du bist es nicht - doch bin ich du?´ (Das müßten die beiden ausprobieren können, müs¬sen, sollen, dachte Lovering, und sie werden nicht voneinander lassen! Dann fand er es an der Zeit sich ins Gespräch einzumischen und es in seriösere Bahnen zu lenken, auch wollte er die beiden im Dreierspiel ausprobieren:) "Ihr redet doch vom Körper-Doppel und Doppelgänger? Nicht? Da gibt es noch einen anderen Aspekt, als den unmittelbaren, niemand ärgert sich über die Verballhornungen der Offiziellen in Psychologie und Literatur, diese Ver-ballhornungen sind sehr groß, nicht nur beim Thema Doppelgänger, was ja eine reale Geisterge¬schichte sein kann, die aber quatschen nur von Spiegelungen des Ich usw. bis hin zum Vernichtungs-Terminus Schizophrenie der See¬lenpolizi-sten, genau so auch beim `Götterplan`, aus dem dann Archäologietheorien und Lehrstühle werden, oder bei den Germani¬sten ein ´literarisches Motiv´". Und be¬sonders schlimm bei den Phi¬losophen, nicht nur das Mißverständnis bei Kants Haltung zu Swedenborg, sondern auch in den vielen Abhandlungen und Büchern über den Philosophen Eduard v. Hartmann ist keine Rede davon, dass er der Begrün¬der der animistischen Deutung von Geister¬erschei¬nungen und anderen Psi-Phä¬nomenen war. Auch sein Werk "Der Spiritis¬mus" (1885) wird nirgends er¬wähnt. Von Schopenhauer ausge¬hend (Willen und Intelligenz), sieht er ein Uni¬versales Unbewußtes (Kants Ding an sich etwa) das Jungs "kollektives Unbe¬wußtes" vorwegnimmt." "Alles ein totales Vergessen und Unter-den-Tisch-Kehren, ist mir schon klar", sagte Terplan, und Lyss beobachte erstaunte eine erste Verwandlung, die einen Verdacht in ihr aufsteigen ließ: War er vielleicht doch einer von „ihnen“? Die Augen klappten nämlich auf und es schien, als bestehe Terplan für Momente aus schattigen grünen Falten, aus einem lichtblitzenden Schein, und er hatte versonnen ein nickendes Lächeln im Gesicht, als wäre er abwesend; Lovering aber glotzte rüber, hatte es bemerkt, und machte zwei dünne Augen, wie Pißlöcher im Schnee, und sagte schnell, um das Phänomen da mit seinem singenden Ton zuzudecken: "Was heißt eigentlich Anamnese. Bei Platon ist es die Überwindung der Lethe, des Flusses des Vergessens. Also Totenschau, Jenseits-schau. Und im Todesmo¬ment die Panoramaschau des eigenen Lebens. Eine Art Gericht." "Der klassische Fall ist der des Admirals Beaufort, jaja, der auch den Windstärken den Namen gegeben hat:" Annalyss tat auch so, als habe sie nichts bemerkt, holte gerne aus dem Riesenma¬terial ihrer Aufnahmen einiges ins Ge¬spräch, und sie hatte dafür ein sehr gutes Gedächtnis: "Beaufort der in jungen Jahren fast ertrunken wäre. In einem Brief schildert er den großen Frieden, und dann die umgekehrte Panoramaschau beim Ertrinken, fast einmal zu Tode gekommen: zu¬rück bis in die Kindheit; jedes Ereignis konnte er genau sehen." Und dann plötzlich Terplan, als wär er von sehr weit her zurückgekehrt, und hätte noch Drahtgewirr, zumindest Moos in der Stimme: "Doch auch nach dem Sterben und dann dem Himmeln werden die Ankommenden, das hat Opa auch immer gesagt, der im Ersten Weltkrieg in Galizien mal schwer verwundet worden war, ja, Herr Hauptmann, und Tierarzt, Herr Hauptmann werden, so der Bursch Jenö, Joi az Ur, in ei¬nen tiefen Schlaf versetzt, und sehen dann ihr Leben wie ein Gericht ab- und weglaufen." "Vielleicht bist du schon halb hinüber, Terplan, daher deine ewige Somnolenz!?" "No. Kein Butzemann is wacher!" "Kennen Sie konkrete Fälle, Lovering, hat die Begegnung auch mit den Aliens etwas damit zu tun?" Wagte nun die Lyssowa endlich ihre enttscheidende Frage. Der wich aus und sagte nur: „Freilich. Ich habe hier eine Sammlung von Fällen. Zum Teil von Freun¬den aus aller Welt. Aber auch über das Internet, das fast täg¬lich neue Fälle in seinen diversen UFO-Sites bringt..." "Könnte ich die sehen?" beharrte Annalyss. "Aber freilich, je mehr Leute sie kennen und sich daran reiben und verändern, umso besser... Ich zeige sie ihnen ein andermal... Nein, Terplan hat sie mit dem Götterplan mit-genommen. Ich habe sie sonst dort in jenem kleinen Schrank." Lyss war enttäuscht, ließ sich aber nichts anmerken, warf nur noch einmal einen aufreizenden Blick Terplan zu, jetzt wußte sie, dass sie mit dem ins Bett gehen musste; und merkwürdig, sie empfand dabei wie selten so - eine leichte Erregung, weil er so knochenweich verrückt und unberechenbar war? Sie stellte sich seinen "Bleistift" vor, der sie in der zukenden Mitte treffen würde und so wie sie es nicht beschreiben würde… ach, Joyce… Sie sah sich den Mann an, wie sie es auch sonst tat, und nahm sich vor, ihm aufmerk¬samer zuzuhören, da ja schließlich doch alles zusammengehört, Dienst¬auftrag, Terplans Psyche, die Aliens, das alte Bett, Terplans Schwanz und Augen, der kleine Schrank, der trockene Staub-Geruch nach vergangenen Jahr¬hunderten im alten Haus oder Lovs seltsam geformte Hakennase und sein Kopf, der dies alles ausgeheckt hatte: der Alienswahn. Sie war überzeugt, dass die nur `heraushallu¬ziniert´ wurden aus dem, was die beiden wachträumten. Man sieht eben nur, was man glaubt! Alles-eins, dachte sie... Terplan aber merkte nichts, er musste auch noch etwas loswerden, man sah es ihm an, er trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Tisch: "Apropos, meine Somnolenz, dies Halb-hinübersein, wie du es nennst, Lov, eine Familieneigenart, mein Tata, mein Bruder kennen sie auch; vielleicht was Trans-sylvanisches..." "Inzucht wohl," warf Lov spöttisch ein. "Spanisch ists mir dabei. Erinnere mich noch gut: In Sevilla wars, wie gewöhnlich allein, nur mit Jane, sie inzwischen verstorben, die Arme, und hat so gern gelebt, die Arme - meldet sich aber oft wieder ("Halluzination zu zweit?") - da kamen wir zu einem katholi¬schen Fest, überall Kitsch, Tribünen heilige Bilder, Fahnen. Und die gotische Kathedrale mit dem neunzig Meter hohen Turm, wie eine Riesenpula, die Giralda. Eine hohe Palme kitzelte den Himmel und die Zeit auch, ein Augenbild vor mir, doch irgendetwas hatte mich enorm aufgetankt, und es wurde ganz flimmrig hell, traf wei¬ßes Licht auf die Plaza de la Falanga Espanola, das mirs wehtat. Das bekannte Bild war stillgeblieben, ich wie weggenommen hier, und momentweis blinzelndes Auf¬wa¬chen, das Bild von draußen war schon weggelaufen und weiter, ich lief da hinter dem her, kam nicht nach, wie einer der auf dem Bizzikel ist, der andere aber zu Fuß, und ein Schreck überkam mich ganz und pizzelte arg: da meint ich schwach und plemplem zu werden, und rannt in ein Letjew oder ins spanische Dorf, das Osteria heißt, tickelte meh¬rere Gläser Rioja hinunter, wollte mich betickeln, und wegsein, vergessen, örtlich betäuben. Die große Angst, irgendwo haperte es mit dem innern Faden der Zeit. Wunderst dich, dass du noch da (hä) bist, auch hier jetzt dein Gesicht, Lov, oder die Tür dort mit dem braunen Dirpel, die Gegenstände kom¬men wie in Intervallen auf mich zu, und bin erstaunt, dass ich immer noch da bin, wo ich mich gar nicht mehr vermutet hatte." "Ziemlich verrückt!" warf Lyss halblaut ein, "auf dem Dach landeten wohl gerade `sie´, man hatte den Zeitverlauf eben satt`"... und versuchte aus dem Gespräch zu entkommen, von Aliens und gutem Material keine Spur, dachte sie, alles nur neurotische Spinnereien. Doch vielleicht ist Joyce doch auch daran in¬terssiert, hat was übrig für Verrückte. Aufnahme läuft ja, lustvoll an meiner Brust. "Intervall ist ein guter Ausdruck: Ich kenn das auch:" sagte Lo¬v, der Terplan angespannt zugehört hatte: "Das sogenannte ´Glimmen´, auch bei Shelley zu finden: Intervall zwischen zwei Augenblicken, und in diesem Inter¬vall bis du tot, bist du bei ihnen, bist du hier absent, und wie gestor¬ben, du womöglich mit deinem Doppel unterwegs! Wenn du wieder aufwachst, merkst du die Täu¬schung, mit der wir hier leben müssen" "Aber de Sach ist länger da. Hab nachgelesen. Und wieder kam mir aus dem Lektürchen ein haariges Unten als Bild: da sinds Frau und Mann. Beim Philosophen ..." "Parmenides?" "Ja, Parmenides, genaustens: Frau und Mann, die hintereinander herlaufen, sich nie erdehnen können, Entzweigerissene Wesen, wie zwischen Tod und Leben, solange wir nicht wissen, dass es dies Auseinanderge¬rissenwerden bei dem man stark weinen muß, gar nicht gibt." "Ach was, euer Jenseits kann mir gestohlen bleiben, das ist doch nur eine verschämte Beschreibung des GeschlechtsAktes; Ekstase allein und am Schluß löst die momentweise alles. Darf ich Fick sagen?" Annalyss wurde bei dem langen Palaver nervös, sie wirkte leicht aufgebracht. Sie hatte ja ihren Auftrag nicht erfüllen können. 8 Die Begegnung mit der schönen Lyss hatte Terplan keine Ruhe gelas¬sen. Und er wartete das abgesprochene Rendezvous nicht ab, schrieb ihr schon am nächsten Tag diesen Brief, den er ihr dann wortlos übergeben wollte. Wie früher als Gymnasiast. Er hatte dann eine Faxnummer herausge¬funden, die auch Lov kannte, die Schnafteschnulle war ja angeblich Sekretärin irgendwo in H., Partnerstadt von Chester. Und er schrieb ihr nicht geradeheraus, sondern fing ganz oben beim Orgasmus an und ziemlich geschwollen in bemühtem Hochdeutsch: "Aber ein anderer Verdacht ist da über meine Seele gekommen: Dich gibt es gar nicht, ich habe Dich nur geträumt, nein: erfunden, wie hier in diesem Brief auch, wer aber träumt diese Große Vereinigung, in dem wir uns alle und leider erinnert nur momentweise dann in der andern Wirklichkeit zurechtbefinden müssen? Hier aber im Anschein und Anblick bist Du nur mein eigenes Kino, Pro¬jektion, sagt man. Genau, wie Du es vorgestern heim¬lich von uns gedacht hast. Ich weiß: Du bist jetzt sehr böse über diese Zeile, in der ich mich gerade befinde, mich darin fortbewege, Dich darin gefangensetze? Glaub mir, es ist eine arge Rohfas¬sung, meine Vorstellung kreist jetzt schon an ihrer Grenze, bis ich endlich (es hoffentlich bald gemeinsam mit dir hinausfinde! Du hast das anmachende Wort genannt. Es gibt auch eines mit Flug und Vö¬geln. Wenn ich so mutig vor mich hin schreibe, muß ich mich nicht wirklich ins Taxi setzen, um von Dir dann abgewiesen zu werden! Und Du wärst gestört, wie ich es manchmal bin, diese Zartheit des uns Noch-Nicht-Geliebthabens, deine Ab¬we¬senheit läßt uns weiter leben. Ich sehe Dich vor mir, wie Du wütend sagst, dass wir Dich nur aus-nützen. Wer noch außer mir? Lov? Und Du gabst dich hin, ich weiß es. Konntest nicht anders. Und ich bin froh, dass ich Dich schreibend den¬ken darf. Mit Dir leben? Ich würde es nicht ertragen, mit Dir zu leben. Auch Dich interes¬siert ja jetzt eine Be¬gegnung nur, damit wir über diese Sa¬che oder auch ´über alles´, über das was bei Lov passiert ist, über das, was wir noch nicht erlebt haben, sprechen? Ver¬langst also, aus¬gerechnet Du tust es, eine Art unge¬lebte Literatur in An¬wesenheit der Betroffenen? Du hast schon recht, AnnaLyss, Liebe ist immer abso¬lut und in der Nähe des Todes. Ähnlich wie in der Analysi-s, die vom Delta t spricht, Delta des Flusses, die Mündung, die an der Grenze des Meeres ist, treibt uns die Liebe in jene andere Zone, und rücksichtlos ver¬nichtet sie uns und die Zeit, das wissen die Frauen am besten, Leben und Tod werden unun¬ter-scheid¬bar: Zeitscheiben werden schmaler und schmaler, ein Zeit¬empfinden umfassender, durchsichtig, es ist eine ge-fährliche sum¬mende Nähe zur großen Leere zwischen dem Schlaf des Todes und dem Schlaf des Wachens, und meinst durch¬zubrechen in die Zone der Engel." So einen Stuß also ver¬zapft der in seiner Gier nach mir, dachte die Briefempfängerin amüsiert, also den schüchternen Götter¬plan¬be¬sitzer hab ich nicht nur bald in mir, sondern Schwanz und Plan passend und besitzbar in der Hand. Das redete sie sich freilich als Oberflächenlösung nur ein. Denn so roh war sie leider nicht, wie sie sich gab. In Wahrheit war sie einigermaßen betrof¬fen. Denn wie sollte sie diesen Ab-grund füllen, überbrücken, den Mann nicht zu sehr enttäuschen bei diesem Job. Weshalb kündigte sie eigentlich nicht? Sie mochte diesen Rausch des Geheimnisses und der Macht; und erlebte alles als Übererotik. Doch eine kalte Dusche brauchte der Gute; anderseits gefiel er ihr bes¬ser als Lov, er war ja auch bedeutend jünger. Andere¬seits hätte sie ihm diese Enttäuschung gerne erspart, aber sie musste auftragsge¬mäß an das "Material" (welch gräßliches Wort), nicht nur an die Hose; wozu auch sein Zustand gehörte, sie musste an das alles herankommen. Und Joyce hatte ihr oft genug eingebleut, dass "alles" dazugehöre! Und daher sei es auch gar nicht so schlimm, wenn sie ihre Reize und ihren verdammten Sex mit einsetze. Das, was Lovering nur als Kind gekannt hatte, war Terplan ganz und gar vertraut, nämlich das Fliegenkönnen. Und er verband es mit der Liebe, wenn alle Sinne wach sind im Einen also: "Das Eine ist die Nacht. die TRUN¬KEN¬HEIT NOAH wäre so zu deuten," sagte er zu Anna Lyssowa: "Also trunken von der Passion, das ist der Herr Jesus. Der Christ in uns fliegt so, Christus fliegt aus uns heraus. So ist es bei Hieronymus. Mit Porus, dem betrun¬kenen Gott des Reichtums ist das verbunden. Solch ein Reichsein. JA. Das Reichsein ohne Ende, Fülle. Da ist ein Medaillon von Giovanni da Calvino: CRI¬STI hat da die Aufschrift "Porus consilii filius", so schreibt der Massimo: Trunken also vom Schmerz. Schmerz der Teilung, Vernich¬tung des Körpers." So spintisierte Terplan noch kurz vor der Begegnung mit Lyss, er hatte auch Hockes "Manierismus" und Winds Bücher auf den Tisch gelegt, daraus wollte er ihr als Einstimmung, und zur Begründung seiner ekstatischen Flug-Vögellust (Porus consilii filius!), vorlesen. Es kam anders. Noch in dieser Nacht sah er, wie sie ihn aus dem Bett holten, und weiter immer weiter zurückführten, nun wußte er wenigstens, dass er nichts als ihr Experiment war, und er konnte sich dann genau erkennen, wie im Kino lief alles ab. 9 Was dann wirklich geschah, geschah Terplan nachher, als dieses Spektakel vorbei war, spät abends und dann vor allem am folgenden Morgen. So hat Terplan nach einer Liebesnacht es dann selbst Lyss vorgelesen... Es war eine heftige Flugnacht und heftiges Vögeln in aller nackten Haarpracht ... Und die Schwerkraft trat als Sexenergie auf, dieser Kuß, diese Zunge im Mund des andern, der den Akt selig nachahmt, noch näher am Kopf; es pRichelt, daran zu denken, dass sie bald vögeln wer¬den, schönes Wort, und stellte sich vor, wie er von hinten ein¬dringt, ihr nackter zartweißer Po, sie halb seitlich lie¬gend, ein Bein angezogen, dass ihre Haarflut, darunter der ro¬sige Spalt, sichtbar wird, weit klaffend, bereit, er mit dem Pfahl sich nähernd, der zuckt wie bei jungen Heng¬sten, und sie sich leicht zitternd aufbäumt unter seinen Stö¬ßen ...und dazu grammatikfreies Gestotter improvisierter Partien ... (Terplan dachte wohl, so revanchiere er sich bei Lyss!), las er mit etwas heiserer Stimme Eigenes, das er so ins Fremde Gelände der und seiner kuriosen Sprache verbracht, kaum noch erkannte, las dies Lyss im Bett, eine Hand auf ihrer V, dem weichen Gekröse, ein VögelNest, wie er lustvoll diesen Fixpunkt benannte, laut vor, wie sie ihn im Zwischenzustand besucht hatten und sich alles auflöste zum Nichtmehrerkennbaren, „ausgibig“ ins totale Hinüber zu „ihnen“ dann gespürt hatte: "In der von grellen Lichtstrichen unterbrochenen Dunkelheit des Schlafzimmers schloß ich noch einmal die Augen. Das war ein letzter Versuch, etwas in mir zurückzuhalten, das schon so lange als blitzschnelles Bild, als hervorschießender Gedanke sich gemeldet hatte. Jetzt brach es ein und aus, und das Äußerste, Sparsamste, das ich noch zustande bekam, war während ich nachgab, die Formierung zu einer Reihenfolge, einer geiziger Unung der gehüteten, vergangenen, nun in mir sich Augenblicke zu zeigenden Riesenmöse. Beim Vorbeugen und Aufstützen auf die Tischkante hatte sich ein Oberarm unter einem roten Pullover deutlich gewölbt. Der Tisch hatte frei im Raum gestanden, das Vorbeugen über ... und Kaffeegeschirr mir gegolten, es hatten überall um den Tisch herum Leute gesessen (wohl die Restversammlung von vorgestern) an deren Gesichter ich mich kaum erinnerte, es mußten drei, vier darunter gewesen sein, die ich schon kannte. Aber sie tauchten jetzt nicht auf, keine Köpfe, keine Hände saßen an ihren Plätzen. Es fand im Hellen statt, aber umschlossen von einer Dämmerung: ein Vorbeugen auf mich zu, eine schwarze V sehr langsam und nachdrücklich, als würde etwas quer über die Tischfläche weg mir zugeschoben, etwas Kompaktes, das sich nur mit Anstrengung bewegen ließ. Dazu war ein Arm unter dem Pulloverärmel benutzt worden, und der Muskel zwischen Schulter und Ellenbogenbeuge war dabei angeschwollen, also konnte es nicht anders sein: Etwas war zu mir hingestemmt worden, es war nicht sichtbar gewesen, aber ich spürte nun erst recht den Schub und die Massigkeit. Ich sah es ja klar an der sich ausprägenden, lebendi¬gen Rundung an dieser Stelle dieses bestimmten Oberarms. Es war aufgrund der Anspannung sicher auch ein gewaltsames Atemanhal¬ten geschehen, sonst wäre ganz sicher bei diesem äußerlich nicht erkennbaren Handlungsverlauf über alle Zentimeter der Tisch-decke, die ein Muster, eine Farbe jedenfalls gehabt haben musste, viel¬leicht sogar um eine Blumenvase herum, der Muskel nicht so plötz¬lich hervorgetreten und auch nicht so allmählich und niemals, nie¬mals so nach¬drücklich DA gewesen, und dabei schien es um ein Zurückstauen außerdem zu gehen, ja, vielleicht kam es bei diesem Vorfall und dem ihn begleitenden absoluten Schweigen - die Hellhörigkeit einer voll¬kommenen Stille, anders war dies alles gar nicht möglich und nicht wahrhaftig – kam viel eher auf die Mobilisierung aller Konzen¬trations¬kräfte an, die etwas bereits Vorhandenes noch rechtzeitig wegbiegen sollten. Die kaum wahrnehmbare Veränderung des rot überzogenen Oberarms konnte durchaus auf beides zurückzuführen sein. Es gab dann, an einem anderen Punkt, ohne dass sich etwas Sichtbares dazu eingestellt hätte, die Stimme, die sich aber über mich beugte, das war eine Gewißheit, von einem Stehenden zu mir; der Sitzenden, herunter; und zwar schräg von hinten, auch das war unumstößlich für immer diese Riesenmöse: Die Stimme hatte sich überraschend genähert und plötzlich an mir heruntergesenkt und sich selbst innerhalb des Satzes auf das letzte, dann nur noch geflüsterte Wort gesenkt, und meine Haut alle Haut meines Körpers, das begriff ich jetzt, hatte sich als Angeredete sofort erkannt, mein Bewußtsein nicht aber meine Haut die viel schnellere. Sie hatte dieser unerwarteten Ansprache verblüfft, daher wehrlos, ohne Ein¬schränkung zugehört und den Satz an sich entlangstreifen gespürt und ihn angefühlt und für sich behalten und sich ihn schon die ganze Zeit unterhalb meines Kopfes wiederholt und kannte ihn schon in seiner Intimität und unbeirrbaren Vertraulichkeit wie ein starker Geruch. Aber ich selbst gestattete mir jetzt, ihn aufzusagen: "Mögen Sie noch etwas Kaffee?" Die Stimme hatte diesen Satz benutzt und, indem sie ihn leichthin, schmeichlerisch sagte, über dieses Benutzen gespottet "Mögen Sie noch etwas Kaffee?" "Mögen Sie noch etwas Kaffee?" So War es richtig, ich musste es oft sagen, das letzte "e" musste in einem Singsang, eigentlich unzulässig auf der Stelle schaukelnd über Lippen kommen, und meine Haut stimmte schließlich zu: "Mögen Sie noch etwas Kaffee?" Wieder gab es eine Lücke, die ich nicht auffüllen wollte. Es waren winzige Ps gewesen, als sähen sie direkt aus einer Finsternis in die Sonne, da war viel Platz für die Helligkeit um sie her entstanden. Sie war über einen kurzen Abstand hinweg auf mich gerichtet gewesen, Scheinwerfer; die in einem einzigen Aufblenden den entferntesten Hintergrund meiner eigenen Augen trafen, so dass ich, während ich den Blick aushielt, diese sehr dunkle Fläche, die ich selbst war, zum ersten Mal aufstrahlen sah. Mir war gar nicht der Gedanke gekommen, mich zu schützen und auszuweichen, so sehr begriff ich, dass ich hinsehen musste, um alles in diesen Sekunden wortlos zu leben, denn ich war das zum ersten Mal ganz, das alles war ich, und auf Anhieb mit diesem einen Lichtauswurf an alle oberen, unteren und seitlichen Grenzen gestoßen. Es flirrte und flimmerte, es klirrte, eine und eine Lähmung, nicht das Flackern eines Einverständnisses, SOL … sondern das Aufflammen einer Erkenntnis bis in die letzten Winkel auch jetzt, während ich noch im Bett lag, spürte ich diesen vor den Blick und stellte mich davor auf und spannte mich davor auf AlL-überall getroffen zu werden. Nur bei meinem Großvater hatte ich etwas Vergleichbares gesehen, aber nie mir zugewandt und nur ein von Jähzorn gerötetes Gesicht... In dieser Nacht, die folgte, nachdem sechs Tage vergangen waren schlief ich ohne aufzuwachen bis weit in den Morgen, sodaß mein toter Vater, schon angezogen und rasiert, an mein Bett trat - mich zu wecken. Ich trank zum Frühstück drei große Tassen Kaffee und aß zwei kräftige Schwarzbrotschnitten. Mein Vater war erfreut und sagte endlich: "Du wirst wieder!" Und ich antwortete, ohne mich zusammenreißen zu müssen, ganz leicht: "Übriger haben wir dieses Jahr vergessen, einander in den April zuzuwinken.“ Ich begoß wieder die Blumen und räumte weg, was seit einer Woche liegengeblieben war. Damals, in der ersten Aprilhälfte, hatte ich einen Freund von Petras Mann, Horst Fischer kennengelernt,der lebte mit seiner Frau und seinem kleinen Jungen in Kanada, Dozent für deutsche Sprache und Literatur. Nur noch dieses Jahr hielt er sich in Deutschland auf, plante aber zurückzukommen. Er hoffte, sich in einiger Zeit selbständig zu machen mit wissenschaftlichen Arbeiten, als Kritiker, Reiseschrift¬steIler, was sich böte, um mit seiner Familie im Westen Kanadas, an einem See, ein paar Jahre in einer bescheidenen Wildnis zu verbrin¬gen. Er fragte mich nach der deutschen Sprache heute. Und ich sagte, such lieber die nicht, sondern die, die vergessen wird, die, die noch zu „ihnen“ führt! Ich schlug das Fremdwörterlexikon auf, las Wörter und ihre Bedeutungen, vergaß das eine beim Lesen des nächsten und sagte: "Wenn die Wörter Nerven hätten, was müsste das für ein Gefühl sein, von mir so Buchstabe um Buchstabe, ohne sich rühren zu können, unaufhaltsam gelesen zu werden!" Es kam jetzt darauf an, die Lage hier auf der Erde, also meine, selbst in die Hand zu nehmen. „Sie“ sollten sich in einem einzigen Punkt sammeln. Ich fürchtete eben doch das eine: Meine neue Empfindung könnte sich unbemerkt ver¬flüchtigen. Sie musste bewacht und gehütet werden. Wie unvermit¬telt ein Recken durch meinen Körper wanderte, so dass ich mich aus dem Stillsein verändern und verbiegen musste! Es bewies mir, dass es mir gelungen war; einen Satz, eine Schwingung der Stimme, ihren auf mich unverwandt und schlagartig gerichteten Blick herzuzwingen. Ich vermied jede Abwechslung, manchmal musste ein Satz viele Male gesprochen und gemurmelt werden, um schließlich erfolgreich zu sein. Eine Fernsehkomödie, die ich einmal, in einem unbedachten Moment, angesehen hatte, richtete für den restlichen Abend eine schreckliche Zer¬störung in mir an. Alles schön Geordnete wirbelte durcheinander; ich saß verwirrt und mürrisch da bis zum Schlafengehen. Eine Lehre, ein Fehler; den ich nicht wiederholen würde! Von da an achtete ich ängst¬lich darauf, mir solche Bequemlichkeiten nicht mehr zu gönnen. Waren alles angewärmte Schüsseln, in denen man rasch zerlaufen konnte. Solche Störungen mußten erkannt und dann mit Entschlos¬senheit abgelehnt werden! Jede Unterhaltung war daran zu messen, ob sie ablenkte oder meine Freude stärkte und mich zu ihnen hin ins Unerkannte öffnete. Leichte Hand , nannte ich das! Langsam sein. Auch mein eigenes Reden konnte ein solches Hindernis, eine solche Verschwendung, nämlich Ausschüttung sein. Wenn ich mein innerliches Schweigen bewahrte, hielt ich mühelos der Umgebung stand. Gelegentlich aber sprach ich heftig und ausführlich auf Bekannte oder Fremde im Laden ein. Das War auch eine Versunkenheit, der ich mich heimlich hingab, das war eine Strenge, keine Ausschweifung, die meine Ordnung bedrohte …“   Dritter Teil 1 Joyce gab seinen beiden Agenten, Morris und Lyss, den Auftrag bei Lovering und Terplan über diesen Aspekt der Parallelen (Psyche und „sie“) mehr herauszufinden. Die Lyssowa gab nach einer Woche schon einen detaillierten Bericht ab; und dazu Terplans so seltsamen Selbstbericht seinen Zustandes. Freilich, viel konnte man im militärischen oder geheimdienstlichen Sinn nicht damit anfangen. Doch Joyce war persönlich davon erschüttert, fand vieles von seinm eigenen Zustand, der ihn manchmal glücklich machte, wieder. Doch das gehörte für die Idioten draußen nicht zur „Sache“. Ein besonderer Fund für Joyce war Loverings gelehrte Abhandlung (große Teile hatte er aus einem berühmten Traktat über den Manierismus übernommen, aber völlig umgewandelt und nach der Wahrheit, die auch dort verschwiegen worden, ab- und angeklopft und enthüllt!) - nämlich alles über diesen geheimen Flug und über die "Engel"; Lyss hatte die Lov-Aufzeichnungen nochmals vollständig kopieren können. Joyce las sie mit größtem Erstaunen, und er nahm sich vor, den General Newton, seinen Vorgesetzten, damit zu ärgern. Er las mit vielen Notizen den ganzen Nachmittag an diesen Aufzeichnungen und bereitete sie höchstpersönlich fürs Archiv vor. Doch sonst enthielt Loverings "Schwarzes Buch", genau so wie Terplans „Innerer Götterplan“ eigentlich für Lyss viel zu viel Privates, das sie nicht auswerten konnte. Oder doch? Denn alles ist mit dem "Necronomicon" und seinem Todes-Namen zusammen¬zu¬bringen, so Lov: "ABENDS. Ich schrieb an einem Vortrag über meine Kriegs-erlebnisse ("Das verdrängte Inferno") in meinem Zimmer, es war Nacht. Da knackte es im Raum, irgend etwas klirrte, vielleicht ein Vogel, der aus Versehen ans Fenster geschlagen hatte. Und die ganze schöne Ordnung in dieser Rede, die ich vorbereitete für einen Vortrag, zu dem mich der Oberst Joyce eingeladen hat (man kann ahnen, warum! Doch ich mache das Spiel mit, einer der schon einmal fast tot war, fürchtet wenig!), es soll auch sonst noch Publikum geladen werden, alles brach dabei zusammen, und was ich da sagen wollte, schien mir plötzlich höchst lächerlich. Das Alleinsein nachts hier, vor allem nach zwölf Uhr ... Eine Ecke ist da in meinem Zimmer, wo es hoch hergeht, woher ich nur den Ausdruck habe, "hoch her geht", stimmt genau: da die Unsichtbaren dort "wohnen," ganz nah am Fenster zum Wald, sind hoch und nie zu greifen, aber da. Mondsgefrieser, könnt ich meinen. Und wenn es Nacht wird, reichen sie herein, und rühren mich von hinten an. Da steh ich auf, dreh die Deckenlampe an, dann erst knipse ich die Schreibtisch¬lampe aus und geh mit dem Gesicht der Tür zu, Rücken ihnen zugewandt und rückwärts, Schritt für Schritt, immer den Blick in die Vergangenheit, schnell, so schnell es nur geht, zur Tür hinaus zum Schlafen, zum Treffen mit ihnen im Traum, wo sie eher hingehören als in den Blick, der mich trifft und erschreckt, denn im Traum bin ich ja ganz bei ihnen, einer der ihrigen. Doch hochgefahren aus dem Traum, ist das Zimmer auch besetzt von "ihnen", und ich geh unter die Decke, um nicht mehr da zu sein, das löst sich heiß und weich auf. Die Freunde nennen mich manchmal Niemand. Ich habe es gerne angenommen, weil es mir entspricht, und Terplan sagt dann in seinem alten Dialekt, den einige Leute hier immer noch sprechen: "en Nemest". Denk auch an Polyphems Höhle zum Glück und letzten Widerstand. An dem wird ja deutlich, wie es Weisgerber schon betont, dass Muttersprache die apriorische Form der Apperzeption ist, und in ihrer innern Sprachform den Einzelnen gefangenhält, sie wird in einer Autopoiesis zu einem autistischen Sich-selbst-ins Gesicht-Sehen. Niemand, als jenen, der sich in der Sprache versteckt, jener, der ich wirklich bin. Ich, der Niemand also, nahm so nur "sprachlich", in meiner Verzweiflung den Vorschlag Terplans an, Gäste nach S., (im sogenannten „Sandersaal“) einzuladen, mein Vortrag könnte so besser vorbereitet werden, die sollten, je zwei Gäste pro Abend, "alles" erzählen. Träume, geheime Begeg¬nungen, früher gelebte Leben, um zu einem Schluß zu kommen, auf Quälendes nämlich für ihn und uns lösend einzuwirken, auf die Letzten Fragen: Jeder wisse mehr über die Unzeit, als er zugebe, mit erfahrenen Geschichten, mit unseren Todestherapien das zutiefst Verheimlichte dem Begriff zu entreißen. Doch wie das, fragte ich verwundert, ohne "wirklich" da zu sein. Mit Geschichten, sagte er, klar, dem Vorschein entzogen nur in der innern Zeit, die allein gilt. Na schön. Und am deutlichsten sei das nach dem Tode, da sei keiner dort zu finden, wo ihn der Verstand unterbringe, sagte er noch: da gäbe es nichts als ein leeres Grab, sagte er. Dieser Niemand also. Und sagte es noch, und ging dann selbst endgültig da sein, oder aus dem, was wir den Augenschein nennen, verschwinden wir alle aus unserem Loveringkreis ins Haus des Seins, wie Terplan sagte: in seinen, in meinen Sätzen, in diesem Buch. Anzeichen gabs schon bevor er fort war, er schien abwesend, schrieb im Stehen, im Gehen, während des Essens, schreckte meist hoch, wenn ihn jemand ansprach. Sein Autistisches Syndrom hatte verheerende Formen angenommen. Wenn er aber sprach, wurde in den Akuemen, der phonetisch artikulierten Kundgabe seiner Affekte, wie wir wissen, Stimmveränderung erkennbar. Allgemein¬eindruck: Versunkenheit. Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob es sich nicht doch um ein verborgenes schizoides Symptom, um ein chronisches Paranoid handelt. Er lebte mit seiner neuen Wortwelt andere Innenräume, und meinte, wenn er zu einem andern Satz käme, sei das eine andere Begebenheit, und man könne ein Verb oder Eigenschaftswort von oben, von unten, von der Seite sehn, besser als seinen Gegenstand, der Nichts sei. Auch sei hier z.B. "Magahoni", er sagte nie Mahagoni, aus dem armen Restregenwald weniger eine Schuld, als etwa ein Sarg daraus, auf die Schulter zu nehmen. Und er wolle überhaupt nicht in die Erde, weil sie verseucht sei. Er, der Transsylvan, war hier wieder nach Hause gekommen, nach vielen Jahren der Abwesenheit, versteckte er sich hier im „zu Hause“, als wäre er gejagt, vor sich selbst, vor mir, jener äußeren Gestalt, die mitmachen musste, nolens volens, vielleicht, zum Schluß, das war vor einem Jahr, dachte er, dass sei nun weiter sinnlos; er war in das Land der Märchen und seiner Kindheit aus deem Westen nun wieder zurückgekehrt; welch ein Trug, wenn er das wirklich annahm, Zuhause zu sein. Es gab nirgends mehr ein Zuhause! Keine Zeit kehrt wirklich zurück! Vor der geheimnisvollen Krankheit, die die Erde erfaßt hat, kann niemand mehr fliehen. Und hier in Siebenbürgen sieht man es ganz deutlich. Sieht den Zerfall. - Da seh ich mich nun auch vor mir, ich der Lov, wie sie mich nennen, ein Trost kaum, ergraut, gebeugt, auch kaum noch redend, Niemand habe schon alles gesagt, meint der Transsylvan Terplan, auch verriet der sich mündlich kaum, nur auf der Seite, wenn er schrieb: da kam die typisch irre Grammatik zum Vorschein, Verbalsubstantive, adjektivische Partizipien und vor allem Paralogien, Amphibolien, Hyperbeln, Ellipsen, Fehlen von Konjunktionen und Pronomina etc.etc. Ich könnte aus seinen Texten Unmengen dazu anführen. Auch betont Erotisches. 2 Annalyss´ Nägel, die offenbar aus Acryl waren, hatten die Farbe und den Glanz von Perlmutt, Joyce betrachtete sie und sagte: "Sie ha¬ben mir das mit deiner Mutter gesagt." Lyss wurde rot und senkte den Blick. Joyce merkte, dass ihr die Tränen die Wangen runterran¬nen. "Okay, es ist also nicht okay." Sagte er. Und die perlmuttnen Nägel trom¬melten auf dem Marmor. "Gehn wir!" Er hatte darauf bestanden, dass sie noch den Oran¬gensaft trank, der warm und fad ge¬worden war, dann führte er sie auf die überfüllte Straße. Sie fest im Schlepptau, bahnte Joyce sich einen Weg, als wäre es eine krumme Zeile, und alles schon beschrieben: vorbei an Bottichen und Töpferwaren der Szekler, es war heute Wochenmarkt hier in S. Klapptische auf Stahl-rohrgestel¬len, die mit zerrisse¬nen Samtvorhängen und abertausend Plunder aus Silber und Bleikristall, Messing und Porzellan bedeckt waren, standen überall auf dem Marktplatz, wo Terplan oft mit seiner Mutter als Kind „zum Einkaufen“ gegangen war, vborbei an der Aspotheke „Zur Krone“ in die Hüllgasse und Mühlgasse. Lyss machte große Augen, als er sie an einem Aufgebot von Süßwaren und Töpferwaren vorbei schleppte. „Koronderdäppen“, nennen die das Geschirr hier,“ sagte er: "Wir sind in Transsylvanien.“ Joyce sah sie an. Ihre Wut war verflogen oder ge¬schickt ka¬schiert. Während sich Joyce setzte, tastete sie nach dem Gerät in der Tasche. "Ich bin kein Spion." "Dann fang an, dein eigener zu sein. Falls Lov das heiße Eisen ist, bist du jetzt womöglich mitten im Feuer gelandet." "Aber warum mich da hineinziehn?" "Du steckst bereits drin. Du bist hier. Angst?" "Nein", sagte sie und verstummte, während sie sich fragte, ob dies wahr sein konnte, ob er wirklich nicht verstanden hatte? Nicht verstehen wollte? Der Mann ist ein Londoner, East End. Er betreibt of-fenbar Datenklau. Ich habe keinen Zugriff zu den Poli¬zeiakten - ausge¬nommen bei Verbrechen von histori¬scher Bedeutung." "Ich weiß nicht, was ich tun soll ... " "Dreh das Gerät um!" "Was?" "Auf die Rückseite. Da siehst du eine halbmondförmi¬ge Rille. Dau¬mennagel rein und drehn... " Ein winziger Deckel ging auf. Mikroschalter. "Stell den A/B-Wechselschalter auf B. Verwende nen dünnen, spitzen Gegenstand, aber keinen Kuli." So wirst du mit jenen verbunden sein, die dir helfen können." Sie lachte ihn ganz direkt, ein wenig erstaunt und ein wenig frech an.... wußte er es denn nicht? Ausgerechnet er nicht. Sie begann langsam daran zu zweifeln, dass auch er ... War er tatsächlich nur ein kleiner amerikanischer Oberst?... 3 Eben waren wieder unglaubliche neue Meldungen eingegangen. Real war, das wußte Joyce, und "durfte" es auch wissen, was unser Bewußtsein für „real“ hält, wenn es träumt, eben auch den Traum. Und jeder Erzähler, freilich auch jeder Leser, konnte das nachvollziehen. Aufwachen? Aus einem Alltagsschlaf? Ein Zustand, der leider andauernd vergessen wird, oder durch dienliches normales Verhalten vergessen gemacht werden soll, dachte Joyce, und nahm sich davon nicht aus. Er überlegte, fühlte sich dabei angestrengt, wie er das wohl in seinen Aufzeichnungen verarbeiten könnte, und entschied sich zuerst mal für eine sachliche Widergabe, dass nämlich Radarstationen dieses unbe¬kannte Flugobjekt gemeldet hatten, als aber dann 2 MiG-21-Abfangjäger die Verfolgung in ca. 10000 Metern aufnahmen (wir sollen uns nicht wundern, Rumänien, zu dem ja Transsylvanien gehört, war ja inzwischen längst in der NATO!) - und der Gruppenführer berichtete, das Objekt sei eine leuchtende, metallische Kugel ohne erkennbare Kennung oder Markierung gewesen, unfaßbar glatt und unangreifbar, so hatte es ihm ein Kollege und Experte von dem Air Force Security Service mitgeteilt, der bei der 6947th Security Squadron stationiert war, und der Gruppenführer nach einem erfolglosen Versuch, Kontakt mit dem Objekt aufzunehmen, vom rumänischen Hauptquartier den Befehl erhalten habe, seine Bordgeschütze zu laden und das Objekt zu zerstören, als seine Raketen abschußbereit und sein Radar fest eingestellt waren, da habe der Pilot der zweiten Maschine Sekunden später der Bodenstation über Funk entsetzt die Meldung zugeschrieen, dass die Maschine des Gruppen¬führers explodiert sei... Und als er sich etwas gefaßt hatte, so der Kollege, habe er weiter gemeldet, dass weder Rauch noch Flammen zu sehen gewesen seien, das Fluzeug hatte sich einfach in Nichts aufgelöst. Die NSA musste die Nachricht bestätigen und alle Abhörbänder ablegen, sie erhielt die Anweisung, den Zwischenfall als Flugzeugverlust aufgrund technischen Versagens abzulegen. Mir ist klar, warum, dachte Joyce, solch ein allarmierender Bericht über die Vernichtung eines Düsenjägers, egal welcher Luftwaffe, durch ein UFO, macht unseren Oberen natürlich allergrößte Sorge, und fällt in andere als übliche Geheimhaltungs¬kategien. Wir wissen es ja, solche Zwischenfälle gibt es mehr als genug. Denken wir nur an die Vernichtung von ... durch eine Scheibe. • Der Kollege hatte die Nachricht auch dem Atomphyiker Stanton Friedmann zukommen lassen, mit Flugzeugkurier von B. aus, der sie auswerten und mit anderen Fällen zusammenbringen und vergleichen sollte! Joyce notierte in seinem Tagebuch: "Ich dachte natürlich auch an das Verschwinden jener 5 Flugzeuge im Bermudadreieck; eine literarische Aufarbeitung ist kaum möglich, auch was im Bewußtseinsstrom auftaucht, ist die Maske der Wahrheit; so muß ich auf Träume warten, mir eingeben: sie nicht zu vergessen!?" Joyce setzte sich ans Lesegerät und las die Mikrofilme von UFOS, fotokopierte dann die gestohlenen Seiten, die er wieder äußerordentlich interessanten fand, und notierte an den Rand und auf die Rückseite des mitgebrachten Materials: Wir stehen hier einmal mehr vor der schon angesprochenen Schwierigkeit der Definition von ‚Wirklichkeit‘. Eine vergleichbare Pro¬blematik liegt übrigens bei den rätselhaften Phänomenen vor, deren un¬glücklich gewählten Bezeichnung‚Ufos = unbekannte Flugobjekte‘ (oder gar ‚fliegende Untertassen‘) völlig falsche Erklärungsmodelle nahelegt. Die derzeit einzig berechtigte Aussage ist ‚unbekannt‘, ansonsten handelt es sich weder um übliche ‚Objekte‘, noch ist der Begriff ‚fliegen‘ durch¬gehend berechtigt. Wegen ihrer Flüchtigkeit und der Übergänge zwischen inner¬psychischen, traumähnlich-visionären Erlebnissen (etwa der soge¬nannten Entführungen) und massiven, objektiven Gebilden, die physika¬lisch meßbare Spuren hinterlassen, gleichen viele Ufos eher den Phanto¬men der Spiritisten als echten ‚Flug-Objekten‘. Einer der Durchsagen von ihnen, die Terplan medial empfing, ist sehr erhellend, ich kopiere sie hier: "Ufos haben einen sehr vielfältigen Ursprung. Einige von ihnen kommen aus eurem bekannten Universum, teilweise sehr weit weg, einige von ihnen kommen aus eurer eigenen Zukunft, gewissermaßen die Nachfahren der Menschen kehren zurück in ihre eigene Ge-schichte. Dann gibt es Ufos, die hier auf der Erde gebaut werden, entsprechend auch verschiedene Aufgaben haben. Dann gibt es Ufos, die tatsächlich nicht in materieller Form in Erscheinung treten, obwohl sie eine Art materielles Bild im Bewußtsein des Menschen erzeugen, die aus anderen Dimensionen einfliegen, zum Teil auch aus Dimensions-verbindungen, die ihr als die schwarzen Löcher er¬klärt. Ufos, einschließlich der Entführungen, sind projektive Aus¬läufer paranormaler Anteile menschlicher Seinsweisen und Zeichen einer zunehmenden Verbindung der wiederentdeckten eigenen Transele¬mente. Es sind nicht polar faßbare Verbundnetzstrukturen, irreal-imaginär, nicht auf eine einzige Ursache rückführbar. Ufos sind Brücken der Kommunikation zwischen galaktischen Gesellschaften und uns hier auf der Erde." Joyce machte ein kurze Pause, sah zum Fenster hinaus, in der Ferne war die Silhouette der Stadt mit der Bergkirche erkennbar, die eben wie ein passendes Kommentar aus alten Zeiten, ihre Große Glocke ertönen ließ. Ist jemand gestorben, wohin geht der wohl? Joyce notierte dann weiter: Die Art der Verwirklichung von Ma¬terial¬isationen im engeren Sinn ist nicht klar. Während sie sich bei den klassischen spiritistischen Sitzungen aus einer ‚ekto¬plasmatischen‘ Substanz bilden, die - dem Medium ent¬strömend - verdichtet und geformt wird, sprechen jenseitige Wissen¬schaftler in jüngster Zeit von der Anwendung neuer Energieformen. Da¬nach kombinieren sie eine jenseitige Energieform mit (ortsgebundener) Erdenergie und der psychischen Energie der Sitzungsteilnehmer. Die Pa¬lette der intersubjektiven Erlebnisse in der Experimentier¬grup¬pe von S./Llaregstone (H.C. Lovering) ist umfang¬reich: nach dem Stand der bisherigen Untersuchungen (Agenten: Morrison/ Lyssowa) gibt es Lichteffekte, auch auf originalver¬packten Filmen, akustische Phänomene einschließlich ‚Energie¬stimmen‘ im Raum, Materialisationen stabiler Objekte, körperliche Berührungen durch beleuchtete materialisierte Hände. Die von Rupert Sheldrake erneut in die Diskussion eingebrachten gestalt¬bildenden morphischen Felder können in allgemeiner Form auch zur Beschreibung der Transkontakte herangezogen werden. Sie sind unseren normalen Bewußtseinszuständen und physikalischen Gege¬ben¬heiten übergeordnet und werden aus höher¬dimensionalen Bereichen gesteuert. So heißt es in einer wichtigen Durchsage (Terplan): "Um die Gefahr verantwortungsloser Anwendungen zu verringern, ist die unmittelbare geistige Beeinflussung des Geschehens dem gegenwärtigen Menschentyp versagt: Morpho¬ge¬ne¬¬tische Felder sind zu früh für euch." Und Joyce notierte resignierend: „Uns bleibt nur der mühsame Kampf gegen die Trägheit der Materie. Die geringe Anzahl metanormaler Aus¬nahmen oder Anomalien, wie die der Gruppe Lovering, erweist aber die prinzipielle Wirklichkeit und Wirksamkeit manipulier¬barer Informationsfelder, die die sogenannten Naturgesetze - das heißt die vorwiegend geltenden Regeln, die zugleich unsere Beschränkt¬heit zeigen - kurzfristig außer Kraft setzen. Ein erstaunliches Beispiel dafür dürfte diese Psi-Gruppe hier auf dem Holzmarkt, seltsamerweise in Terplans ausgebautem Elternhaus und der ehemaligen Camera Agricola sein, von der unserer Meinung nach keinerlei Gefahr für die festgefügten neoliberalen staatlichen Ordnungen, vor allem die der USA ausgehen dürfte!“ Joyce wurde dabei ein wenig rot, denn er war sich des Gegenteils durchaus bewusst. Dafür konnte er nun wenigstens eine schöne Wahrheit in seinem Bericht unterbringen, die der Professor sicher lesen und die ihn ärgern würde, nämlich, dass Ufos „wirklich“, aber nur Projektionen seien, wie alles, was existiert, Projektionen sind! Auch die Wirklichkeit. Wenn das für den Alten nicht verwirrend ist, freß ich einen Besen, einen Hexenbesen natürlich! 4 Freilich, aus dem Tagebuch Lovs ging hervor, dass er alle diese geheimen Berichte gekannt haben muß! Wer hatte Lov diese Storys mitgeteilt, Lyss? War sie gar Doppelagentin? Lov sprach mit Terplan über diese neuen Ereignisse. Dem lief aber wie üblich, der Gedankenfaden davon ... Und Lov freute sich meist, es war auch jetzt wieder so, als diktierten ihm die Stimmen seine Aufzeichnngen. Unmöglich, dachte er, dass schon beim Umgraben des Gartens aus jedem Grashalm ihre Stimmen kamen, sind Gras oder Erde nur eine Maske? „Jaja. Maske oder Überhaut. Erst jetzt weiß ich, große Leiden kommen aus dem Abgrund deines Herzens, nicht von fremden Planeten, weil du es nicht durchschaut hast. Was zum Teufel ist dies Gras oder auch meine Hand da mit den Flimmerhärchen "eigentlich"? Mit den Fremden könnte ich darüber sprechen, der Nachbar aber würde mich dumm ansehen, wenn ich ihm beim Rasenmähen solch eine Frage stellen würde. Hi, Herr Nachbar. Was tun diese Affen eigentlich den ganzen Tag; - muß wieder an Dick denken: Zeitung holen, Briefkasten leeren. Autofahren morgens, Kaffee trinken, Mittagessen, Autofahren, Telefonieren, Rasenmähen, Fernsehen. Auch bei mir kommen diese ganz zarten Stimmen erst nachts, wenn das Geschwafel und das Dröhnen der Musiken und der Glotzkisten aufhört. Ich komme mir verdächtig vor. Nachts meist. Wer aber sind "sie"? Die in mir zu sitzen scheinen!“ Und Lov erinnerte sich an Valleé, der der Ansicht war, dass der Kontakt mit ihnen meist so als innere Stimmen und Telepathie funktioniere. „Bei Terplan waren sie ganz stark, doch bei ihm hatte das vermaledeite neue Zeitgefühl so furchtbar zugenommen, dass es schien, als rase das äußere Geschehen nur noch wie ein Schatten in Platons Höhle vorbei. Der Glückliche, er sieht dann wenigstens die sich dahinter bewegenden Figuren, die sonst keiner wahrnimmt, spricht mit ihnen. Obs wohl deshalb so ist, dass sich alles langsam in seinem Hirn überschlägt, ich hörs von vielen. Gestern klagte Morris. Aber auch Lyss kennts. Und sogar die Zeitungsfrau klagt über Kopfweh, weil alles zu schnell geht". Lov wunderte sich aber nicht mehr über diese zunehmende Geschwin¬digkeit im Ablauf der Tage und Wochen, die er seit einiger Zeit, zuerst mit wachsender Besorgnis, dann mit einem leichten Entsetzen wahrnahm und auf sein zunehmendes Alter schob, dann aber von "ihnen" erfuhr, dass es eine Art Vakuum und "Nullpunkt" der gesamten Erde sei, die auf ein verändertes kosmisches Strahlungsfeld und auf das schwächer werdende Magnetfeld des Planeten zurückzuführen sei, die auch eine Erhöhung der Resonanzfrequenz zwischen Erde und Ionossphäre auslöse. Dies führe zu einem individuell beschleunigten Zeitgefühl (daher also diese Hetze! Dachte Lov, nie haben wir Zeit!), aber auch zu vorübergehenden Unwirk-lichkeits¬gefühlen am Tag und zu einem veränderten Schlafrhythmus mit sehr intensiven Träumen, in denen sie uns besuchen und sich unser Bewußtsein langsam verändert! Terplan ist da in einem besorgniser¬regenden Prozeß, der viel zu schnell und zu heftig vor sich geht; er wird wohl nicht umhin können, sich wenigstens zeitweilig einweisen zu lassen! Lyss, das doppelte Bewußtsein, sagte es Joyce, sie erfreute sich an diesem Spiel. Und dachte schon daran, es dem General zu erzählen, um dessen Reaktion und natürlich den säuerlichen Ärgerausdruck zu testen. (Nicht nur jetzt hat der Erzähler einen dreifachen Verdacht, nämlich, dass dieses "verruchte" Mehrfachbewußtsein entweder von ihnen gesteuert wird, oder dass Lyss zu ihnen gehört! Freilich gehört sie, und nicht nur sie, zu „ihnen“. Auch Joyce oder Lov gehören zu ihnen und haben natürlich auch den "Toten" ihrer Zukunft schon in sich, nur ist es denen im Wachzustand, welch ein trügerischer Zustand! gar nicht bewusst, kommt keinem in den Sinn! Die Bogumilen und Cioran haben recht! Wut darüber, Verachtung, Nichtachtung, Verzweiflung, Ärger und die dazugehörigen Absencen sind berechtigt und gerecht. „Tiermenschen¬realitiät,“ denken wir alle in hellen Augenblicken!) 5 Zwischendurch saß Joyce da, sah auf die Leuchtziffen der Schreib¬tisch¬uhr, fasziniert verfolgte sein Blick diesen irdischen Kobold, den Sekundenzeiger, Tereminkalender ... und noch immer ist Oberth nicht aufgetaucht, auch Lyss nicht, die doch den Bericht archivieren, aber nicht ablegen sollte. "Physisch" da sein? Unsinn, Blödsinn, Marionette! So tun, als wär ich eine Romanfigur, handelnd auf der Täuschungsebene ... ? Schreibtischuhr, Telefon, leises Klingeln, abheben ... Herr Oberst, die Pflicht, Sie sind eine Fehlbesetzung ... Träumst! Wenn SIE, nicht "sie" jetzt anrufen würde: "Ich liebe Dich, Ed!" Und ich (enttäuscht, dass nicht "sie" es endlich sind!) sag, ich dich auch, Lyss, doch bitte nicht in den Bürostunden, könnte mißverstanden werden. Weißt es. Wer bist du? Ich bin „ihr“ Bote. Und du? Ich bin Oberst Joyce. Angenehm. Haben Sie die alte Akte von Aztec rausgesucht? Nein. Und dann dieser seltsame Dialog, Telefondialog. Lyss und Joyce? Lyss: Wir müssen wieder professioneller denn je lügen! Und es wird mir ganz schlecht dabei. Der andere: Mir auch! Na also! Geben Sie es doch an Oberth ab. Geht nicht. Oder an General Newton, kichert da Lyss schadenfroh im Hörer?! Lov? Hör auf! Machst dich wohl über mich lustig. Also wie stehts mit Aztec? Habe die Akte. Nun gut. Und von Lov auch etwas? Jedenfalls, wenn einem Spinner die Wahrheit recht ist, dann bei dem. Weiß ich doch. Verarschst mich heut wohl, he! Ich weiß alles, was es über den Spinner zu wissen gibt! Nana. Über Aztec weiß der mehr als du. Was? Ja, selbstverständlich. Der hat den direkten Draht und nicht du, du bist da mehr mit dem Kopf dran, und du weißt genau, dass ... Belehr du mich nicht, wer vertritt im ganzen Office diese Wahrheit besser als ich, Valeé allein unter den Namhaften stützt uns. Doch den General wirst du nie davon überzeugen, genau so wenig wie Sagan oder Menzel. Diese blöde Raumschiff-Theorie. Sagans und Menzels Argumente wären nur unter der Voraussetzung richtig, wäre die Wissenschaft der Außerirdischen noch so weit zurück wie unsere, und hätte die Beschränkungen der unseren nicht überwunden, eben, eben, wenn es wirklich so wäre, dass auch die Besucher keine Möglichkeiten kennen würden, Informationen mit Licht¬ge¬schwindig¬keit zu verbreiten, und wenn wir davon ausgehen würden, dass sie sich im gleichen Raum-Zeit-Gefüge bewegen wie wir. Vallee sagts ganz richtig, die UFO-Sichtungen als Besuche von Wesen aus dem Weltall aufzufassen, und so eben das Ding auf eine ganz falsche Ebene zu bringen, die ihm überhaupt nicht gemäß ist, das sei der ganz falsche Ansatz unserer Wissenschaft! (Valee 318) Aber es ist ganz anders: Sie wirken auf mythischer und spiritueller Ebene, und es ist kaum möglich, dem Phänomen mit "konventionellen Mitteln gerecht zu werden". Fieberhaft arbeitete das Hirn des Obersten, nachdem das Aztec-Material vor ihm lag, erinnerte er sich an einen Besuch dort in Aztec mit der Geliebten, als sie noch lebte, dachte plötzlich: Mein Gott, kein Zufall?! Es gibt keinen Zufall: Anna zitterte damals vor Angst, meinte "irgendeine Strömung und Berühung zu fühlen". Es gab da uralte Indianeransiedlungen der Aztec, rätselhafte Urbevölkerung, die schon Umgang mit "ihnen" - ihren Göttern - hatten; so ähnlich wie die Azteken, Mayas und Inkas die weißen Eroberer zuerst als wiedergekehrte Götter empfangen hatten! Ed nahms nun fast sportlich: die von Newtons Büro müssen nun dies Geheimdokument herausrücken, Freedom of Infor¬mations Act machts möglich, unsere Chefetage wird tüchtig zensurieren und die Dokumente tüchtig schwärzen müssen. Dabei hatte Scully die Sache schon 1950 beschrieben, man kann es nachlesen: Sechzehn humanoide Leichen und das Wrack aus diesem unglaublich festen Leichtmetall ... dessen Elemente auf der Erde unbekannt sind, obwohl doch kaum in Papierstärke konnten weder Sprengstoff noch Dimantenbohrer es schaffen, auch nur den geringsten Kratzer auf der Oberfläche des Materials zu hinterlassen; der alluminiumartige Stoff hielt 5500 Grad aus; was das Ding wohl schon alles gesehen hatte! Aus solch einem Metall war das Diskusförmiges Objekt, 10,5 Meter Durchmesser, das damals auf der Erde niedergegangen war, bei Aztec also gelandet, große Metallringe (in ungewöhnlichem Übersetzungsverhältnis) rotierten um eine zentrale Kabine, so stehts in den Akten. Oder hats mir George erzählt? Irgendwo entdeckten die Untersucher dann ein bleistiftgroßes Loch an einem Fenster, das Loch wurde erweitert, und ein Knopf wurde sichtbar, durch Druck sprang eine Kabinentür auf. Sonst gabs keine Nähte, Nieten, Bolzen, gar nichts. Total glatt war alles. Reinsehn konnte man allerdings durchs Fenster, allerlei Armaturen waren zu sehen. Instrumente. War Scully selbst dabei. Hütete sein Geheimnis, war sehr fair, hatte riesige Geldangebote, und gab doch die Namen nie preis. Woher wußte er (1950!), dass auch diese Humanoiden der Besatzung dann nach Wright-Patterson gebracht worden waren.(Good, 444). Joyce lief zum Bücherregal, fand Steinmanns Buch, wer Augen hat, der lese: „25. März 1948.“ Jaja, erinnere mich, drei Radareinheiten im Südwesten orteten das Objekt, eine brachte die Kontrollinstrumente des Objekts durcheinander … Joyce nahm das Dokument aus der Mappe raus (vgl. Anhang: Dok 8. S. 598) las mit Verwunderung den Bericht, in jener "freien Zeit ohne Zensur", als so etwas noch möglich war?! Sein Augen blieben an einem Satz hängen, der ihn nachdenklich stimmte: ..."ungeklärte Phänomene aus der Umgebung einer Anlage der Atom¬energie¬kommission in Los Alamos, New Mexiko ... Am 5.,6.,7.,8.,11.,13-,14. und 20. Dezember 1948 ... Beobachtungen ungeklärter Phänomene durch Spezialagenten des Office of Special Investigations aber auch durch Zivilisten. Immer am Knotenpunkt geschichtlicher Ereignisse und Gefahren für die Erde tauchten „sie“ auf; ja, so ists; wann begann das Phänomen für uns überhaupt, war das nicht 1933 gewesen? Die letzte Häufung in Belgien, November 89, und dann während des Golfkrieges 91. Nun gut, man errechnete in Aztec über ein Triangularium die Absturzstelle, klar, ein Kinderspiel, das Air Defense Command und General Marshall wurden verständigt, die gaben es weiter an Majestic 12. Und Interplanetary Unit , das IPU, war doch da, auch George dabei, ja, wollte mit der Sprache damals nicht recht raus, der Eid, der Eid ... Marshall übrigens steht heute noch zur Realität der Dinger, erst kürzlich sagte er es, (Good, Enleitung) ... Gab damals Befehl an die Radar¬stationen, sie sollten verkünden, es sei Fehlalarm gewesen, schickte aber die IPU los. Schwergewichtige Leute, darunter von Neumann, Dr. Oppenheimer sogar und andere sechs oder sieben Kapazitäten, vielleicht auch von Braun und Oberth? Versammelten sich am Flugplatz Durango, Colorado. Und schworen natürlich den Eid der Geheimhaltung. George hats mir dann spät, aber doch erzählt, natürlich gibt’s sonst nirgends eine Akte darüber, Steinmann hats wohl von Scully und der von Dr. Heiland, dem Geologen: Straßensperren im Umkreis von 3km. Die Ranch¬bewohner bedroht, eingeschüchtert und isoliert, ähnlich wie in Roswell ein Jahr zuvor 1949. x Zur selben Zeit im Haus Loverings und seiner Gruppe. Lov und Terplan im Arbeitszimmer. Wann begann wohl diese Zeit-beschleunigung, überlegte Lov, und sah auf Terplan, der apathisch in einem alten Großvaterlehnsessel mehr lag als saß. Hatte ders gehört? Manchmal schiens Lov, als wisse der im Augenblick "alles", was zum "Thema" gefragt wurde, doch fürchtet er den endlosen Redschwall des Transsylvans. Schwieg also. Wars 33 oder 45/47 gewesen? Gar schon 1917 mit den Erscheinungen von Fatima? Das soll damals auch ein ähnliches Strahlenphänomen gewesen sein... Ob in Lovs Archiv auch über Aztec mehr vorhanden ist? Der zum Tode Verurteilte, lebte über seine Zeit hinaus, und Terplan war die Hilfe ... Merkwürdig diese geheimen Beziehung zu vielen Gelehrten und auch toten Gelehrten, sagt sich der Erzähler, der nichts weiß, nichts erfahren hat, nur "weitergibt", sich oft von seinen Figuren selbst erzählt fühlt, Träume evoziert, jaja, die Unwirklichkeitsgefühle, die ihn dabei schwächen, das gehört ganz sicher alles hier nah Transsylvanien: Auch Terplans Beziehung zum Transsylvan und Raketenprofessor Oberth (von Braun sein Schüler!) Lyss wird bald alles abgelichtet haben. Oder? Lov hat im Archiv Briefe, und sogar Aufzeichnungen von Dr. Neumann eingesehen. Andere merkwürdige Quellen sind die Stimmen! Freilich, Steinmann hats auch schon geschildert, wenn auch nur fragmentarisch. Erstaunlich viel aber liegt in Joyces Gedächtnis ... und er konnte es nicht mehr kontrollieren, es lief einfach ab, er starrte auf die Uhr, versuchte sich zu konzentrieren, nein, es ging nicht ... bin ungeeignet für den Job, warum sie mich überhaupt noch halten, da muß was von "ihnen" ausgehn, manipulieren Newtons Hirn, nachts wohl mitgeschleift, im Tunnel, im Traum können sie tun, was sie wollen mit ihm beeinflussen ihn wohl und der alte Trottel merkt nichts oder Nichts dies Vakuum in seinem Hirn sichert nun ihm den regierungstreuen und Job der Verkalkten manchmal glaub ich bin von ihnen eingesetzt oder gehöre gar zu ihnen und weiß es nicht müsste unter Hypnose sehn was geschieht komisch dass die mich vor der Eignungsprüfung nicht auch auf die Couch gelegt haben ungewöhnlich ist das schon. Als wär ich dabei gewesen oder war ich dabei ja war dabei damals als die Gruppe der Wissenschaftler eintraf das zerbrochene Fenster bleistiftgroß Fenster sahen metallisch aus transparent und so bei Druck auf einen Knopf öffnete sich die Tür traten ein und da ja fast erschrocken sogar der abgenbrühte Oppenheimer wars und der zartbesaitete von Neumann Einstein aber schluckte mehrmals da links dunkel übers Armaturenbrett zusammengesunken zwei Humanoide in blitzenden Strahlenanzügen ca. 120 cm groß irgendwie verkohlt und im Nebenraum andere zwölf als träumt man als wärs ein Blick über unendlihe Räume und Zeiten hinweg Fuß auf einem fremden Planeten außerhalb der Welt im Kopf summte es Schock keiner brachte ein Wort hervor dann der gesprächige Dr.Heiland "aber das ist ja zum Wahnsinnigwerden!" Armaturenbrett mit Druckschaltern und Hebeln hieroglyphenähnliche Symbole und erleuchtete Anzeigetafeln sieh mit Symbolen lief zu Von Neumann und Bush die entdeckten ausziehabare Schubladen an den Kontrolltafeln wars nicht wie wenn plötzlich fremder Erdteile und andere Kultur entdeckt wird Columbus muß es ähnlich empfunden haben ein "Buch" mit pergamentartigen Blättern ähnliche Hieroglyphen wer liest das nun eine Art Plasitkstruktur und Oppenheimer fands ähnlich dem Sanskrit inzwischen gibt’s ja diese Untersuchungen von Mario Pazzaglini... (Good, S. 673 Fußn. 5) was wohl Dr. Bronk der Biophysiker dachte als er die Leichen sah und sofort Kühlboxen anforderte und zum Glück war Paul A. Scherer da Experte für Kältetechnik der riet Trockeneis zu verwenden. Wo das ganze jetzt ist nun ja in Patterson wohl der Area 51 man fand ja die Verriegelungsmechanismen des Objekts und es konnte auseinandergenommen werden Segmente und Leichen verladen auf LKWs mit der Aufschrift "Sprengstoff" sehr sinnig und fuhr nachts auf einer unverdächtigen aber schwierigen Strecke zum Sperrgebiet des Navy Auxiliary Airfield von Los Alamos und nach einem Jahr wohl nach Patterson in Spezialbehältern die am wenigsten entstellten Leichen die waren ja durch den zu starken Sauerstoffgehalt der Erdatmosphäre von innen wie verbrannt. Ja es gab sogar Autopsien Dr. Bronk leitet sie Ergebnisse im Air Force Project Report Nr. 13 ziemlich genaue Beschreibung: Gesichtszüge "mongolische ORIENTALEN", große Köpfe, große schrägstehende Augen kleine Nasen und Münder Gewicht ca 18 kg die Arme lang bis zu den Knieen Hände lang und schlank sechs Finger mit Häuten dazwischen keinerklei Verdaueungssystem oder Magen-Darm-Trakt weder Darmkanal noch Ausscheidungsorgane oder Fortpflanzungsorgane und kein Blut nur eine farblose Flüssigkeit keine roten Blutkörperchen roch nach Ozon erstaunlich auch dass sie eher wie Insekten wirkten und anscheinend mit Antigravitation arbeitn schwerelos daher auch wie Insekten kein Problem mit dem Druck bei dieser Wahnsinngeschwindigkeit und Beschleunigung es heißt annähernd lichtgeschwind … Lov „erwachte“ dann aus seiner Absenz, sah wieder nach außen, sahs wie Terplan, der Transsylvan, der sowieso behauptete, ihn gäbe es eigentlich nicht, sah, dass Gegenwart tatsächlich nie da war, "verflog", wie es seine Mutter fast täglich gesagt hatte, so dass es ihm "blieb", dass sie sich aber dann "sammele", verdichte, und plötzlich sei das, was es eigenlich gar nicht gab, aufdringlich da und bedrücke ihn als sich heftig steigernde und besorgniserregende "Lebensbilanz" furchtbar, ihn den Terplan, ihn den Träumer, an dem die wirkliche Zeit vorbeistrich wie ein Nebelhauch, er, immer anderswo, nie wirklich anwesend. Als ein Entkommener, einer, der eigentlich hätte tot sein sollen und nur wie durch ein Wunder (ein Tieffliegerangriff 1944 in Kronstadt) am Leben geblieben war, schien es ihm fast normal; und doch blieb das Rätsel, dass es etwas, das es eigntlich gar nicht gab, "das Leben" sein sollte, und er empfand die neue Zeitbeschleunigung, die die meisten ängstigte fast wie eine Annäherung an den Kern der Wirklichkeit, der sich erst im Tode ganz zeigen würde. Dass etwas gewesen sein würde, und sich doch aufdringlich zeigte, hier, wo wir zu Gast gewesen sein werden, und uns lebenslang quält, zur Aufgabe gemacht wird, lehnen Lov, vor allem aber Terplan, wohl auch Ed und Lyss vehement ab; und vor allem Terplan meint, er sei daran schier meschugge geworden, und man solle sich mal diese alten Entwicklungsromane ansehen, die der Erzähler heute freilich ebenfalls als Illusion, ja, als Lug und Trug und Vorgabe alter Gesellschaften, die Gottseidank längst passe sind, durchschaut hat. Terplan zitierte Lov im heutigen Gespräch sogar ein eigenes Jugendgedicht aus jener Zeit, als er noch an diese Vorgaben glaubte, und er verzweifelt versucht hatte, das "Danaidische" festzuhalten (man erinnert sich an die alte Legende, wo die ehebrüchigen Danaiden zur "Strafe" Wasser, Zeit, in durchsiebten Fässern schleppen, halten und auffangen müssen) und meinte, er sei selber an diesem flucht- und schattenartigen Zeitvergehen (persönliches Vergehen!) schuld, eben lebenunfähig, und gehe "am Leben vorbei"! (Zeitweilig schien es ihm, als habe seine Ehescheidung, Treuelosigkeit und Kinderlosigkeit etwas mit diesem sinnlosen Zeitverrinnen zu tun! Und Komplexe, sowie Schuldgefühle hatten ihn zeitweilig auch fast aufgerieben!) Sein Gedicht ging mit Insekten und Libellen um, Lov assozierte sofort die Aliens, die sich ja ähnlich schwerlos und schnell bewegten, fand darin einen Faden zur Gegenwart, meinte, es sei der einzig mögliche Halt, den es heute noch geben konnte. Früher seien es freilich die Ehen und Familien gewesen! Jetzt aber war Terplan in seiner Versunkenheit, komisch, diese beiden, die sich anschwiegen und eigentlich nur warteten, auf Einfälle warteten, na klar, sie allein würden ihnen weiterhelfen, das war ihre Technik, sich einfach im Assozieren gehen lassen, Telepathie auf sich wirken lassen, Gedanken, auch die der Gegenseite, die hier hereinschwirrten, unglaublich, der Erzähler ist da viel zu ungeduldig, unglaublich, sich auf so etwas Unsicheres, auf solch Hirngespinste einzulassen, wie deise beiden, und doch ergab es Resultate, hatte ihnen Erfolg gebrahct. Heute wieder. Bedenkenswert sind wieder Lovs gründliche Aufzeichnungen zu diesem quälenden Lebens- und Grundproblem, dachte nun Terplan in seinem Großvaterstuhl. Der Erzähler verbeißt sich weitere sprachliche Wort-Flitzereien, Detailbeschreibungen der illusionären Wohn-zimmerum¬gebung, wo das Gespräch stattfand, Mimiken und Mundstellungen oder die Luft beschreibende Armbewegungen der Figuren, die sich sowieso absent fühlen, etc. oder gar Walser-Assoziationen - und gibt Terplan das endgültige Wort: "Einzig jene Momente des Traumes, oder das andauernde Bewußtsein auch im Alltag, da und zugleich nicht da zu sein, abwesend, und doch im Jetzt vorhanden, genau wie im Zeitstillstand bei Todeserlebnissen, in der Revolution, und jetzt eben bei diesem "Unfall" einer immer intensiveren Auflösung der "festen Welt", ist wie eine letzte Chance. So wird auch dieses Bewußtsein des posthistorischen Gedichtes ermöglicht, nämlich die tiefste Erfahrung: erst am Anfang zu sein, also auch in der eignen Vergangenheit das pRichelnd Offne zu finden, und nicht nur in den Lebensaugenblicken, die noch kommen werden. Geahnt hat dieses auch das neue Ich mit Glücksgefühlen; dass es die Trennwände zwischen den Zeiten nicht gibt, dass der Tod also ein neuer Anfang sein muß. Das Grundgefühl im Alter dieser Welt läßt sich so beschreiben: dass alles noch da und doch schon längst vergangen ist, auch das Ich und das Bewußtsein des Augen¬blicks. Dass wir immer nur im Nachbild dabei sein sollen, ist unerträglich, denn dieses macht schon von Anfang an jeden zum Greis, der Erinnerung nachhängend. Und hier nun eine bemerkenswerte Durch-Gabe von "ihnen": Euer Bewußtsein ist wie ein Glühwürmchen, aufleuchtend, einen Augenblick bewusst also bei euch (auf der Erde), dann aber wieder bei euch absent und so für einen Au¬genblick eben hier (bei uns den Toten), ihr sterbt in jeder Sekunde und werdet dann wieder geboren, ohne dass ihr es wirklich merkt. Kurzes Blackout. Nichts, ein schmaler Spalt, ein momentaner "Tod". Und kein Zeitfluß mehr. Du scheinst jenen momentanen Blitz und Spalt manchmal zu bemerken, manchmal... konzentriere dich auf jene Rückseite des Bewußtseins, sei ohne Angst abwesend, so kommst du hierher, trainierst den Todesprozeß, der dir dann einmal den Übergang erleichtern wird. - Ich "stehe" in solchen Augenblicken an jener Grenze, wo der Zeitfluß aufhört zu fließen, und ich habe dann immer große Angst, da es in mir stehengeblieben ist, und ich habe Schwierigkeiten, den äußern Bildern nachzukommen. Ich wundere mich dann, wenn sie doch noch da sind, diese Bilder, und sie kommen wie in Traumfetzen und fibrigen Intervallen als Augenbild an, und ich bin mir dann plötzlich sehr erstaunt bewusst, immer noch da zu sein, vielleicht vor dem hohen Turm der Giralda. In Sevilla. Das Bild ist fixiert in seiner stati¬schen Vorstellung, doch die "Zeit", der den Schrecken überdeckende Außenfilm, ist ein Stück weitergerückt: und ich blinzele, strenge mich an nachzukommen, denke an möglichen Irrsinn, falls das Bewußtsein zu langsam sein sollte oder vielleicht ganz aussetzt... Es gibt eine leere Stelle, kein Ich mehr, und mir ist alles so intim nah, aber ganz fremd und namenlos. Dass wir noch nicht wirklich da sind, sondern nur in Zukunft wirklich sein können, jeder Augenblick nur ein kurzes Aufblitzen davon zeigt, der sofort wieder versinkt, eingeholt wird, vom Hasten, dem Unfertigen der Sekunden, ja, dass sowohl in der Theologie, als auch in der Physik dies heute das eigentlich tiefste Problem auch der Hoffnung auf Fortleben nach dem Tode sein soll, ja, der Existenz eines Gottes ist, wie auch immer sein Name sein mag, ist auch das tiefste Problem der Poesie und ihr Zentrum: das Bewußtein (und die Trauer) angesichts des Vergehens, ein Vergehen auch im Sinne des Sündenfalls..." Es ist natürlich wahr, dass wir uns am Ende eines Äons befinden, sogar Jung sagt es, vom Fischzeitalter in den Aquarius, und bin froh jetzt zu leben und verrückt werden zu dürfen, ohne Risiko. Mit Chris und Christus ists aus. Dem Fisch. Und so wird nun etwas gesehen, doch man weiß nicht, was. Der alte Major Keyhoe wars der erste wohl, der sie gesehn hatte, der Ami und Flieger, und die Wahrheit wollte. Haha, halal Aquarius Wassermann, fürchten das, wie der Teufel das Weihwasser, wenn die Ölindustrie, die Scheißkele, die Reichen, es zulassen würden, wären sie ruiniert, Treibstoff ist bei den Ufos nichts als Wasser Wasser Wasser. Und schaffen doch fünfzehntausend Stundenkilometer plus die Flugbahn so zigazackartig und abrupt, wie nur ein schwerloses Insekt fliegen kann. Und können große Jets einfach "verschlucken" , wie bei den Bahamas vor Jahren geschehn. Zeichen und Wunder. Wer behauptet, das sei überhaupt nicht real, nur Projektion? Sind massenhaft da, lemurenhaft, und seit Hitler und den Atombomben gibt es ein gestörtes Gleichgewicht im All, panzerbewerte, insektenhafte Zwergmonstren. Was, Epiphanien sollen sie sein? Hinausverlagerungen aus uns selbst? Meine, freilich müßten da ganz verrückt sein. Archetypus mein Selbst? Feuer und Wasser, wie der Schild Davids. Schild. Fliegnde Schilder der Alten? Synchrone Ereignisse, sagt der alte Jung von den Flying saucers. Halt mich eher an Angelucci, der steht mir näher, The Secret of the Saucers. Lov hat mit ihm korrespondiert, Orfeu war auch mal da. Ist überzeugender als Jung, klar, dass "sie" paranormale Erscheinungen sind, nie physisch und Festgefrorene, OOBE. Was der erzählt ... Jeder Mensch habe ein geistiges, aber völlig unbekanntes Selbst, naja, der Tote schon jetzt in uns! Und der gibt’s uns kund, wenn wir zuhören! (S. 148) Mir ists oft wütend zumut. Mir ja auch. Die Dinge bringen mich um. Ekelhaft sind sie! Die sagen doch, unser Selbst sei aktiv. Hier auf dem Strafplaneten. Da meutert man schon einmal! Wagten sie es sich nicht einzugestehen, warum sich ihr ganzes Leben jetzt in der neuen Hoffnung und "auswärts" abspielte? Lov wirkte meist sehr blaß, gehemmt. Von Beklemmungen heimgesucht; Terplan dagegen hektisch und geschwätzig. Durften sie nicht einmal über den anderen die Wahrheit denken, geschweige denn wissen? weil sie diese sonst über sich selbst denken mußten. In Stunden der Wahrheit fühlte Lov sich sehr verloren, schwach und wie am Boden zerstört. Warum fühlte er sich verloren, wohl weil er wirklich ein Verlorener war. Und das seit lange schon. Ein Abwesender. Alles war falsch, sein ganzes Leben empfand er als fehlgelaufen, und er hatte aufgehört, anderen oder auch nur den Umständen, gar jenem furchtbaren Erlebnis der Erschießung damals 1945 die Schuld zu geben, er suchte sie bei sich: Durch mich, wegen mir, ich Selbst bin es! Der sich das Leben verstellt, unmöglich macht, die Bilanz ertragen muß! dachte er oft genug: Die Leere, ja, diese verdammte Leere wegen der ich Schuldgefühle habe, obwohl ich kaum etwas dafür kann, sie ist einfach da und sie gehört zu unserem Ursprung. Der wahre Zustand ist Er-Schöfung, nicht Schöpfung, die Leere ist lange vor ihr da! Und Terplan? Hatte nicht auch er in jenem Land, wo er sich zu Hause gefühlt hatte, zuhause, wo? In einer Zelle, in Gefangenschaft gelebt, fünfundzwanzig Jahre lang? Und manchmal fühlten beide eine heimliche Wut gegen diese immer irgendwie anwesenden Kontrolleure, die sie hier als Eindringlinge, als Sonderlinge und Fremde ansahen, die ihre Herkunft rundweg ablehnte, in ihrem hartköpfigen Vorurteil alles besser wußte; manchmal so ein Getuschel, böse Blicke, die sie an der einzigen Hoffnung, die es für sie gab hindern wollten, eine Kontrolle, die ihre ganze Umgebung, Nachbarn, sogar Freunde ausübten, doch viel weiter reichte und gefährlich war, einer Gefahr, von der sie freilich wußten, mehr aber noch ahnten, Lyss war ihnen beiden unheimlich, vor allem freilich ihr andauerndes und nie erlahmendes und immer unerwarteten Interesse an ihren "Spinnereien", wie es die Leute nannten. Irgendetwas stimmte da nicht. Lov wußte wohl Bescheid. Terplan nicht. Heute zählen nicht nur "Fakten", wer könnte damit auch "rechnen", wenn von Projektion die Rede sein muß, einem Austausch der Wahrnehmungen zwischen dem, was von ihnen "kommt" und dem Übergang und Auflösen des verhärteten Bewußtseins und der festen Welt durch sie. Der Erzähler hat Kontakt mit MUFON CES, den Physiker AS, der sich mit Antigravitation beschäftigt, kennt er seit vielen Jahren, und im Prozeß des Erzählens und dem Kontakt mit ihnen oder den anderen Personen, die ja ebenfalls seine Projektionen sind, lernt er es verstehen, was ihm AS berichtet hat. "Er wies mich auch auf ihre Berichte hin (sie sind leider alle nicht mehr lieferbar, doch habe ich sie im Netz nun gefunden: sie sind außer¬ordentlich genau und sachlich, also völlig vertrauenswürdig. "Ich bin nicht ganz zufrieden mit unserem Erzähler", monierte freilich Terplan, und Lov schloß sich an: "Manchmal muß man ihm die Nachrichten, auf denen doch oft genug unsere Existenz und Glaubwürdigkeit hier im Buch beruht, aus der Nase ziehen; spielt sich wie ein Herrgott auf; vielleicht sind wir uns zu ähnlich, auch er scheint an dieser allgemeinen Leere sehr zu leiden, und ist meist zu müde bestimmten wichtigen Informationen auch konsequent nachzugehn, (wie jetzt der Antigra¬vitations-Antrieb der Saucers) sich davon erwärmen und so inspirieren zu lassen, dann vernachläßigt er uns genau so wie seine Familie oder seine Freunde! Jetzt sitzt er, wie in allen seinen Texten übrigens, in Stuttgart, fährt übermorgen wieder zurück in sein Domizil nach C. Er hats nötig, ist sehr müde, und für Stimmen unempfänglich, alles müssen wir ihm abnehmen, und er schmarotzt an uns und an anderen. Jetzt hat er wieder etwas übernommen, weils ihm in den Kram paßt, ich seh ihm auf diese immer noch mit Fleisch bekleideten Knochenfinger, die sich aber mit dem anden Blick aus dem was kommt, ganz auflösen, ich greife ja sowieso durch den Bildschirm hindurch wie durch Butter, bis ich auf mich selbst dort treffe, und andere Lichtereignisse, die dumm irdisch werden können, mit den Fingern: wie die auf der Tastatur Hüpfen, wenn er dies abschreibt: "Solange etwas ist, ist es nicht das, was es gewesens sein wird. Wenn es vorbei ist, ist man nicht mehr der, dem es passierte." Und dann: "Obwohl die Vergangenheit , als sie Gegenwart war, nie gegeben hat, drängt sie sich jetzt auf, als habe es sie so gegeben, wie sie sich jetzt aufdrängt." (Abgeschrieben von Walser in: Ein springender Brunnen, 1998). Sie, die deutschen Schreiber, sind so weit entfernt von der Wahrheit, wühlen nur im Banalen, engste Perspektive und Altfasnet, doch ahnen die besten, dass die jetzt endlich vor dem totalen Zusammenbruch steht. Der Erzähler hier hatte sich vorgenommen Jirgls affigen Stil zu parodieren: Und las dazu die Amerikaner, eben Dicks "Schuldkomplex", der aber zu Wesentlicherem paßt als zu irdischen Grenzorten und Niemandsländern, ist doch schon eine Binse, gar in der ehemaligen ddr, genau zu ganz anderen Grenzen paßt & ist begeistert, denn am liebsten ist ihm die Verwirrung, die möglich wird, wenn man weiß, dass unsere, der Figuren Existenz hier auf dem Schirm und seine, die des DS angeblich reale Existenz, nur Schein sind. Wer ist der Verbrecher, er, der uns einfach so projiziert, u uns schließlich ermorden lassen will, so heißt es, so sagen sie es ja, oder Oberst Joyce, der es auf Befehl zwar, aber einmal "wirklich" tun wird? Ja, mein Gott, ist es eigentlich nicht schon geschehen, &wir sind tatsächlich nur herumschwirrende Phantome, hierher geschickt, um für sie wichtiges zu erkunden, Vermittler zu sein?! Weiteres Paradox, mischt sich Lov nun von der anderen Seite des Bildschirms ein: Dieser Geschichtenerzähler und Erfinder bildet sich auch noch was darauf ein, dass wir, "seine" Figuren, über ihn berichten, so was ganz Neues im Romanunwesen wie es der LPapst MRR hochhält, entsteht, nun durch diesen DS endlich was Ganz Anderes und ist realer, weil todnäher, und er ist der Entdecker davon!? In Wirklichkeit ahnt er gar nicht, dass Joyce uns möglicherweise rettend was Gutes tut, es vielleicht sogar begreift: dass er uns durch unseren Tod hinüberschickt, uns aus der Körpergefangenschaft befreit, wir dürfen es selbst nicht tun, denn Selbstmord ist verboten, hat verheerende Konsequenzen; Opfer zu sein aber für diese so wichtige Sache, bedeutet eine höhere Stufe, als wäre sie uns geschenkt worden. Verrückt, ist das Lov! Ja, aber wahr, und jetzt fällt mir das Geniale davon ein: die lange fällige und verkündete Auflösung der engen Moral .. Nietzsche grüßt. Und der Sprachrausch. Nur, die reale Moral über dies Leben hinaus, ist strenger als Kant. Lov versuchte angestrengt sich zu erinnern, ob irgendwelche Spuren in seinem Gedächtnis da waren, wie er überhaupt hierhergekommen sein könnte, doch tauchten nur banale Fakten auf, die Bekanntschaft mit Sergeant Smith, abenteuerliche Schiffahrt nach London, der Drang nach Llareggstone, ja, nach Stonehenge zu fahren... "lauter gewohnte, banale alltägiche Bilder verstopften mein Gedächtnis, nicht einmal an meine Geburt kann ich mich erinnern", überlegte er. Hypnose, wie es ihm Lyss oft genug geraten hatte? Er wagte es nicht. Längst war ihm klar, dass sie ihn sehr wahrscheinlich damals 45 doch erschossen hatten, woher kämen denn sonst diese sporadisch auftauchenden paranormalen Fähigkeiten. Dieser Sergeant Smith hatte ihn damals auf der Fahrt nach Llaregstone wegen überhöhter Geschwindigkeit mit einem Militärfahrzeug aufgehalten, und er auf die Frage des Polizisten, warum er das getan habe, gesagt hatte, alles sei ihm unwirklich vorgekommen und er habe gedacht, wenn er schneller fahre, an einem Ort anzukommen, wo alles stabiler sei. Die Hand aufs Armaturenbrett gelegt, als glaube er nicht an dessen Existenz, sei er plötzlich da durchgestoßen, als wäre es weich wie Butter. Smith hatte darauf sofort die Psychiatrie verständigt. Aufgeblitzt ja, einen Moment, und da hatte Lov etwas Merkwürdiges gesagt: Ja, bei uns bewegen wir uns ohne Fahrerlaubnis mit Vibrationen je nach Gedankenradar und Schnelle. Smith hatte ihn nur verständnislos angestarrt. Und einen Polizistenwitz gestartet: "Ha, endlich angekommen? Sie glauben aber immer noch nicht, dass sie leben und auf Erden weilen, wo die Dinge ziemlich hart sind!?" Und starrte fasziniert auf diese Hand, die halb im Armaturenbrett verschwunden war. Lov aber stotterte verwirrt und halb im Scherz: "Wenn ich will, kann ich Sie einfach verschwinden lassen, indem ich mich abwende, dann sehe ich Sie nicht mehr." Fügte dann aber in komischer Verzweiflung hinzu: "Ich wills aber nicht, ich will, dass alles endlich wirklich wird!" Smith und sein Begleiter bekamen es plötzlich mit der Angst zu tun, und legten ihm Handschellen an, fuhren ihn ins nächste Krankenhaus. Er aber murmelte: "Ich weiß schon, alles kommt von meiner Erschießung!" Terplan war es, der ihm diese fixe Idee eingegeben hatte, er sei von einer fixen Idee besessen: "Du hast natürlich eine falsche Erinnerung, sie haben dir eine falsche Erinnerung implantiert, Lov, du glaubst, du seist entkommen! Falsch, ganz falsch, mein Lieber: Du warst tot und kamst zu ihnen. Tot sind wir, endgültig mausetot seither, absent, weg vom Fenster, meinen nur, wir seien noch da. Da und nicht da! Ganzes Leben eine falsche Erinnerung seither. Jajajajaja. Ganz falsches Leben seither, wie geträumt und erledigt. Und die benützen uns nun, wer? "Sie" freilich, wer denn sonst, wir, die Agenten und Spione der Verstorbenen, Aliens und Dimensionalen. Und noch schlimmer, keine Helden. War ganz anders, "sie" haben es mir gesagt, kamst aus dem Krieg spät zurück, alles gelöscht alles, warst kurz Kriegsgefangener, und kamst mit klopfendem Herzen nach Hause zurück, die Frau zu überraschen, armer Rucksack am Rücken, fast in Lumpen die Uniform, drin im Zimmer aber sahst du sie mit einem andern im Bett. Die wußten, du seist gefallen, oder wegen Fahnenflucht erschossen, keiner wußte es genau. Da zogst du den Armeerevolver, den du unterwegs gefunden hattest, und knalltest beide ab, dachtest du. Auch dies eine fixe Idee, denn in Wirklichkeit meldetest du dich aller & längerseits bei ihnen, Klopfen ans Fenster, wie Geister sich manchmal melden, oh, Schreck ... Ja, aber dann Tür geöffnet. Lamento. Du, du bist es, wir dachten ... Und er war es - ode sie - die nachts dir im Schlaf jenen Zustand zurückgaben, den sie im Kopf hatten, um weiter leben zu können. Lagst morgens in deinem eigenen Blut. Es waren wilde Zeiten. Hatten vier Kinder, sprachen nie mehr darüber, dachten, sie hätten alles nur geträumt ... Ganz umsonst deine tiefsitzende Reue anfangs, die sie dann löschten, die können das. Wir wissen es ja, beobachtete Fliegende Scheiben, dies Interdimensionale, zu der wir doch gehören, ist keine fremde Galaktie, die, keine "Raumfahrer", sondern jener Zwischenraum, zu dem wir später alle kommen, und manchmal auch hier als eine Art der Aliensepiphania aufscheint & verwirrende Gedächtnisblitze eingibt! Wir sind unsere, von uns selbst gemachten Phantome" Wie recht hatte Terplan. Joyce war ebenfalls davon überzeugt, ordnete nicht nur den "Fall" sondern das ganze Phänomen ähnlich ein, fand, wie wir wissen aber bei General Newton kein Gehör, obwohl die besten Köpfe wie Jaques Valleé oder die MUFON-Recherchen genau zu diesen Ergebnissen gekommen waren. Wobei die sechsdimensionale Quantenfeldtheorie des Physikers Burkhard Heim als Grundlage dient, der auch die Todesdimensionen in einem ungeheuer komplizierten Re¬chenverfahren bis zu zwölf Ebenen erweitert hat, das ihm sicher auch "eíngegeben" worden war, anders geht’s nicht! Auch andere mediale Zeugen sprechen dafür: etwa Tesla. Es war Lov, er gestand es sich kaum ein, dass er manchmal meinte, alles nur zu träumen (dies durfte doch nur der Erzähler!), Scheinwelt ringsum, die Stadt S., die Kokel, die Baiergasse, der Marktplatz, der Stundturm, die Bergkirche, der Eiskeller… sein altes Haus, Terplan, Moore, Lyss, die anderen, dies Nest hier, er aber wohl in einer Gefängnisheilanstalt wegen des Delikts (hatte er nicht seinen Rivalen erschossen? Manchmal sah er tatsächlich entsprechende Bilder!) und mit seiner ehemaligen Frau in Weimar, gar mit ihrem Galan und deren Kindern, hatte er absolut keinen Kontakt, er hätte doch nur dorthin fahren müssen, recherchieren, um alles aufzuklären! Wer aber tut sowas? Niemand. An die Wurzeln seines Daseins legt Niemand die Axt an. Scheu. Innere Verbote? Sich hilfreich an die Stirn tippen?! Dieses sehr unangenehme Gefühl, dass er nichts mehr roch, schmeckte, seine Sinne abgemagert waren, scheußlich, dass er in einer unwirklichen, in einer Schattenwelt lebte, nahm er mit den fallenden Jahren wie auferlegt, wie unabänderlich in Kauf. Anfangs, das wußte er noch, hatte er sich dagegen aufgelehnt, hatte alles auf den Nebel, die Kälte, die unsympathischen Engländer, das System, die glückliche handfeste wirkliche Vorkrigeszeit seiner Kindheit als Vergleich, und wer weiß Gott noch auf was alles geschoben. Er sah in seinen Tagebüchern nach, dort stand: Wie hieß sie doch, Magdalene, ja, aus Urzeiten fiel ihm der Name ein, resolut, realitätsnah würde sie ihm bei solch einer Begegnung wohl raten, tust mir leid, Lov, nein, Hans hatte er doch geheißen, damals, müßtest doch endlich deine Wahnidee aufgeben, dass du mich real umgebracht hast, seelisch schon, du Schwein, aber doch nicht wirklich, so glaubst du lieber, die Erde sei von dir geträumt. Wäre es nicht gewinnbringender, seelenökonomisch, mein ich, diese fixe Idee aufzugeben. Mit dir wär ich nie glücklich geworden. Dass du in jener Nacht tot oder scheintot warst, wer will das noch so genau wissen nach so langer Zeit, war gut für uns und die Kinder. Mit dir hätte ich nie welche gehabt, du Spinner! Kannst schon Schuldgefühle haben, die verbietet dir niemand. Lov wachte dann stöhnend aus solchen "Gesprächen" auf, die allerdings selten waren, meist bei Nacht, - und ging schnell in die Küche zum Kühlschrank um zu essen, das half meist, wieder etwas Schwere und Boden zu gewinnen, wie auch bei "ihren" Besuchen, erst vor einer Woche wieder, das probateste Mittel, war doch real, faßbar, schmeckbar, Brot, Butter, Marmelade... Und war Lyss gar abgestellt, ihn zu beobachten, sie hatte ja psychiatrische Vorbildung ... Noch gestern hatte sie was Komisches gesagt, Lov, mein Lieber, du bist völlig da und real! Das so eine Engländerin keine Ahnung hat! Manchmal geriet er in Wut! Und überlegte, wie er sich von ihr trennen könnte, ihr Hausverbot erteilen, und wußte doch, das das unmöglich ging, die Bindungen waren höllisch stark. Und ganz freiwillig machte er mit ihr weiter, obwohl "sie" den Wahn wohl in ihn gesetzt hatten! 6 Doch über allem und in allem wirkten und beeinflusten „sie“ das Geschehen! Wie sehr "sie" sich durch "Zufälle" und Nebensachen mitteilten, die dann, falls es einer wagt zu bemerken und gar mitzuteilen, bei der Seelenpolizei der Psychiater gleich als "paranoid" eingestuft wird, so dass sie eingreifen können, als stän¬den sie in einem geheimen Dienst der Gesellschaft, hatte Joyce natürlich schon lange erfaßt; es ist klar, warum, denn „sie“ sind in erster Reihe ja vordergründig, und da wir kein anderes subtileres Instrumt der Wahrnehmung für sie haben: ein psychisches Phänomen, sie teilen sich in un¬zähligen sensiblen, daher nur von sehr wenigen hörbaren Bot¬schaften mit, in jedem Blatt, in jedem Rauschen des Windes, vernehm¬bar in der Musik, im Flüstern, im Schreien eines Kindes können sie vernehmbar sein. Wie sehr das alles freilich zu fürchten ist, zeigt die traurige Geschichte von Terplan, dachte Joyce: Terplan, der schlie߬lich (freilich erst nach der Begegnung mit der Lyssowa) in eine Klinik eingeliefert wurde, weil er diese Stimmen überall hörte; weil er überall Bezügli¬ches wahrnahm, das hatte ihn wohl fer-tiggemacht. Hatten „sie“ ihn auserwählt, zur Kontaktperson gemacht? Lovering war weniger gefährdet, er war ja von Anfang an ein Mann im Bodenlosen: er fand sogar Trost bei ähnli¬chen Zu-ständen anderer, etwa bei Nerval oder Michaux. Der Oberst konnte es sogar lesen, denn Lyss hatte das Tagebuch von Lov fast vollständig abgelichtet: "Heute ist es mir wieder passiert. Habe ich eben den Kopf ein wenig gedreht? Ich fahre heftig hoch. Rechts von mir... eine unge¬wöhnliche Erschei¬nung. Ich hätte nicht gedacht, dort auf eine so an¬sehnliche Masse zu treffen. Da¬bei ist es nur ein Gegenstand, ein lebloser Gegenstand! In meinem Zustand beginne ich nicht damit, irgend etwas leb¬los zu machen, ich höre höchstens damit auf. Besessen vom Be¬leb¬ten, vom extrem, ja infernalisch Belebten, das mich besitzt, kann ich alles beleben, so extrem beleben, dass mich seine Überfülle verwirrt, die ich über alles, was unerwartet meinem Blick begegnet, ergießen muß. Gegenstand heißt Gegenwart, vor allem Gegenwart, und welch tolle Überraschungen hält die Ge¬genwart jederzeit bereit? Und alles hängt von unserem Zustand, unserer Aufmerksamkeit, dem Gebet der Seele, ab. Wenn ich z.B. sehe, dass ich es mit einer simplen Karaffe zu tun habe... Gut. Soll sie bleiben! Das Wissen, demzufolge so etwas, in seiner Eigenschaft als Karaffe, nicht angriffslustig ist, hat mich nicht verlassen. Aber der Gefühls¬sturm, in den mich dieser Schock ver¬setzt hat, hat mich gleichfalls nicht verlas¬sen. Ich war in die Küche gegangen. Ich gehe ins Eßzimmer zurück. Sieh da, ein Mädchen; das Kleinchen sitzt kerzengerade auf einem Stuhl und wartet. Ich korrigiere den Irrtum bald. Es ist mein zusam-mengefalteter Re¬genmantel, der so über dem Stuhl liegt, dass er tatsächlich an die natürliche Gra¬zie eines schlanken jungen Mädchens er¬innert. Da ich etwas vergessen habe, ge¬he ich noch einmal in die Küche und komme wieder zurück. Da ich wieder et¬was vergessen habe, kehre ich noch einmal um, komme dann wieder, und jedes¬mal, wenn ich an dem >besetzten< Stuhl vorbei¬komme, vergesse ich, dass ich es doch be¬reits entschieden habe: es ist kein Mädchen, sondern mein Regen-mantel. Trotzdem komme und gehe ich an einem >Mädchen< vorbei und tue dies und nicht das in Gegenwart eines Mädchens im Eßzimmer. Wieder muß ich hinaus, wegen meiner Vergeßlichkeit (immer nur im Kopf sein, dort „arbeiten“) , diese Zerstreutheit im Wirklichen! Ich wünschte, sie wäre nicht mehr da, wenn ich das Zimmer wieder betrete; aber sie ist immer noch da, und diesmal ist's mein jüngerer Bruder, der in meinem Körper und mit meinen Beinen an ihr vorübergeht!" Ziemlich verückt, dachte Joyce, als er das las: alle, die sich für diese Phänomene öffnen, sind es von Natur aus, eben, sonst bekämen sie ja überhaupt keinen Kontakt mit ihnen! Und er erinnerte sich, dass auch große Literatur meist auf diese Art und mit solchen Empfindungen entstanden war und immer noch entsteht. Wehe, du bist "gesund", dann wirst du Präsident, General oder einfacher Spießer! Eigentlich bräuchten die den Psychiater nicht, diese beiden, die wir nun beobachten müssen, als wärs ein unsichtbares Irrenhaus, wir jedoch brauchen ihn! Oder sind sie die Wächter, die andere Seite sozusagen unseres Office, des Generals? Der Staatsmacht, Seelenpolizei! Und Joyce las dann diesen „Unsinn“ weiter Lovs Tagebuch: "Bin ich ein Anderer? Wenn ich es nun anstatt mit einem Mäd¬chen, mit einer kräftigeren Erscheinung zu tun hätte! In meinem Zustand geben sie mir neue Hoffnung, wenn ich ehrlich bin, will ich mich deshalb so genau vergewissern, dass es sie wirklich gibt! Dieser Tag ist der erste Tag vom Rest deines Lebens, las ich gestern im alten Stadthaussaal, bedenke es! Und da es keine Zufälle gibt, fiel am gleichen Tag meine Blick auf einen österlichen Handzettel mit einem Hiobzitat, den hier der Pfarrer der Klosterkirche verteilen hat lassen: ´Der Mensch vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht.` Führen sie uns wieder zum alten Gehemnis der Auferstehung zurück, denn für sie, wie für Christus scheint es keine n Tod zu geben. Oder sind sie das, was man früher Engel nannte, welche Vrebindungen gbt es da? Muß uns all das verschlossen bleiben? Vor einer Woche lauter Licht in der kleinen Kirche. Auf der hintersten Bank und vor dem Altar, Erinnerungen, die nicht nur mir gehören. Im Raum hallte es. Die¬ses Summen im Kopf. Sie beteten und sangen. Wenn ich wenigsten da mitma¬chen könnte. Der Engel. Ich kann weder beten, noch singen. Es wird einen Au¬genblick geben, einen Schlag, und du bist weder tot noch am Leben. Nähe in der Kirche. Als wäre das Holz der Bank wirklich, ich griff danach, roch daran. Dort ist das Unsichtba¬re nah, berühre es. Du täuscht dich doch sogar über die Täuschung, sagt Dee, der alte Manierist - und es widerhallt in mir, ein Echo ists, als wäre er wirklich da: nicht nur in mir: Er könnte mit Parataxen erfasst wer¬den, eine für die Literatur fast unlösbare Aufgabe, die sie aber lösen muß, will sie das neue Geschehen fassen, entspre¬chend dem Zustand heute, so sagte Dee: ihr im radikalen Nachher in dem ihr nun leben müssen, soz¬usagen als Gespenster der Geschichte. Ich jetzt mit euch auch, nicht nur du! Das Auflehnen zu meiner Zeit war einfacher. Mein Aufstand ist der Tod, nichts stärker als er, und durch ihn weiter und weiter... Nichtlebenkönnen, so Lyss, ich höre sie deutlich jetzt neben mir, Nichtlebenkönnen sei nicht nur Terplans Fehler und falsche, ein¬geschränkte Auffassung, nein, sie ist bei fast allen da, die kopflastig leben, es liegt in der Zeit, ist ihr Gift. Unsinnig anzunehmen, dass dein Alltag nicht auch All-Tag ist. Bösar¬tigkeit und Bosheit, auch dir selbst gegenüber, macht dich blind." Manchmal aber konnte dieser Lov für Augenblicke glück-lich sein, und sah dann nicht nur die Kastanienblätter der Bäume im Garten mit ihren Feuerrändern in allen Farben, erinnerte sich an die Wahrnehmungen, die auch das Unsichtbare an den Dingen zeigten, Auraleib, der aber bei vielen Pflanzen jetzt wie fahl und graufarben aussah, so wie viele Menschenkörper eine dünne spärliche Ausstrah¬lung haben. 7 Bei Terplan war das nicht anders. Wenn er sich öffnete, geschahen diese "Zufälligkeiten", jemand rief an, so Lyss heute, an die er eben gedacht hatte, gedan¬kengleich schrillte das Telefon, dann kam auch die Verbindung mit Lyss zustande, er war wie erlöst, spürte überall die geheimen Ver¬wandtschaften und Be¬ziehungen, alles schien wie früher, als er noch jünger war, und wieder alles möglich zu sein schien. Die Zustände, die ihm auch den Kontakt erst ermöglichte, nahmen nicht ab, er beschrieb sie mit leichtem Grauen: "Auch die Gebäude, in dem Lov seine Geheimnisse versteckt, wurden ge¬stern wieder riesengroß, glatt, irreal, und eine unaussprechliche Angst schnürte mir die Kehle zu. Ich stellte mir vor, dass die Leute, die von der Straße aus zusahen, uns alle für Gefangene hielten, so wie ich ein Gefangener war, und ich wünschte nichts sehnli-cher, als nach draußen zu entkommen. Manchmal rüt¬telte ich an den Git¬terstäben, als gäbe es keinen anderen Ausgang - wie ein Wahn¬sin¬niger, so dachte ich, der ins reale Leben zurückkehren möchte. Denn die Stra¬ße erschien mir lebendig, real, fröhlich, und die Leute, die dort auf und ab spa¬zierten, waren lebendige Leute, während alles, was innerhalb der Umzäunung lag, grenzenlos, irreal, mechanisch, sinnlos war: der Alp¬traum von der Nadel im Heu. - Solche Krisen kamen immer häufiger. Einmal, als ich im Aufent¬halts¬raum war, sah ich plötzlich, wie der Saal rie¬sengroß wurde und wie von einem schrecklichen elektri¬schen Licht erhellt, das keine wirklichen Schatten warf. Alles war scharf, glatt, künstlich, bis zum Äußersten angespannt; die Stühle und Tische kamen mir vor wie wahllos aufgestellte Modelle. Lov und Morris, Robert und die ande¬ren schienen Marionetten zu sein, die sich sinn- und ziellos drehten. Ich erkannte nichts und niemanden wieder. Es war, als hätte die Wirk¬lichkeit sich aufgelöst, als wäre sie aus all diesen Gegenständen und Leuten entwichen. Nur - Lov meint, die Gnade der in uns eingebau¬ten Täuschungsfilter der Sinne, ver-hinderten es, dass wir dies Schreckliche einer unendlich kalten Welt, in die wir eingesperrt sind, immerzu wahrnehmen müssten, nämlich die Kälte der sich drehenden Elektro¬nen und Atome; doch die Täuschungsflter, eine Art kultureller und zeitlicher Erruzngenschaft des menschlich Gelebten von früher, die alles verlangsamten, nähmen unter der Einwirkung der Technik immer mehr ab, werden so geschwächt, dass der Schleier reißt, und nur noch die nackte Wahrheit des Irdischen bleibe übrig, die nicht auszuhalten sei! Eine entsetzliche Angst überfiel mich, und ich suchte verzwei¬felt nach irgendeiner Hilfe. Ich horchte auf die Ge¬sprä¬che, doch verstand ich die Bedeutung ihrer Worte nicht mehr, als wäre es ein Tierge¬heul, ganz dünn. Die Stimmen kamen mir metallisch vor, ohne Klang und ohne Wärme. Von Zeit zu Zeit löste sich ein Wort heraus. Es wiederholte sich in meinem Hirn, wie mit dem Messer ausgeschnitten, absurd. Und wenn sich mir jemand näherte, sah ich ihn größer und größer werden, genau wie den Heuhaufen auch, als riesige Pyramide. Und dann ging ich zu Lov oder zu Lyss und sagte: „Ich habe Angst, weil alle auf ihrem Kopf einen winzig kleinen Rabenkopf haben.“ Sie lä¬chelten mir freund¬lich zu und antworteten irgend etwas, woran ich mich nicht mehr erinnern kann. Doch ihr Lächeln beruhigte mich nicht, sondern steigerte im Ge¬genteil meine Angst und meine Bestürzung, denn ich sah nur ihre weißen, re¬gelmäßigen Zähne. Und diese Zähne glänzten unter dem hellen Licht, und bald nahmen sie, obwohl sie noch immer sie selber waren, mein ganzes Blickfeld ein, so als bestünde der ganze Saal nur aus Zähnen in einem unerbittlichen Licht. Es ist wie bei den modernen Malereien. Aber leider wirklich! Oder sind auch die Maler alle verrückt, weil sie es sehen können, was die blöden Alltägler nicht sehen können!?Ei¬ne furchtbare Angst überkam mich von Neuem. An diesem Tag rettete mich nur die Bewe¬gung: Es war Zeit für unsere Experimente geworden, und ich musste mich mit den anderen einreihen. Mich zu bewegen, etwas ande¬res zu sehen, etwas Bestimmtes und Alltägliches zu tun, half mir viel. Freilich trug ich meinen Zustand der Irrealität mit in den Versuchsraum, wenn auch in geringe¬rer Stärke." 8 Es war dann auch tatsächlich zu einer Art Psi-Party gekommen. En besonderer Tag. Lov hatte wirre Träume gehabt. Ein Hahn weckte ihn aus einem unruhi¬gen Schlaf. Er nahm einen kleinen Vogel wahr, der aus dem Traum kam, und den er behutsam mit den Händen gegen seinen Kör¬per gehalten hatte. Lov meinte, Cagliostro zu hören: Betrüger, sind wir alle Betrüger? Bänder der Ewigkeit um den Hals, wie von den Vorgängern Gehenkte? Er nahm das Buch vom Nachttisch, las: Drehte das Gesicht auf dem Kissen zur Seite, um auf den Vogel hinabzulächeln, auf den blauen, geduckten Kopf und die kranken, schwerlidrigen Augen, und er fragte sich, wie viele Nächte er ihm noch Wärme geben müsste, bis der wieder gesund war. Ach nein, es war eine Seele, ein Wiedergeborener oder ein winziger Außerirdischer. Er hatte ihn seit drei Tagen so im Traum gehalten. Unsinn. Ne-ben ihm regte sich mit einem Seufzer Lyss, um ihren Auftrag zu erfüllen, hatte sie mit ihm geschlafen. Viel gab er nicht mehr her, Gottseidank. Und las weiter: Er, den Arm über ihr Gesicht geworfen. Vermischt mit den Ge¬räuschen des Regens ... brach ab, Sekunden brechen ab, mit den Augen weg von dem Außen oder den Zeilen: Hören, der Kosmos ist Musik: die ersten zaghaften, mür¬rischen Morgenstimmen der anderen Vögel, die in den Eichen und Buchen verborgen sind. Ja, es steht da und stimmt: Hermetisch abgeschlossen, war der Loveringkreis eine winzige En¬klave der Regelmäßigkeit im Chaos der Stadt, fremd der Launenhaftigkeit des Wetters, der Innenpolitik, dem CIA und OSI, jeder öf¬fentlichen Unruhe ausgeliefert, die ihn mal töten würde. Durch Versuch und Irrtum hatte Lov, so dachte er, in seiner alltäglichen Täuschungsphantasie: das ökologische Gleich¬gewicht wird perfektioniert mit Hilfe des Geheimdienst¬mädchens (wußte er es oder wußte er es nicht?), ebenso also die künstlerische Harmonie, so dass die Gezeiten des Pflanzenlebens und die Bewegungen der Vögel und der menschlichen Bewohner so vollkommen aufeinander abgestimmt werden wie die Rhythmen eines perfekt ausbalancierten Mobiles. Natürlich waren er und das Geheimdienst-Mädchen aus dieser Freistatt nicht mehr wegzuden¬ken; sie waren für ihre Einheit unentbehrlich geworden. Was sie von draußen brauchten, wurde von Terplan und Morris angeliefert. Sie selbst gingen nicht hinaus. Drei Tage lang wollte sie ihm helfen, den Abend vorzubereiten, ihn quasi zu inszenieren, um leichter über ihn berichten zu können, und dabei nicht nur ihn, sondern auch ihr eigens Projekt zu verraten! Lesen ist alles, Beichte, Referate, Gesetze. Ja. Lesen, die Welt plagieren: "Geht es ihm gut?" flüsterte sie. Sie lag wie ein lohfarbe¬nes Fragezeichen ihm zugewandt, die Augen plötzlich groß und dunkel, mit langsam schlagenden Lidern mit ihm nackt in seinem Bett, und hatte es sogar über sich gebracht, seinen Penis in den Mund zu nehmen. Lov, gleichmütig, fuhr mit einem Finger unter die Federn am Halsansatz des Vogels, streichelte ihn sanft. "Ich glaube, er wird ge¬sund. Schau, er hört seine Freunde erwachen." Lyss hatte den Regen und die Vögel schon gehört, noch ehe sie ganz wach war. Was wollte Lov mit dem Vogel (im Kopf? Wie er lachend erklärte?!) Sein Mitleid, ja, seine Zuneigung zu dieser Kreatur ausnützen gegen den Tod? Und wenns tatsächlich ein außerweltlicher Vogel war (und sie musste lachen!). "Alles ist außerweltlich, wir inklusive," sagte Lov laut, und las Analyss aus dem Buch Mahlers „Die Entropie“ vor, als wäre Schwerkraft greifbar, das größte Geheimnis, mit der "sie" uns erreichen können: Dass diese Gefühle dem Vogel gegenüber, wie Lyss gegenüber, deren Nacktheit und deren V er jetzt wieder erregt streichelte, hineinfaßte in ihre schönen Lippen, dass seine Erregung so sehr für Liebe wie für Ener¬gie stehen musste, verwunderte ihn nicht mehr; dass die beiden in der Tat identisch sind, auch nicht; und dass die Liebe daher nicht nur die Welt am Drehen hält, sondern auch die Bocciakugel in Rotation versetzt, wie die Aktbewegungen von vorhin, und die Präzesion der Stemennebel lenkt. „Nur Eins tut not“, dachte er! Gott ist überall, vor allem in seinen Gesetzen, die alles zusammenhalten, das wußte schon der alte Kepler mit seiner Harmonielehre vom Gesang der Sterne! Doch hör, las er mit erstickter Stimme: Es war dies letztere oder siderische Element, das ihn beunruhigte. Die Kosmo¬logen hatten dem Universum einen Wärmetod vorausge¬sagt (etwas wie die Vorhölle: Form und Bewegung erlo¬schen, die Wärmeenergie an allen Punkten gleich); die Me¬teorologen schoben ihn von Tag zu Tag hinaus, widerspra¬chen mit Beispielen aus der beruhigenden Reihe ihrer ständig wechseln¬den Temperaturen. "Es kann nicht mehr lange dauern, und sie haben uns erreicht", sagte Lov triumphierend, für den das erwartete Ende nichts anderes als ein großer Anfang war! "Meinst du diesen da, den Vogel... einer von ihnen?" Und sie erinnerte sich, dass Lov einmal gesagt hatte, dass "sie" für das, worüber wir Blödlinge nur lachen können, eben ganz real die besten Zeugen seien. Doch was heißt "real"? "Meinst du, sie kommen sehr bald", fragte sie harmlos, und rückte ihre Wanze, die sie im Haar trug, zurecht; sie hatte die während des langen und mühsamen Vögelns ausgeschaltet; das musste ja nun Joyce nicht auch noch hören. Sie lag auch lieber mit ihm nackt aneinander, und dachte jetzt an seinen ungewöhnlich großen Penis. Vielleicht wird er ja mit Vigara, Fick-Gara besser hochgekommen, und ich kann meine Lippen schonen! "Ah, Du meinst die Gravitation..." sagte der Alte, als habe er ihre Gedanken erraten.Oder hatte er sie erraten? 9 Lyss kam spät zum Dienst. Und war dann den ganzen Nachmittag mit Oberth im Archiv! Er hatte eben diesen (von ihr mitgebrachten) Text studiert. Ich muß ihn doch ins Labor geben, dachte sie einen Augenblick, warum soll ich die vielen Übernahmen, intertextuell oder Plagiate, des alten Lov bei mir behalten, weil ich mit ihm gevögelt habe, Scham nun? Ach was, es war doch angenehm!Sucht Terplan Genossen im Bodenlosen. Oder haben sich die erwähnten Herren gar eingemischt, sie sind ja alle tot: Dikat zur Erkennung? Dann schrieb sie ihren Bericht nieder: "Und diese Irrealität zeigen wieder die ständig auch Lovering um¬schwirrenden Nachrichten, als etwas, das gefährlich wird, wenn das Schutzfilter, das die Welt verengt, verkleinert, auf unsere Maße re¬duziert, sich zu sehr öffnet, wie bei Terplan, der einer mediumistischen Psychose zuneigte, so dass Lov oft besorgt war. Wichtig ist bei all diesen Experimenten die Kraft des Zufalls. So hörte Lo¬vering (die Agentin und Berichterstatterin A.L. war dabei) an einem Nachmittag ´zufällig' eine Passage aus einer Kurz-wellensendung in seinem Weltempfänger, mit ,Betrachtungen über die Offenbarung'. Der Sprecher zitierte: ,Und ich sah einen Engel inmitten des Himmels fliegen, das Evangelium tragend, um es denen zu verkündigen, die auf der Erde ...´ wegen Fadings war der Rest nicht zu hören, doch der Kommen-tar kam deutlich über den Äther: ,Im Verlauf der Endgerichte wird ....G.... den Engel beauftragen, gleich einem Erdsatelliten unserer Tage, um in dem Reich mit ver¬nehmbarer Stimme den Menschen ein letztes Gnadenangebot zu ma¬chen.' Lovering hatte es Gottseidank aufgenommen und hörte dazwi¬schen bei mehrfa¬chem Abhören auch die wichtigere Stimme, als die des alten Gottes, 2109 wandte sich an ihn: "Denkt (nach): Wird euer Leben wirklich gelebt, wenn ihr wach seid oder schlaft? Ihr erkennt die Wahrheit nur, wenn ihr in beidem bewusst seid. Der Zentrale ist 2109 natürlich längst bekannt, auch die Berichterstat¬terin kennt sie, doch sie musste dies verheimlichen, tat ebenfalls sehr verwundert, für die Gruppe wars ja ein Schock. Und die Agentin A.L. verbürgt sich für den Wahrheitsgehalt des Geschehenen; ihrer Meinung nach war es weder eine Einfach- noch eine kollektive Hypnose. Mit wachen Sinnen ließ sich feststellen, dass Folgendes an den genannten D.Terplan übermittelt wurde (und die Aufnahme auf Minikassette liegt bei) hier die Abschrift: ´Wie ihr wisst, vergeht Geist nicht. Die Evo¬lutions¬¬linie eures menschlichen Lebens benötigt drin¬gender Änderungen. Sie geht nicht verloren und wird im Ernstfall in anderer Form existieren. Hierüber sind Mittei¬lungen an euch unter¬sagt ... Für uns bedeutet euer Leben Wahr¬scheinlichkeit in einer all¬mächtigen Wirklichkeit ohne Zeit¬begriff... Was ihr unter Seele ver¬steht, existiert in enger Verbundenheit in vielen anderen Strukturen und Welten gleichzeitig...´ Weiter wurde durchgegeben (O-Ton liegt bei): Was auf der Erde gegenwärtig an Zerstörungen der Natur und auch in der menschlichen Seele geschehe, gefährde viele andere unsichtbare geistige Lebensformen im Weltall, dies wurde fast wörtlich aus der anderen Sphäre mehrfach durchgegeben. Nach Meinung von H.C. Lovering ist möglicher¬weise diese Transkom¬munikation als eine Art Hilfeversuch und Notwehr anderer Existenz¬bereiche zu verstehen. Sehr wichtig ist für die Lovering-Gruppe, was diese auch besonders motiviert, dass die "Transwesenheiten" (nicht ausge-schlos¬sen, dass es sich um eine bestimmte Kategorie von Besatzungen "unidentifzierbarer Flugobjekte" handelt) eine mahnende numinos-ethisch Haltung einnehmen, die den Zustand der heutigen Welt besorgt beobach¬ten, aber in den Lauf zu einer Metamorphose der Menschheit und in eine mö¬glicher-weise zu erwartende irdische Katastrophe angeblich nicht eingreifen dürfen." Oberth hatte an den Rand hinzugefügt: "Hier könnten die staatlichen Organe Besorgnis anmelden. Und vor einer eventuellen Panik warnen." Und weiter Annalyss` Bericht: "Schon der Kontakt selbst scheint nur möglich, wenn die mo¬ra¬lischen und die Gewissensbe¬dingungen beim Empfänger mit der eingehenden Botschaft überein¬stimmen. So wurde zur Erklärung, weshalb keine Einspielung bei einer öffentlichen Show in einer kommerziellen Fernsehsendung möglich ist, nach solch einem Ver¬such, folgendes durchgegeben: Dass ein harmonisches ethisch-moralisch sauberes Kon¬takt¬feld als erste Voraussetzung für das Zustandekommen der Trans¬kon¬takte erforder¬lich ist... Wer dennoch den Höhenflug des Sich-Zur-Schaustellens einer seriö¬sen und art-ge¬rechten Prä¬sentation der Transkommunikation vorzieht, wer nur auf das Vor¬dergründige, Sensationelle spekuliert, darf sich nicht wun¬dern, wenn er der Sa¬che unermesslichen Schaden zufügt. Hüten Sie sich vor der fal¬schen Reaktion der Massen-medien. Vor allem in letzter Zeit meldet sich medial und über Com¬pu¬ter bei einem Frankfurter Arzt, aber auch eine ´Föderation des Lichts´, so vor kurzem bei Terplan: "Wir grüßen alle Menschen, die das Licht suchen. Das geistige Universum durch¬dringt alle Materie ...Alles bei euch wird neu ge¬ordnet, die Infor¬mationen der Liebe werden euch durchdringen. Lichtlose Men¬schen werden langsam an die Ewigkeit des Seienden denken, denn der Schöpfer sandte Boten zu euch. Dies alles wird stufenweise gesche¬hen, um Chaos zu ver¬hindern. Viele von euch werden die Anfangssi¬tuation nicht begreifen und sich verbergen... Mit einer Veränderung des Nervensystems wird diese Umkehr ein¬geleitet. Dies alles soll bald geschehen. Denn der Schöpfer sendet seine Boten in euer Ge¬wissen..." 10 Erst nach mehreren Besuchen bei Lovering hatte Anna Lyssowa, die gewiefte Verwandlungskünstlerin mit über¬durch-schnitt¬li¬cher, fast verruch¬ter Intelligenz, herausgefunden, was da lief: und sie konnte Joyce, den sie natürlich ebenso in der Hand hatte und oft gehörig reinlegte, berichten, dass Lovering verschiedene Fotos und Pläne von Landeplätzen und Objekten hatte, was freilich nur halb stimmte. Das gehörte aber zum Geschäft, dass man log und Gerüchte erfand. Und wie nebenbei berichtete Annalyss: dass der alte Lovering die unschätz¬bare, aber nicht vollstän¬dige Ausgabe von Dr. John Dees engli¬scher Version des Necronomicon besaß, die habe er bei einem Antiquar in London gefunden. Und sie habe erfahren, dass er, kaum hatte er die lateinische Kopie in seinen Händen gehabt, schon die beiden Texte verglichen hatte, um eine gewisse Passage zu entdecken, die in sei¬nem ei¬genen unvollständigen Band auf Seite 751 hätte stehen müs¬sen. Und dort sei ein großes Geheimnis verzeichnet. Auf Anna Lyss´ Phantasie wirkte das wie eine stark behaarte nackte männliche Schönheit, die aber ein "intelligentes Fleisch" haben musste, um passabel zu sein für ihre reinliche (aber unehrliche) Haut. In diesem Buch waren die Grundlinien des weltweiten Komplotts ge¬schildert. Und die "Engel", die uns in überlichtschnellen Fahrzeu¬gen besuchen. Die Nachrichten häuften sich Gottseidank, dazu brauchte es auch keine subtile Psychologie oder Spekulationen, sondern harte Fakten und Dokumente: Dies war das Fazit der Vorgesetzten Anna Lyssowas aus der Zentrale. Anna Lyssowa aber versuchte, in Übereinstimmung mit Joyce, ihre Version durchzusetzen: Nämlich durch eine eigenartige Archäologie, und was diese "Archäologie" betreffe, die gefährlichsten Leute nennen des Rätsels Lösung "Ancient Astronauts", könne man diese Spur weiterverfolgen, dann komme man zu sehr wichtigen Ergebnissen; so gäbe es ihren Erkenntnisssen nach, eine Verbin¬dung zwischen John Dee und der Stadt Llaregstone. Zusätzlich werde auch im Ge¬samtwerk Loverings John Dees Über¬setzung des Necronomicons er¬wähnt. Dies sei aber kein Zufall. Und überhaupt sei Loverings Buch ein Schlüssel dazu. Aber da rannte Lyss offene Türen ein: Lo¬vering habe diesen Schlüssel, so vermutete die Zentrale. Und gab der Lyssowa auch gleich einen entsprechenden Auftrag. Doch zurück zum interessantesten Mann hier, zu Joyce. Es könnte an dieser Stelle der Einwand erfolgen, Lovering hätte über die Verbindung Dee und Llaregstone in ungenannten Büchern oder Enzyklopä¬dien nachlesen können, so der Chef des Dienstes, dem natürlich auch von Lo¬verings gefährlichen Deutungen von Kant oder Hartmann, berichtet worden war, er hatte das Band mit Spannung abgehört: da diese unter den Studenten und bei den Lehrstühlen Panik auslösen würden, und von hier aus die Wahrheit über die Hintergründe der jetzigen Welt, die geschützt werden musste, durchsickern könnte. So dachte auch Oberst Joyce, der Dank seines Amtes wohl informierterste Mann auf diesem Planeten; doch ihn plagte der Zwiespalt, und schon öfter war er nahe daran gewesen, den Dienst zu quittieren, denn eigentlich hätte er nun das Gegenteil seines Dienstauftrages tun müssen, nämlich alles tun müssen, um die neuen Daten bekannt zu machen, da es notwendig wurde, dass die Wissenschaften sich auf „sie“ und ihre mögliche Landung vorbereiteten; doch die Neugierde, und dann sogar die Einsicht, hielten ihn weiter auf seinem Posten, auch die Einsicht, dass ein anderer Mann hier fehl am Platz sein könnte; es war der verantwortlichste Posten, den die USA zu vergeben hatte, dachte er: Dass also Lovering von Dee gewußt haben kann: nein, dieses aller¬dings ist völlig ausge¬schlossen. Nach etwa zweijährigen Nachfor¬schungen können wir mit Gewißheit sagen, dass es zu Loverings Lebzeiten keine offizielle Quelle gab, in der diese Fak¬ten enthalten waren. Auch die zu Lovering's Zeiten existenten Dee-Biographien enthalten kein Wort über Dee und dessen Verbin¬dung zu ihm. Loverings Quelle muß also inoffizieller, ja außerirdischer Natur gewesen sein. Erst in den siebziger Jahren wurde in der British Library ein Brief ent¬deckt, der eindeu¬tig belegt, dass es eine authentische Beziehung zwischen Dee, dem transsylvanischen Ort S. und Llaregstone gab. In diesem Brief von einem unbekannten Gelehrten und Antiquitätenhändler an Dee, datiert aus dem Jahre 1573, erfahren wir eingangs aus dem Wortlaut, dass es bereits zuvor einen Briefkontakt zwi¬schen beiden ge-geben hatte. Weiterhin ist die Rede von der Bedeutung des ,,Ortes L.&S in ver¬gan¬genen Zeiten". Hier soll es eine Art "Zeitloch" gegeben haben. Und geben? Nun alles deutet darauf hin, wenn wir die unsichtbaren Landeplätze der Fremden in Betracht ziehen! Und all das gehört zum sogenannten `Götterplan`. Die Lyssowa muß die Materialien von Terplan unbedingt herausbekommen; sie hat be¬richtet, das Rendezvous werde übermorgen stattfinden. Der Informant schreibt über Dee, dass es in der Stadt nach dem Abriß einer Kir¬che seltsame archäologische Funde gegeben habe, z.B. ein Grab, in dem sich ein ,,großer, kreisförmiger Stein befand, mit einem Mann darin, der seltsam gekleidet war. Aufgrund ei¬nes ebenfalls erst spät entdeckten Dokuments läßt sich darüberhin¬aus nachwei¬sen, dass John Dee im Jahre 1574 wahrscheinlich angeregt durch die Entdeckungen in L. - auf ei¬gene extensive archäologische Exkursionen in die Gegend von Chester und Wales ging. Lo-vering sollte es ihm mehrere hundert Jahre später aus den gleichen Gründen nachmachen. Die Motive Dees wurden mit seinem Interesse an lokaler Geographie und Geschichte begrün-det; aller¬dings hatte man bisher nie eine Erklärung für die Ursache seines gesteigerten Interes¬ses an alten Kultstätten finden können. Der Inhalt des oben erwähnten Briefes läßt erahnen, um was für Funde es sich in L./ wie in S. gehandelt haben muß. Fand man bei dem Abriß einer Kirche von L. die Überreste eines alten Kultes? Und war dieser Kult dann auch der Mittelpunkt von Dees Recherchen ab dem Jahre 1574, ja, markierten die Entdeckungen in L. sogar einen Wende¬punkt im Leben John Dees? Es war wohl der uralte Landeplatz, den "sie" immer noch - und zwar immer noch unsicht¬bar, ungesehen, oder wie man es immer nennen will - benüt¬zen, und uns immer durch die Lappen gehen. Ich habe es gegenüber dem Profes¬sor immer wieder betont, dass wir die parapsycho¬logischen Studien intensivieren müs¬sen, die YZ-Theorie Oberths der "exculpierten und gegenläufigen Projektion" etwa! Im Archiv aber fand sich, wie wir sahen, eine ganze Akte "Dee" und "Telmi", sie gehörten mit zur Recherche; Lyss war neugierig geworden, und da sie sich in Dees "System" und "Engelssprache" nicht zurechtfand, bat sie Joyce um Hilfe. In den Akten fanden sie dann viel Material: "Antelmi ist durch Todesgefahr zu einem begabten Nekromanten und Zungenredner geworden, zuerst noch kein Scharlatan, wie ihn John Weaver, und in unserer Zeit Robert Turner sehen. Über ihn kamen die Nachrichten der Außerirdischen, die sie "Engel" nannten zu John Dee, der daraus ein henochianisches System machte. Dies spiegelt eigentlich nur die äußerst schwierige Verständnis¬möglichkeit mit "ihnen", und wir wußten, genau wie ihr: vieles waren einfach nur Verballhornungen des leider recht intensiven Kirchenglaubens von Dee, wie manche meinen. Doch einem so klaren mathematischen Geist ist dies nicht zuzutrauern. Eher hat er die Symbole und Namen der Kirche als Chiffrierung benützt, um nicht als Häretiker verjagt oder gar verbrannt zu werden. Interlinearversionen, Versteckspiel in Metaphern? Wie in heutigen Diktaturen auch? In Wirklichkeit waren seine "Könige", "Fürsten" und "Engel" nichts als Aliens. Und die ganze Beschreibung der Siegel und Tafeln Mittel zur Kommunikation, vor allem aber ein Mittel, um das Bewußtsein zu verändern, Ekstasemittel, um überhaupt in jener andern Sphäre zu kommen, der "Stein" aber, den er für den "Weisen" hielt, eine Art Bildschirm. Klar ist, dass diese Zwischenzone nur so erreichbar wurde, sie im normalen Bewußtseinszustand verschlossen blieb... So gibt etwa der "Engel" IL am 29. April 1583 über das Siegel AEMETH durch, dass es sich hier um ein "Instrument" der Erhebung handele, und um Ektase, die aber abhängig sei von einer genauen "Komposition" im Zentrum der Quadrate 3 und 4. Aemeth heißt "Wahrheit" A ist der Anfang (die Eins) M (40) das Wasser Th ( 400 Ende Tod). Das Siegel mit dem der Golem hergestellt wurde. Nimmt man den Buchstaben Ae fort, so bleibt meth= Tod, damit wird der Golem wieder vernichtet. Alles geht auf diese Operation mit der Eins zurück. Mit dem Namen Gottes. Dieses Siegel Eameth ist eine große runde Wachstafel (Diskus) die zur "Heilgen Tafel" gehört wird hier abgebildet, sie befindet sich im Britischen Museum (Folio 30 BM Sloans MS). Joyce war sich klar, dass nur Lovering und sein Kreis da Aufschluß geben konnten. Und Morris beichtete dann auch auftragsgemäß: "Es schien, als wollten "sie" Lovering bei der Suche helfen, vor allem mit DEE zu kommunizieren. Mit dem er in Kontakt kam. Und das war ungeheuerlich, aber doch geschehen. Im Schwarzen Heft ist verzeichnet, dass auch bei einem gewissen Webster, einem Lehrer aus der Nähe, ähnliches vorgefallen sei, eine Zeitmanipulation durch 2109: Dee sah etwas auf seinem Bildschirm, seinem >Lichter¬kasten<. Dieses Bild übermittelte ihm unsere Fragen, unsere Mitteilungen. Er beantwortete sie durch den >Lichterkasten<, indem er Buchstaben zu Wörtern zusammenstellte. Ihn ver¬wirrt es ebenfalls. So ist es wirklich ... Ach ja, Dee sagt, dass der >Lichterkasten< mal heller und mal blasser erscheint, je nachdem, wer in der Nähe ist. Parapsychologen freilich meinen, es handele sich hier um eine Art "Apport" oder "Durchdringung", eine Materialisation, und keinswegs um einen Bildschirm. Wie dem auch sei, der "Stein" wurde von Dee mit einem Goldrahmen und einem Ständer versehen, und sah dann wie eine Art merkwürdiges Kruzifix aus. Im "Proceeding der antiquarischen Gesellschaft (O.M Dalton, 1907) wird er freilich als ein Spiegel aus Obssidian beschrieben, ein Spiegel, wie er von den alten Mexikanern benützt wurde. Dieser Spiegel, der in einer Kassette aus Fell aufbewahrt wurde, befand sich angeblich später im Besitz von Horace Walpole und wurde dann an Strawberry Hill verkauft. Wechselte oft den Besitzer und landete schließlich beim Fürsten Alexis Soltykoff, der ihn angeblich noch besitzt. Ein anderer Obsidian-Spiegel von Dee wurde bei einer Versteigerung von Sotheby von Jeffrey Whithehead im März 1906 verkauft. Jede der Wachstafeln, auf denen die Füße des Experimentators, der die Heptarchie ausführt, ruhen müssen, enthalten 42 Buchstaben (Namen der 42 "Engels-Minister"- sie sind durch eine schwierige Methode der Tabula angelorum bonorum 49 entnommen.. Das Geheimnis der 3 und 4 aber? Sieht man sich Dees "System" an, das übrigens, wie heute ja auch, von "ihnen" beschrieben und durchgegeben wurde, so ist in all diesem okkulten und kabbalistischen Zahlenmagie, Wissen verborgen, das erst heute über die Gentechnologie dechiffrierbar wird: das Geheimnis des Lebens nämlich, chiffriert im DNS. Hier chiffriert als Trinität und Quaternität (von Jung in seinem Untersuchung "Das Wandlungs¬symbol in der Messe" besonders schön aufgeschlüsselt!) - und vom Arzt Martin Schönberger auf den genetischen Code (und das älteste Buch der Welt den I Ging) übertragen: Der Plus-und-Minus-Doppel-Wendelfaden des DNS wird von "4 Buchstaben" beschriftet (A-T,C-G: Adenin, Thymin, Cytosin, Guanin), die paarweise verbunden sind. Immer 3 dieser Buchstaben bilden ein Code-Wort für die Eiweiß-Synthese.) Die lebenslängliche Identität aller Lebewesen und deren Vererbung ist durch den genetischen Code in 64 Wörtern (Schachspiel) von 3 Buchstaben (bei 4 existierenden) bedingt! Ebenso wichtig die Verbindung 3+4= 7. Und 7x7= 49. Die in den verschlüsselten Nachrichten immer wiederkehren. Und die ganze Operation heißt ja auch "Heptarchia" Es ist nicht leicht dies "Sigillo Dei" aufzuschlüsseln. Der "Engel" am 19. März 1582 spricht davon, den "äußeren Kreis in 4o Teile aufzuteilen. Dann ist die Rede von 4 und die Division durch 10= 4. Emeth (Wahrheit) bedeutet aufgeschlüsselt in Zahlen: E= 1, Mem = 40, e= 1, taw =400, Heh= 4. Und am 19. März sagte der „Engel“, dass über dem Taw die Vier stehen soll, die auch „Fenster“ bedeutet! Am wichtigsten aber ist das System der 2 großen und der 7 kleinen Tafeln, die ja ähnlich wie die Kabbala als Baum angeordnet sein soll, den Aufstieg zur Vereinigung und dem Licht, um sich dem "Namen Gottes", der Eins anzunähern, und so zur Ekstase zu kommen. In Ehrerbietung und Hochachtung vor dem unaussprech-lichen Namen der Gott¬heit entwickelten sich in der jüdi¬schen Tradition eine Reihe von Ersatznamen: EHEDEH EL ELADONAI TZABAOTH IOD ELOHIM GIBER ELOHIM TZABAOTH TETRA GRAMMATON ELOHIM ELOAH VA-DAATH SHADDAI. Diese Namen haben in die Magie Eingang gefunden. Mit den neun Namen Got¬tes kann man Wunder wirken, wird behauptet, d. h., zumindest kleinere Wunder. Für die echten magischen Effekte auf der Basis der göttlichen Schöpferkraft braucht man den genauen Namen Gottes. Aber der geheime Name Gottes ist den Kabbalisten be¬kannt. Der geheime Name von Gott ist Emeth: Wahrheit. Entfernt man das E, heißt es: meth: Tod. Mit diesem geheimen Namen kann man also Wunder wirken. Man kann zum Beispiel einen Golem herstellen, einen künstlichen Menschen. Rabbi Jehuda Löw tat das im 16. Jahrhundert, und man konnte mir auch sein Grab zei¬gen - das des Rabbis, nicht das des Golems, als ich Prag besuchte. Der Legende nach kommt der Golem alle 33 Jahre wieder, selbst, wenn man ihn zerstört. Schon im 11. Jahrhundert gab ein gewisser Eleasar von Worms die genauen Anweisungen für den Zusammenbau eines Menschen aus den Einzelteilen von Lei¬chen. Aber sein Monster wurde nicht zum Leben erweckt (weil ihm natürlich das We-sentliche, der Name, fehlte). Rabbi Elijah von Chelm aus dem 16. Jahrhundert hingegen kannte den Namen; sein Golem funktionierte, aber er musste zerstört werden weil er Amok lief (wie Dr. Frankensteins Monster). Es handelt sich hier um das Geheimnis des Lebens, ja, der Unsterblichkeit. Und warum sollten diese "Buchstaben" nicht auf die "Buchstaben des Lebens", das DNS verweisen, die es wirklich und in uns allen gibt! Alles ist in einem geheimnisvollen, dem sogenannten Voynich-Manuskript enthalten. Und nach neusten Forschungen handelt es sich beim Voynich-Skript tatsäch¬lich um das verschlüsselte Geheimnis des Lebenselixiers. Dieses ist die Meinung eines der Gewährmänner, Robert S, Brumbaugh, der das Voynich-Skript in den siebziger Jahren teilweise entziffert hatte, und dabei erklär¬te: Der Leser muß nun nicht befürchten, dass damit das Mysterium angegriffen und zerstört werde, ganz im Gegenteil, eines ist das Decodieren, und ein anderes nun, den Klartext zu deuten, zu redigieren, zu übersetzen, und verblüffte durch die Überzeu-gung, dass es um Tatsachen gehe, die verborgen gehalten werden sollten, Tatsachen, die aber nur mit Hilfe von Inspiration, ja, mit Trans- und Traumwissen und dem Un-bewußten verstanden werden könnte, alles auf der Sprachwaage, die sich nur in Kryptogrammen oder gar Palindromen und lyrischen Bildern der modernen Poesie ausdrücken ließen: Denn es sei schon damals um das sogenannte "Entführungs-Phä¬nomen" gegangen, das bekanntlich zu einem großen Teil subjektiv ist, es dringt bis auf den Grund der menschli¬chen Seele, es nimmt seine Motive aus unseren Träumen, aus unseren Vorstellungen, aus dem Innersten unserer selbst. Es ist, wie wir noch sehen werden, ein Konstrukt, zusammen¬gezimmert aus unseren Ängsten und Wün-schen, aus unseren Freuden und Leiden, aus unserem Haß und unserer Liebe. Aber die Zimmer¬leute sind nicht wir, die Zimmerleute, die Konstrukteure sind jene, die in den Schat-tenregionen unserer Welt leben, es sind die Fremden, es sind die Anderen. Diese Grenzgänge stehn zusätzlich noch in enger Verbindung mit dem Ge¬heimnis des Todes, von dem heute mehr bekannt ist, als zu Dees Zeiten, und gerade die Sprache jenes Zwischenreiches, mit der Dee und Telmi umgingen. Ich bin davon überzeugt, dass Lovering bestens informiert ist. Nur seine Mitarbeiter scheinen einem paranoiden Syndrom verfallen zu sein, die Mitarbei¬ter haben ja eher mediale Aufgaben, daher müssen sie auch so verrückt wirken, sowohl Terplan, als auch Morris, "spinnen", ja, sie müssen spinnen, um ihre Aufgabe erfüllen zu können (Morris freilich in unserem Auftrag, er ist ein ausgezeichneter Schauspieler!); wir dürfen da nicht mit alter psychiatrischer Noso¬logie arbeiten. Eher sollte ihre paranoide Komplottheorie genauer untersucht und auf reale Ursachen und Motive abgeklopft werden!" "Und was ist das für ein Komplott, der ihrer Ansicht nach die Welt im Netz gefangenhält?" Wollte ein Mitarbeiter gestern wissen. "Nun, die Antwort war leicht: Jetzt scheinen die Ufogläubigen hier alle in ihrer so raffinierten Art einen inneren Höhepunkt der Paranoia erreicht zu ha¬ben. Die Be¬gegnung der Freunde des Loveringkreises ist jetzt geprägt von Mi߬trauen, denn sie wissen, mit was für einer gefährlichen Materie an der Grenze unserer Vor¬stellung sie umgehen, die nicht nur die staatliche Sicherheit gefähr¬de¬t, sondern unser ganzes Zivilisationssystem. Und sie ahnen, dass sie überwacht werden. Die Gefahr ist sehr alt; nur mit Mühe konnte sie im Laufe der Geschich¬te kaschiert, die Besuche und andauernden massiven Einwirkungen bis hin in die Träume als reine Phan¬ta-sieprodukte, Märchen, Sagen, unhaltbare Gerüchte, Spinnereien, im Mittelalter auch als Dämonenwesen, Teufelszeug usw. usw. verharmlost oder, mit Feuer und Schwert bekämpft werden - Millionen von Menschen wurden verbrannt, verfolgt. Die Wahrheit, durfte auf keinen Fall durchdringen!" Manchml schien es auch Joyce, als würde es stimmen, was etwa Terplan phantasierte, dass nicht nur die USA, sondern auch England oder Deutschland im Hintergrund von "Außerirdischen" regiert werde. Auch dass die Theorie von Bud Hopkins, „sie“ entführten Tausende, um die Menscheit zu verändern, genetisch zu manipulieren, nicht gar so abwegig sei, dass es eine Verbindung zwischen Regierungsstellen und Aliens gab vielleicht sogar einen geheimen Komplott, schien ziemlich sicher, vor allem waren die Tierversuche von den USA für „sie“ freigegeben worden, ja, sogar die Entführungen. Und im Archiv hatte der Literatenoberst sogar gelesen, dass Kennedy "beseitegeschafft werden musste", da er das alles publik machen wollte! Mut allein also reicht nicht aus! Und selbst ein Präsident der USA ist gegenüber dieser Mafia ohnmächtig. Alles, die ganze Menschheitsgeschichte erscheint in einem neuen Licht, nicht nur die Göttersagen, die Zeugungswut der Zeusclique mit Menschenfrauen, Succubi und Incubi oder Hexengeschichten mit der "Teufelsbuhlschaft" - dachte Joyce, ja, man müsste alles um-schreiben, neue Romane verfassen, der Stoff ist ungeheuer; DIE GANZEN Entführungsgeschichten, die oft mit sexuellen Vergewaltigungen einhergehen, die Beschreibungen, sogar die von Lyss: "die waren ja wie Stein, diese Männer, und ihr Schwanz schien aus Metall," bis hin zu den "Teufelsanalen“ – und jetzt die Operationsnarben, die bei den medizinischen Prozeduren der Aliens, wie sie auch an AnnaLyss vorgenommen worden waren, entsprechen dann den "Teufelsmalen" - der ganze "Hexenwanh" damals, der "Teufel" insoweit real, als es sich um "sie" handelt, manche haben ja auch anstatt der Hände "Klauen" und Scheren. Doch der Teufelsschwanz? Sie fliegen durch die Luft, durch die Wand, durchs Fenster als wäre es Butter, so werden sie ins Mutterschiff "gesogen". Und nachher haben fast alle Opfer paranormale Fähigkeiten, ähnlich wie die Hexen, die ja auch "verhexen" können, allerlei übernatürliche Fähigkeiten durch diese Begegnungen erhalten! Lov jedenfalls war davon überzeugt, dass es sich eigentlich in all diesen Geschichten um das übersinnliche Reich der alten Transzendenz (Himmel?) handelt, wohin wir nach unserem Ende auch hinmüssen, an jenen bekannten Ort, wo auch die Toten sind! Und Lov dachte an den Bericht von Frau Davis, den es in seinem Privatarchiv gab, Davis, die 1000 Nahtoderlebnisse untersucht hatte, war zur Erkenntnis gekommen, dass die "Symptome" der klinisch Toten die gleichen sind, wie die Symptome bei Entführungen, und Prof . Mack hatte ja darauf hingewiesen, dass fast alle klinisch Toten "Hologramme" gesehen hatten - Muß mir mal den Berich der Betty Andersson kommen lassen, dachte Joyce, der Kreis um Strieber übrigens war sehr beeindruckt von ihrem Fall! Die auch durch einen engen Tunnel durchmußte, und auch sie sah das dreidimensionale Hologramm mit vielen merkwürdigen Zeichen! Freilich, und das ist verständlich, solch Nahtoderlebnisse, die mit dem schrecklichsten Angstphänomen unseres Lebens umgehn, also viel persönlicher, lebensnäher sind, als die Aliens, die nur Fremdschreck bleiben, an das Unbekannte heranreichen, viel emotionaler sind und tiefer in die Biographie reingehn, unter die Haut." 11 Analyss war mit dem Kollegen Oberth im Archiv allein gewesen, und hatte dort ihr neues Material sortiert und unter GZ eingeordnet. Dann kam der Pro¬fessor, der aber kurze Zeit später wieder ging, der wies Joyce an: "Vielleicht setzen Sie sie im >White< ab, wenn Sie sie nach H. fahren; sie wohnt dort." Annalyss begleitete den alten Mann bis zur Treppe. Als er abge¬fahren war, sagte sie: "Er hat eine besondere Ausstrah¬lung: als wüßte er viel mehr als er uns sagt." Joyce brummte: "Das sagen Sie. Er glaubt wirklich, dass diese Nach¬richten von andern Sternen kommen, und dass es greifbare Ufos gibt, die in unsere Wirklichkeit einfahren. Haha. Er ist ziemlich stur und vertritt mit Vehmenz das Regierungsprogramm.." Joyce zog eine Reiseflasche aus der Hosentasche, als müsste er seine Erregung dämpfen, und trank dar¬aus. Dann reichte er sie ihr. Als sie ablehn¬te, nahm er einen weiteren Zug. Und plötzlich schien von ihm seine vorherige Gleichgül¬tigkeit ihr gegenüber abzu¬fallen; vielleicht, weil er etwas getrunken hatte. Komisch, dass die¬ser intelligente Mann überhaupt trank. Doch konnte er seine "Berichte", vor allem die vielen Kommetare dazu, die er niemandem zeig¬te, nur mit Strömen von Whiskey schreiben. So ungeniert offen aber trank er immer nur, wenn er dem Professor begegnen musste. Eine Spannung war zwi¬schen den beiden Männern spürbar, dicke Luft. "Kegeln Sie? Unten in unserer Station gibt es nicht nur Computerkontakte mit ìhnen`, sondern auch eine irdische Bahn... Haha, Lande- und Laufbahn... Kommen Sie und beteiligen Sie sich an unserem so irdischen Sport, mit dem es, da bin ich überzeugt, bald aus sein wird! Wir müssen die Zeit nützen, all die kleinen Dinge im Sichtbereich und Hörbereich tun, als wären sie wirklich ... und auch den übrigen armen Körper mit Lust etwas begeistern" Er sprach hastig,und fast wie ein Automat, als wäre er plötzlich ganz leer, nur sein Blick erfaßte sie und zog sie aus. Sie wußte von seinem "Verzweiflungssex" - generelle Tor¬schlußpanik, die nichts mehr mit Alter zu tun hat. Sie zögerte. Und musste leise lachen bei dieser Sym-bolik: Kegeln, Kugeln, letzte Holzeier, na dann! Panerotik überall in dieser Be¬hörde. "Na, was denn? Ich lasse Sie nicht in den Händen die-ser ver¬rückten Astronomen, gar dem Professor ausgeliefert." Sein Ton klang seltsam besorgt, als habe er sie durchschaut, und es gäbe etwas, das nur auf ein¬samen Inseln passieren könnte. Als wäre er aber noch allein auf dieser Insel, sie aber schon irgendwie im Kom¬men, doch noch nicht ganz da! "Sie sind kein Astronom!?" "Was glauben Sie! Vielleicht eher Astrologe. Und im Rückwärtsgang bis hin zur alten Alchemie? Na dann! Tieftemperatu¬ren, Compu¬ter, Chiffrieren, Dechiffrieren, Berichte auswerten, Pla¬nen, was nicht gewußt werden darf, Spionage eben: das ist eigentlich meine Sache, nicht dieses ver-rückte In-die-Luft-Schauen, als wäre das alles `wirklich` Dieser Kitsch der Fern¬sehufonauten und der Filme. Und jetzt die neuen Internauten vom Müllplatz Inter¬net" Sie sah ihn lange an, er hielt dem Blik stand. Und plötzlich zündete da etwas. Sie verstand mit ihrer weiblichen Intuition mehr als sie jetzt schon wissen konnte. Instinktiv berührte er mit mehr Wissen ihre Ablehnung. Ja, hatte den Nerv ihrer Argumente, warum sie überhaupt hier mitmachte, getroffen! Sie gingen zu der schmalen Betonfläche hinüber, auf der sein Wagen stand. Als sie das Auto erreicht hatten, blickte Joyce auf. "Ich habe den Eindruck", begann er, und seine Stimme klang ruhiger, freundlich und nicht mehr aggressiv. "Ich ha¬be den Eindruck, dass wir in der Naturwissenschaft in eine revolutio¬näre Phase eingetreten sind, wo es ohne Paraphysik und die Trans¬dinge der Parapsychologen nicht mehr geht. An einem bestimmten Punkt, irgendwo an der Grenze unseres Wissens werden wir - krach! - einfach durchbrechen. Jetzt gehts also los: Mitten hinein ins Neuland, und vielleicht ge¬schieht das hier, mit diesem Kram da." Er knöpfte die Schutzdecke von seinem Sportwagen ab und legte sie hinter seinen Sitz. "Philosophie ist niedergeschrie¬ben in einem großen Buch, das ewig vor unseren Augen aufgeschla¬gen liegt. Ich will sagen, im Univer¬sum! Wer hat das ge¬sagt?" "Heisenberg?" "Nein!" Er lachte. "Galilei! >Die Natur ist geschrie¬ben in der lingua mattematica< Brauchbar für eine Presseverlautba-rung?" Sie sah ihn an, unsicher, wie sie reagieren sollte. Er hielt ihr die Tür auf; sie stieg ein. Joyce fuhr schnell und brummte ärgerlich: "Die gehen mir langsam auf die Nerven, auch der Profes¬sor, der ist doch Gene¬ral.... Zum Teufel mit der Eröff¬nung für den Herrn Minister! Im Grunde ist es nichts weiter als ein Stück Labora¬toriumseinrichtung. Weil es groß ist - und sauteuer -, wird es öffent¬liches Eigentum. Ich mache dem Alten keinen Vorwurf. Er hat sich dafür verbürgt und muß Ergebnisse vorweisen." "Und, kann er das nicht?" "Keine Ahnung." "Ich dachte, Sie hätten es entwickelt?" "Ich und ....." "Wo ist Doktor Oberth?" "Unten auf der Kegelbahn. Er erwartet uns und hat hoffent¬lich eine Bahn reserviert und eine Flasche." Während sie die dunkle und kurvenreiche Straße hin-unterfuhren, erzählte er ihr von Oberth und sich selbst. Beide hat¬ten an der Universität Birmingham studiert und waren For-schungs¬assistenten in Cavendish gewesen. Joyce war Theoretiker, Oberth Phantast und Praktiker, Entwicklungs-mathematiker und Techniker. Oberth war auf seine wissenschaftliche Kar¬riere bedacht; er wollte soviel wie möglich aus seinem Spe¬zialgebiet herausholen. Joyce war ein reiner Forschertyp, dem alles außer rein wissenschaftlichen Tatsachen gleichgül¬tig war. Aber beide verachteten das akademische System, in dem sie ausgebildet worden waren, und so blieben sie zu¬sammen. Der Professor hatte sie vor einigen Jahren entdeckt und als Mit¬arbeiter für sein neues "Forschungszentrum" gewonnen. Da er als der wohl bekannteste und angesehenste Astrophysiker der west¬lichen Welt galt, hatten sie ohne Zögern angenommen, ohne zu wissen, worauf sie sich da einlie¬ßen! Und er hatte sie unterstützt, ermutigt und betreut während der langen und mühsamen Entwick¬lungsarbeit. An der Art, wie Joyce sprach, war unschwer zu er¬ken-nen, dass ihn trotz aller Kontroversen etwas mit dem älteren Mann verband. Oberth dagegen war gelang¬weilt und unruhig. Seine Aufgabe war erledigt. Und, wie Joyce ohne jede Be-scheidenheit oder Übertreibung sagte, sie hatten dem Alten die be¬sten Apparate der Welt gebaut. "Aber auch das beste Spitzelsystem der Welt", sagte Lyss leise. Die Kegelbahn war ein ehemaliges Kino, das sich mit einer Flut von Neon- und Scheinwerferlicht gegen die dunkle alte Sachsenstadt abhob. Sie fanden Oberth an einer Bahn. Er war ein kleiner, nervöser Mann in Joyces´ Alter, und er schien ein wenig verlegen. Sein Gesicht war frühzeitig gealtert und wirkte abge¬spannt. Zurückhaltend schüttelte er seiner Kollegin Anna Lyssowa die Hand, da er sie hier nicht erwartet hatte. Joyce war heute in deprimierter Stimmung; er war wie aus-ge¬wechselt. Lyss sah den Kegelnden zu, plötzlich hörte sie Joyce ein wenig heisere und unsichere Stimme: "Ich könnte in der Indu¬strie fünfmal soviel verdienen." "Ist das das Ziel Ihrer Wünsche?" "Sobald das Ding auf dem Hügel funktioniert, gehe ich." Und sah mit Verschwörermiene zu Oberth hinüber und wieder zurück zu ihr. "Der alte Prof. wird bleiben und nach den Jahrtausenden Aus¬schau halten. Und Oberth? Bevor er etwas ent¬deckt, ist er alt; alt und angesehen - und arm. "Aber möglicherweise zufrieden?" "Oberth wird nie zufrieden sein. Er denkt zuviel." "Wer trinkt zuviel?" Oberth war herangeschlendert und mar¬kierte seine Punktzahl. "Du." "Einverstanden. Ich trinke zuviel. Aber, Bruder, an irgend et¬was müssen wir uns doch halten." "Warum nicht am Geländer?" entgegnete Oberth und seine Nase zuckte. "Schau mal -", Oberth ließ sich neben Lyss auf die Bank fal¬len. "Man geht so an den Geländern entlang, und plötzlich sind sie nicht mehr da. Wir sprachen über Galilei - warum? Weil er die Renaissance war. Er und Ko¬pernikus und Leonar¬do da Vinci. Sie sagten damals >krach< und rissen alle Ge¬län¬der nieder, und dann mußten sie auf ihren eigenen Füßen stehen mitten in dem großen, gewaltigen, offenen Univer¬sum." Er zog sich hoch und nahm eine der schweren Holzkugeln aus dem Korb. Seine Stimme übertönte den Lärm der Musik und der Kegel. "Die Leute haben dann neue Zäune aufge¬richtet, weiter nach draußen. Aber jetzt haben wir eine neue Renaissance! Eines schönen Tages, eh man sich's versieht. Während alle über Politik reden, über Fußball und Geld" - er warf einen Blick auf Joyce -, "werden plötz¬lich alle Zäune, die wir kennen, zusammengeschlagen - krach! -, und zwar so!" Er schwang die Kugel hoch und schlug die Coca-Cola- Fla¬schen vom Tisch. "Oh, Vorsicht du großer Trampel, du!" Komisch, unsere Leute sind oft so linkisch im Alltag. Und im Kopf so gut, auch in der Technik, dachte Lyss: Aber ein frischer Wind ist da, den ich bei Lovering ein wenig vermisse, er ist zu alt, der einsame Wolf in sei¬ner Höhle, lebt in den dreißiger Jahren. Komisch, beim Dienst ists ähn¬lich, so sagt es Terplan, bei den Sicherheits¬diensten auch, fast zynisch ein Ton der Wahrheit. Und erfüllen eigentlich kaum ihre Aufgabe eines Schutzes ih¬rer alten Welten, als wären sie wegen der zu intensiven Information kraft ihres Amtes Explosivstoff innerhalb der Systeme, wie Joyce mal im Ver¬trauen sagte. Nur, der Zwiesspalt der Moral ist kaum zu ertragen. Ich: Annalyss, Anal Lyss oder Jinny? Wer bin ich eigentlich? Und diese Zuneigung zu Lov und zut Ter¬plan, den ich bespitzeln soll, hier nun: Loverings Archiv? Wut stieg in Lyss anstelle der Bewunde¬rung für Oberth und Joyce auf! Dies ist die ganze Misere. Wir sind schizophren und seelisch krank. Wir sollen jene, die die Wahrheit erfahren, kontrollieren, ja, ähnlich wie die Psychiater zur Vernunft bringen, verhindern, dass ihnen geglaubt wird, oder sie ernst genom¬men werden, Panik stiften. Wasser auf die Mühle des Downerprogramms, der Zweifler und Skeptiker, die das System in Schwung halten! Lyss sah zu Joyce hinüber, der blickte zurück, zwinkerte ihr ein wenig anzüglich zu. Mein Gott, der ist heute ziemlich besoffen. Er hält es wohl nicht mehr aus. Wie sollte er auch. Bei der Frage, wer "sie" sind, wird alles für den "normalen" Verstand im höchsten Maße phantastisch. Und er sagte es ja selbst: Uns ist also verboten an¬zunehmen, es seien "Transwesenheiten", also Verstorbene, aber "irgendwo" Weiterlebende oder andere Wesenheiten, die nie auf der Er¬de gelebt haben, darunter auch "Außerirdische", mit denen sinnvoll mentale oder technisch gestützte Kommuni¬kation möglich ist. Wobei alle diese Wesen selbst behaupten, untereinander in Bezie¬hung zu stehen. Möglicherweise zusammen¬zuar¬beiten. Aber es bleibt äu¬ßerst riskant, meint auch Joyce, sich dieser Weltsicht, die so etwas annimmt, öf-fentlich ausszusetzen, auch wenn die Regie¬rungsstellen, von unseren Diensten ganz zu schweigen, genau wissen, dass diese Phänomene existieren! So erging es dem Psychiatrie-Professor von Harvard, John Mack, der 3 Fälle von Ufo-Entführun¬gen wissenschaftlich zu untersuchen wagte, und sie veröffent¬lichte! Ein Riesentabu. Unser Dienst war natürlich informiert, und Mack wurde durch die Abteilung Gegeninformation, die alle Medien-TRichs beherrscht unmöglich und zur Sau gemacht. Auch die Seelenpoli¬zei tritt sofort in Aktion. Die Sache mit dieser Gegeninformation ist alt. Und sogar hier bei Lovering lag dieser Be¬richt vor. Ich hab ihn doch auch kopiert. Als Bemerkung von Joyce stand noch dazu: Übernommen inzwischen von Lam¬mer/Sidla, S. 255. Lyss setzte sich, sie hatte keinen Tropfen getrunken, und las: "Nachdem das Projekt Little Book im Frühjahr 1952 gegrün¬det worden war, kam es zu einer großen An¬zahl von UFO-Sichtungen. Unter der Leitung von Captain Edward J. Ruppelt entwickelten die Mitarbeiter des Projek¬tes Little Book wirk¬same und zeitsparende Methoden, um die Beobachtungsdaten aus-zuwerten Die UFO-Zeugen erhielten einen achtseitigen Fragebogen, wur¬den an Ort und Stelle befragt, und UFO-Photos und ihre dazu¬ge¬hörigen Negative analysiert. Der wissenschaftliche Berater von Pro¬jekt Little Book war der Astro¬nom Dr. J. Allen Hynek. Heute ist bekannt, dass die interessantesten Fälle von Ge¬hei¬m¬agenten innerhalb des Projekts Little Book heraussortiert und zu einer höheren Stelle weitergeleitet wurden. Nachdem beim Robertson Panel 1953 beschlossen worden war; dass sich das Pro¬jekt Little Book mehr mit der Beruhigung der Öf¬fentlichkeit be¬fassen sollte als mit dem Sammeln und Prüfen von Daten, sank Projekt Little Book zur Bedeutungslosigkeit herab. Nach Aussage der Mitar¬beiter von Little Book wurde ihnen nahegelegt, für alle Sichtungen eine natürliche Er¬klärung zu finden. Die Anzahl der UFO-Sichtun-gen nahm auch in den sechziger Jahren nicht ab. Im Gegenteil, das Phänomen wurde immer komplexen Mit dem Fall von Betty und Barney Hill hatte man einen der ersten UFO--Entführungsfäl¬le. Der Oppositions¬führer und spätere amerika-nische Präsident Gerald Ford war mit den offiziellen Antworten der Luftwaffe unzufrieden und schrieb einen Brief an den Kon-greßabgordneten L. Mendel Rivers: ´In der festen Überzeugung, dass die amerikanische Öffentlich¬keit eine bessere Erklärung verdient als diejenige, die sie bis jetzt von der Luftwaffe er-halten hat, empfehle ich nachdrücklich eine Ausschußuntersuchung des UFO-Phänomens.´ Nach weiteren spek¬takulären UFO-Fällen kam es am 5. April 1966 im amerikanischen Kongreß zur ersten Anhörung zum Thema UFOs. Gerald Ford war es nicht gelungen, eine umfas¬sende Untersuchung durchzuset¬zen. Er wollte, dass Polizi¬sten und Bürger; die UFOs beobach¬tet hatten, vor einer Unter-suchungskommission angehört werden sollten. Der Abgeordnete Mendel Rivers lud aber nur drei Männer vor den Ausschuß: den Luftwaffenminister Harold Brown, den Lei¬ter des Projekts Little Book, Major Hector Quintanilla jr, und den wissenschaftlichen Berater des Projekts Little Book, Dr. J. Allen Hynek." 12 Es gab, wie wir sahen eine ganze Reihe von Durchsagen, die völlig verständlich waren. Lyss zweifelte an diesen. Könnten die nicht irgendwie getRichst sein? Der eigentliche Text, der die Menschen hätte weiter bringen können, ist kaum übersetzbar, auch im Sprachlabor nicht, da ein globaler Bazillus eindrang: alles in allem und alles zu nehmen; und sie erinnert sich an solch wichtige Sätze wie: Blitznetz in euch! Nur einige Worte kamen durch: so Oulipo, und dass es ein Prinzip des Plagiats als Vorwegnahme gebe, Zeitgerassel also, dass durch ein großes Vorhergehen abgestellt werden könne, Wegnahmen dessen was ist, Wegfälle mehr als was wirklich der Fall ist usw. Schwer zu lernen wie Steine: als Nuß gebraucht aber, dann ist Lernen schon immer da und gewesen, Zeit streicht vorbei nur wie ein Hauch, muß sich erst ver-dichten, um überhaupt bei "ihnen" wahrgenommen zu werden. Auch Joyce war dieser Meinung, so etwas muß dauern, und es strahlt aus dem, was stärker sein soll als wir: der Insichruhende. Komisch, dachte Lyss, jetzt übernehme ich seine Privatdiktion, er ist ein dreifach gespaltner Mann, im Grunde, wenn ers rausläßt ein begabter Dichter: So also, von wegen Trauer, heißt es dann: Nein: Dauer. Joyce aber erbat sich vom Labor mehr Mathematik und Formeln, dies so vage Auszudrückende als Umschreibende oder Poesie sei längst passé. Und sprach so gegen sich selbst an! Und er erwog den Mitarbeiter Oberths, einen Deutschen, Rainer Maria Riegötze, der heimlich noch Gedichte schrieb und Heidegger las, austauschen zu lassen, doch dann fand ers steil, als schieße es unter Druck heraus, dass die alten Irrwege auf ihre Weise alle auch zu "ihnen" wollten und teilweise auch führten. Und es fiel Joyce, wann war das, gestern doch: dieser Vers ein, auch das sicher ein Fuß, und wir brauchen Tausend Füssler, um anzukommen: "Es ist der Tod nicht Bruder des Gedankens. Anders als groß, das Heimweh zertritt er. Du Erde, ein wie unsäglich Tatsächliches." Und eines der vorwegzunehmenden Plagiate, sagte er, hatte wieder Whisky in sich: ist ja, angesichts der Zeugung, darin wären wir ja alle Laufende, schneller als das Geld und schwer: Franken Steine bei allem Beiläufigen also, jedem Bei Schlaf, gestand sich Joyce ein, niemand wußte, dass er mit mir ins Bett geht, und wir Sietzen uns vor den andern, reinliche Bürobettziehung, das sah Eddy Joyce für seine Dienstpflicht an, log es sich und mir in die haariggroße Tasche, weils Flüstern von ihnen in diesem nackten Naturzustand mit Feuer am ehesten von grundauf verständlicher würde! Über meine eigene Wanze kams raus als wärs ein altes Plagiat, wenn wir uns hier übergeben dem völlig Ungezählten und werweißwievielten Akt. 12 Eddy warf ihr nie vor, irgend etwas davon erdichtet zu haben, obwohl sie doch wußte, dass er ihr den Ablauf im Prinzip eingetrich¬tert hatte und es im Grunde immer die gleiche Geschichte war. Als er ihren Rock oben hatte (den schwarzen, und ich hatte die weißen Stiefel an) und seine Hose unten, konnte ich Ed¬dys Gürtelschnalle klappern hören, als er sich aus der Jeans schälte. Beiläufig fragte ich mich, als er zu mir ins Bett glitt, ob die Stel¬lung, die ich beschrieb, physisch durchführbar wäre, aber ich erzählte weiter von den Anderen, wie deren Sex sei, und es tat sich ja auch schon was bei Eddy. Ich vergaß nicht, das wichtigste Mittelchen einzu¬flech¬ten, zu erzählen, wie ich früher mit den Zuhältern fickte, wie weh es tat, als der große Kerl, Allan hieß der, ihn reinstieß, ob¬wohl ich echt feucht war. Ich flocht ein, wie der mich an den Handgelenken hielt, obwohl ich mittlerweile den Über¬blick verloren hatte, was wo war, außer dass ich gefällig den Arsch in die Höhe reckte. Eddy befummelte mich in¬zwi¬schen, streichelte mich an Busen und Bauch, so dass ich von der im¬provisierten Brutalität, mit der der Kerl sich in mir bewegte, zu den Empfindungen überging, die ich bei ihm verspüren sollte. Denn was ich dabei verspüren sollte, das hatte ich noch nicht ge¬spürt. So Lyss. Und Lyss wußte ja, dass man an einen Punkt kom¬men konnte, wo es ein bißchen weh tat, aber noch schön war, doch das war's ja nicht. Was Eddy hören wollte, war, dass es sehr weh tat und deprimierend war, ihr aber trotzdem gefiel. Worauf sich Jinny, ja, sie war plötzlich wieder Jinny und nicht mehr Lyss, kei¬nen Reim machen konnte; dennoch hatte sie gelernt, es so zu erzählen, wie er es von ihr wollte. Denn immerhin klappte es so, und dann wälzte sich Eddy auf sie und glitt, die Decke über den Rücken gezo¬gen, zwischen ihre Beine. Sie vermutete, dass es in sei¬nem Kopf wie in einem Comic ablief, was sie ihm er¬zählte, und dass er zugleich der anonyme, star¬ke, ram¬melnde Kerl wurde. Er hatte jetzt ihre Hände über ihrem Kopf und klammerte sie fest, wie er es gern tat. Und als er fertig war und sich umdrehte und schlief, lag sie wach im muffigen, dunklen Raum und wendete ihn hin und her, den strahlenden, wun¬derbaren Traum vom Gehen. Und bitte laß ihn wahr werden. So wurde sie wieder zu Lyss. Wozu aber das Ganze (blasphemische Frage, fand Joyce) Für die beste Hure des Geheimdienstes (noch blasphemischer fand Joyce die Motivierung: ernstscherzhaft: wiederholt ewig die Eva!) gab es eine Sonderprämie (zwei kleine goldene Bäume! auch als Ohrring zu tragen, einer allein wäre ein Nasenring!) Als Joyce nach dem Akt wieder atmen konnte, gab sie ihm (ein für sie) rätselhaftes Papier, das sie Lov entwendet hatte, zu lesen. Lyss hatte Lov angegeben, dass sie ganz heiß auf Ufonachrichten sei. Und als Lov schnell mal Pinkeln musste, konnte sie es ganz schnell ablichten, nachdem ihr Lov großzügig ein Dokument überlassen hatte, das er nur aus dem Archiv oder von "ihnen" direkt haben konnte. Ob Morris gar ein Doppelagent war? Nun, es war genau jenes Enthüllungspapier über die Gegeninfor¬mation des CIA. Es kann auch sein dass Morris das Papier Lovering zugespielt und dieser es Dr. Lammer gegeben hatte. Es würde einen Skandal geben. Das Erstaun¬liche, Joyce hatte gar nichts unternommen, ja, er hatte das Papier überhaupt nicht ins Archiv weitergeben, auch der Professor wußte nichts davon. Lyss rätselte, ob dahinter der Gewissens-Zwiespalt und Joyce´ Liebe zu ihr stand? Was, Liebe, eine Bettgeschichte. Oder? 13 "Bei der Preisverleihung im Auditorium Maximum der Uni Bern, an Lammer und Sidla, Erforscher der TW´s und ihrer "Landungen" und Kom¬munikationen mit uns, und an Sarah W. Estep für "Epipsychologie": Psychologie des nachtodlichen Bewußtseins, kam Lovering mit ihnen ins Gespräch. Sie bestätigten ihm, dass es eine Art Mafia gebe, die alle Forschungsergebnisse hin¬tertreiben und lächerlich machen. Lovering erfuhr hier auch zum erstenmal von der Härte dieser An¬griffe. Dass es aber eine "Verschwörung des Schweigens" und der Diskrimi¬nierung durch die Öffentlichkeit und die Verant¬wort¬li-chen gibt, aus Angst, dass ihr Realitätssystem aus den Fugen gehen könnte, das ist sicher. In seinem Vortrag wiederholte Dr. Lammer genau die Daten, die Lyss später dann in Loverings Archiv gelesen und kopiert hatte, und fügte dann hinzu: "... Nur zwölf Tage nach der Anhörung im Kongreß kam es wieder zu einem spektakulären UFO-Zwischenfall, in den mehrere Polizisten verwickelt waren. Funkstreifenwagen der Polizei verfolgten ein leuchtendes Flugobjekt mit einem Durchmesser von 10 Metern über 135 Kilometer weit. Vier Polizisten be¬obachten das Objekt, als es höher stieg, und sahen, dass es rechts an einer Passa¬giermaschine vor¬beiflog. Die Polizisten richteten eine Anfrage an den Tower des Flughafens von Pittsburgh, ob die Besatzung der Maschine nach dem rätselhaf¬ten Objekt Ausschau halten könnte. Der Beamte, der dort anrief, teilte den Poli¬zeibeamten mit, dass das UFO auf den Radar¬schirmen im Flughafen¬bereich auf¬getaucht sei. Diese Aussage wurde später aber demetiert. Im selben Augenblick schoß das Flugobjekt mit sehr hoher Geschwindigkeit senkrecht nach oben und ver¬schwand. Ein an¬derer Polizeibeamter berichtete, dass er zwei Düsen¬jäger ge¬sehen habe, die von einem eiförmigen Objekt verfolgt wur¬den. Dieser Vorfall wurde damals Tagesgespräch in Amerika. Die Luft¬waffe hatte sofort eine Erklärung bereit. In der Luftwaffenverlaut¬ba¬rung hieß es, dass die vier Polizisten zuerst einen Nachrichtensatelli¬ten und dann den Planeten Venus verfolgt hätten. Dieser Bericht löste in der Öffentlichkeit Empörung aus, und ein ehemaliger Kongreßabge¬ordneter fand ihn so lächerlich, dass er sagte: Die Luftwaffe hat in unserer Stadt sehr viel Ansehen eingebüßt. Der Kongreßabge¬ordne¬te William Stanton aus Ohio meinte: Wenn Leute, denen das Wohl der Öffentlichkeit anvertraut ist, nicht mehr glauben können, dass die Bevöl¬kerung die Wahrheit verträgt, dann kann die Bevölkerung ihrerseits der Regierung nicht mehr ver¬trauen. Bemühungen des Kongreßab¬geordneten Stanton und an¬derer, die Luftwaffe dazu zu bringen, in ihrer Erklärung Satellit und Venus in Unbe¬stimmtes abzuändern, blieben erfolglos. Meh¬rere Monate nach dem Vorfall gab Dr. J. Allen Hynek öffentlich bekannt, dass er mit der offiziellen Erklärung der Luftwaffe eben¬falls nicht einverstanden sei. Die Polizisten mußten ihren Dienst quittieren und standen vor der Öffentlichkeit als Narren da. Da auch auf die Regierung Druck ausgeübt wurde, kündigte die Luft¬waffe einen Monat nach der UFO-Verfolgungsjagd an, sie werde nun doch bei einer amerikanischen Universität eine UFO-¬Un¬tersuchung in Auftrag geben. Die beteiligten Wissenschaftler sollten Zugang zu den Unterlagen des Projekts Little Book be¬kommen und völlig unbehindert recherchieren können. Fünf Monate später erklärte die Universität von Colorado, dass sie das Projekt überneh¬men und dass der Physikprofessor Dr. Edward U. Condon mit der Leitung der For¬schungsgruppe betraut werde. Dr. Condon hatte Ende der zwanziger Jahre an der Uni¬versität von Kalifornien promoviert und hatte zwei Jahre in Deutschland mit einigen der führenden Physiker der Welt ge¬arbeitet. Später war er in Princeton und an der Universität von Minnesota tätig. Während des Zweiten Weltkrieges hatte er sich ein hohes Ansehen durch seine Beiträge zur Entwicklung de Ra¬dars und der Atombombe erworben. Dem Condon-Ausschuß unter¬standen zwölf Wissenschaftler; die auch mit der zivilen UFO-For¬schungs-organisation NICAP unter Major Keyhoe zusammenarbeite¬ten. Die Erwartungen, die man in diesen Ausschuß setzte, wurden zum Teil von Dr. Condon selbst zunichte gemacht. Er äußerte sich ex¬trem skeptisch ge¬genüber dem UFO-Phänomen, dass sogar sein an dem Ausschuß beteiligten Kol¬legen irritiert waren. Nach Condons Bemerkungen kam eine Aktennotiz an die Öffentlichkeit, die ver¬faßt wurde, als die Universität von Colorado den Luftwaf¬fenvor¬schlag zur Untersuchung des UFO-Phänomens überprüfte. In die¬sem Me¬morandum erörterte Robert Low, ein Dekan der Universität, der Projektleiter des Condon-Aus¬schusses sollte die Frage, ob die Universität den Auftrag annehmen könne, ohne ihrem Ruf in der akademischen Welt zu schaden, erörtern. Diese „Erörterung“ lautete dann so: "Der TRich würde meiner Meinung nach darin bestehen, dass wir das Projekt vor der Öffentlichkeit so darstellen, dass es als absolut objektive Unter¬suchung erscheint, uns der Wissenschaft jedoch als Skeptiker präsentieren, die sich um Objektivitä bemühen, aber so gut wie keine Hoffnung haben, jemals ei¬ne fliegende Untertasse zu fin¬den." Nach der Veröffentlichung dieses Dokuments zog NICAP seine for¬melle Unterstützung zurück, und die Glaubwürdigkeit des Ausschusses wurde weiter untergraben. Der Condon-Ausschuß untersuchte das Phänomen fünf Mo¬nate lang. Dr. Condon kam im Dezember 1969 im Vorwort zum Abschlußbericht zu den Schluß, dass die UFO-Forschung in den vergangenen 21 Jahren keine Vortei¬le für die Wissenschaft erbracht habe. Er erklärte, dass sich die Luftwaffe bei der Behandlung der UFO-Berichte keine Ver¬säumnisse hätte zuschul¬den kommen lassen und nie versucht hätte, ihre Erkenntnisse geheim zu halten. Dr. Condon sagte weiters, dass sie zu dem Schluß gekommen seien dass keine Hinweise für eine Vertu¬schung des UFO-Phänomens vorlä¬gen." Und damit wurde alles ins Handfeste herabgezogen, also von jetzt an gab es nur einen schlechten Stil: nichts als das Plagiat eines schlechten Science-Fiction-Romans um eine gewisse "Andromeda", das auch den Lesermassen, die die gleiche Einstellung haben, gefallen sollte: Ab Anfang der siebziger Jahre des zwanzigsten Jahrhun¬derts, als das hier Berichtete vorfiel, zog das Wissenschafts¬ministerium in ein neues Glasgebäude in der Nähe von Whitehall um. Es war elegant und mit allem erdenklichen Komfort eingerichtet; und der Unterstaats¬sekretär Mikel Johns war unter seinen vielen kultivierten Mitarbeitern einer der kultiviertesten. Er saß selten an seinem riesigen Schreibtisch, öfter in einem der tiefen Lehnstühle neben dem niedrigen Kaffeetischchen mit der Marmorplatte. An dem Morgen, nach dem das Signal das erstemal aufgenommen worden war, sprach er, dekorativ zurückgelehnt, telefonisch mit dem Professor Newton, General auch der U.S.-Air Force, der eben nach England/Doddlestone zur dortigen Zentrale fliegen sollte; England war zu dieser Zeit so etwas wie das vorgeschobene Hauptquartier eines belagerten Landes, einem Gebiet, das aus Westeuropa und Nordamerika bestand. Druck aus dem Osten, aus Afrika und Asien, vor allem aber die überall als ganz normale Erdenbewohner lebende Aliens, die zusehends an Einfluß gewannen, und die Landung vorbereiteten, hatte die west¬liche Zivilisation und ihr überholtes Zivilisationssystem in die Defensve gedrängt. Angst beherrschte die ehemals Mächtigen aus Politik, Industrie und Wirtshaft. Nicht, dass sich jemand mit irgend jemandem offiziell im Kriegszustand befunden hätte, aber wirtschaft¬liche Sanktionen und die Bedrohung durch Bomben und Ra¬keten zwangen die Reste der Alten Welt in einen recht schar¬fen Belagerungszustand durch die Amis. Die Versorgungslinie über den At¬lantik wurde fast völlig von den Amerikanern aufrechterhal¬ten, und amerikanische Garnisonen in England, Frankreich, Deutschland und dann vor allem in den neuen Nato-Ländern wie Rumänien/Transsylvanien hielten mit der gleichen ver¬zweifel¬ten Hartnäckigkeit die Stellung wie die römischen Legionen im dritten und vierten Jahrhundert; denn hier, so wußten die Geheimdienste längst, sollte eine mögliche Landung stattfinden, so stellten sich die Betonköpfe dies jedenfalls vor, ahnten nicht, dass solch eine "Landung" längst stattgefunden hatte - in vielen Köpfen nämlich, und hofften immer noch, es könnten "UFOS sein, die auf der gleichen, auf unserer und erfaßbaren, ja, bekämpfbaren Ebene agieren.“ Der Form nach galten England und seine Nachbarn oder auch Rumänien/Transsylvanien noch im¬mer als sou¬veräne Staaten, aber in Wirklichkeit glitt die In¬itiative rasch aus ihren Händen. Obwohl General Newton bescheiden als Vertreter des Komitees für Verteidigungsko¬ordination bezeichnet wurde, war er tatsächlich der Luftwaf¬fenkommandant einer befreundeten, aber herrschenden Be¬satzungsmacht, für die dieses Land nur ein Feld auf einem großen Schachbrett war. Er war ehemaliger Bomberpilot, stiernackig, mit vierschrötigem Kopf, und sah trotz seines fortgeschrittenen Alters noch straff aus. Seine Art aber hatte nichts Forsches an sich. Er war zurückhaltend und kultiviert und sprach mit Autorität, als wisse er mehr über die Welt als die meisten Leute. Newton schlug einen Aktendeckel auf und las: "Der Minister und seine Begleitung werden um 15.15 Uhr hier eintreffen und dort von Professor Newton empfangen werden." "Das ist morgen", bemerkte sein Assistent. "Kommen Sie auch?" "Ich fahre schon einen Tag früher, um Joyce zu sprechen." Newton steckte den Aktendeckel in seine Tasche. "Kann ich Sie bis S. mitnehmen?" "Das wäre eine christliche Tat." Newton und Oberth behandelten einander mit äußerster Vorsicht, aber zuvorkommend - fast altmodisch. Bei der Ankunft, fragte Newton beiläufig: "Haben Sie einen Termin für den Anlauf?" "Noch nicht." "Die Sache wird langsam ernst." "Die Sterne können warten, sie haben es lange genug getan." "Das Komitee für Verteidigungskoordination auch." Oberth zuckte blasiert und leicht ungeduldig die Achseln. Er hätte ein Grieche sein können, der mit einem Römer disku¬tierte. "Joyce wird militärische Aufgaben übernehmen, wann und wie er kann. Das ist die Abmachung." "In dringenden Fällen. . "Wenn Alarm vorliegt, brauchen wir alle verfügbaren Ohren auf dieser Seite des Atlantiks." Newton nickte zu der Skizze an der Wand des Büros hinüber, auf der das Radioteleskop zu sehen war. "Für uns ist das kein Spielzeug." "Für uns auch nicht", versetzte Oberth. Kurz danach rief Miller von Bouldershaw Fell an, aber sie waren schon gegangen. Als Newton und der Assistent eintrafen, verschwand Oberth sofort; sie nahmen Lyss in den Kontrollraum mit. Der lag ruhig und wie ausgestorben; nur Miller saß über seine Arbeit gebeugt, umgeben von einem Papierwust, Zigarettenstummeln und leeren Gläsern. Newton starrte ihn an wie ein verirrtes Huhn. "Sie sehen aus, als wären Sie die ganze Nacht aufgeblieben, Miller. "Bin ich auch, Sir. Doktor Joyce und Oberth ebenfalls." "Schwierigkeiten gehabt?" "Nicht eigentlich. Wir haben geortet." "Auf wessen Anordnung?" "Doktor Joyce", erwiderte Miller leichthin. "Wir rech¬nen es jetzt wieder nach." "Warum hat man mir das nicht mitgeteilt?" Newton wandte sich an Lyss. "Wußten Sie davon?" Lyss schüttelte den Kopf. "Joyce scheint sich eigene Gesetze zu machen", meinte Newton. "Wo ist er?" fragte er. "Dort drin." Oberth deutete auf den Nebenraum. "Mit Dok-tor Oberth." "Dann bitten Sie ihn, mir eine Minute zu gönnen." Während Oberth in das Mikrophon auf dem Tisch sprach, lief Newton auf seinen kleinen Füßen auf und ab. "Was haben Sie geortet?" fragte er. "Eine Geräuschquelle in Andromeda." "A 31?" "Nicht A 31, Sir. Ein anderes Signal in der Nähe; ein unter¬brochenes. Joyce behauptet, es sei 2109! Und die möglichen Gefahren, das heißt, die Rettungsaktionen kämen von dort. "Ah, diese Hirngespinste. Es geht um einen möglichen Krieg der Sterne mit uns, die ist für Spinnereien kein Raum. Haben Sie es früher schon einmal gehört?" "Nein, Sir." Joyce kam, müde und unrasiert, nüchtern und zutiefst er-regt. In der Hand hielt er ein Bündel Papiere aus einem Drucker. Diesmal nahm Newton keine Rücksicht. "Sie haben also die Leitung auch des Observatoriums übernommen, was hör ich da für falsche Hypothesen, es geht um eine ernste Sache, um Krieg?" Joyce blieb stehen und blinzelte ihn an, wich aus. Es hatte keinen Sinn mit dem Alten zu diskutieren! "Ich bitte vielmals um Entschuldigung, meine Herren. Ich hatte nicht die nötige Zeit, die Formulare in dreifacher Ausfertigung auszufüllen." Er wandte sich an Miller. "Ich habe Sie im Büro angerufen, aber Sie waren nicht da." "Was haben Sie hier gemacht?" fragte Newton. Miller berichtete und breitete die Papiere vor ihnen aus. "Und das ist die Botschaft." Newton sah ihn interessiert an. "Sie meinen das Signal?" "Ich sagte Botschaft. Kurz und lang - 50 war es doch, Oberth?" "So klang es." "Es ging die ganze Nacht hindurch", sagte Miller. "Jetzt ist es hinter dem Horizont, aber heute abend können wir es wie-der versuchen." Lyss sah Joyce an, bekam aber keine Hilfe von ihm. "Und wie steht es mit der Eröffnung?" fragte sie schüchtern. "Ach, zum Teufel mit der Eröffnung!" Miller baute sich vor ihr auf. "Das hier ist eine Sensation! Eine Stimme aus Tau¬send und abermals Tausend Millionen Kilometern Entfer¬nung! Sie hat zweihundert Lichtjahre gebraucht, um uns zu erreichen. Da kann der Minister wohl einen Tag warten." Newton hatte seine Fassung wiedergewonnen. Amüsiert blickte er Miller an. "Und wenn es ein Satellit ist?" "Das ist kein Satellit!" entgegnete Miller. "Sehen Sie, wenn es ein Satellit wäre, hätte die Quelle nicht die ganze Nacht mitten im Sternbild der Andromeda festgestanden" "Sie sind sicher, dass es nicht der große Nebel war?" "Wir haben es gesondert lokalisiert, nicht wahr, Oberth?" Oberth nickte, aber Newton schien immer noch nicht über¬zeugt. "Es könnte durch Geräuschüberschneidung entstanden sein -irgendwie." "Ich erkenne eine Botschaft, wenn ich auf eine stoße!" ver-setzte Miller. "Außerdem hat diese etwas an sich, was mir noch nie zuvor begegnet ist. Zwischen den Längen und Kür¬zen ist eine phantastische Anzahl von raschen Detailgeräu¬schen. Wir müssen besondere Aufnahmegeräte improvisie¬ren, um sie festzuhalten." Er beugte sich zum Mikrophon und rief Bridger aus dem an¬deren Raum, dann nahm er die Papiere zusammen und drückte sie Newton in die Hand. "Schauen Sie sich das an! Zehn Jahre oder länger hat die Menschheit darauf gewartet. Zehn Jahrhunderte sind dafür nicht zu lang!" "Ist es verständlich?" fragte Newton mit lässiger Beamtenstimme, hoch und wiehernd. "Ja." "Können Sie es dechiffneren?" "Wo denken Sie hin! Glauben Sie, der Kosmos ist von Pfad¬findern bevölkert, die Morsezeichen senden?" Bridger kam, bleich, verkrampft; aber seine Gegenwart be¬ruhigte Miller. Er bestätigte Millers Bericht. "Es könnte von einer sehr entfernten Sonde kommen, deren Zeichen für uns noch unentzifferbar sind, ein anderer Bewußtseinszustand... Transwesenheiten ", meinte Joyce herausfordernd, er konnte es nicht zurückhalten, "es geht nicht um einen schlechten Roman hier, sondern um eine neue Wirklichkeit!". Der Professor sah ihn von oben herab und mit einem herablassenden Lächeln an, "wohl ihre Gruppe 2109!? Oder?" Joyce beachtete ihn nicht. Lyss nahm allen Mut zusammen und kam ihm zu Hilfe: "Oder von einem anderen galaktischen Planeten?" "Ja!" "Mars oder so?" Spottete Joyce. Miller zuckte die Achseln. "Wahrscheinlich von einem Pla-neten, der sich um irgendeinen Stern in der Andromeda be-wegt." "Und uns eine Botschaft sendet?" Newton reichte Joyce die Papiere. "Es ist zweifellos eine Kette von Kürzen und Längen." Doch nehme ich an, dass die genannten "Detailgeräusche" wesentlicher sind. Vielleicht Sprache, wenn Sie es entziffern können? "Wir haben es versucht", , sagte Oberth," und teilweise, aber amtlich noch nicht vorzeigbar, dechiffriert: Es sind Warnungen und zum Tiel auch Zeichen einer neuen Physik!" "Warnungen? Keine Kriegserklärung? Was sind das für Leute?" "Aliens! Oder sogenannte Tote, die sich melden, um uns zu helfen!!" Konnte nun Joyce doch sich nicht enthalten zu sagen. "Hören Sie mir auf mit dem Unsinn. Es ist erwiesenermaßen Humbug. Haben Sie diese Gruppe Lovering noch nicht entlarvt, das war doch Ihre Aufgabe!" "Im Gegenteil, bald entlarvt die uns"- kicherte nun Oberth im breitesten Sächsisch! "Was soll das heißen, Oberth! Nehmen Sie sich doch zusammen, wenn Sie unfähig sind, müssen wir sie versetzen! Sie sollen Ihren Auftrag wahrnehmen!""Zu Befehl, Sir!" Lyss versuchte abzulenken: "Warum hat denn sonst niemand diese Zeichen aus dem All aufgenommen?" "Weil niemand sonst über Apparate wie diese hier verfügt. Wenn wir Ihnen nicht eine so phantastische Einrichtung hin-gebaut hätten, könnten Sie es auch nicht wahrnehmen." Joyce setzte sich auf die Kante des Steuerpultes und starrte mit hilflosem Ausdruck auf die Papiere. "Wenn irgendein Lebewesen versuchen sollte, Verbin¬dung aufzunehmen . . . Nein, das ist Unsinn!" "Es ist durchaus möglich." Newton sah auf seine feingliedri¬gen kleinen Hände, als scheue er sich, davon zu sprechen. "Wenn es dort andere Lebewesen gibt... Aber sicher keine GeisterMännchen und Trans¬wesenheiten" Miller unterbrach ihn: "Nicht andere Lebewesen - andere Intelligenzen. Es brauchen keine kleinen grünen Männchen zu sein. Es braucht überhaupt kein organisches Leben zu sein, nur eine andere Intelligenz." Lyss schauderte, riß sich aber zusammen. "Warum schaudert mich bei dem Gedanken?" Joyce erwachte aus seiner Erstarrung. "Aus dem gleichen Grund, aus dem heraus es jeden schaudern wird, sollte das Signal tatsächlich von keiner astronomischen Quelle stam¬men. Es ist besser wir gehen!" 13 Es stammt von keiner "astronomischen Quelle" das ist klar. Joyce erinnerte sich an das gestrige Protokoll, das Lyss gebracht hatte, "Kindersprache", wie die TWs schon sagten, und die Newton auf keinen Fall sehen durfte. Auch Lyss hatte es natürlich gelesen, und dies war kein schlechter Roman, sondern wirkliche Stimmen. Lyss hatte die Abschriften und Reinschriften Joyce gestern übergeben:"Wir sind gegangen, wir sehn uns am Ende wieder - Wir hier kommen, lernen dann, wir sind all¬zeit Stundenten - Wir sind da für den Erwachenden - Nur die Wunden sind tot -" Sie hatten sich gestern einige der "Stimmen" angehört, die vor allem über die Zeit-Unterschiede sprachen, und über die Vorurteile: Tote, die denken - Können denken und dürfen sprechen - Das ist der Totensender - Von den Toten kann eine Sprache kommen Das ist andere Logik ... Dem physischen Verstand ist manches anders - Wir müssen Kindersprache sprechen - Wir sprechen über die verges¬senen Zustände. Joyce arbeitete mit dem Sprachlabor, hatte große Lust am Dechiffrieren der Transsprache, die oft sehr klar war, ganz direkt kam, freilich nur wenn ein Medium dabei war, oder die von der anderen Siete sich besonders bemüht hatten, vielleicht auch besondere feinstoffliche Transgeräte einsetzten: Wir sind tot, doch wir legen Protest ein, Nachrichten, die oft über Terplan ankamen oder in seiner Gegenwart hörbar wurden, auch in der gerätegestützten TK waren sie da, so dass lustige Transsylva¬nismen zustandekamen (sogar Terplans Dialekt, dann ungarisch, rumänisch, russisch, es war eine Art Show und Spiel zugleich, wobei Terplan vor allem Oberth und die Lin-guistin¬nen halfen. Die Mehrsprachigkeit und Trans¬textualität war evident, und dass "sie" auch gerne verrätseln und spielen, so dass im suprasegmentalen Phonem¬bereich einiges der Binde- und Silbentrennungsstriche z.B. Effekte ergaben wie die von Terplan selbst gelieferte Deutung es auch besagte: Bar-bes und igal barbî im Gras b(e)ist, heißt: "Barfuß egal ob du kämpfst bist du im Sarg, beißt ins Gras: Annaripp kein Gramm". Gras als Palindrom oder vollständiges Anagramm = Sarg. Auch: Barfuß ohne und igal Kampf (barbî = russisch Kampf) "Barbes"= sächsisch: barfuß; bes= russ. ohne. Wobei Annaripp wohl auch auf Anna-Lyss (und Analyse) bezogen war, doch auch auf den alten Kinderspruch zum Fürchtenlernen, den Terplan seinen kleinen Geschwistern nachts beschwörend vorsagte, dass die zitterten und weinten, weil angeblich ein Gespenst, also eine Transwesenheit, kam (Adam), um seine Rippe einzufordern, die begraben werden musste, damit er seine Ruhe finden konnte: "Anna, wo hast du deine Rippe"= Eva= Adams Rippe, was auf hebräisch wieder auf den Ursprung verwies. Wir sind nachts immer noch eng zusammen. Abr auch Spott kam durch: Gespenster, das sind wir unten - Guten Morgen, hier Parapsychen! 14 Als der Professor den Raum genervt verlassen wollte - hatte er doch Wind von diesen Dingen bekommen, hatte ihm gar sein Agent hier, wer war es? die Berichte vorgelegt?! - einigte sich das Team schließlich, die Botschaften in dieser Nacht wieder abzuhören, und ihm so Bericht zu erstatten, wie er es wollte, also einen oberflächlichen Bericht, wo nichts von den TWs vorkam. Das Archiv war ihm freilich zugänglihc, doch erbetrat es nie, als hätte er Angst vor den Berichten, die ihm nicht nur sein Weltbild, sondern seine Welt, ja, seine aufgeblasene Existenz und Rolle total vernichten könnte. Für ihn waren diese Geheimdeinstberichte nichts als Spinnereien oder Provokationen irgendwelcher verrückter Sekten oder gar psyhcologische Kriegsführung der sihc Angriff vorbereitenden Exreaplanetarier mit ihren UFOmaschinen, die ähnlichs ein ußten wie unsere Raumfahrzeuge, gar nichts anderes, und denen mit Rakten und Atiombomben beizukommen sei! Also wartete er auf eine Botschaft diesr Art. Ähnlich wie rpüher die Diktatoren im Oten, die ihren Gheimdeinsten ebenfalls nicht geglaubt hatten, bis sie dann - und genau deshalb- stürzten. So meinte Joyce, dass auch die Welt des Professor Newton so zu Fall ommen würde - und dies in nicht allzulanger Zeit! Und er war gespannt auf diese neue Botschaft von "ihnen". Die Botschaft hatte ja nicht ausgesetzt, sie war nur erloschen, als durch die Rotation der Erde das Teleskop sich von der Quelle entfernt hatte. Es war möglich, dass sie noch immer andauerte. Als Joyce diese Möglichkeit erwogen hatte, wurde Newton ruhig und sachlich. Joyce aber wußte, dass es keinen Sinn hatte, die dechiffrieten Zeichen, dem alten Betonkopf vorzulegen! Er, Miller und Bridger breiteten die Papiere wieder aus und taten so, als stu¬dierten sie sie. "Wissen Sie, was das sein könnte?" sagte Miller hinterhältig, denn genau dies hatten sie bei der Übertragung mit angewandt: "Binom¬sche Arithmetik." "Was ist das?" fragte Lyss. "Arithmetik ausschließlich mit den Zahlen 0 und 1 ausge-drückt, statt der Zahlen von 1 bis 10, die wir gewöhnlich be-nutzen und die wir als Dezimalsystem bezeichnen. 0 und 1, verstehen Sie, könnte kurz und lang bedeuten, oder lang könnte ebensogut 0 sein und 1 kurz. Unser übliches System ist willkürlich, aber das Binärsystem ist grundlegend. Es be¬ruht auf positiv und negativ, ja und nein, kurz und lang, männlich und weiblich, poisitiv und negativ - es ist universell. Eine Art Computerschrift" Er wandte sich mit geröteten, übernächtigten Augen fiebernd vor Erregung und Anspannung, ihr zu. "Die Philosophie ist niederge¬schrieben in der Sprache der Mathe-matik. Erinnern Sie sich? Mit dieser Sache - krach - brechen wir mitten durch. Und vergesst das Necronomion und John Dees System nicht!!!" (Es wurde freilich entziffert. Und es gehörte viel Phantasie und auch Lust am semantischen Tiefschlag und Tiefsinn dazu, wahre, aber entzifferbare Pfingst- und Zungensprache, die den Militärs so fremd, von ihnen so weit entfent war wie der entfernteste Stern: die bei "ihnen" auch explizite als die So-genannte hieß, sich selbst benannte, so eine der Durchgaben: Ruossilalie nannte Pe-gas Flügeldon die H-uhr geschlagen = russalii= rum. Pfingsten; Glossolalie auch; Rosinante = "Don" Quichotts Pferd= Pegas= geflügeltes Pferd (geflügelter Fluß Don auch, wo Rossi, die Roten das Pg-Gas: die Nazis - denen die Uhr oder diese Hur geschlagen! Und hatte einen Hintersinn, nämlich, wenn ihr dies nicht begreift, dass Pfingstzungen, Poesie, Seele wichtiger sind als Uhren, Chronokratie, Industrie, Wirtschaft, Raketen und Panzer, wird es euch Hurenböcke genau so ergehen wie den Nazis am Don! Das kam an keine Generals- oder Ministerphantasie heran. Und auch nicht in den Bereich des harten Alltags, dessen, was auf der Erde geschah, obwohl es bedingt war von dieser "Poesie", wie das Eine selbst, dem es sich annähern wollte: So dass, wie fast in allen Bereichen des öffentlichen Lebens, am schlimmsten in diesem militärischen, die eigentlichen Inhalte dessen, was diese Institutionen ausmachte, ihre Probleme ausmachten, nach denen sie suchten, nun hier nach den "Feinden" völlig außerhalb ihres Gesichtskreises blieb. Darunter Littlen hier alle, vor allem aber Joyce!) "Es wird das beste sein, die Eröffnung zu verschieben", warf Joyce ein. "Wir legen keinen Wert darauf, dass das in den Abendblättern steht. " "Warum nicht?" Joyce machte ein gequältes Gesicht. Für ihn war das die einfachste Sache der Welt: Man durfte nichts tun oder sagen ohne Erlaubnis. In seinem Bereich waren die Vorgänge in Transsylvanien nur ein kleines Glied einer komplizierten und verworrenen Kette von Vereinbarungen, und hinter ihnen stand die ganze Macht, die Newton repräsentierte. Alles musste sorgsam abgewogen und überdacht werden, um im Geflecht dieser überholten Realität des Staates mitzukommen, und das Schlimmste noch abzuwenden. Sie alle hier vom Sonder-Geheimdienst, die Bescheid wußten, inklusive Lyss und die anderen Agenten, die inzwischen die Wahrheit wußten, kamen sich wie Kranke vor, die zweigleisig fuhren, wie Irre. Morris, der ja Doppelagent war, hatte Joyce einmal gesagt, er käme sich vor wie ein Geheimdienstler aus dem alten Osten. "Psst, genau wie dort, werden wir vielleicht einmal dazu beitragen, dass dieses elende Konstrukt Realität, das ein Produkt kranker Hirne ist, fallen wird! Eine Revolution mit Hilfe der TWs wird kommen, eine große Mutation!" Und dann tat es ihm schon leid, es gesagt zu haben, und er schwächte ab: "So meint Oberth, sagte er dann lächelnd: Ich kann ihm nicht ganz zustimmen, aber er scherzt ja so oft!" "Was soll ich der Presse mitteilen?" fragte ihn Lyss. "Nichts!" "Sind wir eine Geheimgesellschaft oder was?" Miller sah ihn verächtlich an, aber es gelang Joyce, dienstlich und vernünftig zugleich zu wirken. Und der Professor mit seiner ganzen Autorität sagte in scharfedm Ton: "Sie können diese unverdauten Informationen nicht verbrei¬ten. Es müssen noch ganz andere Leute hinzugezogen werden, und außerdem löst das Ganze womöglich eine Panik aus:Raumschiffe, fliegende Untertassen, Ungeheuer mit vorste-henden Augen. Jeder Idiot wird sie sehen. Oder jemand nützt es für seine eigenen Zwecke aus. Es darf also nichts in der Presse erscheinen, Miß. " Hier konnte es Joyce nicht mehr schweigen, er setzte zu einem kleinen Vortrag an, und erstaunlicherweise, hörte nun der Professor sogar zu: "Es sind keine Untertassen," sagte Joyce sanft, "sie und ihre Insassen sind nicht zu definieren, sie sprengen unsere Möglichkeiten der Definition", sagte er: "Diese Anderen gehen dabei sehr geschickt und sogar mit einem gewissen hintergründigem Sinn für Humor vor. Sie begegnen unseren Ahnen, die sie für Götter hielten, nicht nur als lichtdurchflutete Wesen, sondern als "Astronauten" ..." Der Professor räusperte sich hörbar... "sie benutzen Raumschiffe, die heute ein¬wandfrei rekonstru¬ierbar sind, sie gestal¬teten Tempel zu Erdbasen um, deren Zweck erst jetzt erkannt werden kann, sie hinterliessen technische Geräte und andere Artefakte, denen abenteuer¬liche Wege durch die Ge¬schichte bevorstanden, und ließen Bauwerke errich¬ten, die sich nun als Datenträger zeitunverträglicher In¬formationen ent¬puppen. Das wäre fraglos nicht nötig gewesen, wä¬re damit nicht gleichzeitig auch eine konkrete Botschaft verbunden: die Botschaft, dass wir beginnen sollten, uns unsere Herkunft und unsere Auf-fassung von der Welt wieder in Frage zu stellen, unter ei¬nem neuen und anderen Licht zu sehen. Es ist die Ver¬änderung des Blickwinkels, die zu neuen Aus- und Ein¬sichten führt." "Nun gut", meinte der Professor ungeduldig, das kam auch in den Berichten mehrfach vor, dami haben Sie ihre Pflicht getan, aber zur Sache, glauben Sie da wirklich, was Sie sagen und auch berichtet haben? Und nun endlich konkret, ein paar Daten haben Sie ja geschickt, aber sie kennen die Sache mit dem Blue Book, und auch Rosswell, da ist nichts dabei herausgekommen!" "Weil wir noch nicht so weit sind, ihre Technik zu begreifen. Welche Art von "Technologie" sie dabei verwen¬den, ist nur schwer abschätzbar. Vielleicht hat man so etwas wie eine automatische Station in unserem Sonnensystem in¬stalliert, eine Art "Transmitter", der als Re¬lais zwischen jener fremden Intel¬ligenz und uns dienen könnte. Dabei ist es von ziemlich untergeord¬neter Bedeutung, "wo" und "wann" sich diese Intelligenz - auf un¬ser lokales Raumzeit-System bezogen - "derzeit" befindet. Die "Station" hätte lediglich die Aufgabe, als Mittler zwi¬schen "ihrer" und "unserer" Welt zu dienen, so wie der Datenhandschuh es dem User ermöglicht, in der virtuel¬len Realität des Cyberspace-Univer¬sums aktiv zu wer¬den. Der deutsche Physiker Dr. Wolfang Feix hat in einer umfassenden Untersuchung auf die Möglichkeit auf¬merksam gemacht, wonach die steinzeitliche Megalithanlage von Stonehenge als ein verschlüsselter Datenkomplex aufzufassen sei, der auf den Asteroiden >16 Psyche< verweist. Ich könnte mir gut vorstellen, dass man von dort oder einem äquivalenten Punkt aus die Entwicklung auf der Erde überwacht und steuert - und gelegentlich Projektionen erzeugt, die wir (ganz nach persönlichem Ge¬schmack, Phantasie, Religion und sozio-kulturellem Hintergrund) als das inter¬pretieren, als was wir sie gerne sehen möchten: als Madonna von Fatima, als Luftschiffinsasse vom Nordpolland, als leuchtender Riese am Bo¬densee oder als kleine graue Männchen von Zeta Reticuli, die er¬schreckte Mitbürger in UFOs entführen und mit langen Nadeln trak¬tieren." "Ach," ließ Newton hören, und hob die Hände abwehrend. Doch Joyce fuhr unbeirrt fort, vergebens machte ihm Lyss ein Zechen, so ähnlich mußten wohl Sicherheits¬leute auf ihre ZK-Funktionäre oder die Mumien selbst eingeredet haben: " Es wäre aber auch möglich, dass die Ande¬ren ohne der¬artige "Transmitter" auskommen und rein psychische oder parapsychische oder metaphysische oder wer weiß was für Methoden benutzen, um die beobach¬teten Effek¬te zu erzeugen. Ich will gerne eingestehen, dass all dies nur ziemlich zeitabhängige, dem Kenntnisstand am Anfang des 21. Jahrhunderts entsprechende Interpre¬tationen sind. Es sind vielleicht nicht einmal die besten, die wir momen¬tan zur Verfügung haben. Aber wir wollen darüber auch gar nicht weiter speku¬lieren. Jede Spekulation wäre ziemlich sicher dazu angetan, uns in die Irre zu führen und darüber hinaus einem pseudowissenschaftlichen Fruchtcocktail zu gleichen. Als Menschen können wir immer nur das erkennen und uns über das Gedanken machen, wozu wir intellektuell und aufgrund der Erfahrungen unserer Geschichte in der Lage sind." "Eben", warf der General ein, "überlassen wir diese Spinnereien den Poeten, und konzentrieren wir uns auf die Nachrichten!Und die Feinde..." "Es sind keine Feinde", sagte Joyce verzweifelt, darf ich Ihnen einige ihrer Botschaften zukommen lassen, die ich für äußerst wichtig halte!" "Wenn sie von militärischem Interesse sind, unbedingt. Doch bitte keine unnötigen Weisheiten etc." "Fraglos wird man in hundert oder in tausend oder in zehntausend Jahren wesentlich differenzierter darüber denken...." konnte sich Joyce nicht enthalten zu bemerken! Einen Augenblick überlegte er, dass es vielleihct doch am besdten sei, den alten Newton von den Botschaften zu überzeugen. Dann aber dachte er, dies sei sowieso nur vergeudete Zeit. Er müsste einen Geheimbericht an den Präsidenten selbst schicken. Leider war auch dieses schon einigemale geschehn. Und sogar der Präsident hatte sich vergeblich zweimal eingesetzt. Der Apparat war stärker! Wie beim Blue Book wurde jedesmal die Wahrheit für Blödsinn erklärt und abgeschmettert! Trotzdem bat Joyce den Kollegen Oberth das Material für Newton zusammenzustellen und es ihm zur Durchsicht vorzulegen. Oberth gehorchte und suchte wieder die Ordnungs-nummer GZ im Archiv. Joyce ging vorsichtshalber mit, um ungestört alles mit Oberth besprechen zu können! Anna Lyssowa und Newton blieben allein zurück, baten Joyce ins Restaurant nachzukommen; da geschah etwas Erstaunliches: Newton neigte sich zu ihr und sagte: "Sie wissen, was Sie zu tun haben, Lyssowa, von jetzt an berichten Sie über den Sonderkanal direkt an mich, was hier vorgeht!" 15 Lyss war auf ihren Job und ihre Dreifachrolle gut vorbereitet; sie war hier¬hergekom¬men, ohne recht zu wissen, was sie erwartete. Sie kannte schon eine ganze Reihe von Versuchs¬geländen und hatte als Sicher¬heitsoffizier auf einigen gear¬beitet, von Fylingdales bis zu den Weihnachts¬inseln. Doch Transsylvanien...? Sie empfand sich selbst nicht als Spionin, und die Vorstellung, ihre eigenen Kollegen beobachten zu müssen, war ihr sehr unangenehm. Aber das Innenministerium hatte sie angefor¬dert, und so war sie aus der Sicherheitsabteilung des Vertei¬digungsmini¬steriums an das Wis¬senschaftsministerium überstellt worden. Und Befehl war Befehl. Auch wenn sie diese ernsten, ja gast tödlichen Rollenspiele und das PRicheln dabei, genoß; das war der Grund, weshalb sie überhaupt diesen Job gewählt hatte, abgesehen von einer leichten Nymphomanie. Und Sex-besessenheit. Bisher waren jene, mit denen sie zusammengear-beitet hatte, immer darüber informiert gewesen, wer sie war, und es war ihre Pflicht ge¬wesen, sie zu schützen. Dies¬mal wurden die Kollegen jedoch selbst verdächtigt, und sie war als angebliche Pressereferentin angesetzt. Sie konnte ihre Rolle mühelos spielen. Sie sah anfangs so anständig aus, das hatte sich durch den Job dann leider gewandelt. Aber diese Leute, mit denen sie jetzt zu tun hatte, verwirrten sie. Sie lebten in ihrer eigenen Welt und nach eigenen Gesetzen. Wer war sie, um sie zu beurteilen oder an ihrer Beurteilung mitzuwir¬ken? Vor allem Joyce, mit dem sie nicht nur schlief, sondern den sie sehr mochte! Sie ließen Joyce zurück, riefen im Büro des Pro¬fessors das Ministerium an und fuhren davon. Unterdessen traf die Presse bereits im "Stern" ein, um an den Eröffnungsfeierlichkeiten teilzunehmen. Lyss führte Newton durch eine Hintertür in ein kleines Zimmer, wo ihnen ziemlich spät noch ein Essen serviert wurde. Hier konnten sie der ständig wachsenden Zahl der Wissenschaftskor¬responden-ten entgehen, die sich in der Wirtsstube die Zeit vertrieben. Joyce kam nach kurzer Zeit ebenfalls. Er stahl sich zwi¬schen jedem Gang in die Telephonzelle und kam jedesmal verärgerter und bedrückter zurück. "Was hat der Minister gesagt?" "Er hat gesagt - >Fragen Sie Professor Newton<." Sie aßen ein lauwarmes Fleischgericht, und er ging wieder. "Und was sagt Professor Newton?" "Was glauben Sie wohl? >Mund halten<, sagt er mit aller Bestimmtheit!"
Wußte der Professor mehr und tat nur so, alles im Auftrag. Joyce begann unsicher zu werden. Er hatte einen Test vorbereitet. Zog aus der Tasche ein Archivmaterial und reichte es zuerst Lyss ... Der General tat harmlos, kaute an einem Bratenstück. Lyss las, denn sie hatte verstanden, was Joyce wollte:
"Die Little Book-Mitarbeiter mutmaßten, dass ihr Projekt nur eine Alibifunktion hatte, um die Öffentlichkeit von den wirklichen Untersuchungen, die hin¬ter verschlos¬senen Türen stattfanden, abzulenken. Der wissenschaft¬liche Berater Dr. J.Allen Hynek, der auch beim Robertson-Panel an¬wesend war, sagte zu den anwesenden Presseleuten, dass es an der Zeit sei, eine gründlichere wissenschaftliche Untersu¬chung über UFOs durchzu¬führen. Er behauptete weiter, dass die Luftwaffe für UFO-Zwi¬schenfälle eine konventionelle Erklärung finden wolle, er Hynek, habe zwanzig Fälle gesammelt, die mit Sicherheit keine einfache natürliche Erklärung ermöglich¬ten. Die Anhörung im Kongreß war nach einer Stunde und zwanzig Minuten zu Ende. Außer einem Vorschlag zu einer anderen Ermitt¬lungsart war jedoch nichts erreicht worden.
Der Ausschußbericht widersprach in einem Punkt dem Luftwaffenmini¬ster Harold Brown. Er behauptete nämlich, dass bei UFO-Untersuchungen hoch¬qualifizierte Fachleute mit den technisch höch¬stentwickelten Geräten eingesetzt wurden. Der Ausschuß kam aber zu dem Schluß, dass das Projekt Little Book mit begrenzten Mitteln aus¬gestattet war. Der Ausschuß empfahl deshalb, dass man klinische Psychologen und Physiker von verschiede¬nen Universitäten zur Untersuchung ausgewählter UFO-Fälle engagieren sollte."
Geben Sie her, hörte man plötzlich die irritierte Stimme des sicher gewitzteren Luftwaffengreises, als die beiden hier annahmen, er überflog mit einem kleinen Grinsen das Papier:
"Es war aber klar: dass im Auftrag der Luftwaffe der Ausschußbericht manipuliert worden war. Der Atomphysiker Stanton Friedman teilte uns ebenfalls mit, dass es schriftliche Kor¬respondenz zwischen Dr. Donald Menzel und Dr. Condon gab, die man in der Bibliothek der American Philo¬sophical Society nachlesen kann. Weiters bestätig¬te Friedman auch, dass sich beide Wissenschaftler sehr gut kannten und Mit¬glie¬der der National Academy of Sciences waren. Die Kritik von Dr. David R. So¬un¬ders, einem ehemaligen Mitarbeiter von Condons Team, und ande¬ren an der Untersuchung beteiligten Wissenschaftlern wurde nicht mehr gehört. Dr. David R. Soun¬ders und Dr Roger R. Harkins brachten kurz nach dem Con¬don-Bericht ein Buch mit dem Titel: UFOs, Yes! Where the Con¬don Commitee Went Wrong heraus. Für die meisten Wissen¬schaftler war das Thema UFO von nun an ab¬geschlossen und Luftwaffe und die Geheimdienste waren zufrie¬den, denn von nun an wurden UFO-Berichte in der Öffentlichkeit und vom Gro߬teil der wis-senschaftlichen Gesellschaft nicht mehr ernst genom¬men. Diese Situation war die beste Ausgangsbasis fur eine ver¬deckte Untersuchung des UFO-Phänomens durch die Mili¬tärs und die Geheimdienste." Er las nicht weiter, steckte ohne danach zu fragen, das Papier in seine Tasche und höhnte, das ist nun mal wenigstens was Konkretes!"
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Lyss sollte der Presse am nächsten Tag mitteilen, dass die Er¬öffnung wegen einer technischen Störung verschoben werden müsse, nichts weiter. Von London aus würde eine zusätzliche Erklärung an die Redaktionen erfolgen. Es gelang ihnen, wie¬der unbemerkt durch die Hintertür zu entkommen. Doch sie war neugierig geworden und las den Rest dieses Papiers im Archiv am Nachmittag nach:
"Die vom Präsidenten angeregte Untersuchung des Phänomens wurde so torpediert: Das Projekt Little Book war wohl kaum geeignet, UFO-Unter¬suchungen ordnungsgemäß durchzuführen, da es laut Dr. J. Allen Hynek keine Computer; keine Flugzeuge, keine Radareinrich¬tungen, keine Nachrich-tenein¬¬richtungen und vor allem nicht das nötige Wis¬sen über UFO-Informationen anderer Agenturen besaß. Diese Agenturen waren die CIA, die OSI, die Navy und das North Ame¬ri¬can Air Defense Command. Projekt Little Book hatte im Gegensatz zu den an¬deren Behörden ein bescheidenes Budget und nur wenige Mitarbeiter. Ein auf¬grund des FOIA-Ge¬setzes freigegebenes Doku¬ment bestätigt die Vermutungen, dass das Projekt Little Book nur eine untergeordnete Rolle in den UFO-Untersu-chungen der amerikani¬schen Luftwaffe spielte. In einem Memorandum, das von General C. Bolender am 2. Okto¬ber 1969 verfaßt wurde, steht:
"..., Berichte über unidentifizierte fliegende Objekte, welche die natio¬nale Sicherheit beeinträchtigen könnten, sind in Übereinstimmung mit JANAP 146 oder dem Air Force Manual 55-11 kein Teil des Projekts Little Book. Berichte über UFOs, die die nationale Sicherheit beeinträchtigen könnten, werden fortführend mit den ge¬gebenen Luftwaffen¬verfahren, die für diese Zwecke einge¬richtet wurden, behandelt."
Der Atomphysiker Stanton Friedman sprach mit General C. Bolender; der ihm bestätigte, dass das Projekt Little Book nichts mit militärischen UFO-Sichtungen zu tun hatte. Es ist auch interessant, dass beim Orginaldokument 16 in den Referenzen angegebene Beifü¬gungen fehlen. Der UFO-Skeptiker Philip Klass behauptet, dass mit UFOs, die die nationale Sicherheit ge¬fährden, sowjeti¬sche Raketen gemeint waren. Dass diese Be¬hauptung unwahr ist, kann man in einem weiteren Luftwaffen¬dokument erkennen, das klar zwischen UFOs, Rake¬ten und feindlichen Flugzeugen unterscheidet. Auch die im ersten Ka¬pitel be¬handelten Dokumente von Projekt Moontest berichten von einem Projekt UFO, das unter strengster Geheimhal¬tung stand und nichts mit dem offiziellen Luft¬waffenprojekt Little Book gemeinsam hatte.
Während der sechziger Jahre und nach der Projekt-einstellung wurden die Little Book-Reporte 1-12 und 14 freigegeben. Als man wissen wollte, warum Little Book-Report 13 nicht freige¬geben wurde, behauptete die Luftwaffe, dass man aus abergläubi¬schen Gründen auf einen dreizehnten Report verzichtet hätte. Später be¬haupteten die Verantwort¬lichen der Luftwaffe, dass man Report 13 an Report 14 anfügen werde. Stanton Friedman sprach mit zwei Militärbedienste¬ten, die behaupteten, dass sie eine Kopie von Little Book-Report 13 gesehen hät¬ten. Beide bezeugten ihm, dass dieser Report als "TOP SECRET" klassifiziert war
Bill English diente Ende der siebziger Jahre beim Nachrichtendienst der amerikanischen Luftwaffe in der RAF-Basis Laken¬head in England. Er be¬hauptete, dass er während seiner Arbeit einen Report mit der Bezeichnung Little Book 13 bear¬beiten musste.8 Laut Bill English beinhaltete dieser Report wichtige Informationen, die genau bestätigen, dass UFOs nachweisbar sind! Das Dokument bestätigt weiter, dass eine größere Anzahl von Filmaufnahmen existieren, die von Militärflugzeugen mit ihrer Ka¬mera gemacht wurden. Offiziell wird die Existenz solcher Fil¬maufnahmen je¬doch geleugnet.
Der Atomphysiker Stanton Friedman teilte uns mit, dass er 1984 einen FOIA-Antrag zur Freigabe von 23 bei der OSI befind¬li¬chen CIA-Dokumenten gestellt hatte. Die CIA veröffentlichtc 35 Monate später neun UFOs betreffende Presseausschnitte Ost¬europäi¬scher Zeitungen. Die CIA lehnte es jedoch ab, die anderen 14 UFO-Doku¬mente zu veröffent¬lichen, und Friedman setzte recht¬liche Mittel ein. Zwei Jahre später erhielt er stark zensierte Sei¬ten von drei Dokumenten.
Da auch die Sicherheitsklassifikation gestrichen wurde, sind diese Do¬kumente ebenfalls jenseits von TOP SECRET klassifiziert und dürften hinter der schwarzen Tinte einen brisanten Text verber¬gen. Bei einer Seite ist außer der Referenznummer; dem Datum und dem Namen UdSSR alles zensiert. Eine ande¬re Seite gibt uns einen kurzen Einblick über den Geheimhaltungsgrund dieser Dokumente. Die über¬raschen-der¬weise nicht zensierten Sätze dieser Seite lauten:
"Amerikanische Wissenschaftler glauben, dass nieder-magneti¬sche Fel¬der keinen seriösen Effekt auf Astronauten haben, aber hochmagnetische Felder, oszillierende Magnet-felder und elektro-ma¬gnetische Felder können beträchtliche Effekte hervorrufen. Es gibt die Theorie, dass solche Felder mit der Supraleitung bei sehr niede¬ren Temperaturen verbunden sind, so wie im Weltraum. Das wiederum ist mit den möglichen Antriebssystemen von UFOs verwandt. Es gibt das Gerücht, dass Teile eines in Brasilien gefundenen UFOs mit Supraleitern und Ma¬gnetohydrodynamik zu tun hat."
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Analyss wahrer Name war, wie wir wissen, freilich nicht Anna Lyssowa, sondern Jinny Black: Anna Lyssowa war wie in diesem Job üblich nur der Deckname. Sie hatte nun auch den Auftrag, sich vor allem um Terplan, der eine wichtig Rolle im privaten Kreis des rätselhaften Gelehrten Lovering (Lov) spielte, zu kümmern. Dass Jinny, bis zu ihrem Namen, alles so gut verbergen konnte, war erstaunlich. Sie arbeitete an¬geblich "irgendwo" in H. als Sekretärin. Und Lov kontrollierte sie so we¬nig, wie Joyce oder Terplan. Erstaunlich fanden sie nur, dass sie eigentlich wie zwei Perso¬nen agierte, mal sanft und angelisch, mal heftig und zy¬nisch. Sie konnte das, war ja auch einmal Schauspielerin gewesen! Beide mochten die Sanfte sehr, nannten sie dann nur Anna, und mochten sie, anders freilich als die Sexbombe Lyss. Die Behörde hatte diese Madonna-Hure-Konzeption genial den Männerphantasi¬en angepaßt. Wenn Sex blind macht, macht Liebe auf Dauer blinder. Und damit hatten die "Stellen" gerechnet. Nur einmal kam es AnnaLyss komisch vor, und sie vermutete, dass man ihr mit ei¬nem Privatflugzeug folgte.
Sie war nach Dienstschluß gegangen. Sie wies ihre Se-kretärinnen an, das Datum ihres nächsten Besuches in ihren Ter¬minkalendern zu notieren.
Wenn sie ihre Arbeit beendet hatte, machte sie bei stürmischem Früh¬herbstwetter lange, einsame Spaziergänge über die Heide. Da sah sie ein weißes Flkugzeug startbereit auf einem kleinen Fliegerhorst bei Kopisch. Am folgenden Nachmittag war das Flugzeug, das aufgestiegen war, wieder abflugbereit da. Als Jinny den Weg zwischen dem Rand eines Feldes und der Heide entlangging, glaubte sie, das Blinken einer Signallampe zu erkennen. Das allein hätte ihre Neugier noch nicht geweckt, doch plötzlich hörte sie das Motorge¬räusch eines Autos in der Heide. Instinktiv duckte sie sich hinter einen Ginsterbusch und wartete. Es war ein starker Motor, der im Leerlauf leise brummte.
Wenige Augenblicke später setzte das Signalzeichen aus. Und kurz darauf fuhr das Auto an. Sie konnte sehen, wie es schwan¬kend davonfuhr. Als es weit genug entfernt war, rich¬tete sie sich auf und ging zum höchsten Punkt des Weges hinauf. An der Spitze des Hügels traf er mit einem Feldweg zusammen, der sich landeinwärts wand und in einem Tal zwischen den Hügeln die Haupt¬straße er¬reichte. Ein großes, auffallendes Auto verschwand um die erste Kurve hinter einem Kieferndickicht. Jinny blickte ihm nachdenklich nach: irgend etwas kam ihr bekannt vor. Es war wohl Lovs Auto gewesen. Aber was trieben die Männer hier?
Sie sagte ihrem Sicherheitsoffizier nichts, sondern ging am nächsten Tag wieder an die gleiche Stelle. Doch weder das Flugzeug noch das Auto waren zu sehen. Außer dem Kreischen von Krähen lag die Landschaft wie ausgestorben da. Am folgenden Tag regnete es, und danach hatte sie mit dem Besuch des Mi¬nisters, der die neuen Erkenntnisse über die "Anderen" erfahren wollte, so viel zu tun, dass sie nicht dazu kam, das Gelände zu verlassen. Am Nachmit¬tag des Tages vor der Berichterstattung war alles festgelegt. Joyce, ihr Sicherheitsoffi-zier, der ihre schriftlichen Berichte oft mit ironi¬schem Grinsen las, jeden Satz zerpflückte, abklopfte, als wären es Seelenspiegel, lief mürrisch und verschlos¬sen herum; Jinny selbst hatte Kopfschmerzen und fühlte sich sehr allein. Gegen Abend be¬schloß sie, Joyce zu besuchen, um ihn reinzulegen mit ihren sanf¬ten Seelen-Künsten. Sie fragte sich immer wieder, weshalb sie diesen Job eigentlich angenommen hatte. Und antwortete sich selbst er¬staunt: Weil sie diese "Gläubigen" hasste und zur Aufklärung beitra¬gen wollte, dass endlich wieder Ruhe sei. Sie hatte sich in Terplan verknallt und wollte, dass er "normal" werde, sie zu ihm ziehen konnte? Doch war es ihr klar, dass eben gerade seine Exzentrik sie so sehr anzog, sein morbides "Geheimnis" und das Haus, die faulen Gerüche, die dunklen Ecken sie richtig anmachten. Sie zerbrach sich aber nicht weiter den Kopf mit ihrem schrecklichen Komplex, eines wußte sie aber: Eine instinktive Abneigung, ja ein gewisser Haß ge¬gen diese Ufo-"Spinner", wie sie sie nannte, trieb sie an. Doch wenn sie genau überlegte, war es nackte Angst vor sich selbst. Dies gab sie sich selbst zu; Joyce vermißte in ihren Berichten solche Bekennt¬nis¬se, da sie, wie er wußte, zum Phänomen der "Fremden" gehöre. Überhaupt war sie überzeugt, dass er selbst, wohl aufgrund des er¬drückenden Datenmateri¬als ein "Überzeugter" war, und ihr deshalb vieles durchgehen ließ, ja, die Grup¬pe Lovs heimlich deckte!
Joyce lag auf dem Bett und hörte sich eine CD von We-bern an; gebildet war der auch noch! Er blickte auf und sah Jinny unter der Tür stehen, blaß und unsicher.
"Welche Überraschung; was kann ich für dich tun?" Er hatte schon wieder eine halbe Flasche Whisky ausgetrunken.
"Darf ich einen Augenblick bleiben, ich fühle mich gera¬de schrecklich elend, und Kopfweh habe ich auch." Plötzlich sitzte er sie. Warum? War das ein TRich?
"Tun Sie, was Sie wollen. Und trinken Sie das da aus." Er reichte ihr ein volles Glas.
Sie nahm einen Schluck von dem unverdünnten Whisky und spürte, wie er brennend die Kehle hinunterlief. Draußen er-tönte inmitten der Stille plötzlich ein langgezogenes tiefes Heulen, und ein Stück Dachrinne klap¬perte am Bungalow.
"Was war das?"
"Der Wind", erwiderte Joyce, lachte, kein Grauer. Er stand und sah sie an. "Mir gefällt es hier nicht", erklärte Jinny.
"Mir auch nicht", sagte er.
Sie tranken schweigend. Vor dem Fenster war der Him¬mel fast schwarz, und der Ostwind trieb noch schwärzere Wolken von den Karpaten herüber und heulte um die Gebäude. Jinny ließ ihr Glas sinken und sah Joyce in die Au¬gen. Der Kopf brummte ihr leicht.
"Tut mir leid, dass ich so hereingeplatzt bin."
"Unsinn!" Er zerwühlte ihr schon wirres Haar. "Ich kann ein bi߬chen Gesellschaft gebrauchen in dieser Bude. Besonders, wenn es ein nettes Mädchen ist."
"Ich bin überhaupt nicht nett."
"Oh!"
"Ich bin nicht gern, was ich bin." Jinny sah von ihm weg, wie¬der in ihr Glas. "Ich tue nicht gerne, was ich tue."
"Das geht uns beiden so." Joyce sah über ihren Kopf hin¬weg zum Fenster. "Ich bin auch nicht glücklich über das, was ich als Beauftragter der CIA hier tun muß."
"Ich dachte, Sie gingen darin völlig auf?"
"Das war einmal, aber jetzt ist es aus damit, ich weiß auch nicht warum. Ich habe versucht, mich damit zu identifizieren, aber ich kann es nicht." Verwirrt blickte er auf sie hinunter.
"Vielleicht sind Sie es, was ich brauche, Ed."
"Was?"
"Haben Sie bitte nicht zu viel Vertrauen zu mir."
Joyce grinste. "Sind Sie an irgend etwas Zweifelhaftem beteiligt, machen sie gar mit dem Lovering-Kreis gemeinsame Sa¬che?"
"O nein, gwiß nicht," log sie. "Es hat jedenfalls nichts mit Ihnen zu tun."
"Ich bin froh, dass Sie das sagen." Er hob ihr Kinn. "Sie ha-ben ein ehrliches Gesicht."
Er küßte sie leicht auf die Stirn, wie im Scherz.
"Nein." Sie drehte den Kopf weg. Er ließ die Hand sinken und wandte sich ab, als wäre er auf etwas anderes aufmerk¬sam ge¬worden. Der Wind heulte wieder. Sie schauderte trotz allem. Und fühlte sich sehr elend, bei diesem doppelten Verrat.
"Wenn Sie Männer beeinflussen wollen, müssen Sie et¬was aus sich machen." Er sagte das wieder in halbironischem Ton, alles schien so dop¬pelbödig, sie konnte es nicht glauben, dass er plötzlich so einfach daherquatschte, er kontrolllierte sonst jedes Wort. Oder war es der Whisky. Sie hatte ihn beim Schreiben ertappt. Sie stand regungslos da. Er hob eine Hand und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. "Sie sollten Ihr Haar aufstecken, dann könnten wir sehen, wie hübsch Sie eigentlich sind."
Sie wich von ihm zurück, so dass ihr Haar wieder ins Ge-sicht fiel; ihre Augen aber blieben auf ihn gerichtet, verwirrt und ge¬spannt.
"Oder Sie müßten ein anderes Parfüm benutzen, Jinny."
"Ist es das, was so riecht?"
Er nickte. "Kein schweres, aber Lavendel oder so etwas, nur raf¬finierter im Duft."
"Ich verstehe Sie nicht." Eine kleine Falte zeigte sich auf ihrer glatten Stirn: "Hübsch - häßlich. Gut - schlecht. Das ist doch keine logische Unterscheidung."
"Wir leben durch unsere Sinne. Sie bestimmen unsere Vor-stel¬lungen von Gut und Schlecht - unsere ästhetischen und mo-ralischen Urteile. Oh¬ne diese hätten wir uns wahrschein¬lich schon längst gegenseitig vernichtet."
"Sie geben sich die größte Mühe, nicht wahr?" Mit ei¬nem ver¬ächtlichen Lächeln blickte sie auf die Papiere in ihrer Hand. "Sie sind wie Kin¬der mit Ihren Ufos und Radars..."
"Und Sie mit Ihrem Haß. Ihre Berichte sind solange nichts wert, solange sie nicht auch Ihren Gemütszustand dabei mit-liefern, der sehr real dazu gehört. Das wird hier in unserem Gewer¬be verlangt, das keines mehr ist; es ist eines, das mit der Zukunft ar¬beitet. Ich will Ihnen mal was verraten..."
"Bei diesen Männerspielchen dürfen Sie nicht mit mir rechnen, ich hasse diese schale öde Technik und die real geworde¬nen Science-fiction hier! Nein, das tue ich nicht." Nachdenklich sah sie ihn an. "Trotzdem werde ich sie retten. Im Grunde ist es sehr ein¬fach." Mit einer kleinen Handbewegung deutete sie auf die Pa¬piere, die auf dem Tisch lagen, wo die Geheimberichte la¬gen und die ganzen Antriebs¬be¬schrei¬bungen der fremden Raumschiffe.
"Sie haben wenig verstanden, meine Liebe," sagte Joyce ganz langsam und beherrscht, plötzlich sehr ernst geworden, und dann so, als verrate er ihr ein verbotenes Geheimnis, das ihr dann so schien, als habe sie es schon ir¬gendwo in der Pflichtleküre der Ge¬heimdienstler gelesen; war es nicht ein Buch von Dr. Lammer? Oder vielleicht hatte sie es auch schon von Lov gehört, Joyce aber formu¬lierte behutsam und schön, und sie hörte ihm gern zu:
"Es geht jetzt nicht einmal mehr nur um den Dienst, sondern ich sage es Ihnen außerhalb unseres Dienst-verhältnisses und ganz in Freund¬schaft, weil es Sie direkt angeht, jeden angeht heute: Sie müßten wissen, was ich meine, Lyss, und Sie werden es auch bald erfahren, da Sie es noch gar nicht selbst wissen, was zur Schuld heute gehört; doch mehr noch, Sie fürchten mit ei¬ner aber¬gläubischen Angst irgendeinen Bruch im Ablauf der mensch¬lichen Er¬fahrung, in Ihrer Erfahrung, dass sie dann nicht mehr zurückkönnen, ich weiß, des¬halb sind Sie ja paradoxerweise zu uns geraten; jaja, tun Sie nur nicht so, Sie sind nicht besser als die anderen. Furcht also vor der Unordnung, der Willkür, der Unge¬mütlichkeit. Und die festen Mau¬ern wer¬den jetzt immer durch¬sichtiger für Sie, und die Dielen hier können unter Ihren Füßen bald wie Treibsand nach¬ge¬ben, Chaos, wie die alltäglichen Zufälle, die Sie hier lesen müssen, um durch¬zu¬kommen, und da versa¬gen Sie, Lyss. Ich habe aber den Auftrag, Ih¬nen zu sa¬gen, dass Sie morgen wieder gehen dürften, falls Sie es wollen."
"Nein, sagte sie trotzig, das will ich natürlich nicht!"
"Nun gut, also dies habe ich auch so erwartet. So kann ich ihnen nun folgendes im Vertrauen sagen: Die extrater-restrische Hypothese unserer Regierungsstellen und offiziel¬len Wissenschaft¬ler, sie kennen dies ja, wonach tatsächlich fortwährend Raumschiffe von Alpha Centauri bei uns eintreffen, war und ist nicht in der Lage, die Komplexität des UFO-Phänomens zu erklären. Ebenso¬wenig sind es andere Hypothesen: gleich, ob man UFOs als mehrdimen¬sio¬nale Fahrzeuge, als Fahrzeuge aus Pa¬rallelwelten oder aus zukünf-tigen Zeiten ansieht oder ob man sich auf die ziemlich simple "psychosoziale" Hypo¬these zu¬rückzieht, die alles nur und aus-schließlich im Menschen begründet sehen möch¬te. Mit den zahlrei¬chen Facetten des Gesamtphänomens kommen sie nicht zu¬recht und können sie nicht zurechtkommen. UFO-Erscheinungen, Marien-Er¬scheinungen, Bigfoot ¬Erschei¬nungen, Luft¬schiffe, die sich auflösen, Raum¬schif¬fe, die abstürzen, "außerirdische" Leichen, die ge¬borgen, und "halbirdische" Föten, die aus den Bäuchen schwangerer Frauen entfernt werden: all das ist we¬der "real" noch "irreal" wie unsere gesamte Wirklichkeit. Es sind künstlich er¬zeugte Verknotungen der Raumzeit, so wie Materie schlechthin heute als "natürliche" Raum¬zeit-Verknotung aufgefaßt wird: quasi¬materielle Er-scheinun¬gen, Projektionen, die eine fremde Intelligenz die Anderen in unsere Welt dele¬giert, die aber weder außen noch innen sind, doch nur in uns selbst gespiegelt werden müssen, nur mit dem Auge allein sind sie nicht sichtbar, wir müssten sie ja wiedererkennen.
Eigentlich wundert es mich, dass Sie uns diese frap-pierenden Berich¬te über Lovering bringen, selbst aber nicht daran glau¬ben. Es scheint so, als feh¬lte ihnen ein Organ dafür, und vielleicht sind Sie gerade durch diesen allgemein verbreiteten Irrglauben, es gä¬be die Phänomene nicht, so gut geeignet, uns zu dienen; wir sind längst davon überzeugt, nein, wir haben die Fakten, an denen nicht zu rütteln ist, und es ist klar, dass die Andern da sind! Daher brau¬chen wir Sie ja auch, denn die Bevölkerung darf es auf keinen Fall auch nur ahnen! Nur, was sind sie wirklich!? Es ist sozusagen genau der umgekehret Fall als bei den verflossenen Diensten im Osten, dort wußten die SSDs, dass die Realität eine mi¬serable ist, und glaubten nicht an die Ver¬rücktheiten der Oberen. Das durfte das Volk auf keinen Fall "rauslassen", jeder wußte es, vor allem die Geheimdienste wußten es. Hier kennt die Mehrheit die Realität, nämlich jenes Zwischen¬reich, nicht, und es soll ihnen prophylaktisch vorgemacht werden, alles, was damit zu-sammenhängt, sei Nichts, sei nichts als Täuschung. Aber auch hier: Das eigent¬liche Wissen der Menschen um die Existenz einer anderen, übergeordneten Welt stammt nicht aus verstaubten Texten oder hohlen Phrasen, nicht aus der Verkündigung dogmatisierten Unsinns oder entstellter Historie - es stammt aus der unmittelbaren Erfahrung des Menschen mit dieser anderen Welt. Eine solche Er¬fahrung kann auf vielerlei Weise erlebt werden: my¬stisch, religiös, mit christ¬lichem oder buddhistischem, schamanisti¬schem oder hinduistischem Hinter-grund. Es kann sich aber auch ganz einfach in einer Begegnung äußern, in einer Begeg¬nung mit den Anderen, die uns seit Anbeginn der Geschichte beglei¬ten."Joyce holte tief Atem und fuhr dann fort: "Wer aber sind "sie" nun wirklich? Ich stimme da meinem Freund Vallée vollkommen zu, er ist es auch, der mir die Augen ge¬öffnet hat, er sagte mir, es sei höchste Zeit, die Tat¬sache zu akzeptie¬ren, dass das UFO-Phä¬nomen auf das mensch¬liche Bewußtsein ein¬wirkt, dass es Gedanken und Bilder entstehen läßt, die den Schilde¬rungen jener Menschen nahekommen, die dem Tod nahe waren oder außerkörperliche Erfahrungen gemacht haben. Und ihre Eindrücke erinnern sogar an die Be¬richte mittelalterlicher Zeugen, die von Dä¬monen und Elfen be¬sucht wurden. Er hat recht, ich weiß es ja aus unserem Dienst, sie wissen es ja selbst: unsere Archive sind vollgestopft mit entspre¬chendem geheimem Material, dass sich auch unsere UFO-Forschung hier, ent¬sprechend den gängigen Vorurteilen in unserem gesamten Lebensbe¬reich, und den soll ja unser Dienst auch verteidigen, sich auf die wört¬liche Interpretation von nahen Begeg¬nungen und Entführungen versteift und ist dabei in eine Sack¬gasse geraten; ich habe versucht und ich werde weiter versuchen, es zu ändern, denn ich glaube daran, dass auch die CIA zu etwas gut sein kann, sie hätte die Macht dazu; die östlichen Geheimdienste haben auch ganz radikal zum Jahr 89 beigetragen; und ich bin nun mal "verdorben", nennen Sie mich, wenn Sie wol¬len "einen alten Idealisten". Die Fülle von Informa¬tio¬nen über psychische Reali¬täten, die im Tod oder unter gewis¬sen ver¬änderten Bewußtseins¬zuständen auftre¬ten, wurde in die¬sem Zusam¬menhang kaum eines Blickes gewürdigt. Doch diese psychischen Realitäten sind ebenso real wie die Realität des For¬schers, der auf eine fliegende Untertasse wartet, bei der er "mal den Reifendruck messen" will, wie es ein Ufologe aus San Fran¬cisco, der sehr prak¬tisch vorgeht, einmal tref¬fend sagte.
Die nächsten beiden Fälle, die wir zu untersuchen haben auch mit Hilfe psychologischer Tests und Hypnose, sollen dazu dienen, diesen Punkt zu er¬hellen. Ich habe es allerdings aufgegeben, den UFO-Enthusia¬sten erklären zu wollen, dass so etwas wie eine psychische Realität existiert, die nicht im Wider-spruch zur physischen Welt stehen muß. Andererseits gibt es heute noch viele Menschen, die die Tatsa¬che nicht akzeptieren können, dass Licht zugleich Welle und Partikel ist.
Es ist eins der Wunder unseres Lebens, dass ein Mensch ein lan¬ges Leben glücklich leben kann, ohne sich auch nur einmal über die Realität des Bewußtseins und seine Fähigkeit, die rein phy¬si¬sche Ebene zu überwinden, Ge¬danken zu machen. Wird die Zeit ihre Herrschaft im Augenblick des Todes lange genug aufgeben, damit auch diese Menschen sehen, was sie verpasst ha¬ben?
Jedes aktive Handeln, das auf Interaktion mit dem UFO-Phäno¬men zielt, muß berücksichtigen, dass dieses Phänomen in der Lage ist, die Wahrneh¬mung der Zeugen zu kontrollieren und deren psychische Realität zu verändern."
Hier ein Bericht, der in den Tagen beim Obersten Joyce über die nächsten Fälle eingegangen war, und den er Lyss/Jinny zu lesen gab:
"Innerhalb einer Spanne von nur drei Wochen gab es im September in Venado Tuerto, einer drei Autostunden südlich von Rosario gelegenen argen¬tinischen Kleinstadt, vier dramatische UFO¬-Fälle. Im ersten Fall sah ein junger Tischler namens Alberto sie¬ben Objekte und zwei Wesen auf dem Boden. Im zweiten Fall sah der zwölfjährige Oscar drei Objekte und betrat eines von ihnen, um mit einem sehr großen Mann und einem Roboter zu spre¬chen. Im dritten Fall, als der Transformator des Ortes ausgefallen war, spürte der sechzehnjährige Bäcker Francisco eine starke Hitze, die von einem leuchtenden Objekt ausging. Im vierten Fall wurde ein dreiundfünfzigjähriger Mann, der nachts mit dem Auto unter-wegs war, über sechs Kilometer "teleportiert" und musste wegen Brustbe¬schwerden ins örtliche Krankenhaus einge¬wiesen werden.
Als ich im April nach Venado Tuerto fuhr, sah ich eine länd¬liche Ge¬gend, ein sehr ebenes Gebiet mit einigen modernen Anwesen, vielen Sümpfen und Lagunen. Wir trafen uns mit mehre¬ren Angehörigen der dc, einer argentini¬schen Forschergruppe, die uns zusammen mit Fabio Zerpa und dessen Frau zu der Stelle führten, an welcher der Junge das Phänomen gesehen hatte..."

Als Jinny gegangen war, nahm sich Joyce seinen Dr. Hoffmann und lud bei ihm seine Emotionen ab. Und als sein Mitarbeiter Dr.Oberth mit einer dicken Mappe von Fällen erschien, und auch einer Unter¬schriftenmappe, konnte er sich vom Satz nicht trennen: Ist man sich darüber nicht einig, Oberth, wir sind ja hier an der Quelle: dass die wirklichen Erscheinungen im Leben oft viel wunderbarer sind, als alles, was die regste Fantasie zu erfinden trachtet. Ich meine, sprach Joyce, dass die Geschichte davon hinlänglichen Beweis gibt und dass eben des¬halb unsere UFO-Geschichten alle soge-nannten historischen Romane übertref¬fen, Romane, mit ihren Kindereien, de¬ren Taten sich den ewigen, im Universum wartenden Macht ver¬suchen. Der arme Marx.- "Es ist" die tiefe Wahrheit der unerforschlichen Geheimnisse, von denen wir umgeben sind, wel¬che uns mit ei¬ner Gewalt ergreift, an der wir den über uns herrschenden, uns selbst bedingen¬den Geist erkennen." –

Eddy, der Oberst und Chef, warf ihr nie vor, irgend etwas erdichtet zu haben, obwohl sie doch wußte, dass er ihr den Ablauf im Prinzip eingetrich¬tert hatte und es im Grunde immer die gleiche Geschichte war.
Sie selbst schrieb dazu: "Und dies konnte ja nicht ausbleiben: denn vom ersten Augenblick an, hatte es zwischen uns gefunkt, klar! Als er meinen Rock oben hatte (den schwarzen, und ich hatte die weißen Stiefel an) und seine Hose unten, konnte ich Ed¬dys Gürtelschnalle klappern hören, als er sich aus der Jeans schälte. Beiläufig fragte ich mich, als er zu mir ins Bett glitt, ob die Stel¬lung, die ich beschrieb, physisch durchführbar wäre, aber ich erzählte weiter von den Anderen, wie deren Sex sei, und es tat sich ja auch schon was bei Eddy. Ich vergaß nicht, das wichtigste Mittelchen einzu¬flech¬ten, zu erzählen, wie ich früher mit den Zuhältern vögelte, wie weh es tat, als der große Kerl, Allan hieß der, ihn reinstieß, ob¬wohl ich echt feucht war. Ich flocht ein, wie der mich an den Handgelenken hielt, obwohl ich mittlerweile den Über¬blick verloren hatte, was wo war. Eddy befummelte mich in¬zwi¬schen, streichelte mich an Busen und Bauch, so dass ich von der im-provisierten Brutalität, mit der der Kerl sich in mir bewegte, zu den Empfindungen überging, die ich bei ihm verspüren sollte. Denn was ich dabei verspüren sollte, das hatte ich noch nicht ge¬spürt." Lyss wußte ja, dass man an einen Punkt kom¬men konnte, wo es ein bißchen weh tat, aber noch schön war, doch das war's ja nicht. Was Eddy hören wollte, war, dass es sehr weh tat und deprimierend war, ihr aber trotzdem gefiel. Worauf sich Jinny, ja, sie war plötzlich wieder Jinny und nicht mehr Lyss, kei¬nen Reim machen konnte; dennoch hatte sie gelernt, es so zu erzählen, wie er es von ihr wollte.
Denn immerhin klappte es so, und dann wälzte sich Eddy auf sie und glitt, die Decke über den Rücken gezo¬gen, zwischen ihre Beine. Sie vermutete, dass es in sei¬nem Kopf wie in einem Comic ablief, was sie ihm er¬zählte, und dass er zugleich der anonyme, star¬ke, ram¬melnde Kerl wurde. Er hatte jetzt seine Hände über ihrem Kopf und klammerte sie fest, wie er es gern tat. Und als er fertig war und sich umdrehte und schlief, lag sie wach im muffigen, dunklen Raum und wendete ihn hin und her, den strahlenden, wun¬derbaren Traum vom Gehen. Und bitte laß ihn wahr werden. So wurde sie Lyss.
Wozu aber das Ganze (blasphemische Frage, fand Joyce) Für die beste Hure des Geheimdienstes (noch blasphemischer fand Joyce die Motivierung: ernstscherzhaft: wiederholt ewig die Eva!) gab es eine Sonderprämie (zwei kleine goldene Bäume! auch als Ohrring zu tragen, einer allein wäre ein Nasenring!) Als Joyce nach dem Akt wieder atmen konnte, gab sie ihm ein (für sie) rätselhaftes Papier zu lesen, das sie Lov entwendet hatte, Lyss hatte Lov angegeben, dass sie ganz heiß auf Ufonachrichten sei. Und als Lov mal Pinkeln musste, konnte sie es ganz schnell ablichten, nachdem ihr Lov großzügig ein Dokument überlassen hatte, das er nur aus dem Archiv oder von "ihnen" direkt haben konnte. Ob Morris gar ein Doppelagent war?

Lyss, das wußte Joyce, war ja entführt worden.

Lyss aber, wenn ich jetzt ihr Tagebuch nehme, das sie mir überließ, weil ich es ja doch herausbekommen hätte, über Terplan oder über Joyce, der sie ja beobachten ließ, schrieb, was ich auch sonst von ihr gehört hatte, und eigentlich verwunderlich bleibt, dass sie schizophren sei: dabei schien Lyss doch Lust daran zu haben, und doch war sie auch da in mehrere Personen gespalten, beim Vögeln immer die "Anonyme":
"Und diesmal war Morris, der Schüchterne dran. Ich hatte nur ein wenig die V unterm Rock aufblitzen lassen beim Gespräch, und auf dem Nachhauseweg sagte ich auftragsgemäß: Darf ich zu dir kommen? Und sah angestrengt geradeaus. Er stotterte nach einer Schweigeminute: Ja. Auto fuhr noch. Endloser Weg zu ihm. Schüchtern und herzlich. Kopf voller Formeln, sonst kein Körper anscheinend. Doch das sind dann die Wildesten, da kommt alles raus. Gesichtszüge erstarrt. Jetzt. Komisch, nicht nur Auftrag, auch Neugierde. Immer die Neugierde, wenn man die Scham gemeinsam erledigt. Neu. Im Fahrstuhl."
Sollte bei Bataille nachlesen. Oder bei Miller? Lyss ist besser:" Helles Licht. Und doch er kommt, schüchtern, wie eine Brücke über unendliche Entfernungen, nimmt meinen Kopf in beide Hände, Ein Kuß. Kennen uns nicht. Wissen nichts einer vom andern. Waren doch vorher in der Bar. Da ausgelassen. Im Gemenge geschützt. Jetzt alleingelassen, sich stellen. Sex ist wie eine unsichtbare Kraft und Vorfahrenreihe, all die Toten, die auf uns zukommen, von uns Besitz ergreifen, wir als Person sind ausgelöscht. Und ausgelöscht auch durch den Auftrag. Wem diene ich? Der Kuß täuscht. Keine Brücke. Uns ausziehen, nebeneinander nackt im Bett. Alles beginnt automatisch zu werden. Seine Hand an meinem Nippel. Lächle hoch. Arm um mich. Schmiege mich an. Dabei bin ich weit entfernt. Ein Ruck. In meiner Wohnung. Er darf wissen, ist ja Kollege. In der Küche. Kühlschrank. Die Tür. Knacken. Wenn "sie" kommen? Unsinn, bin schon infiziert. Schnaps. Komm. Mustern uns im Neonlicht. Nichts, keine Gemeinsamkeit innen. Nur die Körper sind erregt. Beide schon gerötet im Gesicht. Wir wissen, bald wird’s sein. Zum erstenmal. Geh auf ihn zu. Er angezogen da auf dem Bett. Sieht mich an. Als erwarte er alles von mir. Hab ihn doch eingeladen. Gebe mir einen Ruck, leg die Bluse ab, Mach mich frei. Sein Blick verändert sich. Nebel über die bisherige intelligente Klarheit. Aus mit der Mathematik. Ja, die schweren harten Brüste, die Aufgerichteten tun immer ihre Wirkung. Lasse den Rock fallen. Hatte nichts darunter. Die Starkbehaarte ganz nah vor ihm, ich: steh vor seinen Augen, für die ist dieser Lippen-Eingang die ganze Welt, die verschwindet.. Hätte er nicht erwartet. Atmet schwer, greift nach mir, blitzschnell liegen seine Lippen an der Hairy. Jetzt ists sinnlos noch innen auf ihn zuzugehn, nimmt seinen Lauf, was die V fordert, ich zieh ihm die Hose runter, den Slip, sein Penis ist ein kleiner Baum, aufgerichtet, fast schmerzend denk ich, hat der heftig reagiert und zuckt. Da wird keine Lustverzögerung um Luststeigerungswillen möglich. Ich beuge mich über ihn und umschließe den Stengel mit meinen Lippen, falle so auf ihn, dass er die Hairy und meinen hochgehaltenen mondigen Hintern direkt vor sich hat, er scheint vor Gier durchzudrehn. Das hat er nicht erwartet von der Kollegin. Ist überschwemmt. Plötzlich brichts auch aus anderen Personen, die er ist, und als den wir ihn nicht kennen, doch durch: Schwarze Löcher sind gefährlich. Und doch vermutlich Antigravitation. Auch Mozart hatte eine Passion fürs Scatologische und für die schweinische Sprache, Verbalsex und dies Engelszimmer wo die Engelsmusik entstand war ein Schweinestall... Nigredo... Albedo.. .komm, komm... und die beste Mathematik... dann müsste es ein Kind sein, schrie er... untersteh dich... kein Sinn mehr, sich auf ihn einzustellen, es sind mindestens vier Personen im Raum... wichtig, die beiden Intellektuellen hier rauszuschmeißen, die uns zusehen. Jetzt gilt das Ritual… Sau rauslassen Signalstellen abarbeiten, Arme, Beine, Rumpf bewegen sich. Genau bekannt. Wollen die Gesten überhaupt noch Personen? Wir bemühen uns nicht mal mehr, uns etwas Glück vorzumachen ... was ist das überhaupt, weit weg, was wir waren. Fremd sind wir uns. Aber das steigert die Lust, nur dies, das Anonyme. Sich Vergessen. Hebt sogar die Spaltung auf. Und sind gar nicht da. Er meine Fata Morgana, ich seine. Gespenster. Objekte der Natur. P+V, V+P, einzige Gleichung. Und vereinigt alles Zerrissene? Nur Ersatz? Ach, nein, tiefer Ursprung, Geheimnis. Lassen wir uns deshalb immer wieder auf diese Schweinerei ein, weil es keine ist. Wunderbar in seiner Unschuld doch, hinab, wo unser Ururahnen, Klümpchen Amöbe, Samentierchen, wir Flagelationieren, wir Cunilinguieren, fast vergehend, ohnmächtig, ausgelöscht, nur um den Ursprung der Schöpfung wieder herzustellen? Nein, keine ... nur Ersatzeinheit, Platons Mythos von der Gespaltenheit (der ganze Mensch, nach hinten blickend die Frau, nach vorn der Mann. Rund: Rücken an Rücken, ein Wesen wurde zerteilt!) wird aufgehoben: W/M oder auch M/M, W/W wird gewaltsam im Orgasmus wieder zusammengefügt, die Vielheit erlischt. Wir im Anus Mundi, in der Vagina mundi, der Urpenis, der Baum des Lebens, ja, glitt geräuschlos in die V, kein Zögern, Stoßen wie beim Aleph, der Eins, des Einen, Alpha zu Omega... und dazu üppig Wald an Wald. Buschig, Haar an Haar weich und fast das Beste: Nervenberührung auch des Bauches, der Brüste, der Münder Verschmelzung, ich umklammere seinen Hals, er hat die Hände unten um meinen Arsch, hebt ihn sich zu... Mehr, mehr, jajajajaja, stöhnt die andere aus mir... wie sie am Schluß auch schreit, die Andere... wer ist das, wer ist er? Morris, Lyss? Blöd die Assoziation: Gefühl ist alles, Name ist Schall und Rauch, hör ich dauernd von Lov. Angekommen, ohne dass ich bei Morris, er bei Lyss angekommen wäre... kommen... kommen... Ihr sollt ein Fleisch sein!?? Er hatte sie erkannt? Unsinn, als wäre sowas Alles. Ist Nichts. Doch aus dem Nichts kam die Welt. Schreib ich jetzt nachträglich. Dort nur bewußtlos Augen von Dunkelheit erfüllt. Eingeschlafen nicht mal zu zweit, Arm in Arm nebeneinander aufwachen? Er schlief erschöpft, ich nahm seine Tasche, prall gefüllt mit seinen Berechnungen, während er hinüber war, bei ihnen? Lichtete ich das ganze Bündel ab, ich hatte Neugierde gemimt, und er hatte tatsächlich alles mitgebracht, der Doppelspion? Und beim Kaffee am nächsten Morgen, der "Spuk" verflogen, er, genial im Kopf so hell, dass es mir weh tat. Gottseidank, dass ich nicht mit ihm leben, mich von ihm zerstören lassen muß. Es werden Monate vergehen, bis wir dies wiederholen (müssen)? Komisch ist, dass ich den Eindruck habe, als wäre diese Nacht auch noch ein Tabubrechen gewesen? Keiner erfährt was, außer Joyce, der immer wieder auch komisch eifersüchtig ist, obwohl er mich zu diesen Hurendiensten schickt. Und verlangt, dass ich am nächsten Abend zu ihm komme. ER meint wohl, mit seinem Schwanz könnte er die vergangene Nacht "auslöschen". Irgendwie stimmts ja auch. Aber alle sind wir doch polygam. Das andere, die "Treue" wurde in uns reingesetzt. Lov schwadroniert da von der Hofmannsthalschen Treuekonzeption, Treue sei Treue zum Einen, grinst dann Joyce. An das jeder denkt! Wüßte gern, wie diese beiden "Einen" zusammenhängen! In der Kabbala scheint einiges darüber zu stehen. Muß mir von Lov das mal ausleihen, der ist mit dem Zeugs vollgestopft im Kopf und in der Bibliothek!"
Nun ja, wäre Lyss in Italien, würde ich ihr den Guido Ceronetti empfehlen: Il silenzio del corpo. Mit Lust las ich auch das Erfolgsbuch der Carmen Covito "Single", wo eine Doktorin Doktoranden die Doktorarbeit (für ein angemessenes Honorar) schreibt, und mit jedem der viel Jüngeren ins Bett geht, im Preis inbegriffen! L. hats übersetzt. Und Sollers: "Femmes", das aber im Manuskript geblieben ist! Die einsame Doktorin, häßlich und Anfang vierzig, entdeckt, wie sexy man sein kann, wenn man seinem Wunderwerk Körper vertraut. Meine Mutter sagt, ein Mann kann nie häßlich genug sein, anscheinend gilt das auch für Frauen, wenn nur ihre V spricht, der Rest der Person ist dann nur V-Anhängsel, auch das Gesicht, gar das Alter werden Nebensache. Ein Freund meinte, naja, da leg ich eben der Mina ein Polster aufs Gesicht, denn unten da ist sie fabelhaft! Und unlängst hier am Strand in V. im heißen Sand und Meeresrauschen, Füße nicht im Feuer, sondern im Meer, lagen zwei deutsche Frauen im Sand, die eine lag auf dem Bauch, Sonne auf dem Rücken, dessen Verlängerung, appetitlich genug, feste Arschbacken, und in Gedanken zog ich sie aus, gespreizt die Beine etwas, und sah von hinten ihr Wundergewächs. Gute Figur, als sie aufstand, lange schöne Beine. Entsetzen, als sie mir dann das Gesicht zuwendete: es war von einer teuflischen Häßlichkeit! Doch ihr Gang entsprach nicht dem Gesicht, sondern war stark selbstbewußt und wiegend, als sie ins Meer stieg, entsprach diesem gut gebauten Frauenkörper. Bei Lyss allerdings gibt’s das nicht, sie strahlt unschuldig bis an die Ränder ihrer Aura, vor allem aber im ersten Gesicht, denn das zweite ist ihre wirklich sehr schöne V (Lov hat mal ihr Kunstfoto mit einem Mühlrad als Kopfkissen beschrieben, verrückte Idee!) Ist sie auch noch eine Ficktheoretikerin? Ihr Lieblingsautor freilich Bataille, auch De Sade, "Justine". Und Miller.
"Also die Tabus, wenn wir an die Morrisnacht denken, gebrochen. Ja. Er bleibt trotzdem ein schüchterner Junge. Das reizte mich auch besonders. Als wär da ein unsichtbares Jungfernhäutchen zu durchstoßen gewesen. Doch auch bei ihm zeigte es sich: Die Tabuüberschreitung, Brechung der Scham, schafft jene Mystik, Ekstase, die zu `ihnen` führt. Ich vergaß zu sagen, dass wir beide während des Orgasmus das Klingen und Singen hörten... Und Stimmen. Ob sie dann da sind, uns beobachten? Doch ich bin auch überzeugt, dass wir dann den Körper verlassen (OOBE), und dass arme Enttäuschte, die wir runterholen sollten, zusehen, warten, und wenn dann der Samen auf den Bauch oder in den Mund geht, enttäuscht sich abwenden, gar Schaden nehmen. Außersichsein, Person ablegen - ähnelt ja der Mystik. Freilich, die Sinne sind nicht abgeschnürt, sondern im Gegenteil ganz heftig entflammt! Das ist der Unterschied, also die Wand aufgebaut - auch zu ihnen?"

Doch das schlechte Gewissen vermischt sich doch andauernd mit der Lust bei Lyss: "War ich eine Hetäre, Geheimdiensthure. Fick-Spitzel?" Aber viel war da auch nicht rausgekommen. Sexundpolitik? Sexundbetriebsgeheimnis? Heimlich, verheimlicht, tabu, verboten. Ach, die Scham und das Sichverstecken ist im Sex das Beste, aus der Kindheit noch. Beim "Betrieb" ists schändlich, ists erst das Verbrechen: "Komisch, denk an Mata Haris Erschießung. Mal nachgelesen, und gestern dieser Film von Sch. Eine baltische Schloßbesitzerin, russische Spionin, die von ihrem Geliebten, einem deutschen Offizier, standrechtlich erschossen wird, weil sie, nur um ihn auszuforschen, mit ihm ins Bett gegangen war. Die hatte wenigsten noch Ideale. Und ich? Ja, ich will nur rausbekommen, was mit den Extraterrestriern los ist: in uns, außer uns. Und wir im Außersichsein bei ihnen sind? Auch der Orgasmus letztlich ekstatisch ein Weg sein kann? Die Tantriker meinen es."



INHALT
I
Obertzungen (Engültige Fassung)

II
Engelszungen. Ein Ufokrimi
Unkorigierte-Fassung

Engelszungen Reserve

Anhang
Engelszungen kurz end
Engelszungen-Fragmente
Die Engelsprache

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